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Wohnungsrechtslöschung bei gleichzeitig bestehendem Mietvertrag

OLG Koblenz, Az.: 5 U 1303/17, Urteil vom 18.04.2018

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 17. November 2017 abgeändert und der Beklagte verurteilt, der Löschung der im Grundbuch von …[Z], Blatt 832, zweite Abteilung, wie folgt eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit „Beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB) für …[A], geb. am … Oktober 1948 und …[B], geb. … Februar 1953, als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB gemäß Bewilligung vom 29. Juli 2014 (UR-Nr. 1115/2014 Notar Dr. …[C] in …[Y]), eingetragen am 29. November 2014, zuzustimmen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000 €, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Wohnungsrechtslöschung bei gleichzeitig bestehendem Mietvertrag
Symbolfoto: Von s-ts /Shutterstock.com

Die Klägerin verlangt Zustimmung zur Löschung eines im Grundbuch eingetragenen Wohnungsrechts.

Die Klägerin war mit dem Beklagten sowie dessen zwischenzeitlich verstorbener und vom Beklagten allein beerbter Ehefrau, der früheren Beklagten zu 2), befreundet. Im Zeitraum 2013/2014 sprach sie den Beklagten aufgrund dessen früherer Tätigkeit als Versicherungsmakler im Hinblick auf ihre Altersvorsorge an. Dieser empfahl den Erwerb des von ihm gemieteten Wohnobjekts, da der bisherige Vermieter dieses veräußern wolle. Um Investitionen in das Objekt abzusichern und auch Schutz in Situationen zu genießen, in denen der Klägerin „etwas passiere“, bat er um Einräumung eines Vorkaufs- und eines Wohnungsrechts. In der Folge erwarb die Klägerin mit notariellem Vertrag vom 29. Juli 2014 den zu diesem Zeitpunkt von dem Beklagten gemieteten Grundbesitz zu einem Kaufpreis von 119.000 €. Zugleich bewilligte sie mit notarieller Einigung vom 29. Juli 2014 zugunsten der Beklagten die Einräumung eines Vorkaufs- und eines Wohnungsrechts. Hinsichtlich des Wohnungsrechts wurde dabei „schuldrechtlich“ Folgendes vereinbart:

„Das Wohnungsrecht ist entgeltlich. Der Mietzins richtet sich nach dem Mietvertrag zwischen den Beteiligten.“

Im Übrigen wird auf die Anlage K2 (Blatt 2 ff. AB) Bezug genommen.

Am 20. November 2014 wurde die Klägerin als Eigentümerin des Grundbesitzes im Grundbuch eingetragen. Zugleich erfolgte der Eintrag des Wohnungsrechtes zugunsten der Beklagten. Am 30. November 2014 schlossen die Klägerin und der Beklagte einen Mietvertrag bezüglich des Grundstücks und vereinbarten hierbei einen Mietzins von 650 € pro Monat (Anlage K3; Blatt 6 ff. AB). Bis Juli 2015 zahlte der Beklagte die monatlich geschuldete Miete. In den Zeiträumen August 2015 bis Dezember 2015 sowie Mai 2016 bis Dezember 2016 erbrachten die Beklagten keine Mietzahlungen. Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 6. Dezember 2016 (Anlage K5; Blatt 11 ff. AB) die fristlose Kündigung des Mietvertrages wegen Zahlungsrückständen und erklärte zugleich die Anfechtung des Wohnungsrechtes wegen arglistiger Täuschung sowie wegen Irrtums.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zur Begründung ihres auf Zustimmung der Löschung des im Grundbuch eingetragenen Wohnungsrechts gerichteten Begehrens vorgetragen, der Beklagte habe bei seiner Empfehlung zum Erwerb der Immobilie dahingegen getäuscht, die Tilgung der finanzierten Erwerbskosten könne durch die zu zahlenden Mieten erfolgen. Er habe ihr vorgetäuscht, dass es zur Absicherung des weiteren Bewohnens des Objekts der Eintragung eines Vorkaufsrechts und eines Wohnungsrechtes bedürfe. Ihr sei dabei nicht bewusst gewesen, welche Rechtsfolgen ein Wohnungsrecht auslöse. Dies gelte insbesondere für die Minderung des Verkehrswertes des belasteten Hauses. Der Zustimmungsanspruch auf Löschung des Wohnungsrechts resultiere daraus, dass sie die Erklärung zur Bewilligung des Wohnungsrechts wirksam nach §§ 119, 123 BGB angefochten habe, der Mietvertrag fristlos gekündigt worden und damit der Rechtsgrund für das Wohnungsrecht weggefallen sei, die Einräumung des Wohnrechts wegen Wuchers nach § 138 Abs. 2 BGB nichtig sei und zudem einer weiteren Ausübung des Wohnrechts der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB entgegenstehe.

