Leitsatz
1. Im Falle des gewerbsmäßigen Ankaufs von Kraftfahrzeugen und der anschließenden Vermietung an den Verkäufer im Rahmen eines sogenannten „sale and rent back“ liegt ein wucherähnliches Rechtsgeschäft vor, wenn der vereinbarte Kaufpreis den objektiven Verkehrswert um mindestens die Hälfte unterschreitet und sich das im Kaufvertrag begründete wirtschaftliche Ungleichgewicht zu Lasten des Verkäufers auch im Mietverhältnis fortsetzt (Anschluss an BGH, Urteil vom 16. November 2022 – VIII ZR 436/21).
2. Für die Ermittlung des objektiven Verkehrswerts des Fahrzeugs ist dabei weder auf einen besonderen Sale-and-rent-back-Marktpreis noch auf den Händlereinkaufpreis abzustellen, sondern auf den allgemeinen Markt für Gebrauchtwagen.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30.04.2021, Aktenzeichen 55 O 39/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziff. 1 genannte Urteil des Landgerichts Berlin ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
5. Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Landgerichts Berlin vom 30.04.2021 auf 7.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beklagte, welche bundesweit ein staatlich zugelassenes Pfandleihhaus betreibt, kauft im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Kraftfahrzeuge an und überlässt diese den Verkäufern aufgrund eines Mietverhältnisses zur weiteren Nutzung („sale and rent back“). Am Ende des Mietverhältnisses verwertet sie die Kraftfahrzeuge.
Mit Kaufvertrag vom 22.02.2018, hinsichtlich dessen Einzelheiten auf die Anlage K 1 verwiesen wird, veräußerte der Kläger sein von ihm privat genutztes Fahrzeug, einen BMW 120d (Erstzulassung 06.04.2009; 148.622 km) zum Preis von 3.000,00 € an die Beklagte. Der damalige Verkehrswert des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist zwischen den Parteien streitig.
Daneben schlossen die Parteien unter dem 22.02.2018 den in § 6 lit. a) des Kaufvertrags genannten Mietvertrag, nach dem die Klägerin das Kraftfahrzeug für eine Mietzeit ab dem Tag des Vertragsschlusses (22.02.2018) bis zum 22.08.2018 weiternutzen durfte. Die monatliche Miete war mit einem Betrag in Höhe von 465,56 € angegeben, welcher sich aufgrund der Übernahme der Kosten für Steuern, Versicherungen, Wartung und Reparaturen durch den Kläger auf einen monatlichen Betrag von 279,00 € ermäßigte. In § 6 lit. b) des Mietvertrags ist ferner vereinbart, dass die Vermieterin zur sofortigen Kündigung des Mietvertrags berechtigt ist, wenn der Mieter mit einer Mietzahlung mehr als fünf Tage in Verzug ist. Gemäß § 6 lit. c), d), g) und h) ist der Mieter zudem in allen Fällen der Vertragsbeendigung verpflichtet, das Kraftfahrzeug nebst Zulassungsbescheinigung Teil I und Fahrzeugschlüssel binnen einer Frist von 24 Stunden an die Beklagte zurückzugeben, und ist die Beklagte für den Fall der unterbliebenen Rückgabe berechtigt, das Kraftfahrzeug auf Kosten (im Regelfall ca. 800,00 € bis 1.000,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer) und ohne den Willen des Mieters in Besitz zu nehmen. Für die Inbesitznahme soll die Beklagte nach den vertraglichen Regelungen (§ 6 lit. d) des Mietvertrags) keinen Beschränkungen in der Tageszeit unterliegen und zu diesem Zweck auch befriedetes Besitztum öffnen und betreten dürfen. Für den Fall der Wegnahme des Kraftfahrzeugs ist unter § 6 lit. e) des Mietvertrags geregelt, dass der Mieter auf die Einrede der Wegnahme durch verbotene Eigenmacht und Ansprüche nach den §§ 859 ff. BGB verzichte. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Mietvertrags vom 22.02.2018 wird auf die Anlage K 2 verwiesen.
Nach der Unterzeichnung der Verträge übergab der Kläger den Zweitschlüssel für das Fahrzeug und die Zulassungsbescheinigung Teil II an die Beklagte und erhielt seinerseits den Kaufpreis in Höhe von 3.000,00 €. Der Kläger leistete auf den Mietvertrag Zahlungen in Höhe von insgesamt 1.494,00 € (5 x 279,00 € zzgl. 99,00 € Bearbeitungsgebühr für den Mietvertrag).
