Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Immobilienrecht: Risiken und Folgen fehlerhafter Kaufverträge erkennen
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was macht einen Kaufvertrag für eine Immobilie sittenwidrig?
- Welche rechtlichen Folgen hat ein nichtiger Immobilienkaufvertrag?
- Wie läuft die Rückabwicklung eines nichtigen Immobilienkaufvertrags ab?
- Welche Rolle spielt ein eingetragenes Wohnungsrecht bei der Immobilienbewertung?
- Wann können Vollmachten zum Immobilienverkauf unwirksam sein?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Amtsgericht München
- Datum: 10.08.2022
- Aktenzeichen: 520 F 11857/19
- Verfahrensart: Berichtigung des Grundbuchs
- Rechtsbereiche: Familienrecht, Immobilienrecht
Beteiligte Parteien:
- Antragstellerin: Ehefrau, die die Berichtigung des Grundbuchs fordert. Sie argumentiert, dass der Antragsgegner seine Vollmacht missbraucht hat, um die Immobilie zu seinen Gunsten zu übertragen, und dass der Kaufvertrag sittenwidrig war.
- Antragsgegner: Ehemann, der behauptet, die Immobilienübertragung sei gerechtfertigt gewesen. Er argumentiert, dass die gewählte Konstruktion langfristig unvorteilhaft für ihn gewesen wäre und erhebt ein Zurückbehaltungsrecht für bereits geleistete Zahlungen.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Das Ehepaar plante ursprünglich, dass die Antragstellerin Alleineigentümerin einer Immobilie wird, um sie vor Gläubigern des Antragsgegners zu schützen. Der Antragsgegner erhielt eine notariell beglaubigte Vollmacht, die Immobilie zu verkaufen. Im Jahr 2013 nutzte der Antragsgegner diese Vollmacht, um die Immobilie an sich selbst zu übertragen und zahlte an die Antragstellerin einen Kaufpreis in Raten. Die Antragstellerin focht den Vertrag und die Vollmacht an und verlangte eine Berichtigung des Grundbuchs, da die Übertragung sittenwidrig und der vereinbarte Kaufpreis zu niedrig gewesen sei.
- Kern des Rechtsstreits: Ob die Übertragung der Immobilie vom Antragsgegner an sich selbst unter Nutzung der Vollmacht sittenwidrig war und deshalb das Grundbuch entsprechend zugunsten der Antragstellerin berichtigt werden muss.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht entschied, dass die Antragstellerin Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs hat. Die Eintragung der Immobilie im Namen des Antragsgegners sei nichtig, und die Antragstellerin bleibt Eigentümerin.
- Begründung: Der Kaufvertrag und die Übertragung der Immobilie waren gemäß § 138 BGB sittenwidrig, weil der vereinbarte Kaufpreis (600.000 Euro) im Vergleich zum tatsächlichen Wert der Immobilie (ca. 2.023.000 Euro) erheblich zu niedrig war. Das Gericht erkannte kein nachträgliches schlüssiges Verhalten der Antragstellerin, das als Genehmigung des Geschäfts interpretiert werden könnte.
- Folgen: Der Antragsgegner muss die Berichtigung des Grundbuchs zugunsten der Antragstellerin genehmigen. Ihm steht jedoch ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 337.054,12 Euro für geleistete Zahlungen zu, das durch die Antragstellerin bei Eintragung des Berichtigungsanspruchs zu begleichen ist. Die Entscheidung verdeutlicht, dass Immobiliengeschäfte zwischen Ehepartnern besonders bezüglich der Sittenwidrigkeit kritisch geprüft werden müssen.
Immobilienrecht: Risiken und Folgen fehlerhafter Kaufverträge erkennen
Der Immobilienmarkt ist komplex und birgt zahlreiche rechtliche Fallstricke, die Käufer und Verkäufer gleichermaßen herausfordern. Insbesondere beim Erwerb von Grundstücken und Wohnimmobilien spielen rechtliche Aspekte wie Vertragsgestaltung, Eigentumsübertragung und mögliche Vertragswidrigkeit eine entscheidende Rolle.