Der Beklagte hat dem entgegengehalten, die Klägerin sei aufgrund eines zu ihren Gunsten bestehenden Wohnungsrechts über dessen Bedeutung im Klaren gewesen, zudem habe der Notar sie über die Bedeutung eines Vorkaufs- und Wohnungsrechts belehrt. Die finanzielle Situation der Beklagten sei der Klägerin bekannt gewesen. Hinsichtlich der ausgesprochenen Anfechtungen fehle es zudem an der Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen Anfechtungsfrist.

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlich von den Parteien gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Blatt 104 ff. GA) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass die Einräumung des Wohnungsrechts gegen § 138 BGB verstoßen habe und daher nichtig sei. Sie sei weder unerfahren gewesen, noch habe ein Mangel an Urteilsvermögen vorgelegen. Der unzureichende Einsatz der Fähigkeit, die Vor- und Nachteile eines Rechtsgeschäfts zu bewerten, werde nicht über § 138 BGB geschützt. Die fehlende Auseinandersetzung mit dem Inhalt und den Folgen des abgeschlossenen Vertrags gehe daher zu ihren Lasten. An einer arglistigen Täuschung nach § 123 BGB fehle es, da der Beklagte dargelegt habe, es sei ihm um eine Absicherung der Nutzung des Objektes für den Fall gegangen, dass der Klägerin etwas zustoße. Eine solche Absicherung sei durch die Einräumung des Wohnrechtes im Vergleich zu einem lediglich schuldrechtlichen Mietvertrag gegeben. Eine Anfechtung nach § 119 BGB scheitere am Fehlen eines Erklärungs- bzw. Inhaltsirrtums. Auch die Kündigung des Mietvertrages durch die Klägerin begründe nicht den mit der Klage verfolgten Anspruch. Die Beendigung des Mietvertrags sei nicht als auflösende Bedingung für das Wohnungsrecht vereinbart worden. Der schuldrechtlichen Vereinbarung der Parteien, wie sie im Notarvertrag niedergelegt sei, könne lediglich eine Entgeltlichkeit des Wohnungsrechts entnommen werden. Aus § 242 BGB lasse sich ein Anspruch ebenfalls nicht herleiten. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Blatt 107 ff. GA) verwiesen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin unter Weiterverfolgung ihres erstinstanzlichen Begehrens. Das Landgericht habe vernachlässigt, dass überhaupt kein Grund für die Bestellung eines lebenslangen Wohnungsrechts bestanden habe. Die Einräumung eines Wohnungsrechts sei von ihr auch nie gewollt gewesen. Tatsächlich habe der Beklagte ihre Naivität und Unerfahrenheit ausgenutzt. Sie habe über keine Erfahrung mit Wohnungsrechten verfügt und ihr habe insoweit das Urteilsvermögen gefehlt. Zudem habe das Landgericht das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht bewertet. Sie habe volles Vertrauen in den Beklagten gehabt, der alle vertraglichen Vereinbarungen vorbereitet habe. Sie sei hierdurch bewusst von einer Prüfung abgehalten worden und habe keinen Grund zu einer Nachfrage bei dem Notar gesehen. Eine Belehrung über das Wohnungsrecht sei im Übrigen durch den Notar nicht erfolgt. Der Beklagte habe sie arglistig