Unter dem 17.09.2018 erstellte der Sachverständige D. G. im Zusammenhang mit einem Haftpflichtschaden ein Gutachten über das streitgegenständliche Fahrzeug; den Wiederbeschaffungswert bezifferte er mit 7.000,00 € brutto. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf die Anlage K 3 verwiesen. Am 26.10.2018 wurde das streitgegenständliche Fahrzeug in Belgien von der Polizei sichergestellt. Mit Schreiben vom 19.11.2018, hinsichtlich dessen Einzelheiten auf die Anlage K 4 verwiesen wird, erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers namens des Klägers die Anfechtung der Verträge wegen arglistiger Täuschung und forderte die Beklagte auf, bis zum 23.11.2018 die Verträge rückabzuwickeln bzw. gegenüber den Strafverfolgungsbehörden die Zustimmung zur Herausgabe des Fahrzeugs an ihn zu erklären. Ob das Schreiben vom 19.11.2018 an die Beklagte übersandt worden ist, ist zwischen den Parteien streitig.
Nachdem das streitgegenständliche Fahrzeug wieder an den Kläger herausgegeben worden ist und die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrags zu 2) (Verurteilung der Beklagten, einer Weisung der StA Potsdam zur Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die belgische Polizei an den Kläger zuzustimmen) übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat der Kläger erstinstanzlich zuletzt beantragt, festzustellen, dass er Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist, was das Landgericht antragsgemäß festgestellt hat.
Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe das Eigentum an dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht an die Beklagte verloren, sondern sei weiterhin Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Sowohl die unter dem 22.02.2018 abgeschlossenen schuldrechtlichen Verträge als auch die Fahrzeugübereignung seien nach § 134 BGB i. V. m. § 34 Abs. 4 GewO nichtig. Das Geschäftsmodell der Beklagten verstoße gegen die Verbotsvorschrift des § 34 Abs. 4 GewO, wonach der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung eines Rückkaufrechts verboten sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass in dem Kaufvertrag vom 22.02.2018 ausdrücklich kein Rückkaufsrecht vereinbart worden sei, sondern sogar auf das Verbot des § 34 GewO hingewiesen worden sei, weil nach der Vorstellung der Parteien zumindest faktisch ein Rückkaufsrecht vereinbart worden sei. Die Beklagte habe selbst vorgetragen, dass der Kläger nach Beendigung des Mietvertrags die Möglichkeit haben soll, sich das Eigentum an dem Fahrzeug zu verschaffen, indem er entweder an der vertraglich vorgesehenen öffentlichen Versteigerung teilnimmt oder er das Fahrzeug „unter Abbedingung dieses Umwegs“ direkt von der Beklagten zurückerwirbt. Auch die weiteren vertraglich vereinbarten Leistungen des Klägers, welche wirtschaftlich als Entgelt für die Überlassung des Kapitals und den Verwaltungsaufwand der Beklagten anzusehen seien, gehen über einen Nutzungsersatz hinaus. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO dem Kläger auferlegt, aber die Kosten des Rechtsstreits gleichwohl nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO insgesamt der Beklagten auferlegt.
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen erster Instanz, einschließlich der dort gestellten Anträge sowie des Urteilstenors und der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird auf das am 30.04.2021 verkündete Urteil der Zivilkammer 55 des Landgerichts Berlin – 55 O 39/19 – Bezug genommen, welches der Beklagten am 07.06.2021 (Bl. 142/I d. A.) zugestellt worden ist. Gegen dieses Urteil richtet sich die am 07.06.2021 (Bl. 158/I d. A.) eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 09.08.2021 (Bl. 166/I d. A.) mit (taggleich eingegangenem) Schriftsatz vom 09.08.2021 (Bl. 177 ff./I d. A.) begründete Berufung der Beklagten.
Die Beklagte verfolgt mit der Berufung ihr erstinstanzliches Begehren (Klageabweisung) weiter. Sie begründet dies im Wesentlichen wie folgt: Das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Verträge wegen eines Verstoßes gegen § 134 BGB i. V. m. § 34 Abs. 4 GewO nichtig seien. Es habe überdies verkannt, dass ein Verstoß gegen § 34 GewO nicht zu einer Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, sondern allenfalls zu einer Preisanpassung führe, wobei die Vorschriften der Pfandleiherverordnung heranzuziehen seien. Auch seien die Verträge nicht wegen Wucher bzw. als wucherähnliches Rechtsgeschäft nichtig. Die Beklagte ist ferner der Ansicht, es sei bei der Ermittlung, ob ein auffälliges Missverhältnis vorliege, nicht auf einen Wiederbeschaffungs- oder Verkehrswert abzustellen, sondern auf den Händlereinkaufspreis oder auf den noch spezifischeren Sale-and-rent-back“-Marktpreis. Sie behauptet hierzu, der von ihr gezahlte Kaufpreis entspreche den Verhältnissen des spezifischen Marktes der „sale-and-rent-back“-Anbieter (Beweisangebot [Bl. 106/II d. A.]: Sachverständigengutachten). Hilfsweise macht sie geltend, dass es an einer Ausnutzung der Zwangslage fehle, weil die Möglichkeit bestehe, das Fahrzeug zu verkaufen; überdies könne der Kaufvertrag nicht losgelöst von dem späteren Vermietungsgeschäft und der insoweit gegebenen Möglichkeit das Fahrzeug später zurückzuerwerben betrachtet werden. Sie bestreitet eine finanzielle Notlage des Klägers; einerseits habe der Kläger wohl die finanziellen Mittel, um zahnmedizinische Behandlungen bezahlen zu können, andererseits seien die angeblichen Verbindlichkeiten beim Finanzamt Potsdam nicht hinreichend konkretisiert. Die (bestrittenen) Pfändungen seien schon deshalb unbeachtlich, weil sie erst nach dem Vertragsschluss im Februar 2018 ergangen seien sollen. Zudem habe der Kläger auch nicht vorgetragen, weshalb er gerade auf das Fahrzeug angewiesen gewesen sei und es ihm nicht zumutbar gewesen sei, das Fahrzeug auf dem Privatmarkt anzubieten, um zur Schuldentilgung einen höheren Kaufpreis erzielen zu können. Weshalb der Kläger keine andere Möglichkeit gehabt habe, sich auf dem allgemeinen Markt finanzielle Mittel zu verschaffen, sei nicht erkennbar und werde bestritten.