Rechtliche Grauzonen wie Sittenwidrigkeit können einen Kaufvertrag grundlegend in Frage stellen und zur Nichtigkeit führen. Für Immobilienkäufer bedeutet dies, dass selbst nach erfolgter Transaktion erhebliche Risiken bestehen können, die professionelle rechtliche Beratung und sorgfältige Prüfung der Vertragsinhalte erforderlich machen.
Der nachfolgende Fall zeigt exemplarisch, wie komplex Rechtsfragen im Immobilienrecht sein können und welche weitreichenden Konsequenzen ein fehlerhafter Kaufvertrag haben kann.
Der Fall vor Gericht
Grundbuchberichtigung nach unwirksamem Immobilienverkauf an Ehemann

Das Amtsgericht München hat einer Ehefrau Recht gegeben, die die Rückübertragung einer Immobilie von ihrem getrennt lebenden Ehemann verlangte. Der Mann hatte das gemeinsame Familienheim 2013 für 600.000 Euro von seiner Frau erworben, obwohl der tatsächliche Verkehrswert bei rund 2 Millionen Euro lag. Zur Übertragung nutzte er eine ihm 2007 erteilte Vollmacht seiner Frau.
Sittenwidriger Kaufvertrag wegen Wertdiskrepanz
Das Gericht erklärte den Kaufvertrag für nichtig. Bei der Bewertung der Immobilie durfte das für den Ehemann eingetragene Wohnungsrecht nicht berücksichtigt werden. Als Alleineigentümer hätte er dieses jederzeit löschen lassen können. Der vereinbarte Kaufpreis lag damit bei nur einem Drittel des tatsächlichen Wertes. Diese massive Unterbewertung machte den Vertrag nach Paragraf 138 BGB sittenwidrig.
Unwirksame Vollmacht zum Verkauf des Familienheims
Die 2007 erteilte Vollmacht zum Verkauf der Immobilie war nach Ansicht des Gerichts ebenfalls unwirksam. Eine solche Vollmacht sei völlig unüblich, besonders da es um das Familienheim mit zwei kleinen Kindern ging. Problematisch war auch die Klausel, dass die Ehefrau die Vollmacht erst bei Einreichung der Scheidung widerrufen durfte. Dies widerspreche dem Sinn einer Ehe nach Paragraf 1353 BGB.
Rückabwicklung mit Ausgleichszahlungen
Die Ehefrau muss ihrem Mann im Gegenzug 337.054 Euro erstatten. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus seinen Kaufpreiszahlungen von 316.646 Euro, einer anerkannten Unterhaltszahlung von 2.000 Euro sowie einer verrechneten Steuererstattung von 18.408 Euro. Eine darüber hinausgehende Aufrechnung mit einer Darlehensrestforderung von 100.000 Euro lehnte das Gericht als rechtsmissbräuchlich ab.
Auswirkungen für das Grundbuch
Das Gericht verpflichtete den Ehemann, der Berichtigung des Grundbuchs zuzustimmen. Seine frühere Frau wird wieder als Alleineigentümerin eingetragen, sobald sie die Ausgleichszahlung geleistet hat. Der Verfahrenswert wurde auf 2,5 Millionen Euro festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens muss der Ehemann tragen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass eine Grundbuchberichtigung auch nach Jahren möglich ist, wenn ein Immobilienverkauf unter Verwendung einer Vollmacht nicht im besten Interesse des Vollmachtgebers erfolgte. Besonders kritisch werden dabei Eigengeschäfte des Bevollmächtigten gesehen, selbst wenn formal eine Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot vorlag. Das Gericht betont die besondere Sorgfaltspflicht bei Immobiliengeschäften zwischen Ehepartnern, vor allem wenn diese in einer Krisensituation getätigt werden.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie Ihrem Ehepartner eine Vollmacht für Immobiliengeschäfte erteilt haben, können Sie diese bei einem Scheidungsverfahren widerrufen und fragwürdige Geschäfte anfechten. Besonders wenn Ihr Partner die Vollmacht nutzte, um die Immobilie unter Wert an sich selbst zu verkaufen, haben Sie gute Chancen, die ursprünglichen Eigentumsverhältnisse wiederherzustellen. Sie müssen dabei allerdings bereits erhaltene Zahlungen zurückerstatten. Lassen Sie sich unbedingt rechtlich beraten, bevor Sie Vollmachten erteilen oder Immobiliengeschäfte mit Ihrem Ehepartner tätigen – besonders in Krisensituationen.
