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Vollkaskoversicherung – Wohnwagenbeschädigung durch Messerstiche

OLG KOBLENZ

Az.: 10 U 38/03

Urteil vom 31.10.2003

Vorinstanz: LG Koblenz, Az.: 3 O 67/02


In dem Rechtsstreit hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz auf die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2003 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 11. Dezember 2002 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.426,65 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. November 2001 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges und des Berufungsrechtszuges hat die Klägerin 28/100, die Beklagte 72/100 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Beschädigung aus Kaskoversicherung in Anspruch.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Wohnwagens, der bei der Beklagten vollkaskoversichert war. Der Wohnwagen wurde mittels mehrerer Messerstiche beschädigt. Der seitens der Beklagten mit der Begutachtung des Schadensumfangs beauftragte Gutachter stellte Reparaturkosten in Höhe von 9.133,25 € fest. Die Klägerin begehrt Ersatz der fiktiven Reparaturkosten abzüglich der Selbstbeteiligung in Höhe von 300,– DM (153,39 €).

Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei am 22.09.2001 mit ihrem Wohnwagen nach R… gefahren, um ihre Mutter zu besuchen. Gegen 15.30 Uhr habe sie auf der Raststätte I… Rast gemacht, um Kaffee zu trinken. Dabei habe sie den Wohnwagen zwischen zwei LKW’s im Bereich der LKW-Parkplätze abgestellt. Nach ihrer Rückkehr aus dem Rasthaus habe sie den Wohnwagen nicht weiter überprüft, sondern die Weiterfahrt nach R… angetreten. Dort sei sie gegen 19.00 Uhr eingetroffen. Am nächsten Morgen habe sie beim Aufbauen des Vorzeltes dann die Messerstiche festgestellt. Diese seien vor Fahrtantritt noch nicht vorhanden gewesen, so dass sie davon ausgehe, dass die Messerstiche während der Pause auf dem Autobahnplatz von unbekannten Dritten verursacht worden seien.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Beschädigung des Wohnwagens durch einen betriebsfremden Dritten auf dem Rastplatz sei unwahrscheinlich. Das Schadensbild spreche vielmehr dafür, dass Tatverursacher die Klägerin selbst oder eine von ihr beauftragte Person gewesen sei. Die Beschädigungen seien derart erfolgt, dass eine fachgerechte Instandsetzung sehr hohe Reparaturkosten verursache. Andererseits sei eine Reparatur durchaus üblich, bei der nicht die gesamten Bauteile, sondern lediglich die beschädigten Stellen instand zu setzen seien. Dies sei mit sehr geringem Aufwand möglich. Mithin würden einer hohen Entschädigungsleistung durch den Versicherer sehr geringe, tatsächlich aufzuwendende Instandsetzungskosten gegenüber stehen.

Das Schadensbild wirke „geplant“. Die Messerstiche seien über Kopf ausgeführt worden. Eine solche Tat könne, zumal es zum Zeitpunkt, als sich die Klägerin auf dem Rastplatz befunden haben will, noch hell gewesen sei, nicht unbemerkt geblieben sein. Auffällig sei, dass sich die Klägerin trotz Aufforderung durch die Beklagte geweigert habe, eine Skizze von der Autobahnraststätte zu fertigen. Dies sei geradezu typisch für Personen, die befürchten, sich durch eine detaillierte Schilderung in Widersprüche zu verwickeln.

Ungeachtet dessen könne die Klägerin allenfalls die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungs- und Restwert abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung verlangen. Der Wiederbeschaffungswert habe zum Zeitpunkt des behaupteten Versicherungsfalles 12.680,04 € betragen. Der Restwert habe sich auf 6.100,– € belaufen. Von der Differenz sei die vereinbarte Selbstbeteiligung in Abzug zu bringen, so dass sich ein Leistungsanspruch in Höhe von lediglich 6.427,04 € ergebe.

