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Zahlung einer Hinterbliebenenentschädigung – Voraussetzungen

Ein tragischer Todesfall nach Schlaganfall und die folgenschwere Entscheidung des Betreuers, die lebenserhaltenden Maßnahmen zu beenden, führten zu einer erbitterten Auseinandersetzung vor Gericht. Die Tochter der Verstorbenen kämpfte um eine Hinterbliebenenentschädigung und warf dem Betreuer vor, den Tod ihrer Mutter zu verantworten, doch das Gericht sah die Dinge anders. In einem emotional aufgeladenen Prozess wurde der mutmaßliche Wille der Patientin zum zentralen Streitpunkt, während die Tochter verzweifelt versuchte, ihre Sicht der Dinge darzulegen.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Die Klage der Tochter auf Hinterbliebenenentschädigung wurde abgewiesen.
  • Der Beklagte hat als vorläufiger Betreuer der verstorbenen Mutter keine Pflicht verletzt.
  • Die Entscheidung zur Beendigung der künstlichen Beatmung erfolgte gemäß dem mutmaßlichen Willen der Verstorbenen.
  • Die Tochter konnte keine Betreuungsvollmacht vorlegen, bevor die Beatmung beendet wurde.
  • Die Tochter hatte kein gutes Verhältnis zu ihrer Mutter und widersprach erst nach der Extubation der Entscheidung.
  • Das Gericht sah keinen Grund zur Annahme, dass der Beklagte anders hätte handeln müssen.
  • Die Klage war daher unbegründet, und es besteht kein Anspruch auf Schmerzensgeld.
  • Auch vorgerichtliche Anwaltskosten und Zinsen wurden nicht zugesprochen.

Hinterbliebenenrente nach Gerichtsurteil: Wer hat Anspruch auf die finanzielle Unterstützung?

Der Verlust eines geliebten Menschen ist ein herzzerreißender Moment, der von Trauer und Schmerz geprägt ist. Oftmals hinterlässt der Verstorbene jedoch nicht nur emotionale, sondern auch finanzielle Lücken. In solchen Situationen kann die Hinterbliebenenrente eine wichtige Stütze sein, die dazu beiträgt, die entstandenen finanziellen Belastungen zu mildern.

Doch nicht jeder Hinterbliebene hat Anspruch auf diese finanzielle Unterstützung. Die Voraussetzungen für den Bezug einer Hinterbliebenenrente sind komplex und unterliegen strengen rechtlichen Vorgaben. Das Gesetz definiert ganz klar, wer Anspruch auf diese Leistung hat und welche Kriterien erfüllt sein müssen. Insbesondere die Frage, ob eine eheliche oder nichteheliche Lebensgemeinschaft bestand, spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Im Folgenden wollen wir einen konkreten Fall genauer beleuchten, der vor Gericht verhandelt wurde und in dem die Frage der Hinterbliebenenrente im Mittelpunkt stand. So können wir die rechtlichen Rahmenbedingungen besser verstehen und gleichzeitig einen Einblick in die juristische Praxis gewinnen.

Unsicherheit nach einem tragischen Verlust?

Der Verlust eines geliebten Menschen ist schwer genug. Wenn dann noch rechtliche Fragen zu Entschädigungen oder dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen auftauchen, kann die Situation überwältigend sein. Wir verstehen das. Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Erbrecht und Patientenverfügungen und verfügt über langjährige Erfahrung in der Begleitung von Mandanten in ähnlichen Situationen.

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Der Fall vor Gericht


Streit um Hinterbliebenenentschädigung nach Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen

Hintergrund des Rechtsstreits

Ein tragischer Todesfall führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung zwischen einer Tochter und dem gerichtlich bestellten Betreuer ihrer verstorbenen Mutter. Die Mutter erlitt am 21.05.2019 einen schweren Schlaganfall und wurde in eine Klinik eingeliefert, wo sie künstlich beatmet wurde. Am 24.05.2019 wurde der Beklagte vom Amtsgericht zum vorläufigen Betreuer bestellt, zuständig für Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung.

Am 31.05.2019 entschied der Betreuer in Absprache mit der behandelnden Ärztin, die künstliche Beatmung zu beenden. Die Patientin verstarb kurz darauf. Die Tochter der Verstorbenen verklagte daraufhin den Betreuer auf Zahlung einer Hinterbliebenenentschädigung in Höhe von 10.000 Euro. Sie argumentierte, der Betreuer habe gegen ihren ausdrücklichen Willen und ohne ihre Einbeziehung den Tod ihrer Mutter zu verantworten.

Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens

Der Betreuer gab an, er habe in einem Gespräch mit der Klägerin am 24.05.2019 versucht, den mutmaßlichen Behandlungswillen der Patientin zu ermitteln. Laut seiner Aussage habe die Tochter erklärt, ihre Mutter habe früher geäußert, nicht an Maschinen angeschlossen werden zu wollen. Die Klägerin bestritt diese Darstellung und behauptete, sie habe einer Beendigung der lebenserhaltenden Maßnahmen widersprochen.

Das Gericht schenkte der Aussage des Betreuers mehr Glauben. Es hielt es für unglaubwürdig, dass der Betreuer in dem Gespräch nicht nach dem mutmaßlichen Willen der Patientin gefragt haben sollte. Auch die Behauptung der Klägerin, sie habe eine Patientenverfügung erwähnt, wurde als nicht glaubhaft eingestuft. Das Gericht wertete es als unplausibel, dass die Klägerin weder dem Betreuer noch dem Betreuungsgericht eine solche Verfügung vorgelegt hatte.

Rechtliche Bewertung der Betreuerentscheidung

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Betreuer keine Pflichtverletzung begangen hatte. Er habe gemäß den gesetzlichen Vorgaben den mutmaßlichen Willen der Patientin ermittelt und auf dieser Grundlage entschieden. Eine gerichtliche Genehmigung für die Beendigung der Beatmung war nicht erforderlich, da Einigkeit zwischen Betreuer und behandelnder Ärztin über den mutmaßlichen Patientenwillen bestand.