Gerechtigkeit im Grundbuch – auch nach Jahren noch möglich
Dieses Urteil verdeutlicht, wie wichtig eine sorgfältige Prüfung von Vollmachten und Immobiliengeschäften ist, besonders im sensiblen Bereich der Ehe. Auch Jahre später können unfaire Verträge angefochten werden, wenn das Vertrauen missbraucht wurde. Die Wiederherstellung der ursprünglichen Eigentumsverhältnisse ist möglich, aber mit finanziellen Ausgleichspflichten verbunden. Um Ihre Rechte zu wahren und Fehlentscheidungen zu vermeiden, sollten Sie sich in Immobilienangelegenheiten und bei der Erteilung von Vollmachten stets juristisch begleiten lassen.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was macht einen Kaufvertrag für eine Immobilie sittenwidrig?
Ein Immobilienkaufvertrag gilt als sittenwidrig nach § 138 BGB, wenn ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht.
Grundlegende Voraussetzungen
Die Sittenwidrigkeit eines Immobilienkaufvertrags erfordert zwei zentrale Elemente:
- Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Kaufpreis und tatsächlichem Verkehrswert der Immobilie
- Mindestens ein weiterer Umstand, der auf eine verwerfliche Gesinnung schließen lässt
Konkrete Wertgrenzen
Wenn Sie eine Immobilie kaufen oder verkaufen, ist die wichtigste Grenze für die Sittenwidrigkeit die 90-Prozent-Marke. Ein Kaufvertrag wird in der Regel als sittenwidrig eingestuft, wenn:
- Der Kaufpreis den Verkehrswert um mindestens 90% übersteigt
- Der Kaufpreis weniger als die Hälfte des Verkehrswerts beträgt
Besondere Umstände und Ausnahmen
Wenn Sie einen Immobilienkaufvertrag abschließen, können bestimmte Faktoren die Bewertung der Sittenwidrigkeit beeinflussen:
Die Übernahme der Kaufnebenkosten durch den Verkäufer kann das Missverhältnis ausgleichen. Wenn beispielsweise der Verkäufer Notarkosten, Grunderwerbsteuer und Grundbuchkosten übernimmt, wird dies bei der Berechnung des tatsächlichen Missverhältnisses berücksichtigt.
Eine sittenwidrige Gesinnung kann sich auch aus weiteren Umständen ergeben, etwa durch:
- Falsche Angaben über den Zustand der Immobilie
- Ausnutzung einer Zwangslage
- Überrumpelung des Käufers
- Verschleierung des wahren Wertes
Rechtliche Folgen
Wird ein Kaufvertrag als sittenwidrig eingestuft, ist er von Anfang an nichtig. Dies bedeutet:
- Der Vertrag entfaltet keine rechtliche Wirkung
- Eine Auflassungsvormerkung kann nicht eingetragen werden
- Der Kaufpreis muss zurückgezahlt werden
- Die Immobilie geht zurück an den Verkäufer
Ein sittenwidriger Vertrag kann auch kein Vorkaufsrecht auslösen, da er von Beginn an unwirksam ist.
Welche rechtlichen Folgen hat ein nichtiger Immobilienkaufvertrag?
Ein nichtiger Immobilienkaufvertrag ist von Anfang an unwirksam und entfaltet keinerlei Rechtswirkungen. Dies hat weitreichende Konsequenzen für alle Beteiligten.
Rückabwicklung des Vertrags
Wenn Sie einen nichtigen Immobilienkaufvertrag abgeschlossen haben, müssen sämtliche bereits ausgetauschten Leistungen zurückgewährt werden. Der Verkäufer muss den erhaltenen Kaufpreis zurückzahlen, während der Käufer verpflichtet ist, die Immobilie zurückzugeben.