getäuscht, da er sie nicht darüber aufgeklärt habe, dass das Wohnungsrecht über die von ihr nur gewollte mietrechtliche Bindung hinausgehe. Er habe sich so eine Absicherung auf Dauer erschlichen. Seine vorgenommenen Investitionen in das Objekt hätten auch anders abgesichert werden können. Im Übrigen wären diese – auch wenn der Klägerin etwas passiert wäre – hinreichend über den Mietvertrag geschützt. Sie selbst habe den Beklagten keinen über einen Mietvertrag hinausgehenden Schutz angedeihen wollen. Insbesondere sei ihr nicht bewusst gewesen, dass sie die Beklagten „nie wieder los würde“. Ihr sei auch nicht bekannt gewesen, dass ein bestehendes Wohnungsrecht die Verkäuflichkeit des Objekts beeinträchtigte. Zudem sei ihr nicht mitgeteilt worden, dass die Beklagten Zahlungsschwierigkeiten hätten. Unabhängig hiervon greife auch eine Anfechtung nach § 119 BGB. Ihr sei die Tragweite der Erklärung vor dem Notar nicht bewusst gewesen. Zudem habe sie einer Fehlvorstellung über den Inhalt der Erklärung unterlegen. Schließlich habe die Kündigung des Mietverhältnisses den Rechtsgrund für das Wohnungsrecht entfallen lassen. Die Gesamtumstände und der Wortlaut der vertraglichen Erklärung verdeutlichten den Rechtsgrundcharakter des Mietverhältnisses. Das Landgericht habe ferner davon abgesehen, überhaupt eine Auslegung vorzunehmen, welche vertragliche Absprache gewollt gewesen sei. Tatsächlich sei kein Wohnungsrecht, sondern ein Mietverhältnis gewollt gewesen und daher auch zustande gekommen. Schließlich bestehe ein Löschungsanspruch nach Treu und Glauben, da der Beklagte sonst das Objekt ohne Begleichung der Mietschulden und ohne Zahlung des Mietzinses dauerhaft nutzen könnte. Im Übrigen wird auf die Berufungsbegründung vom 17. Januar 2018 (Blatt 134 ff. GA) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Trier vom 17. November 2017 zu verurteilen, seine Zustimmung zur Löschung der im Grundbuch von …[Z], Blatt 832, zweite Abteilung, wie folgt eingetragenen persönlichen Dienstbarkeit: „Beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB) für …[A], geb. 24. Oktober 1948 und …[B], geb. 28. Februar 1953, als Gesamtberechtigte nach § 423 BGB, gemäß Bewilligung vom 29. Juli 2014 (UR-Nr. 1115/2014 Notar Dr …[C] in …[Y]), eingetragen am 20. November 2014“, zu erteilen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Das Landgericht habe sich nicht näher mit dem Einwand der Klägerin, sie sei geschäftlich unerfahren, auseinandersetzen müssen, da es an konkretem Sachvortrag hierzu mangele. Der Klägerin seien die Eigenheiten eines Wohnrechts auch bekannt, da sie ein solches in Anspruch nehme. Eine arglistige Täuschung habe die Klägerin nicht bewiesen. Eine Anfechtung komme daher nicht in Betracht. Im Übrigen wird auf die Berufungserwiderung vom 27. Februar 2018 (Blatt 174 ff. GA) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zustimmung zur Löschung des eingetragenen Wohnungsrechts nach § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB zu.