Zudem sah das Gericht den Betreuer nicht in der Pflicht, nach einer möglichen Vorsorgevollmacht zugunsten der Tochter zu forschen. Die Klägerin hatte weder dem Betreuer noch dem Betreuungsgericht gegenüber eine solche Vollmacht erwähnt oder vorgelegt. Erst nach dem Tod ihrer Mutter beantragte sie Akteneinsicht unter Vorlage einer Betreuungsvollmacht.

Abweisung der Klage und rechtliche Konsequenzen

Das Landgericht Saarbrücken wies die Klage vollständig ab. Es sah keinen Anspruch der Klägerin auf eine Hinterbliebenenentschädigung nach § 844 Abs. 3 BGB, da der Betreuer keine Pflichtverletzung begangen hatte. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch waren somit nicht erfüllt.

Die Klägerin muss die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Streitwert wurde auf 10.000 Euro festgesetzt.

Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung einer klaren Kommunikation über den Patientenwillen und die Existenz von Vorsorgevollmachten oder Patientenverfügungen. Er zeigt auch die schwierige Situation von Betreuern, die in Krisensituationen weitreichende Entscheidungen treffen müssen.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil bekräftigt die rechtliche Stellung von Betreuern bei medizinischen Entscheidungen am Lebensende. Es unterstreicht die Bedeutung der sorgfältigen Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens und die Notwendigkeit der Einigkeit zwischen Betreuer und Ärzten. Der Fall verdeutlicht zudem die Wichtigkeit klarer Kommunikation und rechtzeitiger Vorlage von Patientenverfügungen oder Vorsorgevollmachten, um Konflikte zu vermeiden und den Patientenwillen bestmöglich umzusetzen.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil unterstreicht die Wichtigkeit, den Willen Ihrer Angehörigen bezüglich lebenserhaltender Maßnahmen frühzeitig und klar zu dokumentieren. Wenn Sie sich in einer ähnlichen Situation wie die Klägerin befinden, ist es entscheidend, dass Sie eine eventuell vorhandene Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht umgehend den behandelnden Ärzten und dem Betreuer vorlegen. Ohne solche Dokumente wird der mutmaßliche Wille des Patienten durch Gespräche mit Angehörigen und Ärzten ermittelt. Dabei können Ihre Aussagen über frühere Äußerungen des Patienten ausschlaggebend sein. Bedenken Sie, dass in solchen Situationen nicht Ihr eigener Wille, sondern der mutmaßliche Wille des Patienten entscheidend ist. Um spätere Konflikte zu vermeiden, sprechen Sie rechtzeitig mit Ihren Angehörigen über deren Wünsche und halten Sie diese schriftlich fest.


FAQ – Häufige Fragen

Sie stehen als Hinterbliebener vor vielen neuen Herausforderungen? Hinterbliebenenentschädigung ist in solchen Situationen ein komplexes Thema, doch wir möchten Klarheit schaffen. In unserer FAQ-Rubrik finden Sie hilfreiche Informationen zu den wichtigsten Fragen, sodass Sie die für Sie relevanten Punkte besser verstehen können.


Welche Voraussetzungen müssen für die Hinterbliebenenentschädigung erfüllt sein?

Die Hinterbliebenenentschädigung, auch als Hinterbliebenengeld bezeichnet, ist eine relativ neue Rechtsfigur im deutschen Schadensersatzrecht. Sie wurde 2017 eingeführt, um Hinterbliebenen einen Ausgleich für ihr seelisches Leid nach dem Tod eines nahestehenden Menschen zu gewähren.

Für den Anspruch auf Hinterbliebenenentschädigung müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss ein Mensch durch eine unerlaubte Handlung oder ein haftungsbegründendes Ereignis getötet worden sein. Dies kann beispielsweise durch einen Verkehrsunfall, einen Behandlungsfehler oder eine Straftat geschehen sein. Der Tod muss also auf einem Verhalten beruhen, das rechtlich vorwerfbar ist und für das jemand zur Verantwortung gezogen werden kann.

Eine weitere zentrale Voraussetzung ist das Bestehen eines besonderen persönlichen Näheverhältnisses zwischen dem Verstorbenen und dem Hinterbliebenen. Das Gesetz vermutet ein solches Näheverhältnis bei Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnern, Eltern und Kindern. Bei diesen Personengruppen muss das enge Verhältnis nicht gesondert nachgewiesen werden. Andere Personen, wie etwa Geschwister, Großeltern oder enge Freunde, können ebenfalls anspruchsberechtigt sein, müssen aber darlegen und beweisen, dass eine besonders enge Beziehung zum Verstorbenen bestand.

Der Hinterbliebene muss durch den Tod der nahestehenden Person seelisches Leid erlitten haben. Dies wird in der Regel angenommen, wenn ein besonderes Näheverhältnis bestand. Das Leid muss nicht in Form einer krankhaften seelischen Störung vorliegen; die normale Trauer und der Schmerz über den Verlust reichen aus.

Der Anspruch richtet sich gegen denjenigen, der für den Tod verantwortlich ist. Dies kann eine Einzelperson sein, aber auch ein Unternehmen oder eine Institution. In vielen Fällen wird die Haftpflichtversicherung des Verantwortlichen für die Zahlung aufkommen.

Die Höhe der Entschädigung ist gesetzlich nicht festgelegt. Sie soll angemessen sein und wird von den Gerichten im Einzelfall bestimmt. Dabei werden verschiedene Faktoren berücksichtigt, wie die Intensität der Beziehung, die Umstände des Todesfalls und das Ausmaß des erlittenen Leids. Die bisher von Gerichten zugesprochenen Beträge variieren erheblich und reichen von wenigen tausend bis zu mehreren zehntausend Euro.