Auswirkungen auf das Grundbuch
Die Nichtigkeit eines Kaufvertrags erstreckt sich auch auf die dinglichen Rechtsgeschäfte. Das bedeutet:
- Die erfolgte Auflassung (Eigentumsübertragung) ist unwirksam
- Die Grundbucheintragung des Käufers als Eigentümer ist nichtig
- Eine bereits eingetragene Auflassungsvormerkung muss gelöscht werden
Besondere Fallkonstellationen
Formmängel können unter bestimmten Umständen geheilt werden. Wenn die Immobilie bereits im Grundbuch auf den Käufer eingetragen wurde, kann der Formmangel nach § 311b Abs. 1 S. 2 BGB geheilt werden. Dies gilt jedoch nicht bei anderen Nichtigkeitsgründen wie:
- Sittenwidrigkeit des Vertrags, etwa bei stark überhöhten Kaufpreisen
- Schwarzgeldabreden oder Steuerhinterziehung
- Verstöße gegen gesetzliche Verbote
In diesen Fällen bleibt der Vertrag auch trotz Grundbucheintragung nichtig.
Kostenfolgen
Bei einem nichtigen Immobilienkaufvertrag müssen Sie mit erheblichen Kostenfolgen rechnen. Bereits gezahlte Notarkosten und Grundbuchgebühren werden in der Regel nicht erstattet. Zusätzlich können gegenseitige Schadensersatzansprüche entstehen, wenn eine Partei auf die Wirksamkeit des Vertrags vertraut hat.
Wie läuft die Rückabwicklung eines nichtigen Immobilienkaufvertrags ab?
Feststellung der Nichtigkeit
Ein Immobilienkaufvertrag kann aus verschiedenen Gründen nichtig sein, etwa bei erheblichen Vertragsverletzungen, arglistiger Täuschung oder Schwarzgeldabreden. Nach der Feststellung der Nichtigkeit entsteht ein sogenanntes Rückgewährschuldverhältnis.
Praktische Durchführung der Rückabwicklung
Die Rückabwicklung erfolgt in mehreren Schritten:
- Schriftliche Willenserklärung zur Rückabwicklung unter Angabe der Gründe an die Gegenseite
- Notarielle Beurkundung eines Rückabwicklungsvertrags
- Grundbuchberichtigung zur Rückübertragung des Eigentums
- Rückzahlung des Kaufpreises unter Berücksichtigung möglicher Ausgleichszahlungen
Gegenseitige Ausgleichsansprüche
Bei der Rückabwicklung müssen Sie verschiedene Ausgleichszahlungen berücksichtigen:
Der Verkäufer muss den erhaltenen Kaufpreis zurückzahlen. Als Käufer sind Sie verpflichtet, für die Nutzung der Immobilie eine angemessene Nutzungsentschädigung in Höhe einer objektiv zu berechnenden Miete zu zahlen.
Besonderheiten bei Finanzierung
Wenn Sie die Immobilie durch eine Bank finanziert haben, ist der Darlehensvertrag von der Rückabwicklung des Kaufvertrags zunächst nicht automatisch betroffen. In bestimmten Fällen kann jedoch eine Verbindung zwischen Darlehens- und Kaufvertrag bestehen, sodass beide Verträge gemeinsam rückabgewickelt werden.
Welche Rolle spielt ein eingetragenes Wohnungsrecht bei der Immobilienbewertung?
Ein eingetragenes Wohnungsrecht stellt eine erhebliche Wertminderung für eine Immobilie dar. Wenn Sie eine Immobilie mit einem eingetragenen Wohnungsrecht bewerten lassen, müssen mehrere zentrale Aspekte berücksichtigt werden:
Berechnung der Wertminderung
Die Wertminderung durch ein Wohnungsrecht berechnet sich nach folgender Formel: Wohnrechtswert = Jahresmiete × Kapitalwertfaktor
Für die Berechnung werden verschiedene persönliche Faktoren des Wohnberechtigten benötigt:
- Alter und Geschlecht
- Statistische Lebenserwartung
- Familienstand
Auswirkungen auf die Vermarktung
Ein eingetragenes Wohnungsrecht macht die Immobilie schwer bis unmöglich vermarktbar. Der Verkehrswert einer mit einem Wohnungsrecht belasteten Immobilie wird durch zwei wesentliche Faktoren bestimmt:
Der wirtschaftliche Vorteil für den Berechtigten ergibt sich aus der kapitalisierten Mietersparnis über die gesamte Restlaufzeit. Seit 2023 wird bei der Bewertung der aktuelle Verkehrswert der Immobilie zugrunde gelegt, was zu einer präziseren Wertermittlung führt.
