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Wohnungsmängel – Selbstbeseitigung durch Mieter

AG Hamburg

Az.: 46 C 108/08

Urteil vom 01.04.2009


1.) Die Klage wird abgewiesen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.) Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die einen noch zu zahlenden Betrag aus dem Mietverhältnis für den Monat Juli 2008.

Die Parteien verbindet ein Mietverhältnis über die Wohnung in der L. Chaussee … (Wohnfläche 93 m 2). Die Vermieterin ist eine Erbengemeinschaft deren Sitz in Großbritannien liegt.

In der Wohnung der Beklagten fiel am Samstag, den 01.03.2008 die Heizung im Wohnzimmer komplett aus. Sie war vollständig kalt und ließ sich nicht mehr verändern.

Im Treppenhaus des von der Beklagten bewohnten Hauses hat die Klägerin zu einem unbekannten Zeitpunkt einen Hinweiszettel angebracht mit folgendem Text:

„Hinweis

im Falle eines Heizungsausfalls ist unser Heizungs-Service (24-Stunden-Service) unter folgender Nummer erreichbar:

T. 040 …

Missbrauch dieser Nummer ist zu vermeiden.

Die Hausverwaltung.

Die Beklagte wartete bis zum Montag, den 03.03.2008 mit dem Anruf bei der Firma T.. Die Vermieterin oder ggf. andere Ansprechpartner wurden nicht über den Ausfall der Heizung informiert.

Am gleichen Tag erschien ein Mitarbeiter der Firma T. und versuchte die Heizung zu reparieren, was jedoch nicht gelang. Am nächsten Tag wurde dann das Thermostatventil komplett ausgetauscht. Die Firma T. forderte mit Rechnung vom 22.04.2008 von der Beklagten insgesamt 226,10 €. Dieser Betrag wurde von der Beklagten bezahlt. Eine Übernahme dieser Kosten lehnte die Klägerin mit Schreiben vom 06.05.2008 mit der Begründung ab, dass kein Notfall vorgelegen habe. Die Beklagte verrechnete dann mit Vorankündigung und unter Widerspruch der Klägerin den aufgewendeten Betrag mit der Monatsmiete für Juli 2008.

Die klagende Partei beantragt, die Beklagte kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen, an die Klägerin € 226,10 nebst 5 % Punkten über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 06.07.2008 zu zahlen.

Die beklagte Partei beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wendet ein, dass sie versucht habe, den Mangel am Wochenende bei der Klägerin (Frau E. W.) anzuzeigen, hätte dort aber niemanden erreicht. Sie hätte den Zettel im Hausflur so verstanden, dass auch ohne vorherige Rücksprache mit der Vermieterseite immer die Firma T. beauftragt werden durfte, die Vermieterseite mithin auf ihr Recht, den Mangel selbst zu beseitigen verzichtet hätte.

Weiter würde ihr aber jedenfalls ein Anspruch auf Aufwendungsersatz zu stehen, da es sich um einen Notfall gehandelt habe.

Entscheidungsgründe

1.

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Beklagte ist zwar ihre Hinweispflicht über den aufgetretenen Mangel nicht nachgekommen, indem sie weder Frau E. W. noch Frau G. J., die ihren Wohnsitz in Frankfurt hat, über den Mangel vor ihrem eigenmächtigen Handeln informiert hat, doch steht ihr ein Anspruch aus § 539 BGB zu, sodass sie zulässig die Miete im Juli 2008 um 226,10 € gemindert hat.

Warum die Beklagte weder Frau J. noch Herrn R. in seiner Funktion als Hausmeister, der ebenfalls in der unmittelbaren Umgebung wohnt und beauftragt ist im Zweifelsfall Mängelrügen entgegenzunehmen, den Mangel nicht angezeigt hat, entzieht sich der Kenntnis des Gerichts und lässt auf einen unterschwelligen Konflikt schließen.

Eine objektive Analyse der juristisch relevanten Tatsachen und Umstände des Einzelfalls führt jedoch zu einem begründeten Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin, wodurch der Anspruch auf die Miete für Juli 2008 zu Fall gebracht wird.

Im Einzelnen

a) Zum Anspruch auf Schadens- bzw. Aufwendungsersatz gem. § 536 a BGB

Der Mieter kann gem. § 536 a BGB eigenmächtig einen Mangel der Mietsache beseitigen oder beseitigen lassen, wenn der Vermieter mit der Mangelbeseitigung im Verzug ist (§ 536 a Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder die umgehende Beseitigung des Mangels zur Erhalt oder Wiederherstellung des Bestandes der Mietsache notwendig ist (§ 536 a Abs. 2 Nr. 2 BGB).

Vorliegend hat die Beklagte jedoch keinen Anspruch aus § 536a BGB, da sie nicht hinreichend dargelegt hat, dass die umgehende Mängelbeseitigung zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestandes der Mietsache notwendig gewesen sei. Dies könnte zwar bei einem Totalausfall der Heizung in den kalten Monaten des Jahres der Fall sei, jedoch handelte es sich vorliegend nur um den Ausfall eines Heizkörpers im Wohnzimmer der Beklagten. Alle weiteren Heizkörper in der 93 m 2 großen Wohnung funktionierten nach Beklagtenvortrag einwandfrei im streitigen Zeitraum Anfang März 2008.

b) Zum Anspruch aus §§ 539, 683 BGB

Die Beklagt hat jedoch einen Anspruch auf Aufwendungsersatz gem. §§ 539, 683 BGB, dessen Anwendungsbereich vorliegend eröffnet ist, mit dem sie zulässig im Juli 2008 die Miete verrechnet hat.

