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Wurzelwuchs von Straßenbäumen im Regenwasserabflussrohr eines Hausgrundstücks

LG Berlin – Az.: 28 O 224/17 – Urteil vom 09.07.2018

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.225 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.6.2017 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der weiteren Forderung der B in Höhe von 5.301,47 € gemäß Rechnung Nr. 9.. vom 4.4.2016 betreffend das Vertragskonto 2.. nebst angefallener Verzugszinsen freizustellen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zum Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten 808,13 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Aufwendungsersatz.

Die Klägerin beauftragte im Jahr 2015 die B mit Instandsetzungsarbeiten am Regenwasserentwässerungssystem des Hauses M.. Str. .., .. B.. . Arbeiten wurden durchgeführt und rechneten die B hierüber mit Schreiben vom 4.4.2016 ab (Anlage K7a). Aufforderungen der Klägerin gegenüber dem Beklagten zur Zahlung/Übernahme dieser Kosten blieben erfolglos. Mit der Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten die Erstattung gezahlter 3.225 € sowie Freistellung vom Restbetrag von 5.301,47 €.

Die Klägerin behauptet, seit 2004 Eigentümerin des mit einem Mietshaus bebauten Grundstücks in der M.. Str. .. zu sein. Sie behauptet ferner, von einem Straßenbaum auf dem Gehweg der M.. Straße seien Wurzeln in das zum Haus der Klägerin führende Regenwasserabflussrohr hineingewachsen und habe dasselbe verstopft, was zu Überschwemmungen im Keller des klägerischen Hauses geführt habe. Anlässlich der durchgeführten Instandsetzungsarbeiten sei das mit Wurzelwerk zugewachsene Abflussrohr von der Betonwand an der Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstücks bis zum Fahrbahnrand ausgetauscht worden. Andere Instandsetzungsanlässe habe es nicht gegeben.

Die Klägerin beantragt mit der am 16.6.2017 zugestellten Klage,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 3.225 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von der weiteren Forderung der B in Höhe von 5.301,47 € gemäß Rechnung Nr. 9.. vom 4.4.2016 nebst Zinsen freizustellen;

3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 € zu erstatten.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er wendet ein, allein das durch die Gebäudewand führende Rohrteil sowie der im Keller befindliche Regenwasserhausanschlusskasten seien durchgerostet und instandsetzungsbedürftig gewesen. Sodann meint er, eine etwa von einem Straßenbaum ausgehende Beeinträchtigung durch Wurzelwachstum habe die Klägerin gemäß § 16 Abs. 3 BerlStrG zu dulden.

Es wurde Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin, von der Firma H GmbH seien vor dem Grundstück der Klägerin die in der Anlage 7a beschriebenen Leistungen aus Anlass von Wurzeleinwuchs in den Entwässerungskanal ausgeführt worden, durch Vernehmung der Zeugen S und H. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 28.5.2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat überwiegend Erfolg.

I. Klageanträge zu 1. und 2.

Der Anspruch auf Zahlung und Freistellung folgt aus §§ 1004, 812 Abs. 1 BGB.

Die Klägerin konnte ursprünglich vom Beklagten die Störungsbeseitigung in Form der durch Wurzelwachstum bewirkten Verstopfung des Regenwasserkanals aus § 1004 BGB verlangen.

Die Auffassung des Beklagten, die Klägerin sei nicht aktiv- und er selbst nicht passivlegitimiert, ist unzutreffend. Die Aktivlegitimation der Klägerin für den Anspruch auf Ersatz der Störungsbeseitigungskosten folgt aus dem Umstand, dass ihr als von § 1004 Abs. 1 BGB berechtigte Eigentümerin der Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gegen den Störer zustand. Das Eigentum der Klägerin an der Liegenschaft ist ausgehend von dem nicht mehr bestrittenen Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 22.9.2017 (Bl. 28 d.A.) nicht mehr strittig. Die Passivlegitimation des Beklagten folgt aus dem Umstand, dass er als Eigentümer des Straßenbaums Störer i.S.d. Norm war. Wen Verkehrssicherungspflichten mit Rücksicht auf die Kontrolle der Regenentwässerungskanäle auf Wurzeleinwuchs traf – den Beklagten oder die B – ist für den Streitfall irrelevant, weil Ansprüche aus der Verletzung solcher Pflichten nicht Streitgegenstand sind.