Es ist wichtig zu beachten, dass der Anspruch auf Hinterbliebenenentschädigung nur für Todesfälle gilt, die nach dem 22. Juli 2017 eingetreten sind. Für frühere Fälle besteht kein Anspruch auf diese spezielle Form der Entschädigung.

Der Anspruch auf Hinterbliebenenentschädigung steht neben anderen möglichen Ansprüchen, wie etwa Unterhaltsersatz oder Bestattungskosten. Er soll speziell das immaterielle Leid ausgleichen und ergänzt somit die materiellen Schadensersatzansprüche.

In der Praxis kann die Durchsetzung des Anspruchs auf Hinterbliebenenentschädigung komplex sein, insbesondere wenn das besondere Näheverhältnis nicht gesetzlich vermutet wird oder wenn über die Höhe der angemessenen Entschädigung gestritten wird. In solchen Fällen kann es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen, bei denen die genauen Umstände des Einzelfalls eine entscheidende Rolle spielen.

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Welche Rolle spielt der mutmaßliche Wille des Verstorbenen bei der Entscheidung über lebenserhaltende Maßnahmen?

Der mutmaßliche Wille des Verstorbenen spielt eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung über lebenserhaltende Maßnahmen. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten hat in der deutschen Rechtsprechung einen hohen Stellenwert und gilt auch über den Tod hinaus. Ärzte und Angehörige sind verpflichtet, den mutmaßlichen Willen des Patienten zu ermitteln und zu respektieren, wenn dieser nicht mehr in der Lage ist, selbst zu entscheiden.

Die Ermittlung des mutmaßlichen Willens erfolgt durch eine sorgfältige Prüfung verschiedener Faktoren. Dabei werden frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen des Patienten besonders berücksichtigt. Dies können Gespräche mit Angehörigen, Freunden oder medizinischem Personal sein, in denen der Patient seine Vorstellungen über lebenserhaltende Maßnahmen geäußert hat. Auch eine Patientenverfügung, sofern vorhanden, gibt wichtige Hinweise auf den Willen des Verstorbenen.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens strenge Beweismaßstäbe gelten müssen, da es um Entscheidungen über Leben und Tod geht. Allerdings hat das Gericht auch betont, dass es dabei nicht darauf ankommt, ob der Tod unmittelbar bevorsteht oder nicht. Die Anforderungen an die Ermittlung des mutmaßlichen Willens sind in beiden Fällen gleich hoch.

Ein wichtiger Aspekt ist, dass der mutmaßliche Wille des Patienten für den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen ausreichen kann. Das bedeutet, dass nicht zwingend eine schriftliche Patientenverfügung vorliegen muss. Wenn aufgrund glaubhafter Zeugenaussagen oder anderer Indizien der Wille des Patienten rekonstruiert werden kann, ist dies rechtlich bindend.

Die Verbindlichkeit des Patientenwillens ist ein zentraler Punkt. Unabhängig davon, ob die Grunderkrankung einen irreversiblen tödlichen Verlauf genommen hat oder nicht, ist der Wille des Patienten maßgebend. Dies stärkt das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen erheblich.

In der Praxis sind es oft die Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigten, die für die Ermittlung und Umsetzung des Patientenwunsches zuständig sind. Sie müssen in Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten den mutmaßlichen Willen feststellen und entsprechende Entscheidungen treffen. Sind sich Arzt und Betreuer einig, dass der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen dem Willen des Patienten entspricht, kann dies ohne Einschaltung des Betreuungsgerichts geschehen.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine ethische Verpflichtung darstellt. Sie dient dazu, die Würde und Autonomie des Patienten auch in Situationen zu wahren, in denen er selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist.

Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren die Bedeutung des mutmaßlichen Willens gestärkt und klarere Richtlinien für dessen Ermittlung und Umsetzung geschaffen. Dies gibt Ärzten, Betreuern und Angehörigen mehr Sicherheit bei schwierigen Entscheidungen am Lebensende.

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Was ist eine Betreuungsvollmacht und wie beeinflusst sie Entscheidungen im Krankheitsfall?

Eine Betreuungsvollmacht, auch Betreuungsverfügung genannt, ist ein rechtliches Instrument, mit dem eine Person im Voraus festlegen kann, wer im Falle ihrer Geschäftsunfähigkeit als Betreuer bestellt werden soll. Im Gegensatz zur Vorsorgevollmacht tritt die Betreuungsvollmacht erst in Kraft, wenn die betroffene Person nicht mehr in der Lage ist, eigene Entscheidungen zu treffen. Dies kann beispielsweise aufgrund einer schweren Erkrankung, eines Unfalls oder altersbedingter geistiger Einschränkungen der Fall sein.

Die Betreuungsvollmacht beeinflusst Entscheidungen im Krankheitsfall erheblich, da sie dem Betreuungsgericht als Richtlinie dient, wenn es darum geht, einen rechtlichen Betreuer zu bestellen. Das Gericht ist zwar nicht zwingend an die in der Betreuungsvollmacht geäußerten Wünsche gebunden, wird diese aber in der Regel berücksichtigen, sofern keine schwerwiegenden Gründe dagegen sprechen. Die benannte Person wird vom Gericht als Betreuer eingesetzt und erhält damit die Befugnis, in bestimmten Bereichen Entscheidungen für den Betroffenen zu treffen.

Diese Entscheidungsbefugnisse können verschiedene Lebensbereiche umfassen, wie etwa die Gesundheitssorge, Vermögensangelegenheiten oder Wohnungsangelegenheiten. Im Krankheitsfall ist besonders die Gesundheitssorge von Bedeutung. Der bestellte Betreuer kann dann beispielsweise über medizinische Behandlungen entscheiden, Krankenunterlagen einsehen oder Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbinden.