Das Landgericht hat die Beklagte auf Zahlung von 8.979,86 € nebst Zinsen verurteilt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

II.

Die Berufung ist nur zum Teil begründet. Dies betrifft nicht den Grund der Leistungspflicht, sondern die Höhe des Leistungsanspruchs.

1)

Der Klägerin steht gemäß § 12 Abs. 1. II. g) AKB (Stand Mai 2000) i.V.m. § 13 AKB 2000 ein Anspruch aus der Fahrzeugvollversicherung zu. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Außenhaut des Wohnwagens, wie auf den Lichtbildern deutlich erkennbar, an mehreren Stellen durchstochen wurde und dass dieser gewaltsam herbeigeführte Schaden mutwillig verursacht worden ist. Damit liegen die Voraussetzungen für den Versicherungsfall vor, ohne dass die Klägerin den Nachweis erbringen müsste, dass dieses äußere Bild von betriebsfremden Personen verursacht worden ist. Es kommt entgegen der teilweise in der Rechtsprechung früher vertretenen Auffassung (OLG Düsseldorf, VersR 1996, 880= NJW-RR 1996, 408 = r+s 95, 404); OLG Hamm, VersR 1996, 881) auch nicht darauf an, ob der Versicherer Umstände dargetan hat, aus denen sich die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung von Vandalismus betriebsfremder Personen bzw. der Vortäuschung einer Entwendung herleiten lässt. Im Rahmen der Auslegung des § 12 Abs. 1. II. g) AKB (Stand Mai 2000) i.V.m. § 13 AKB (früher § 12 Abs. 1 II f AKB) gilt für den Versicherungsfall „Beschädigung bzw. Zerstörung durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen“ in der Vollversicherung keine Beweismaßabsenkung (BGH VersR 1997, 1095). Dem Versicherer kommen Beweiserleichterungen zur Vortäuschung nur dann zugute, wenn dem Versicherungsnehmer beim Nachweis des Eintritts des Versicherungsfalls solche Beweiserleichterungen zustehen. Ist der Versicherungsfall indes voll bewiesen oder unstreitig, dann muss auch der Versicherer den Vollbeweis für eine Herbeiführung durch den Versicherungsnehmer oder dessen Repräsentanten erbringen (BGH VersR 1997, 1095; VersR 1989, 841).

Will der Versicherer in der Fahrzeugversicherung für den Versicherungsfall „Zerstörung oder Beschädigung durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen“ nicht leisten, dann hat er die Beweislast dafür, dass der Täter nicht betriebsfremd war. Eine Beweiserleichterung kommt ihm dabei nicht zugute.

Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagten der Nachweis, dass die mutwillige Beschädigung des Wohnwagens nicht durch eine betriebsfremde Person herbeigeführt wurde, nicht gelungen ist. Dem Beweisangebot der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens war nicht nachzugehen. Die unter Beweis gestellte Behauptung, das beim Durchstechen der Außenhaut des Wohnwagens auftretende Geräusch hätte von Benutzern des Parkplatzes mit Sicherheit bemerkt werden müssen, ist einem Sachverständigengutachten mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen nicht zugänglich. Denn es lässt sich im Nachhinein nicht mehr aufklären, ob und inwieweit sich überhaupt Personen in der Nähe des von der Klägerin auf dem Rastplatz geparkten Wohnwagens aufgehalten haben. Es mag sein, dass es beim Durchstoßen der Außenwand des Wohnwagens regelmäßig zu einer starken Geräuschentwicklung kommt und dass das Beschädigungsbild zunächst den Eindruck vermittelt, die Beschädigung sei so ausgeführt worden, dass einerseits fiktiv hohe Reparaturkosten entstehen, andererseits jedoch eine für den Eigentümer zufrieden stellende Reparatur mit sehr geringem Aufwand möglich sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann hieraus jedoch nicht der Schluss gezogen werden, der Wohnwagen sei von der Klägerin selbst oder einer ihr beauftragten Person vorsätzlich beschädigt worden. Zwar kann ein markantes Schadensbild einen lediglich vorgetäuschten Versicherungsfall indizieren. Ein solches Indiz reicht jedoch nicht aus, um den Nachweis zu führen, dass der Wohnwagen von der Klägerin selbst oder einer von ihr beauftragten Person vorsätzlich beschädigt worden ist. Denkbar ist ebenso, dass ein unbekannter Täter mutwillig diese Beschädigung herbeigeführt hat. Auch kann ein Sachverständiger zu der Frage, von wem die Messerstiche gesetzt wurden, keine sachdienlichen Angaben machen.