Hilfsweise macht die Beklagte in ihrer Gegenerklärung vom 03.09.2024 (Bl. 108/II d. A.) gegenüber dem Urteilsspruch des Landgerichts Berlin aus Ziff. 1 ein Zurückbehaltungsrecht wegen des Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises von 3.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.02.2018 geltend.
Die Beklagte beantragt (Bl. 177/I d. A.), das am 30.04.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, Az.: 55 O 39/19 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Hilfsweise beantragt sie (Bl. 177/I, 108/II d. A.), den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückzuverweisen bzw. die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt (Bl. 18/II d. A.), die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er macht unter Vertiefung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens geltend, die Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs an die Beklagte sei nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig; es liege ein wucherähnliches Geschäft vor. Er macht hierzu geltend, er habe als Verbraucher gehandelt und sich bei Vertragsschluss in einer finanziellen Notlage befunden; das streitgegenständliche Fahrzeug habe seinen einzig schnell verwertbaren Besitz dargestellt; sein Konto bei der N. Bank sei vollständig ausgeschöpft gewesen, nachdem er erhebliche finanzielle Mittel aufgebracht habe, um zahnmedizinische Behandlungskosten in Höhe von rund 6.000,00 € zu bezahlen, und gegenüber dem Finanzamt Potsdam Verbindlichkeiten in erheblicher Größenordnung aus einer gescheiterten Selbständigkeit bestanden; sein Konto sei am 01.03.2018 und am 15.03.2018 durch die weiteren Gläubiger T. und D. wegen Forderungen in Höhe von 800,00 € bzw. rund 500,00 € aufgrund eines Vollstreckungsbescheides gepfändet worden (Beweisangebot [Bl. 71/II d. A.]: Mitteilungen der N. Bank zu zwei Pfändungen als Anlage BB 1). Er habe keine Möglichkeit gehabt, sich die finanziellen Mittel anderweitig zu besorgen und habe sich aufgrund der Werbung der Beklagten an diese gewandt. Es liege im Zusammenspiel mit den Konditionen des Mietvertrags und der zu zahlenden Monatsmiete von 279,00 € bei einem auf sechs Monate fest abgeschlossenen Mietvertrag ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Der Kläger behauptet hierzu, der Marktwert des streitgegenständlichen Fahrzeugs habe im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem Händlerverkaufswert von 7.250,00 € entsprochen (Beweisangebot [Bl. 73/II d. A.]: DAT-Bewertung sowie DAT-Bewertungsprotokoll zum streitgegenständlichen Fahrzeug als Anlagen BB 4 und BB 5; Sachverständigengutachten).
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die weiteren Voraussetzungen für einen Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO vorliegen.
1. Der Senat ist – weiterhin – einstimmig der Überzeugung, dass die Berufung der Beklagten offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO).
Zur Begründung wird zunächst auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 09.07.2024 (Bl. 87 ff./II d. A.) Bezug genommen, der u. a. wie folgt lautet:
„1. Die nach § 511 Abs. 1 ZPO statthafte Berufung ist gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist jedoch in der Sache offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Nach § 513 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Nach diesem Maßstab hat das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
a) Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers an der begehrten Feststellung zu bejahen, weil sein Eigentum am streitgegenständlichen Fahrzeug zwischen den Parteien streitig ist.
b) Die Klage ist auch begründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass der Kläger Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist.
aa) Zwar sind der Kauf- und Mietvertrag vom 22.02.2018 und die Fahrzeugübereignung nach §§ 929, 930 BGB entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht nach § 134 BGB i. V. m. § 34 Abs. 4 GewO nichtig. Der Bundesgerichtshof hat – nach Erlass des landgerichtlichen Urteils – für die vorliegende Fallkonstellation entschieden, dass die Vorschrift des § 34 Abs. 4 GewO auf den Fall des gewerbsmäßigen Ankaufs von Kraftfahrzeugen und deren Vermietung an den Verkäufer („sale and rent back“) weder direkt noch analog anwendbar ist (s. BGH, Urteil vom 16.11.2022, VIII ZR 221/21, Rn. 28 ff. (juris)).
bb) Allerdings ist die Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs nach §§ 929, 930 BGB gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig; die Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags vom 22.02.2018 als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB erfasst auch die in Erfüllung des Kaufvertrags vorgenommene Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs an die Beklagte.
Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist, wobei weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich ist; es genügt vielmehr, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt (BGH, Urteil vom 16.11.2022, VIII ZR 436/21, Rn. 31 (juris)). Dem steht es gleich, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt (BGH, a. a. O.). Zu berücksichtigen ist nicht nur der objektive Gehalt des Geschäfts, sondern es sind auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, sowie die Absicht und die Motive der Parteien in die Würdigung einzubeziehen (BGH, a. a. O., m. w. N.). Danach können gegenseitige Verträge, auch wenn der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nicht in allen Voraussetzungen erfüllt ist, als wucherähnliche Rechtsgeschäfte nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt (BGH, a. a. O., Rn. 32 (juris)). Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist, weil er etwa die wirtschaftlich schwächere Position des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt oder sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für ihn ungünstigen Vertrag eingelassen hat (BGH, a. a. O., m. w. N.). Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, so kann dies den Schluss auf die bewusste oder grob fahrlässige Ausnutzung eines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstands rechtfertigen (BGH, a. a. O., Rn. 33 (juris) m. w. N.). Ein auffälliges, grobes Missverhältnis, das den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung zulässt, kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig angenommen werden, wenn der Wert der Leistung annähernd doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (BGH, a. a. O., m. w. N.). Diese tatsächliche Vermutung beruht auf dem Erfahrungssatz, dass in der Regel außergewöhnliche Leistungen nicht ohne Not oder nicht ohne einen anderen den Benachteiligten hemmenden Umstand zugestanden werden und der Begünstigte diese Erfahrung teilt (BGH, a. a. O., m. w. N.). Für die Feststellung eines Missverhältnisses kommt es auf die objektiven Werte der Leistungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Die gegenseitigen Leistungen sind nach den vertraglichen Vereinbarungen zu bemessen und nicht danach, was die Parteien sich nachfolgend einander gewährt haben. Ein geeignetes Mittel für die Bestimmung des objektiven Werts ist grundsätzlich der Marktvergleich (BGH, a. a. O., Rn. 34 (juris) m. w. N.).
Hieran gemessen liegt ein auffälliges, grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, welches den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten zulässt. Der vertragliche vereinbarte Kaufpreis betrug lediglich 3.000,00 € und unterschritt damit den objektiven Wert des streitgegenständlichen Fahrzeugs um mindestens die Hälfte.
Auf Grundlage des bereits erstinstanzlich auszugsweise vorgelegten Gutachtens des Sachverständigenbüros G. vom 17.09.2018, wonach der Wiederbeschaffungswert des streitgegenständlichen Fahrzeugs im September 2018 nach einem Unfallschaden und mit einem höheren km-Stand 7.000,00 € brutto betrug, ist der Verkehrswert des streitgegenständlichen Fahrzeugs nach § 287 Abs. 1 ZPO auch bei zurückhaltender Schätzung auf min. 7.000,00 €, jedenfalls aber auf mehr als 6.000,00 € zu schätzen. Auch die nunmehr mit Schriftsatz vom 19.06.2024 als Anlagen BB 4 und BB 5 vorgelegte DAT-Bewertung, wonach zum 22.02.2018 der Händlereinkaufswert 5.750,00 € und der Händlerverkaufswert 7.250,00 € für das streitgegenständliche Fahrzeug betragen haben sollen, sprechen dafür, dass der maßgebliche Verkehrswert des streitgegenständlichen Fahrzeugs jedenfalls bei mehr als 6.000,00 € lag.
Soweit die Beklagte erstinstanzlich im Schriftsatz vom 31.05.2019 (dort S. 4 [Bl. 21/I d. A.]) unter Verweis auf die Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs behauptet hat, der Händlereinkaufspreis habe allenfalls bei 4.500,00 € gelegen, kann dahinstehen, ob dies zutreffend ist, was unter Berücksichtigung der nunmehr klägerseits vorgelegten DAT-Bewertung zumindest zweifelhaft scheint. Denn der Händlereinkaufspreis ist für die Bestimmung des Umfangs des Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung nicht maßgeblich. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BGH vom 16.11.2022, VIII ZR 436/21. Zwar ist in dieser Entscheidung auf den unstreitigen Händlereinkaufspreis abgestellt worden (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 36 (juris)), allerdings kann dies nicht dahingehend missverstanden werden, dass zur Bestimmung des objektiven Werts eines Fahrzeugs der (regelmäßig) niedrigere Händlereinkaufspreis heranzuziehen wäre. Dies ist bereits deshalb unangemessen, weil einem verkaufsbereiten Fahrzeugeigentümer grundsätzlich auch die Option offensteht, sein Fahrzeug auf dem privaten Gebrauchtwagenmarkt ohne Dazwischenschaltung eines gewerblichen Anbieters zu veräußern.