Rechtliche Besonderheiten
Ein Wohnungsrecht ist als beschränkt persönliche Dienstbarkeit nicht übertragbar oder vererbbar. Bei der Bewertung muss die Eintragungsbewilligung sehr genau geprüft werden. Sittenwidrige Vereinbarungen, die das Wohnungsrecht ohne angemessene Gegenleistung aufheben sollen, können zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags führen.
Wann können Vollmachten zum Immobilienverkauf unwirksam sein?
Eine Verkaufsvollmacht für Immobilien kann aus verschiedenen rechtlichen Gründen unwirksam sein. Der wichtigste Grund ist die fehlende notarielle Form. Wenn Sie eine Vollmacht zum Verkauf einer Immobilie erteilen möchten, muss diese zwingend notariell beglaubigt oder beurkundet werden.
Formelle Unwirksamkeitsgründe
Die Vollmacht ist formell unwirksam, wenn sie nur mündlich oder in einfacher Schriftform erteilt wurde. Eine formlos oder schriftlich erteilte Vollmacht reicht für den Immobilienverkauf nicht aus. Bei der notariellen Verkaufsvollmacht bestätigt der Notar:
- den Inhalt und die Rechtsgültigkeit des Vertragstextes
- die Geschäftsfähigkeit des Ausstellers
Sittenwidrigkeit als Unwirksamkeitsgrund
Eine Verkaufsvollmacht kann auch wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig sein. Dies ist der Fall, wenn sie gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Wenn Sie beispielsweise eine Vollmacht erteilen, die gezielt die Rechte Dritter schädigen soll, ist diese unwirksam.
Unwirksamkeit durch Widerruf oder Zeitablauf
Eine zweckgebundene Verkaufsvollmacht können Sie als Vollmachtgeber jederzeit widerrufen. Außerdem erlischt sie automatisch:
- mit Abschluss des Verkaufs
- nach Ablauf einer festgelegten Frist
- bei einer nicht über den Tod hinaus geltenden Vollmacht mit dem Tod des Vollmachtgebers
Besondere Konstellationen
Bei Erbengemeinschaften ist eine Verkaufsvollmacht unwirksam, wenn nicht alle Miterben der Vollmachtserteilung zugestimmt haben. Der Bevollmächtigte muss im Interesse aller Erben handeln und das bestmögliche Ergebnis erzielen. Eine Vollmacht wird auch dann unwirksam, wenn sie ausschließlich dazu dient, die rechtmäßigen Interessen Dritter zu vereiteln.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Sittenwidrigkeit
Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dies ist gemäß § 138 BGB insbesondere bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung der Fall. Bei Immobiliengeschäften liegt Sittenwidrigkeit typischerweise vor, wenn der Kaufpreis weniger als 50% des wahren Wertes beträgt. Ein sittenwidriges Geschäft ist von Anfang an nichtig und kann rückabgewickelt werden.
Grundbuchberichtigung
Die Korrektur eines unrichtigen Grundbucheintrags auf den tatsächlichen rechtlichen Zustand. Sie erfolgt nach §§ 894 ff. BGB, wenn das Grundbuch die wahren Eigentumsverhältnisse nicht korrekt wiedergibt. Der rechtmäßige Eigentümer kann vom eingetragenen Eigentümer die Zustimmung zur Berichtigung verlangen. Im Beispielfall muss der Ehemann der Rückübertragung an seine Ex-Frau zustimmen.