Der Systematik des Schuldrechts in seiner Form seit 2002 immanent ist die einheitliche Wertung, dass der Schuldner, der die Mangelfreiheit einer Sache (Werk, Kaufsache etc.) zu vertreten hat, beim Auftreten von Mängeln zunächst zur Wiederherstellung des mangelfreien Zustandes aufgefordert werden muss. Ihm steht nach dieser Wertung zunächst allein das Recht zu, „aktiv“ zu werden. Das Gesetz und die Rechtsprechung gehen einheitlich davon aus, dass nur in Ausnahmefällen, die Gegenseite eigenmächtig die Wiederherstellung vorantreiben darf, so etwa im Falle des Verzuges.

Diese Wertung kommt in dem § 536 a BGB zur Geltung. Nach der gesetzlichen Wertung soll dem Vermieter der Vorrang bei der Mängelbeseitigung zukommen. Diese Vorschrift dient seinem Schutz, da er so die Minderung der Miete (§ 536 BGB) oder Schadensersatzansprüche (§ 536 a BGB) abwenden kann. Außerdem kann er so überprüfen, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt, wo die Ursache dafür liegt und wie auch nach seinem finanziellen Interesse am besten vorzugehen ist. Es soll somit vermieden werden, dass der Vermieter Ansprüchen auf Aufwendungsersatz ausgesetzt wird, deren Voraussetzungen er nur eingeschränkt nachprüfen kann.

Der Wortlaut des § 539 Abs. 1 BGB legt nahe, dass der Vermieter generell alle Aufwendungen zu ersetzen hat, die der Mieter nicht schon nach § 536 a Abs. 2 BGB ersetzt verlangen kann.

Unstreitig würde der Vermieter dann jedoch den gewollten Schutz des § 536a BGB – Möglichkeit der Untersuchung und Beweissicherung- gänzlich verlieren, wenn der § 539 Abs. 1 BGB nicht restriktiv zur Anwendung käme. Es verbietet sich mithin in allen Fällen, in denen § 536 a BGB nicht greift, reflexartig einen Anspruch aus § 539 BGB zu gewähren. Vielmehr hat hier eine Abwägung der widerstreitenden Interessen von Mieter und Vermieter stattzufinden.

Denn nach einer anderen verbreiteten Auffassung kann in den Fällen einer Selbstbeseitigung von Mängeln der Mietsache durch den Mieter sehr wohl auf § 539 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden, wenn die Voraussetzungen des § 536 a Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 BGB nicht vorliegen. Dadurch würde vermieden, dass dem Vermieter Vorteile zuflössen, die nur deshalb nicht ausgleichspflichtig seien, weil der Mieter das Verfahren des § 536 a Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht beachtet habe (vgl. Schmidt-Futterer/Langenberg § 539 Rn. 3; Palandt-Weidenkaff, § 539 Rn. 2).

Dieser Auffassung liegt zugrunde, dass bei der Frage, ob der Anwendungsbereich des § 539 Abs. 1 BGB eröffnet ist oder nicht, auch der Schutz des Mieters, der schlicht ein bestimmtes Verfahren nicht eingehalten hat, eine Rolle spielt. Hieraus soll der Vermieter nicht unbillig Vorteile generieren.

Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte ist das Gericht der Auffassung, dass vorliegend eine restriktive Anwendung des § 539 BGB geboten ist, denn die Beklagte hat nicht mutwillig versucht, dem Vermieter seine Rechte und seinen Schutz zu vereiteln. Vielmehr ist sie zum einem ihrer „Schadensminderungspflicht“ nachgekommen, indem sie erst am nächsten Werktag und nicht schon am Wochenende die Firma T. mit der Mangelbeseitigung beauftragte und so einen Wochenendzuschlag vermied. Zum anderen wollte sie ersichtlich im Willen der Klägerin handeln, da sie der Anweisung auf dem Hinweiszettel im Hausflur Folge leistete und die dort genannte Firma beauftragte.

Sie hat somit sich zwar nicht an das im Gesetz vorgeschriebene Verfahren gehalten -aus welcher Motivation auch immer- jedoch ist objektiv nicht zu erkennen, dass es ihr darauf angekommen sei, der Klägerin Rechte abzuschneiden.

Bei dieser Wertung spielt es auch eine Rolle, dass der Sitz der Erbengemeinschaft in Großbritannien liegt. Dies ist ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte im vorliegenden Fall in zulässiger Art und Weise vom grundsätzlich notwendigen Prozedere des § 536 a Abs. 2 BGB abgewichen ist. Nach der Beurteilung aus einem objektiven Empfängerhorizont durfte die Beklagte infolge des Aushangs im Treppenhaus darauf vertrauen, dass ihr Vorgehen von der Klägerin gebilligt werden würde, sodass eine vorherige Mängelanzeige mit Fristsetzung ihr notwendigerweise als unnötige Zeitverzögerung erscheinen musste.

2.

Der Zinsanspruch entfällt mit der Hauptforderung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Landgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung erforderlich.

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