Der Annahme einer tatsächlichen Vermutung für eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten aufgrund des Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung im Kaufvertrag stehen weder die vertraglichen Vereinbarungen zur Anmietung des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch den Kläger noch etwaige Nachteile der Beklagten noch die Regelungen zur Verwertung des Fahrzeugs nach Ablauf der Mietzeit entgegen; vielmehr sprechen diese Bestimmungen nach der gebotenen Gesamtbetrachtung für das Vorliegen eines sittenwidrigen Geschäfts nach § 138 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 16.11. 2022, VIII ZR 436/21, Rn. 40 (juris)). Der Senat nimmt insoweit vollumfänglich auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 16.11.2022, VIII ZR 436/21, Rn. 40-48 (juris) Bezug und macht sie sich auch für das hiesige Verfahren unter Berücksichtigung des Sachvortrags der hiesigen Parteien zu eigen.
Die Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags führt vorliegend auch zur Unwirksamkeit der im Rahmen der Erfüllung des Kaufvertrags erfolgten Übereignung des Kraftfahrzeugs durch den Kläger an die Beklagte. Der Senat nimmt insoweit vollumfänglich auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 16.11.2022, VIII ZR 436/21, Rn. 49-53 (juris) Bezug und macht sie sich auch für das hiesige Verfahren zu eigen.“
An dieser Einschätzung hält der Senat auch nach erneuter Beratung fest. Insbesondere die Ausführungen in der Gegenerklärung der Beklagten vom 03.09.2024 (Bl. 103 ff./II d. A.) sowie der Inhalt der nach Ablauf der verlängerten Erklärungsfrist eingegangenen Schriftsätze der Beklagten vom 04.09.2024 (Bl. 110/II d. A. sowie Bl. 115/II d. A.) geben keinen Anlass zu einer anderen Entscheidung.
a) Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten an seiner Rechtsansicht fest, dass der Kaufvertrag vom 22.02.2018 nach § 138 Abs. 1 BGB als wucherähnliches Rechtsgeschäft nichtig ist und in der Konsequenz auch die in Erfüllung des Kaufvertrags übernommene Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs nichtig ist.
aa) Entgegen der Ansicht der Beklagten bedarf es auch nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des Händlereinkaufspreises und / oder eines spezifischen Marktpreises eines von der Beklagten angeführten Sale-and-rent-back-Marktes.
Für die Feststellung eines Missverhältnisses kommt es, wie bereits im Hinweisbeschluss vom 09.07.2024 unter Ziff. 1. b) bb) ausgeführt, auf die objektiven Werte der Leistungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses an, wobei ein geeignetes Mittel für die Bestimmung des objektiven Werts grundsätzlich der Marktvergleich ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2022, VIII ZR 436/21, Rn. 34 (juris) m. w. N.). Hierbei ist das vereinbarte Entgelt dem marktüblichen Preis, den die Mehrzahl der übrigen Anbieter für vergleichbare Leistungen fordert, gegenüberzustellen (BGH, Urteil vom 12.03.2003, IV ZR 278/01, Rn. 13 (juris) m. w. N.), wobei neben den beiderseitigen Hauptleistungspflichten auch alle sonstigen versprochenen Leistungen und Pflichten zu berücksichtigen sind (Fischinger, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2021 (Updatestand: 25.10.2022), § 138, Rn. 242, 251 m. w. N.). Bei der Ermittlung des relevanten Marktpreises ist grundsätzlich eine ausreichende Zahl an geeigneten Vergleichsgeschäften heranzuziehen (vgl. BGH, Urteil vom 17.06.2005, V ZR 220/04, Rn. 22 (juris) m. w. N.). Ferner sind etwaige strukturelle Besonderheiten in verschiedenen Marktbereichen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2003, IV ZR 278/01, Rn. 13 ff. (juris) m. w. N. [reine Privatkliniken vs. öffentlich geförderte Kliniken]; BGH, Urteil vom 22.12.1999, VIII ZR 111/99, Rn. 9 ff. (juris) m. w. N. [An- und Verkaufspreise im Münzhandel]).