Es ist wichtig zu verstehen, dass der Betreuer, anders als bei einer Vorsorgevollmacht, unter gerichtlicher Aufsicht steht. Das bedeutet, dass das Betreuungsgericht die Tätigkeiten des Betreuers kontrolliert und bei Bedarf eingreifen kann. Dies bietet einen zusätzlichen Schutz für den Betroffenen, da sichergestellt wird, dass der Betreuer im besten Interesse des Betreuten handelt.

Die Wirksamkeit einer Betreuungsvollmacht ist an weniger strenge Voraussetzungen geknüpft als die einer Vorsorgevollmacht. Sie kann auch noch erstellt werden, wenn die betroffene Person bereits teilweise in ihrer Geschäftsfähigkeit eingeschränkt ist. Allerdings sollte sie schriftlich verfasst und mit Datum und Unterschrift versehen sein, um ihre Gültigkeit zu unterstreichen.

Im Krankheitsfall ermöglicht die Betreuungsvollmacht eine schnellere Handlungsfähigkeit, da das Gericht bei der Betreuerbestellung auf die Wünsche des Betroffenen zurückgreifen kann. Dies kann in kritischen Situationen wertvolle Zeit sparen und sicherstellen, dass eine Vertrauensperson die Interessen des Erkrankten vertritt.

Es ist ratsam, in der Betreuungsvollmacht möglichst konkrete Anweisungen und Wünsche festzuhalten. Dies können Vorstellungen zur medizinischen Versorgung, zur Vermögensverwaltung oder zum gewünschten Aufenthaltsort sein. Je detaillierter diese Anweisungen sind, desto besser kann der Betreuer im Sinne des Betroffenen handeln.

Die Betreuungsvollmacht unterscheidet sich von der Vorsorgevollmacht dadurch, dass sie keine unmittelbare Handlungsvollmacht erteilt. Stattdessen gibt sie dem Gericht eine Empfehlung für die Betreuerbestellung. Dies kann in Situationen vorteilhaft sein, in denen eine Person zwar Wünsche für ihre Betreuung äußern, aber keine uneingeschränkte Vollmacht erteilen möchte.

Für eine umfassende Vorsorge kann es sinnvoll sein, eine Betreuungsvollmacht mit einer Patientenverfügung zu kombinieren. Während die Betreuungsvollmacht regelt, wer Entscheidungen treffen soll, legt die Patientenverfügung fest, welche medizinischen Maßnahmen in bestimmten Situationen gewünscht oder abgelehnt werden.

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Welche Pflichten hat ein gerichtlich bestellter Betreuer bei der Entscheidung über medizinische Maßnahmen?

Ein gerichtlich bestellter Betreuer trägt bei medizinischen Entscheidungen für die betreute Person eine große Verantwortung. Seine oberste Pflicht ist es, den Willen und die Wünsche des Betreuten zu berücksichtigen und umzusetzen. Dies ist seit der Reform des Betreuungsrechts 2023 noch stärker verankert. Der Betreuer muss sich bemühen, die Präferenzen des Betreuten zu ermitteln, auch wenn dieser sie aktuell nicht mehr äußern kann.

Bei der Entscheidungsfindung muss der Betreuer verschiedene Aspekte abwägen. Er ist verpflichtet, sich umfassend über die geplante medizinische Maßnahme zu informieren. Dazu gehört, mit den behandelnden Ärzten zu sprechen, Risiken und Chancen der Behandlung zu verstehen und alternative Optionen zu prüfen. Der Betreuer sollte auch frühere Äußerungen des Betreuten zu medizinischen Fragen berücksichtigen, etwa in einer Patientenverfügung.

In bestimmten Fällen benötigt der Betreuer die Genehmigung des Betreuungsgerichts für seine Entscheidung. Dies gilt insbesondere bei Maßnahmen, die mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit des Betreuten verbunden sind. Der Betreuer muss dann einen begründeten Antrag beim Gericht stellen und die medizinische Notwendigkeit darlegen.

Der Betreuer hat auch die Pflicht, die Umsetzung der medizinischen Maßnahmen zu überwachen. Er muss regelmäßig den Gesundheitszustand des Betreuten überprüfen und bei Bedarf weitere Entscheidungen treffen. Dabei sollte er stets im besten Interesse des Betreuten handeln und dessen Wohl in den Mittelpunkt stellen.

Eine wichtige Aufgabe des Betreuers ist es auch, die Kommunikation zwischen Ärzten, Pflegepersonal und dem Betreuten zu fördern. Er sollte sicherstellen, dass der Betreute so weit wie möglich in Entscheidungen einbezogen wird und seine Wünsche Gehör finden. Der Betreuer muss dabei sensibel vorgehen und die Würde des Betreuten wahren.

Bei der Entscheidungsfindung muss der Betreuer ethische Prinzipien beachten. Dazu gehört der Respekt vor der Autonomie des Betreuten, aber auch die Fürsorge und der Schutz vor Schaden. Der Betreuer muss oft schwierige Abwägungen treffen, etwa zwischen Lebensqualität und Lebensverlängerung.

Es ist wichtig zu betonen, dass der Betreuer nur in den vom Gericht festgelegten Aufgabenkreisen entscheiden darf. Wurde er beispielsweise nur für finanzielle Angelegenheiten bestellt, darf er keine Entscheidungen zur Gesundheitssorge treffen. Der Betreuer muss sich stets im Rahmen seiner gerichtlich festgelegten Befugnisse bewegen.

Der Betreuer ist auch zur Dokumentation seiner Entscheidungen verpflichtet. Er muss dem Betreuungsgericht regelmäßig Bericht erstatten und seine Entscheidungen nachvollziehbar begründen. Dies dient der Transparenz und dem Schutz des Betreuten vor möglichem Missbrauch.

In Notfallsituationen, in denen keine Zeit für eine gerichtliche Genehmigung bleibt, darf der Betreuer auch eigenständig entscheiden. Er muss dann aber unverzüglich das Gericht informieren und die Entscheidung im Nachhinein begründen.