1. Nach § 812 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Beklagte zur „Herausgabe“ des Wohnungsrechtes verpflichtet, soweit er dieses durch Leistung der Klägerin erlangt hat und der rechtliche Grund der Leistungsgewährung später weggefallen ist. Diese Voraussetzungen liegen vor.

a) Der Beklagte hat durch die Leistung der Klägerin das Wohnungsrecht erlangt. Dingliche Rechte – wie etwa auch Dienstbarkeiten – sind als vorteilhafte Rechtsstellung und damit als Bereicherungsgegenstand im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB anerkannt (vgl. nur Palandt/Sprau, BGB, 77. Auflage 2018, § 812 Rn. 9). Das im Grundbuch eingetragene Wohnungsrecht hat der Beklagte aufgrund der Bewilligung durch die Klägerin erlangt.

Abweichend von der Auffassung der Klägerin geht der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht auch davon aus, dass aufgrund der notariellen Vereinbarung vom 29. Juli 2014 ein dingliches Wohnungsrecht eingeräumt wurde. Zwar kann – wie die Klägerin anführt – in Zweifelsfällen eine Auslegung geboten sein, ob ein Mietvertrag oder ein Wohnungsrecht begründet werden sollte (vgl. etwa MünchKomm-BGB/Mohr, 7. Auflage 2017, § 1090 BGB Rn. 47). Allerdings besteht vorliegend kein Zweifel, dass ein dingliches Wohnrecht eingeräumt werden sollte. Dies wird bereits durch die gewählte Bezeichnung unmissverständlich verdeutlicht (vgl. hierzu MünchKomm-BGB/Mohr, a.a.O.). Hinzu tritt die inhaltliche Ausgestaltung der Regelung, die verdeutlicht, dass ein dingliches Wohnungsrecht Vertragsgegenstand sein sollte (Trennung von schuldrechtlicher und dinglicher Einigung). Zudem haben beide Parteien die Intention ihrer vertraglichen Absprachen übereinstimmend dahingehend geschildert, die Beklagten durch die Bewilligung des dinglichen Wohnungsrechts über den Mietvertrag hinaus in ihrer rechtlichen Position abzusichern. Letztlich besteht daher kein Zweifel, dass ein dingliches Recht in Form eines Wohnungsrechts nach § 1093 BGB Gegenstand der notariell beurkundeten Erklärungen war. Dem steht nicht entgegen, dass die Parteien parallel ein Mietverhältnis begründet haben. Vielmehr können dingliches Nutzungsrecht und schuldrechtliche Benutzungsberechtigung nebeneinander bestehen (vgl. nur BGH, NJW-RR 1999, 376; MünchKomm-BGB/Mohr, § 1090 Rn. 48; BeckOGK-BGB/Kölmel, Stand 15.09.2017, § 1093 BGB Rn. 25). Folglich können schuldrechtliche Vereinbarungen neben dem dinglichen Recht selbständig oder als Teil des Grundgeschäfts getroffen werden und Bestimmungen über Gegenleistungen des Berechtigten und die wechselseitigen Rechte und Pflichten näher bestimmen, wobei deren Inhalt nicht eintragungsfähig ist (vgl. nur Palandt/Herrler, § 1018 Rn. 27 m.w.N.). Insofern kann allein aus dem Umstand, dass die Parteien (auch) einen Mietvertrag abgeschlossen haben, nicht hergeleitet werden, dass lediglich ein solcher übereinstimmend gewollt gewesen sei.

b) Der rechtliche Grund für die mit der Bewilligung des Wohnungsrechts verbundene Vermögensverschiebung ist im Nachhinein weggefallen.

aa) Von einem bereits bei Bestellung des Wohnungsrechts fehlenden Rechtsgrund kann nicht ausgegangen werden. Mit dem Landgericht hält der Senat den Einwand der Klägerin, das Rechtsgeschäft sei als sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB anzusehen, für nicht stichhaltig. Ein Sittenverstoß ist auf der Grundlage der Ausführungen der Klägerin nicht erkennbar. Angesichts der unstreitig zwischen den Parteien gegebenen Interessenlage vor Vertragsabschluss, nach der die Beklagten ihre Investition in das Objekt auch für Situationen absichern wollten, in denen der Klägerin „etwas zustoße“, und der klaren vertraglichen Absprachen ist nicht ersichtlich, inwiefern ein sittenwidriges Ausnutzen der Unerfahrenheit der Klägerin vorliegen soll, zumal die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses freundschaftlich miteinander verbunden waren, was ebenfalls als Beweggrund für die vertraglichen Absprachen zu berücksichtigen ist; insofern besteht keine Grundlage für die Annahme eines Sachverhalts, der Rückschlüsse auf Unkenntnisse der Klägerin ausnutzendes Verhalten des Beklagten eröffnen würde. Aus dem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung kann nicht auf ein sittenwidriges Rechtsgeschäft geschlossen werden. Dies ergibt sich bereits aus der getroffenen Entgeltabrede. Hinzu tritt, dass Wohnungsrechte häufig bei persönlichen Näheverhältnissen eingeräumt werden, ohne dass eine konkrete Gegenleistung erfolgt. Insofern ist hier neben der Entgeltabrede das freundschaftliche Verhältnis der Parteien zu sehen, das ein Beweggrund zur Einräumung der zusätzlichen Absicherungsmöglichkeit des Wohnungsrechts sein kann. Die gegebene Sachlage bietet jedenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, ein sittenwidriges Rechtsgeschäft anzunehmen.