(1) Hiernach ist – in Übereinstimmung mit dem 24. Zivilsenat (Urteil vom 17.07.2023, 24 U 35/23 (2) [nicht veröffentlicht]) sowie dem 4. Zivilsenat (Beschluss vom 08.05.2024, 4 U 111/22 [nicht veröffentlicht] sowie Beschluss vom 08.08.2024, 4 U 60/23 [nicht veröffentlicht]) des Kammergerichts – zunächst daran festzuhalten, dass im hiesigen Fall der sogenannte Händlereinkaufspreis nicht maßgeblich ist, weil dieser allenfalls einen Teilbereich des Marktes für Gebrauchtfahrzeuge abbildet, nämlich die Fälle, in denen Händler Gebrauchtfahrzeuge von Privatpersonen zum niedrigeren Händlereinkaufspreis erwerben, um sie sodann zu einem höheren Händlerverkaufspreis weiterzuveräußern, wobei die Abweichung des Händlereinkaufs- bzw. Händlerverkaufspreises vom objektiven Verkehrswert üblicherweise durch die sich aus der Zwischenschaltung eines gewerblichen Gebrauchtfahrzeughändlers ergebenden Vorteile aufgewogen wird. Die Beklagte ist indes nicht als Gebrauchtwagenhändler tätig, sondern betreibt, wie sie auch selbst geltend macht, ein gänzlich anderes Geschäftsmodell. Insbesondere muss die Beklagte, weil die Fahrzeuge weiterhin von den Kunden genutzt werden, keine Verkaufs- und Standflächen für die Fahrzeuge vorhalten und erspart auch in anderer Weise Gemeinkosten, welche ein Autohändler üblicherweise zu tragen und auf seine Kunden umzulegen hat, z. B. Anmietung und Kauf von Flächen, Versicherungskosten für Diebstahlsschutz, Kosten für Pflege und Instandhaltung, Vertriebs- und Marketingkosten usw. (vgl. KG, Urteil vom 17.07.2023, 24 U 35/23 (2)).
Es ist auch daran festzuhalten, dass allein aus dem Umstand, dass der BGH in seiner Entscheidung vom 16.11.2022 (VIII ZR 436/21) auf den (niedrigeren) Händlereinkaufspreis abgestellt hat, nicht darauf geschlossen werden kann, dass es sich hierbei nach Ansicht des BGH um den für die hiesige Fallkonstellation maßgeblichen Vergleichspreis handelt. Diese Frage bedurfte in dem vom BGH entschiedenen Fall keiner Entscheidung, weil dort schon der (unstreitige) Händlereinkaufspreis den zwischen den Parteien vereinbarten Kaufpreis um das 1,7-fache überstieg (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2022, VIII ZR 436/21, Rn. 36 (juris)).
Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich auch dem Urteil des BGH vom 25.10.2022 (XI ZR 44/22) nicht, dass im hiesigen Fall der Händlereinkaufspreis zugrunde zu legen wäre. Der BGH hat insoweit für die Rückabwicklung eines Kfz-Darlehensvertrags entschieden, dass sich der Wert eines finanzierten Fahrzeugs bei Abschluss des Darlehensvertrags nicht nach dem Händlerverkaufspreis richtet (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2022, XI ZR 44/22, Rn. 62 ff. (juris) m. w. N.), während sich der Verkehrswert des Fahrzeugs im Zeitpunkt seiner Rückgabe an den Händler nach dem Händlereinkaufspreis bestimmt (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 70 ff. (juris) m. w. N.). Irgendeine Festlegung auf den Händlereinkaufspreis als allein maßgeblichen Referenzwert zur Bemessung des Verkehrswerts von Fahrzeugen ist hiermit ersichtlich nicht verbunden.
(2) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch nicht auf einen von der Beklagten angeführten angeblichen Sale-and-rent-back-Marktpreis abzustellen. Selbst wenn zugunsten der Beklagten hypothetisch unterstellt wird, dass der von ihr gezahlte Kaufpreis von 3.000,00 € dem auf dem Sale-and-rent-back-Markt üblichen „Marktpreis“ entspricht, vermag dies keine andere Entscheidung zu rechtfertigen.
Allein der Verweis darauf, dass sich auf einem Teilmarkt angeblich ein niedrigerer Marktpreis gebildet hat, ist nicht ausreichend. Die Beklagte verkennt insoweit, dass der Marktvergleich insoweit nur ein geeignetes Mittel für die Bestimmung des objektiven Wertes sein kann, aber entscheidend immer der objektive Wert selbst bleibt (vgl. OLG Bamberg, Urteil vom 23.01.2019, 3 U 37/18, Rn. 18 (juris) m. w. N.; BGH, Urteil vom 12.03.2003, IV ZR 278/01, Rn. 13 (juris) m. w. N.). So hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass ein überregionaler Vergleich geboten ist, wenn es auf dem örtlichen Immobilienmarkt lediglich einen einzigen Anbieter für Wohnungserbbaurechte gibt, weil andernfalls die Möglichkeit einer Nichtigkeit der Geschäfte nach § 138 Abs. 1 BGB wegen wucherähnlicher Sittenwidrigkeit aufgrund eines groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung von vornherein ausscheide (vgl. BGH, Urteil vom 17.06.2005, V ZR 220/04, Rn. 22 (juris) m. w. N.). Ebenso ist ein übergreifender Vergleich anhand des objektiven Wertes (Verkehrspreises) unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Geschäftsmodells geboten, wenn – wie hier – in Rede steht, dass sich in einem Marktbereich ein wucherischer bzw. wucherähnlicher Marktpreis herausgebildet hat.