Wurzelwuchs von Straßenbäumen im Regenwasserabflussrohr eines Hausgrundstücks
(Symbolfoto: KhunYing/Shutterstock.com)

Die weitere Voraussetzung des Anspruchs, dass das Eigentum der Klägerin durch den Beklagten in einer diesem zurechenbaren Weise gestört wurde, lag vor. Denn tatsächlich war durch Wurzelwachstum ausgehend von einem Straßenbaum eine Verstopfung des Regenentwässerungsrohrs erfolgt. Letzteres steht nach Auffassung des Gerichts im Ergebnis der Beweisaufnahme fest. Der Zeuge H hat glaubhaft zum Anlass der durchgeführten Instandsetzung sowie zu den ausgeführten Arbeiten Angaben gemacht. Danach gibt es keinen Hinweis darauf, dass aus Gründen verrosteter Rohrteile im Gebäude des Hauses Reparaturen durchgeführt wurden, wie der Beklagte einwendet, sondern die mit Wurzeln verwachsene Rohrleitung außerhalb des Gebäudes instandgesetzt wurde. Das deckt sich im Übrigen mit den Angaben in der Abrechnung der Wasserbetriebe in Anlage K7a, wo zwar kein Wurzeleinwuchs beschrieben wird, aber Arbeiten im Außenbereich des Gebäudes und nicht etwa im Gebäudekeller selbst ablesbar sind. Die Angaben des Zeugen H wurden schließlich durch die Angaben des Zeugen S sowie das von ihm übergebene/übersandte Schreiben der Wasserbetriebe vom 16.10.2015 (Bl. 134 d.A.) bestätigt, wonach auch die Wasserbetriebe nach Besichtigung vor Ort den Wurzeleinwuchs festgestellt haben. Sofern in dem Schreiben auch das verrottete LNA-Rohr nebst Hausanschlusskasten erwähnt wird, ist das unerheblich, weil diese Kosten nicht Gegenstand der Rechnung der Wasserbetriebe sind, welche die streitgegenständlichen Kosten ausmachen.

Der von den Zeugen wiedergegebene Sachverhalt deckt sich mit den Angaben der Klägerin sowie des im Termin erschienen Herrn R, Mitarbeiter der klägerischen Hausverwaltung.

Aus dem Umstand, dass es vor dem Haus der Klägerin in der M.. Straße außer Straßenbäumen, die im Eigentum des Beklagten stehen, keine vergleichbar wurzelnden Pflanzen gibt, folgt, dass die Ursache des Wurzelverwachsungen eben diese Straßenbäume sein müssen. Auf den im Termin überreichten Fotos ist unmittelbar rechts neben der Einfahrt zum Haus der Klägerin ein begrünter Baum (Linde) zu erkennen. Darauf, wie lange der weitere, links neben der Einfahrt befindliche und abgesägte Baum noch wurzeln konnte, kommt es deshalb nicht an. Die Kausalität ergibt sich nach den hier anzuwendenden Grundsätzen des Anscheinsbeweises. Dieser Beweis gilt als erbracht, wenn im Einzelfall ein „typischer“ Geschehensablauf vorliegt, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder Folge hinweist und derart gewöhnlich und üblich erscheint, dass die besonderen individuellen Umstände an Bedeutung verlieren. Der Anscheinsbeweis ist erschüttert, sofern der Gegner Tatsachen behauptet und beweisen kann, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden (atypischen) Ablaufs ergibt (vgl. Musielak/Voit/Foerste ZPO § 286 Rn. 23, beck-online). Ausgehend von der Tatsache, dass sich nur wenige Meter von der verwurzelten Rohrleitung eine grüne Linde befindet, die dort auch schon einige Jahre steht, folgt die Annahme, dass der aufgetretene Schaden typischerweise von diesem Baum oder den anderen auf der Straße befindlichen verursacht worden ist. Die Annahme, dass Birken- bzw. Efeuwurzeln aus dem weit entfernten Innenhof unterhalb des Gebäudekellers bzw. des Gebäudefundaments in den Bereich unterhalb der Straße hineinwachsen und dort Rohre erreicht haben könnten, ist lebensfremd. Anders als der Beklagte angibt, liegen auch keine Fotos vor, die Hofbewuchs „in der Nähe der Schadensstelle“ belegen.