Der Betreuer sollte sich bei komplexen medizinischen Fragen nicht scheuen, zusätzlichen Rat einzuholen. Dies kann die Konsultation weiterer Fachärzte oder auch ethischer Beratungsgremien umfassen. Ziel ist es immer, die bestmögliche Entscheidung im Sinne des Betreuten zu treffen.

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Welche Möglichkeiten haben Hinterbliebene, wenn sie mit den Entscheidungen des Betreuers nicht einverstanden sind?

Bei Unzufriedenheit mit den Entscheidungen eines Betreuers haben Hinterbliebene verschiedene rechtliche Möglichkeiten, um dagegen vorzugehen. Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Betreuung mit dem Tod des Betreuten endet. Der Betreuer hat dann keine Befugnisse mehr über das Vermögen des Verstorbenen zu verfügen.

Hinterbliebene können sich zunächst an das zuständige Betreuungsgericht wenden, um Entscheidungen des Betreuers überprüfen zu lassen. Dies sollte möglichst zeitnah nach Bekanntwerden der fraglichen Entscheidungen erfolgen. Eine formlose Beschwerde beim Gericht ist ausreichend, sollte aber die konkreten Beanstandungen enthalten und begründen, warum die Entscheidungen des Betreuers als nicht im Interesse des Betreuten angesehen werden.

Das Betreuungsgericht wird daraufhin den Sachverhalt prüfen und gegebenenfalls weitere Ermittlungen anstellen. Dazu können Anhörungen des Betreuers, der Hinterbliebenen und eventuell weiterer Beteiligter gehören. In komplexeren Fällen kann das Gericht auch Sachverständigengutachten einholen.

Gegen Entscheidungen des Betreuungsgerichts steht den Hinterbliebenen das Rechtsmittel der Beschwerde zur Verfügung. Die Beschwerdefrist beträgt in der Regel einen Monat ab Bekanntgabe des Beschlusses. Die Beschwerde ist beim Betreuungsgericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird. Sie kann schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle erklärt werden.

Bei Verdacht auf Pflichtverletzungen des Betreuers, etwa bei unberechtigten Vermögensentnahmen, können Hinterbliebene auch zivilrechtliche Schritte in Erwägung ziehen. Hier käme eine Schadensersatzklage gegen den Betreuer in Betracht. Dafür müssten konkrete Nachweise für ein pflichtwidriges Handeln und einen dadurch entstandenen Schaden vorgelegt werden.

In Fällen, in denen der Betreuer möglicherweise strafrechtlich relevante Handlungen begangen hat, etwa durch Untreue oder Betrug, besteht die Option einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft. Auch hier sind belastbare Beweise für ein strafbares Verhalten erforderlich.

Um ihre Ansprüche geltend zu machen, sollten Hinterbliebene möglichst umfassende Dokumentationen über die beanstandeten Entscheidungen und Handlungen des Betreuers zusammenstellen. Dazu gehören Kontoauszüge, Verträge, Korrespondenz und andere relevante Unterlagen. Zeugenaussagen von Personen, die Kenntnis von fragwürdigen Vorgängen haben, können ebenfalls hilfreich sein.

Es ist zu beachten, dass Hinterbliebene nur dann ein Beschwerderecht haben, wenn sie in ihren eigenen Rechten beeinträchtigt sind. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn sie als Erben durch Entscheidungen des Betreuers geschädigt wurden.

Bei der Geltendmachung von Ansprüchen ist zudem die Verjährungsfrist zu berücksichtigen. Schadensersatzansprüche verjähren in der Regel nach drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat.

Hinterbliebene sollten sich bewusst sein, dass die rechtliche Auseinandersetzung mit Betreuerentscheidungen komplex sein kann und oft eine genaue Prüfung des Einzelfalls erfordert. Eine sorgfältige Abwägung der Erfolgsaussichten und des möglichen Aufwands ist ratsam, bevor rechtliche Schritte eingeleitet werden.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Betreuer: Ein Betreuer ist eine Person, die vom Gericht bestellt wird, um für eine andere Person zu sorgen, die selbst nicht mehr in der Lage ist, bestimmte Entscheidungen zu treffen, z.B. wegen Krankheit oder Behinderung. Der Betreuer kümmert sich um medizinische, finanzielle oder persönliche Angelegenheiten des Betreuten.
  • Mutmaßlicher Wille: Der mutmaßliche Wille bezeichnet die Annahme darüber, was eine nicht mehr entscheidungsfähige Person gewollt hätte, basierend auf früheren Äußerungen, Werten oder Überzeugungen. Dieser Wille ist besonders wichtig bei medizinischen Entscheidungen, wenn keine Patientenverfügung vorliegt.
  • Patientenverfügung: Eine Patientenverfügung ist ein schriftliches Dokument, in dem eine Person festlegt, welche medizinischen Maßnahmen sie in bestimmten Situationen wünscht oder ablehnt. Sie ist verbindlich, wenn die Person nicht mehr selbst entscheiden kann. Fehlt eine Patientenverfügung, muss der mutmaßliche Wille ermittelt werden.
  • Hinterbliebenenentschädigung: Die Hinterbliebenenentschädigung ist eine finanzielle Entschädigung, die an Angehörige gezahlt wird, wenn eine Person durch einen rechtswidrigen Akt getötet wurde. Diese Entschädigung soll das seelische Leid der Hinterbliebenen lindern.
  • Pflichtverletzung: Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn eine Person gegen eine rechtliche Verpflichtung oder Sorgfaltspflicht verstößt. In Betreuungsfällen bedeutet dies, dass der Betreuer seine Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt hat, was zu einem Schaden für den Betreuten führen kann.
  • Vorläufige Betreuung: Die vorläufige Betreuung ist eine kurzfristige Maßnahme, bei der ein Betreuer für eine Person eingesetzt wird, um dringende Angelegenheiten zu regeln, bis eine endgültige Betreuungsentscheidung getroffen wird. Sie erfolgt oft in akuten Situationen, wie nach einem Unfall oder plötzlicher Krankheit.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 1901a BGB (Einwilligung in ärztliche Maßnahmen bei Betreuten): Dieser Paragraph regelt die Einwilligung in medizinische Maßnahmen bei Personen, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung nicht selbst einwilligen können. Im vorliegenden Fall musste der Betreuer über die Beendigung der lebenserhaltenden Maßnahmen entscheiden, da die Patientin nicht mehr in der Lage war, ihren Willen zu äußern.
  • § 1901b BGB (Mutmaßlicher Wille des Betreuten): Dieser Paragraph besagt, dass der Betreuer bei medizinischen Maßnahmen den mutmaßlichen Willen des Betreuten zu berücksichtigen hat. Im vorliegenden Fall musste der Betreuer den mutmaßlichen Willen der Patientin bezüglich der Beendigung der lebenserhaltenden Maßnahmen ermitteln.
  • § 844 Abs. 3 BGB (Hinterbliebenenentschädigung): Dieser Paragraph regelt den Anspruch auf Hinterbliebenenentschädigung im Falle einer Tötung. Im vorliegenden Fall klagte die Tochter gegen den Betreuer auf Zahlung einer Hinterbliebenenentschädigung, da sie der Ansicht war, dass er den Tod ihrer Mutter zu verantworten hatte.
  • § 1631g BGB (Patientenverfügung): Dieser Paragraph regelt die Wirksamkeit und den Inhalt einer Patientenverfügung. Im vorliegenden Fall wurde die Frage aufgeworfen, ob eine Patientenverfügung der verstorbenen Mutter vorlag und ob diese bei der Entscheidung über die Beendigung der lebenserhaltenden Maßnahmen berücksichtigt wurde.
  • § 1626 BGB (Gesetzliche Vertretung des Kindes): Dieser Paragraph regelt die gesetzliche Vertretung von Kindern durch ihre Eltern. Im vorliegenden Fall wurde die Frage aufgeworfen, ob die Tochter aufgrund einer Betreuungsvollmacht berechtigt war, Entscheidungen für ihre Mutter zu treffen.

