BGH
Az: VIII ZR 221/09
Beschluss vom: 05.10.2010
Leitsatz:
Der Vermieter kann ein Wohnraummietverhältnis fristlos kündigen, wenn der Mieter ihm generell den Zuritt zur Wohnung (z.B. um diese potentiellen Käufern zu zeigen) verwehrt.
Gemäß § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein Wohnraummietverhältnis aus wichtigem Grund von jeder Vertragspartei fristlos gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 543 Abs. 1 Satz 2 BGB). Aus § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB wird deutlich, dass der wichtige Grund in jedweder Pflichtverletzung aus dem Mietvertrag liegen kann, mithin auch in der Verletzung der vertraglich festgelegten Pflicht des Mieters, dem Vermieter Zutritt zur Wohnung zu gestatten, wenn dieser die Wohnung veräußern und deshalb Kaufinteressenten zeigen will.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Oktober 2010 beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die zugelassene Revision der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Baden-Baden vom 24. Juli 2009 gemäß § 552a ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Gründe
1.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 ZPO). Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Das Berufungsgericht hat die Revision zur Klärung der Rechtsfrage zugelassen, „ob der Vermieter bei erheblichen Verletzungen von Duldungspflichten durch den Mieter darauf beschränkt ist, diese Pflichten einzuklagen und gegebenenfalls nach § 890 ZPO vollstrecken zu lassen, und ihm daneben das Recht zur außerordentlichen Kündigung verwehrt ist“. Für eine derartige Unterscheidung zwischen Duldungspflichten und sonstigen Pflichten des Mieters bietet § 543 BGB keinen Ansatzpunkt. Ob eine Verletzung von Duldungspflichten schwer genug wiegt, um eine außerordentliche Kündigung zu begründen, ist eine Frage der Umstände des Einzelfalls.
Gemäß § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund von jeder Vertragspartei fristlos gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 543 Abs. 1 Satz 2 BGB). Aus § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB wird – was auch die Revision nicht bezweifelt – deutlich, dass der wichtige Grund in jedweder Pflichtverletzung aus dem Mietvertrag liegen kann, mithin auch – wie hier – in der Verletzung der vertraglich festgelegten Pflicht des Mieters, dem Vermieter Zutritt zur Wohnung zu gestatten, wenn dieser die Wohnung veräußern und deshalb Kaufinteressenten zeigen will.
Unter welchen Umständen die Zumutbarkeitsgrenze für den Vermieter überschritten ist, wenn der Mieter die Erfüllung dieser vertraglichen Pflicht beharrlich verweigert, ist eine vom Tatrichter anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu treffende Wertung. Innerhalb dieser Wertung kann auch die Frage erheblich sein, ob es dem Vermieter im Einzelfall zuzumuten ist, vor Ausspruch der fristlosen Kündigung einen Duldungstitel gegen den Mieter zu erwirken und gegebenenfalls Vollstreckungsversuche nach § 890 ZPO zu unternehmen.
2.
Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
Das Berufungsgericht hat sich in seinem Urteil ausführlich und rechtsfehlerfrei mit der Zumutbarkeit der weiteren Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Kläger beschäftigt. Es hat hierbei insbesondere gesehen, dass die Kläger gegen die Beklagte am 15. November 2007 einen seit 19. Dezember 2007 rechtskräftigen Duldungstitel erwirkt hatten, und die sich daran anschließende Frage der Notwendigkeit einer vorherigen Zwangsvollstreckung aus diesem Titel unter ausführlicher Auseinandersetzung mit den im Streitfall vorliegenden Umständen erörtert und im Ergebnis in vertretbarer, revisionsrechtlich hinzunehmender Weise verneint.
Die Kündigung vom 23. April 2008 ist – entgegen der Auffassung der Revision – auch nicht deshalb unwirksam, weil sich die Kläger gegenüber der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung widersprüchlich verhalten hätten. Insbesondere ist kein widersprüchliches Verhalten darin zu sehen, dass die Kläger der Beklagten zugleich mit der Abmahnung eine weitere Möglichkeit einräumten, Besichtigungstermine wahrzunehmen.
3.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.