Verkehrswert
Der Verkehrswert (auch Marktwert) einer Immobilie ist der Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen und tatsächlichen Eigenschaften zu erzielen wäre. Die Ermittlung erfolgt nach § 194 BauGB durch sachverständige Gutachter unter Berücksichtigung von Lage, Zustand und Vergleichspreisen. Er dient als Referenzwert zur Beurteilung der Angemessenheit eines Kaufpreises.
Vollmacht
Eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht, die eine Person ermächtigt, im Namen einer anderen Person Rechtsgeschäfte vorzunehmen (§§ 164 ff. BGB). Die Vollmacht muss für Immobiliengeschäfte notariell beurkundet werden. Sie kann grundsätzlich jederzeit widerrufen werden, außer es wurde wirksam etwas anderes vereinbart. Eine zu weitreichende Beschränkung der Widerrufsmöglichkeit kann zur Unwirksamkeit führen.
Nichtigkeit
Die stärkste Form der Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts nach § 138 BGB. Ein nichtiges Geschäft entfaltet von Anfang an keine rechtliche Wirkung. Die bereits ausgetauschten Leistungen müssen zurückgewährt werden (Rückabwicklung). Gründe für Nichtigkeit können z.B. Sittenwidrigkeit oder Formmängel sein. Bei Immobiliengeschäften führt Nichtigkeit zur Pflicht der Rückübertragung des Eigentums.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 1353 – Gütertrennung: Diese Vorschrift regelt den Güterstand der Gütertrennung, bei dem das Vermögen der Ehepartner während der Ehe grundsätzlich getrennt bleibt. Jeder Ehegatte behält die alleinige Verfügungsgewalt über sein Vermögen, und es erfolgt kein Zugewinnausgleich bei Scheidung.
Im vorliegenden Fall wurde durch den notariellen Ehevertrag der Gütertrennung vereinbart, wodurch die Antragstellerin als Alleineigentümerin der Immobilie auftritt und klare Vermögensverhältnisse zwischen den Ehepartnern geschaffen wurden. - Grundbuchordnung (GBO) § 873 – Eintragung von Grundstücken: Diese Vorschrift bestimmt die Voraussetzungen für die Eintragung von Rechten an Grundstücken ins Grundbuch, insbesondere dass die Eintragung durch ein formloses Rechtsgeschäft oder einen notariell beurkundeten Vertrag erfolgen muss.
Der Beschluss des Amtsgerichts München verpflichtet den Antragsgegner, die Berichtigung des Grundbuchs vorzunehmen, um die Alleineigentümerschaft der Antragstellerin zu bestätigen, was gemäß § 873 GBO notwendig ist. - Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 1569 – Wandel der Immobilie bei Ehevertrag: Diese Regelung behandelt die Vereinbarungen über die Immobilieneigentümerschaft und deren Belastung im Rahmen eines Ehevertrags, einschließlich der Sicherung von Wohnrechten.
Im Fall wurde im Ehevertrag festgelegt, dass die Immobilie allein der Antragstellerin gehört und ein lebenslanges Wohnungsrecht für den Antragsgegner eingeräumt wird, was gemäß § 1569 BGB umgesetzt und im Grundbuch eingetragen werden muss. - Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 675 – Vertragsfreiheit bei Rechtsgeschäften: Diese Vorschrift betont die Freiheit der Vertragsgestaltung, soweit sie nicht gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt.
Die Parteien haben im Ehevertrag individuelle Vereinbarungen getroffen, wie die Rückzahlung des Darlehens und den Verzicht auf weitergehende Zugewinnausgleichsansprüche, was auf der Grundlage des Vertrauens auf die Vertragsfreiheit gemäß § 675 BGB beruht. - Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 164 – Wirksamwerden der Vollmacht: Diese Regelung bestimmt, dass eine Vollmacht gegenüber Dritten nur dann wirksam wird, wenn der Vertretene dem Vertreter bekannt ist.
Die im Fall erteilte Vollmacht des Antraggegners zur Belastung oder Veräußerung der Immobilie war wirksam, da sie notariell beurkundet und dem Antragsgegner bekannt war, wodurch seine Handlungen zur Veräußerung der Immobilie rechtlich bindend wurden.
Das vorliegende Urteil
AG München – Az.: 520 F 11857/19 – Beschluss vom 10.08.2022
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