Das vorliegende Urteil

LG Saarbrücken – Az.: 4 O 308/22 – Urteil vom 03.06.2024


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1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung einer Hinterbliebenenentschädigung (§ 844 Abs. 3 BGB).

Die Klägerin ist die Tochter der am 01.06.2019 verstorbenen H. W.

Die Verstorbenen erlitt am 21.05.2019 einen Schlaganfall und wurde in die U-Klinik in H. gebracht.

Der Beklagte wurde durch Beschluss des Amtsgericht Homburg vom 24.05.2019, Az. 10 XVII 530/19, zum vorläufigen Betreuer der Frau H. W. bestellt. Der Aufgabenkreis umfasste die Sorge für die Gesundheit und die Aufenthaltsbestimmung.

Die Betreute wurde nach dem Schlaganfall künstlich beatmet.

Am 24.05.2019 kam es in der Klink zu einem Gespräch zwischen den Parteien.

Mit Schreiben vom 24.05.2019 teilte der Beklagte gegenüber dem Betreuungsgericht mit, dass die Klägerin bereit sei, die ehrenamtliche Betreuung ihrer Mutter zu übernehmen.

Am 31.05.2019 entschied der Beklagte in einem Telefonat mit der behandelnden Ärztin, dass die künstliche Beatmung der Betreuten beendet wird.

Die Betreute wurde am selben Tag extubiert.

Eine erneute Intubierung der Betreuten war aus medizinischen Gründen nicht indiziert und wäre von der Ärztin abgelehnt worden.

Die von der Verstorbenen auf die Klägerin ausgestellt Betreuungsvollmacht vom 15.05.2009 (Bl. 60 d.A.) wurde erstmals am 19.06.2019 mit dem Antrag auf Akteneinsicht in die Betreuungsakte vorgelegt.

Die Klägerin hatte zuvor weder gegenüber dem Beklagten, noch gegenüber den behandelnden Ärzten, die auf sie ausgestellte Betreuungsvollmacht mitgeteilt. Auch gegenüber dem Betreuungsgericht hat die Klägerin die Betreuungsvollmacht zuvor nicht vorgelegt, auch nicht mit ihrer schriftlichen Anregung vom 24.05.2019 ihr die Betreuung zu übertragen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin forderte den Beklagten mit Schreiben vom 14.01.2022 unter Fristsetzung bis zum 31.01.2022 und letztmalig mit Schreiben vom 06.05.2022 unter Fristsetzung bis zum 23.05.2022 auf, einen Schmerzensgeldanspruch dem Grunde nach anzuerkennen.

Die Klägerin behauptet, die auf sie lautende Betreuungsvollmacht habe sich im Original in der Wohnung der verstorbenen Mutter befunden.

Sie habe gegenüber der Klinikleitung einer Trennung ihrer Mutter von den lebenserhaltenden Instrumenten widersprochen.

Ihre Mutter sei zum Überleben auf künstliche Beatmung angewiesen gewesen. Nach Beendigung der Beatmung sei unmittelbar der Tod der Mutter eingetreten.

Sie habe durch den gegen ihren ausgesprochenen Willen von dem Beklagten zu verantwortenden Tod ihrer Mutter einen tiefgreifenden Schock erlitten. Der Beklagte habe die Entscheidung getroffen, ohne sie in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.

Der Beklagte hätte vor seiner Entscheidung prüfen müssen, ob es eine Betreuungsvollmacht zugunsten der Klägerin gab.

Die Klägerin habe sich täglich um ihre Mutter gekümmert, bis diese in stationäre Behandlung gekommen ist.