Anders als der Beklagte meint, war die Klägerin nicht zur Duldung der Störung verpflichtet. Das folgt nicht aus § 16 Abs. 3 BerlStrG. Die Vorschrift sieht vor, dass Bepflanzungen der Straßen, insbesondere mit Bäumen, grundsätzlich vorzusehen, zu erhalten und zu schützen sind (S. 1). Die Eigentümer und die Besitzer von Grundstücken an öffentlichen Straßen haben die unvermeidbaren Einwirkungen von Pflanzungen im Bereich des Straßenkörpers und die Maßnahmen zu ihrer Erhaltung und Ergänzung zu dulden (S. 2). Eingriffe von ihrer Seite bedürfen der Zustimmung der Straßenbaubehörde und der für die Pflege und Unterhaltung der öffentlichen Grünanlagen zuständigen Stelle.

Nach richtiger Auffassung ordnet die Vorschrift die Duldungspflicht nur beschränkt auf solche von Straßenbepflanzungen ausgehende Einwirkungen an, die mit Rücksicht auf das Wachstum von Bäumen an Straßen auch in Ansehung durchzuführender Pflegemaßnahmen unvermeidbar vegetationstypisch sind. Das betrifft z.B. Einwirkungen wie Verschattung, Laubwurf, Astabfall und allgemeines, grundstücksübergreifendes Wurzelwachstum. Demgegenüber ist nicht anzunehmen, dass die Norm zugleich Duldungspflichten für solche Einwirkungen anordnet, die im Fall ihres Auftretens fachgerechte Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahmen am Bewuchs auslösen. Wie sich aus der Entscheidung BGH, Urteil vom 24.8.2017 – III ZR 574/16 – ergibt, wird die Beobachtung von Wurzelwuchs in Abwasseranlagen hinein, als verkehrssicherungspflichtige Maßnahme angesehen. Zwar geht es im Streitfall nicht um die Haftung aus schuldhafter Verletzung solcher Verkehrssicherungspflichten. Der Entscheidungsinhalt ist für den Streitfall allerdings insoweit maßgeblich, als der Wurzeleinwuchs nicht schlechthin, wie Schatten- und Laubwurf, vom Grundstückseigentümer hinzunehmen ist, sondern Prävention und die Beseitigung von die Grundstücksnutzung beeinträchtigenden Wuchserscheinungen zu erfolgen haben. Das führt sodann zu der Erkenntnis, dass solche Erscheinungen dann offenbar aber gerade nicht vom Eigentümer geduldet werden müssen. Andernfalls wäre kaum zu begründen, dass mit Rücksicht auf Wurzelwuchs Verkehrssicherungspflichten entstehen können.

Eigentümer, die Beeinträchtigungen vorstehender Art selbst beseitigt, können vom nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB unterlassungspflichtigen Störer Ersatz der zur Störungsbeseitigung erforderlichen Aufwendungen gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2005 – V ZR 142/04, NJW 2005, 1366 f. m.w.N.).

Der Klägerin steht deshalb gegenüber dem Beklagten der Anspruch auf Ersatz der von den für die wurzelbedingte Sanierung der Abwasserleitung in Rechnung (Anlage K7a) gestellten Kosten zu. Der Beklagte ist zur Zahlung in Höhe des durch die Klägerin bereits beglichenen Rechnungsbetrages (3.225 €) und in Höhe des Restbetrages (5.301,47 €) zur Freistellung zzgl. entstandener Verzugszinsen verpflichtet.

Der Zinssatzsatz richtet sich nach § 288 Abs. 1 BGB. 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz gemäß Abs. 2 kann die Klägerin nicht beanspruchen, weil es sich um einen Entgeltforderung i.S.d. Norm handelt.

II. Klageantrag zu 3.

Der Beklagte hat ferner gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 BGB die Rechtsverfolgungskosten als Verzugsschaden zu ersetzen. Ausgehend vom sich nach dem Rechnungsbetrag aus Anlage K7a richtenden, zutreffenden Gegenstandwert (bis 9.000 €) ergibt sich ein zu ersetzender Schaden in Höhe von:

  • GeschäftsG 1,3 659,10 €
  • Pauschale 20,00 €
  • ZwischenS 679,10 €
  • Ust 129,03 €
  • GesamtS 808,13 €

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

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