Hiernach ist ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem von der Beklagten an den Kläger gezahlten Kaufpreis in Höhe von 3.000,00 € und dem objektiven Verkehrswert des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Februar 2018 zu bejahen. Der Senat schätzt den objektiven Verkehrswert des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu diesem Zeitpunkt weiterhin auf min. 6.000,00 €. Soweit die Beklagte meint, bei dem in der Anlagen BB 4 und BB 5 ausgewiesene Händlereinkaufspreis von 5.706,46 € bzw. 5.725,00 € handle es sich um einen Bruttobetrag, ist dies unbehelflich. Zwar findet sich in der Anlage BB 5 der Hinweis „alle ausgewiesenen Währungsbeträge sind Brutto“, allerdings ergibt sich aus der nachfolgenden Aufstellung zweifelsfrei, dass beim Händlereinkaufs- und Händlerverkaufspreis von einer Differenzbesteuerung nach § 25a UStG ausgegangen worden ist und es sich dementsprechend bei dem angegebenen Händlereinkaufspreis um einen Nettopreis handelt.
Dieses Missverhältnis zwischen Kaufpreis und objektivem Wert des Kaufgegenstandes lässt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht mit den Besonderheiten ihres Geschäftsmodells (Sale-and-rent-back), wonach die Kunden das Fahrzeug vorübergehend weiter nutzen können, rechtfertigen. Vielmehr sprechen die weiteren vertraglichen Vereinbarungen zur Anmietung, etwaige Nachteile der Beklagten im Zusammenhang mit der (Weiter)Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger sowie die Regelungen zur Verwertung des Fahrzeugs nach Ablauf der Mietzeit im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung für das Vorliegen eines sittenwidrigen Geschäfts im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2022, VIII ZR 436/21, Rn. 40 ff. (juris) m. w. N.). Das im Kaufvertrag begründete wirtschaftliche Ungleichgewicht zu Lasten des Klägers setzt sich im Mietverhältnis und bei den Regelungen zur anschließenden Verwertung des Fahrzeugs fort, während die Beklagte ihrerseits keine nennenswerten Risiken übernommen hat (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 40 ff. (juris) m. w. N.). Insbesondere stellt die vom Kläger an die Beklagte – in nicht unerheblicher Höhe – zu entrichtende Miete nicht allein die Gegenleistung für die Überlassung der Nutzungsmöglichkeit an dem streitgegenständlichen Fahrzeug dar, sondern ist unter Beachtung der erheblichen Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Wert des Fahrzeugs der Sache nach auch eine „Vergütung“ für die Überlassung des dem Kläger durch die Kaufpreiszahlung zur Verfügung gestellten Kapitals (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 43 (juris)). Der Kläger hatte sich verpflichtet, innerhalb der ursprünglich vertraglich vereinbarten Mietzeit von sechs Monaten nach Vertragsschluss an die Beklagte 1.674,00 € (6 x 279,00 €) und damit etwa 55,8 % des von ihm zuvor erhaltenen Kaufpreis zurückzuzahlen (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 43 (juris)). Wenn der Kläger sich dem gesetzlichen Leitbild des § 535 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB entsprechend dazu entschieden hätte, die Kosten für Steuern, Versicherungen, Wartungen und Reparaturen nicht selbst zu übernehmen, hätten sich die von ihm zu erbringenden Mietzahlungen sogar auf 2.793,36 € (6 x 465,56 €) und damit auf rund 93 % des zuvor erhaltenen Kaufpreises belaufen.
bb) Soweit die Beklagte die finanzielle Notlage des Klägers bestreitet, ist dies unbehelflich. Zunächst ist das diesbezügliche Vorbringen des Klägers nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich zuzulassen, weil es einen Gesichtspunkt betrifft, den das Landgericht unter Berücksichtigung seiner rechtlichen Würdigung für unerheblich gehalten hat.
Im Übrigen ist die Annahme einer bewussten oder grob fahrlässigen Ausnutzung eines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes gerechtfertigt, wenn – wie hier – ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht; diese tatsächliche Vermutung beruht auf dem Erfahrungssatz, dass in der Regel außergewöhnliche Leistungen nicht ohne Not oder nicht ohne einen anderen den Benachteiligten hemmenden Umstand zugestanden werden und der Begünstigte diese Erfahrung teilt (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2022, VIII ZR 436/21, Rn. 33 (juris) m. w. N.). Es wäre Sache der Beklagten diese tatsächliche Vermutung zu widerlegen. Hierfür genügt jedoch weder ein einfaches Bestreiten der finanziellen Notlage des Klägers im Februar 2018 noch der allgemeine Verweis darauf, dass es dem Kläger möglich gewesen wäre, sein Fahrzeug auch auf dem Privatmarkt zu veräußern, anstatt sich auf die Vertragsbedingungen der Beklagten einzulassen.