Die Klägerin beantragt, den Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000,00 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 973,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.05.2022 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, in dem Gespräch am 24.05.2019 habe die Klägerin auf die Frage, nach dem Willen der Mutter für den Fall, dass diese schwer erkrank, gesagt, dass sich ihre Mutter einmal dahingehend geäußert habe, dass sie keinesfalls von Maschinen künstlich am Leben erhalten werden möchte.

Am 31.05.2019 habe der Beklagte gegen 10.50 Uhr mit der behandelnden Ärztin telefoniert. Die Ärztin habe über keinerlei gegenteilige Erkenntnisse hinsichtlich des mutmaßlichen Willens der Betreuten verfügt, so dass Einigkeit zwischen dem Beklagte und der Ärztin über den vermutlichen Patientenwillen dahingehend bestand, dass diese keine lebensverlängernden Maßnahmen wünschte.

Die Klägerin habe erstmals in einem Gespräch mit der Ärztin am 31.05.2019 nach der Extubation der Betreuten gegenüber der Ärztin hinsichtlich des mutmaßlichen Willen ihrer Mutter eine völlig andere Auffassung mitgeteilt.

Die Klägerin habe zu ihrer Mutter ein sehr schlechtes Verhältnis gehabt. In den letzten vier Jahren habe kein Kontakt bestanden.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Parteien wurden informatorisch angehört. Zum Ergebnis wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.02.2024 (Bl. 113 d.A.) und vom 06.05.2024 (Bl. 129 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Die Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Hinterbliebenenentschädigung gemäß § 844 Abs. 3 BGB.

Danach hat im Falle der Tötung der Ersatzpflichtige dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.

Die Rechte der Hinterbliebenen als Sekundärgeschädigte leiten sich von einem Anspruch des Primäropfers ab. Folglich müssen die Haftungsvoraussetzungen nicht im Verhältnis zu den Drittbetroffenen, sondern im Verhältnis zum Primäropfer vorliegen. Der Schädiger muss also gegenüber dem Getöteten einen Haftungstatbestand verwirklicht haben. Das haftungsauslösende Verhalten muss nicht unmittelbar zum Tod des Primäropfers geführt haben, sondern es reicht aus, wenn eine Körperverletzung verübt wurde, in deren Folge der Tod eintrat (MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, BGB § 844 Rn. 96).

Für die Haftungsbegründung gegenüber der verstorbenen Betreuten kommt hier weder § 823 Abs. 1 BGB, noch 1833 i.V.m. § 1908i BGB in Betracht. Es fehlt schon an einer Pflichtverletzung.

Der Beklagte hat als Betreuer keine Pflicht verletzt. Er hat insbesondere gemäß § 1904 Abs. 4 i.V.m. § 1901 a Abs. 2 BGB pflichtgemäß die Entscheidung zur Beendigung der künstlichen Beatmung der Betreuten getroffen.

1.

In den Fällen, in denen eine Patientenverfügung fehlt oder die dort getroffenen Festlegungen nicht mehr auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation des Patienten zutreffen, hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten zu ermitteln und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Behandlungsmaßnahme einwilligt oder sie abbricht bzw untersagt. Der mutmaßliche Wille des Patienten ist auf Grund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insoweit insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen oder sonstige persönliche Wertvorstellungen des Patienten (§ 1901a Abs 2 S 3BGB), nicht aber allgemeine, gruppenspezifische oder regional herrschende Wertvorstellungen. Daher ist nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen gem § 1901b Abs 2 BGB Gelegenheit zur Äußerung entsprechender Erkenntnisse zu geben, sofern dies mit Blick auf die Dringlichkeit der Behandlung zeitlich möglich ist. Kann ein entsprechender Wille des Patienten nicht ermittelt werden und bleiben erhebliche Zweifel an dem Bestehen oder Fortbestehen eines vorherigen Willens, so gilt der Satz: In dubio pro vita (Laufs/Kern/Rehborn ArztR-HdB, § 59 Der Behandlungsabbruch Rn. 13, beck-online).

Der Beklagte hat den mutmaßlichen Willen der Betreuten durch Anhörung der Klägerin festgestellt.

Das ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus der beigezogenen Betreuungsakte sowie der informatorischen Anhörung der Parteien.

Der Beklagte – informatorisch angehört – gibt an, er habe am Bett der Betreuten gestanden. Sie sei intubiert und nicht ansprechbar gewesen. Sie sei nicht in der Lage gewesen, sich zu artikulieren. Die Ärzte hätten ihm mitgeteilt, dass im Rahmen der Behandlung nicht zu erwarten sei, dass sie sich im Verlauf nochmals artikulieren könne.

Er habe dann in dem Gespräch mit der Klägerin am 24.05.2019 versucht, den mutmaßlichen Behandlungswillen zu erfragen. Es sei schwierig gewesen. Die Klägerin habe die Gesprächsführung immer an sich gerissen. Sie habe dann aber erklärt, dass ihr Vater, der vor Jahren verstorben sei, nicht wollte, dass er an Maschinen angeschlossen wird und in diesem Zusammenhang habe auch ihre Mutter gesagt, wenn es einmal soweit sei, dann wolle sie nicht an Maschinen angeschlossen werden. Die Klägerin habe in diesem Zusammenhang ihm gegenüber geäußert, dass sie gläubig seien. Sie habe es so dargestellt, dass, wenn man Menschen an Maschinen anschließt, man dann in den göttlich gegebenen Ablauf eingreife.

Die Angaben des Beklagten sind glaubhaft und überzeugen das Gericht. Der Beklagte war nach dem persönlichen Eindruck glaubwürdig. Seine Angaben decken sich mit dem Inhalt der Betreuungsakte.

Auch die Angaben der Klägerin können keine Zweifel an den Erklärungen des Beklagten begründen.

Die Angaben der Klägerin ihm Rahmen ihrer informatorischen Anhörung sind nicht glaubhaft. Sie bekundet, der Beklagte habe wissen wollen, was ihr Vater, ihre Mutter und was sie von Beruf waren. In dem Gespräch habe der Beklagte sonst keine Fragen gestellt.