Das Landgericht geht zu Recht davon aus, dass die Annahme eines lauten Geräuschs infolge der Messerstiche ebenfalls nicht den von der Beklagten gezogenen Schluss zulässt, die Tat hätte von jemand bemerkt werden müssen. Zum einen steht nicht fest, ob sich zum Zeitpunkt der Beschädigung auf dem Rastplatz in der Nähe des Wohnwagens überhaupt Personen aufhielten, zum anderen ist es durchaus möglich, dass fremde Person Zeugen der Tat wurden, dies jedoch nicht mitgeteilt haben. Dass die Klägerin nicht bereit oder in der Lage war, eine Skizze von der Autobahnraststätte zu zeichnen, ist kein gewichtiges Indiz gegen den Vortrag der Klägerin. Auch ist nicht erheblich, dass die Zeitangaben, wann die Klägerin sich in der Raststätte aufgehalten haben will, etwas differieren. Maßgebend ist, dass die Klägerin sich äußerte, dass es jedenfalls noch hell gewesen sei.

2)

Hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Ersatzanspruches bedarf es indes einer Korrektur. Die Klägerin kann nicht die vollen Reparaturkosten abzüglich der Selbstbeteiligung in Höhe von 8.979,86 € verlangen, sondern kann nur den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert und Selbstbeteiligung in Ansatz bringen. Dies ergibt sich aus § 13 Abs. 5 a) AKB 2000.

Übersteigen danach die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert, wird das Fahrzeug jedoch nachweislich ordnungsgemäß in einer Fachwerkstatt instand gesetzt, ersetzt der Versicherer die Reparaturkosten bis zum Wiederbeschaffungswert. Ein Fahrzeugrestwert wird in diesem Fall nicht angerechnet. Erreichen die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nicht, liegen sie aber über der Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert und wird das Fahrzeug nicht instand gesetzt, kann der Versicherer die Leistung begrenzen auf den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert – es sei denn, die erforderlichen Kosten der Wiederherstellung erreichen 70 % des Wiederbeschaffungswertes nicht.

Vorliegend ist der Wohnwagen nicht ordnungsgemäß in einer Fachwerkstatt instand gesetzt worden. Die Klägerin möchte vielmehr auf fiktiver Reparaturkostenbasis abrechnen. Der Wiederbeschaffungswert beträgt 12.680,04 €, die Reparaturkosten belaufen sich auf 9.133,25 €, der Restwert beträgt 6.100,– €. Der Differenzbetrag zwischen Widerbeschaffungswert und Restwert beläuft sich auf 6.580,04 €. 70 % des Wiederbeschaffungswerts sind 8.876,03 €. Da die Reparaturkosten in Höhe von 9.133,25 € die 70 %-Grenze des Widerbeschaffungswertes übersteigen, kann der Versicherer die Leistung vorliegend auf den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts begrenzen. Von dem Differenzbetrag von 6.580,04 € ist die Selbstbeteiligung von 153,39 € in Abzug zu bringen, so dass sich ein Leistungsanspruch in Höhe von 6.426,65 € ergibt.

Die Berufung hat aus den dargelegten Gründen teilweise Erfolg. Das Urteil ist, wie aus der Tenorierung ersichtlich, teilweise abzuändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 8.979,86 € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 ZPO.

 

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