bb) Auch eine wirksame Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB liegt nicht vor. Soweit sich die Klägerin auf einen Irrtum über den Erklärungsinhalt (§ 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB) beruft, stützt sich ihr Vorbringen im Kern darauf, über die Folgen der vertraglichen Absprachen im Unklaren gewesen zu sein. Beim Irrtum über die Rechtsfolgen einer Erklärung ist jedoch zu differenzieren, da § 119 Abs. 1 BGB nicht auf Erklärungen anwendbar ist, die auf einer Fehlvorstellung über die Rechtsfolgen beruhen, die sich nicht aus dem Inhalt einer Erklärung ergeben, sondern kraft Gesetzes eintreten (vgl. BGH, NJW 2008, 2442, 2443). Angesichts der klaren Formulierung in der Bewilligung des Wohnungsrechts, nach der dieses den Berechtigten „bis zum Tode des Überlebenden“ zustehen und im Grundbuch eingetragen werden sollte, ist ein Irrtum über diese Rechtsfolgen nicht nachvollziehbar. Die weiteren rechtlichen Folgen, wie etwa die Belastung des Grundstückes mit Blick auf eine etwaige Verwertung oder Veräußerung sowie die Eigenständigkeit gegenüber dem abgeschlossenen Mietvertrag sind nicht erkannte, zusätzliche oder mittelbare Rechtswirkungen, die nicht als Irrtum über den Inhalt der Erklärung, sondern als unbeachtlicher Motivirrtum anzustehen sind (vgl. auch BGH, a.a.O.).

Eine Anfechtung nach § 123 BGB ist nicht nachvollziehbar dargelegt. Es ist nicht ersichtlich, über welche Umstände der Beklagte die Klägerin getäuscht haben soll. Soweit die Klägerin die finanziellen Verhältnisse der Beklagten anspricht, ist zu sehen, dass diese zunächst für zahlreiche Monate die vereinbarte Entgeltleistung erbracht haben. Insofern ist nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage die Beklagten bereits zu diesem Zeitpunkt über eine nicht bestehende Leistungsfähigkeit hätten aufklären müssen. Etwaige Veränderungen der finanziellen Verhältnisse der Parteien fallen in das allgemeine Risikospektrum eines dauerhaften Entgeltzahlungen vorsehenden Vertragsverhältnisses.

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cc) Allerdings ist der Rechtsgrund für die Bewilligung des Wohnungsrechtes nachträglich wegen der ausgebliebenen Entgeltleistung weggefallen.

Der Rechtsgrund für ein dingliches Wohnungsrecht ist der schuldrechtliche Vertrag, in dem der Eigentümer und der Berechtigte die Bestellung des Wohnungsrechts vereinbart haben. Ein abgeschlossener Mietvertrag stellt daher grundsätzlich nicht den Rechtsgrund für das eingeräumte Wohnungsrecht dar, weshalb im Regelfall seine Kündigung nicht zum Wegfall des Rechtsgrundes führt (vgl. nur BGH, NJW-RR 1999, 376). Über diesen Grundfall hinausgehend können die Parteien jedoch die nebeneinander bestehenden Rechtsverhältnisse miteinander verknüpfen (vgl. nur BeckOGK/Kölmel, § 1093 Rn. 58; Staudinger/Reymann, 2017, § 1093 Rn. 13; siehe ferner OLG Köln, NZM 1998, 930). Gerade bei wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen besteht ein berechtigtes Sicherungsinteresse des Eigentümers daran, dass er das vereinbarte Entgelt erhält (Staudinger/Reymann, a.a.O., Rn. 14; vgl. auch BeckOGK/Kölmel, a.a.O., Rn. 59 ff.). Hiervon ist vorliegend auszugehen. Die Parteien haben zwar nicht mit einer jeden Zweifel ausschließenden ausdrücklichen Vereinbarung ein Kündigungsrecht für den Fall ausbleibender Entgeltzahlungen vereinbart. Aus dem abgeschlossenen Vertrag geht jedoch unmissverständlich hervor, dass der Bestand der Verpflichtung zur Gewähr des Wohnungsrechts mit der Entgeltzahlung verknüpft sein sollte. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der in dem notariellen Vertrag festgehaltenen schuldrechtlichen Abrede. Nach dieser wurde das Wohnungsrecht entgeltlich eingeräumt. Der Mietzins sollte sich nach dem Mietvertrag zwischen den Beteiligten richten. Bereits hiermit haben die Vertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass eine monatliche Nutzungsentgeltzahlung nach Maßgabe des Mietvertrages erfolgen sollte. Eine solche Regelung impliziert, dass für den Fall des Ausbleibens der Nutzungsentgeltzahlungen ebenfalls die mietvertraglichen Sanktionsmöglichkeiten greifen sollten. Anderenfalls wäre die Klägerin als Verpflichtete rechtlos gestellt. Die Verknüpfung der Entgeltzahlungspflicht mit den Inhalten des Mietvertrages offenbart jedoch den Willen der Parteien, für das der Bewilligung des Wohnungsrechts zugrundeliegende Schuldverhältnis keine geringeren Absicherungs- und Sanktionsmöglichkeiten für den Fall ausbleibender Entgeltzahlungen vorsehen zu wollen. Vielmehr zeigt der Wortlaut der schuldrechtlichen Vereinbarung auf, dass insofern ein Gleichlauf gewollt war. Dies entsprach auch der sonstigen Interessenlage der Parteien. Hätte ein einschränkungslos lebenslängliches und dinglich abgesichertes Recht gegeben werden sollen, hätte es eines danebenstehenden Mietvertrages nicht bedurft. Mit Blick auf die Entgeltzahlung wäre es lebensfremd, einen Willen der Parteien anzunehmen, den Bestand des Wohnungsrechts abweichend von dem des Mietverhältnisses zu regeln. Zwar sollten die Beklagten als Berechtigte in ihrer Stellung als Mieter gestärkt werden, doch sollte dies nicht so weit reichen, dass dies auch für den Fall der Nichtzahlung des Nutzungsentgelts gilt. Insofern ist mit der Kündigung des Mietverhältnisses auch das Schuldverhältnis für die Bewilligung des dinglichen Wohnungsrechts weggefallen.