cc) Soweit die Beklagte in ihrer Gegenerklärung vom 03.09.2024 geltend macht, der BGH habe ihr Vertragsmodell in seiner Urteilsserie vom 16.11.2022 als zulässig beurteilt, übergeht dies, dass der BGH im Verfahren VIII ZR 436/21 ausdrücklich festgestellt hat, dass der zwischen den dortigen Parteien über das Fahrzeug geschlossene Kaufvertrag als wucherähnliches Geschäft sittenwidrig und damit – ebenso wie die in Erfüllung des Kaufvertrags übernommene Übereignung des Fahrzeugs – nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, und die weiteren Verfahren (VIII ZR 221/21, VIII ZR 288/21 sowie VIII ZR 290/21) zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die Frage des Vorliegens eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts nach § 138 Abs. 1 ZPO zurückverwiesen hat.
b) Eine andere Entscheidung ist auch nicht veranlasst, soweit die Beklagte in ihrer Gegenerklärung vom 03.09.2024 (Bl. 108/II d. A.) erstmals „gegenüber dem Urteilsspruch des Landgerichts Berlin aus Ziff. 1 ein Zurückbehaltungsrecht wegen des Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises von 3.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.02.2018“ geltend macht.
Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nach §§ 273, 320 BGB scheidet insoweit aus. Situativ setzt die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts voraus, dass der Schuldner durch den Gläubiger auf eine Leistung in Anspruch genommen wird. Gegenüber einer Feststellungsklage – wie hier – scheidet die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts hingegen bereits begrifflich aus (s. RG, Urteil vom 26.02.1940, V 147/39, RGZ 163, 62 (63); Krüger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2022, § 273 BGB, Rn. 7 m. w. N.).
2. Auch die weiteren Voraussetzungen für einen Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor.
a) Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO).
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO ist nur dann gegeben, wenn die Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d. h. die allgemein von Bedeutung ist (BGH, Beschluss vom 23.02.2022, IV ZR 150/20, Rn. 14 (juris) m. w. N.). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen, wobei derartige Unklarheiten unter anderem dann bestehen, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (BGH, a. a. O., m. w. N.). Eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nach § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO erforderlich, wenn die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (BGH, Beschluss vom 16.10.2018, II ZR 70/16, Rn. 17 (juris) m. w. N.). Die Divergenz muss im Hinblick auf eine das Verfahren abschließende Entscheidung bestehen; bei einem Beweis- oder Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts handelt es sich um eine reine Zwischenentscheidung, die von vornherein keinen zulassungsrelevanten Meinungsstreit begründen kann (BGH, Beschluss vom 09.06.2020, VIII ZR 315/19, Rn. 13 (juris)).
Hieran fehlt es. Es ist bereits in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausreichend geklärt, dass bei der Bestimmung eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung entscheidend auf den objektiven Wert der Leistungen abzustellen ist, während ein Marktvergleich lediglich ein geeignetes Mittel für die Bestimmung des objektiven Wertes sein kann. Dass der Händlereinkaufspreis in der hiesigen Fallkonstellation nicht maßgeblich ist, ist bereits durch den 24. und 4. Zivilsenats des Kammergerichts obergerichtlich entschieden worden. Entgegenstehende obergerichtliche Entscheidungen, die nicht nur eine reine Zwischenentscheidung oder Äußerung in einer mündlichen Verhandlung sind und in denen es entscheidungserheblich darauf ankam, ob im Rahmen der Bestimmung eines auffälligen Missverhältnisses der (niedrigere) Händlereinkaufspreis anstelle des objektiven Verkehrswerts zugrunde zu legen ist, sind weder ersichtlich noch dargetan. Ebenso sind entgegenstehende obergerichtliche Entscheidungen, in denen maßgeblich auf einen angeblichen Sale-and-rent-back-Marktpreis abgestellt worden ist, weder ersichtlich noch dargetan.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit die Beklagte geltend macht, das OLG Karlsruhe habe in seinem Urteil vom 16.12.2020 (7 U 69/20) eine Zwangslage der dortigen Klägerin verneint. Diese Entscheidung ist durch das Urteil des BGH vom 16.11.2022 (VIII ZR 436/21) als überholt anzusehen.
b) Schließlich erscheint die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch nicht aus sonstigen Gründen geboten (§ 522 Abs. 2 S 1 Nr. 4 ZPO).
III.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711, 713 ZPO. Die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, liegen unzweifelhaft nicht vor (§ 713 ZPO). Eine Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wäre nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unstatthaft, weil der Wert der mit der Revision maximal geltend zu machenden Beschwer nicht, wie erforderlich, 20.000,00 € übersteigt.
2. Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1, 63 Abs. 1 S. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO. Der Senat schätzt den Wert des streitgegenständlichen Fahrzeugs zum nach § 40 GKG maßgeblichen Zeitpunkt (August 2021) auf Grundlage des als Anlage K 3 vorliegenden Gutachtens weiterhin auf 6.000,00 €. Zur weiteren Begründung wird auf Ziff. 3 des Hinweisbeschlusses vom 09.07.2024 Bezug genommen.
3. Zugleich ist der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren nach § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG nach Anhörung der Parteien von Amts wegen abzuändern und auf 7.000,00 € festzusetzen. Zur Begründung wird vollumfänglich auf Ziff. 4 des Hinweisbeschlusses vom 09.07.2024 Bezug genommen.