Selbst wenn eine Verknüpfung nicht dergestalt anzunehmen wäre, dass die Kündigung des Mietverhältnisses auf den dem Wohnungsrecht zugrundeliegenden Schuldvertrag durchschlägt, wäre anzunehmen, dass eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Aufhebung des Wohnungsrechts für den Fall begründet wäre, dass sich der Wohnungsberechtigte mit der geschuldeten Zahlung in Verzug befindet (vgl. etwa BeckOGK/Kölmel, § 1093, Rn. 59.1). Zumindest aber wäre zu sehen, dass bereits in der schuldrechtlichen Vereinbarung in dem Notarvertrag vom 29. Juli 2014 ausdrücklich eine Entgeltpflicht festgehalten ist. Insofern besteht aufgrund der Verpflichtung zur monatlichen Zahlung des Nutzungsentgeltes ein Dauerschuldverhältnis im Sinne des § 314 BGB, welches bei Vorliegen eines wichtigen Grundes außerordentlich gekündigt werden kann. Die Einstellung der Zahlung des Nutzungsentgelts muss als solcher wichtiger Grund angesehen werden. Unabhängig hiervon stellt die in dem Notarvertrag schuldrechtlich getroffene Leistungsbestimmung die mietähnliche Entgeltzahlung sowie die Wohnrechtsbestellung in ein Gegenseitigkeitsverhältnis, weshalb eine Rücktrittsmöglichkeit bezüglich des schuldrechtlichen Vertrags nach § 323 BGB besteht (vgl. nur Staudinger/Reymann, § 1093 Rn. 14; BeckOGK/Kölmel, § 1093 Rn. 59). Hieraus ergibt sich, dass – auch wenn der Beklagten der Rechtsansicht des Senats nicht nähertreten sollte – aus anderen Gründen der Schuldvertrag weggefallen ist bzw. ein schuldvertraglicher Anspruch auf Aufhebung des Wohnungsrechtes besteht. Dabei kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, es habe eine Stundungsabrede hinsichtlich bestimmter Mietzinszahlungen bestanden. Eine solche hat er nicht nachvollziehbar vorgetragen. Sein Vortrag zu dem Gespräch am 7. August 2016 (Blatt 30 f. GA) kann nicht dahin interpretiert werden, es sei eine Stundung vereinbart worden. Sein entsprechender Vortrag eröffnet hierauf keine Rückschlüsse.

2. Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

3. Der Senat hat beschlossen, den Gegenstandswert für das Berufungsverfahren sowie unter Abänderung der vom Landgericht vorgenommenen Streitwertfestsetzung auch für die erste Instanz auf 7.800 € festzusetzen. Für ein mietähnliches, also entgeltliches Wohnrecht ist der Gebührenstreitwert entsprechend § 41 GKG zu bestimmen (vgl. etwa OLG München, ZMR 1999, 173 (zu § 16 Abs. 1 GKG a.F.); OLG Dresden, Beschluss vom 2. April 2003 – 11 W 408/03, BeckRS 2003, 30314450 (zu § 16 GKG a.F.); Dörndorfer, in: Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG – FamGKG – JVEG, 3. Auflage 2014, § 41 GKG Rn. 4, MünchKomm-ZPO/Wöstmann, 5. Auflage 2016, § 3 Rn. 139). Insofern ist der Jahresbetrag des geschuldeten Entgelts maßgebend, der sich auf 7.800 € beläuft.

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