Dass der Beklagte der Klägerin keine Frage zum mutmaßlichen Willen der Betreuten in Hinblick auf lebensverlängernder Maßnahmen gestellt hat, hält das Gericht für ausgeschlossen. Der Beklagte hatte den Gesprächstermin mit der Klägerin gerade zu diesem Zweck vereinbart und den Inhalt des Gespräches auch glaubwürdig widergegeben.

Weiter gibt die Klägerin an, in dem Gespräch mit dem Beklagten erwähnt zu haben, dass es eine Patientenverfügung gab. Auch insoweit sind die Angaben nicht glaubhaft. Weder hat der Beklagte nach eigenen Angaben Kenntnis von einer Patientenverfügung, noch hat die Klägerin dem Betreuungsgericht oder den behandelnden Ärzten eine Patientenverfügung zur Kenntnis gebracht. Zudem bekundet die Klägerin auch nicht, dass sie dem Beklagten den Inhalt der Patientenverfügung – also den Willen ihrer Mutter – mitgeteilt hätte. Die Klägerin gibt auch im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung nicht an, welchen Inhalt die Patientenverfügung gehabt haben soll.

Zudem wäre, hätten der Beklagte oder die Ärzte eine entsprechend Patientenverfügung zur Verfügung gehabt, dies für alle Beteiligten eine Erleichterung gewesen, weil keine Entscheidung nach dem mutmaßlichen Willen hätte getroffen werden müssen.

Die Erklärung der Klägerin, sie habe die Patientenverfügung nicht vorgelegt, weil sie unter Schock gestanden habe, ist nicht nachvollziehbar.

Die Klägerin war am 24.05.2029 vormittags bei ihrer Mutter in der Klinik und ist dann noch vor 12 Uhr zum Amtsgericht Homburg gefahren und hat dort handschriftlichen mitgeteilt, dass sie die Betreuung ihrer Mutter übernehmen möchte (Bl. 14 der Betreuungsakte). Am 28.05.2019 war die Klägerin erneut beim AG Homburg und hat mündlich einen Betreuerwechsel beantragt.

Beide Male hat die Klägerin weder die Vorsorgevollmacht noch eine etwaige Patientenverfügung erwähnt oder vorgelegt. Ihre Erklärung dafür, sie habe unter Schock gestanden, überzeugt nicht. Jedenfalls war sie in der Lage mehrmals bei der Polizei und beim Betreuungsgericht vorzusprechen sowie Gespräche mit den Ärzten zu führen. Auch hat sie klar geäußert, dass sie die Betreuung übernehmen möchte. Ein Schockzustand, der die Klägerin derart beeinträchtigt hätte, dass sie nicht in der Lage gewesen wäre, die Situation und die Organisation der erforderlichen Schritte zu bewältigen, ist damit nicht erkennbar. Die Vorlage der Vorsorgevollmacht und einer etwaigen Patientenverfügung oder jedenfalls das Erwähnen dieser, wäre das naheliegende Vorgehen gewesen.

Nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörungen der Parteien ist das Gericht damit davon überzeugt, dass entsprechenden den Schilderung des Beklagten der mutmaßliche Wille der Betreuten durch die Klägerin gegenüber dem Beklagten mit dem Inhalt mitgeteilt wurde, dass die Betreute keine lebensverlängernden Maßnahmen durch Maschinen wollte.

2.

Eine Genehmigung der Beendigung der Beatmung durch das Betreuungsgericht war nicht erforderlich. Die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Behandlungsmaßnahme bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts nur, wenn zwischen Betreuer und behandelndem Arzt Uneinigkeit darüber besteht, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach § 1901a BGB festgestelltem Willen des Betreuten entspricht (§ 1904 Abs 2 u 4 BGB)(Laufs/Kern/Rehborn ArztR-HdB, § 59 Der Behandlungsabbruch Rn. 14, beck-online).

Der Beklagte gibt hierzu an, die Ärztin habe ihm mitgeteilt, dass die Klägerin dort in dem Gespräch am 31.05.2019 gesagt habe, dass sie und ihre Mutter gläubige Menschen seien und dass sie der Auffassung seien, dass man der Natur, dem lieben Herrgott nicht vorgreifen dürfe und deswegen nicht möchten, dass ihre Mutter an Geräten angeschlossen ist.

Am 31.05.2019 um 10:15 Uhr habe er im Einvernehmen mit der behandelnden Ärztin entschieden, dass die Mutter der Klägerin extubiert wird.

Auch aus der Gesprächsnotiz der behandelnden Ärztin Dr. med. A. B. vom 31.05.2019 (Bl. 29 d.A.) ergibt sich, dass „die Extubation eine gemeinsame Entscheidung im mutmaßlichen Patientenwillen gemeinsam mit dem Betreuer war“. Es bestand damit zwischen Ärztin und Betreuer Einigkeit über den mutmaßlichen Willen der Betreuten.

Hierzu war zu der Behauptung der Klägerin, sie habe gegenüber der Klinikleitung oder auch den Ärzten einer Trennung ihrer Mutter von den lebenserhaltenden Instrumenten widersprochen, der angebotenen Beweis nicht mehr zu erheben. Entscheidungserheblich ist nicht der Wille der Klägerin, den sie nach ihren Angaben gegenüber der Klinik erklärt habe, entscheiden ist alleine der mutmaßliche Wille der Betreuten. Hierzu trägt die Klägerin aber gerade nicht unter Beweisantritt vor, dass sie einen mutmaßlichen Willen ihrer Mutter an der Fortsetzung lebensverlängernder Maßnahmen mitgeteilt oder begründet hätte.

3.

Der Beklagte war – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht verpflichtet nachzuforschen, ob eine etwaige Betreuungsvollmacht zugunsten der Klägerin bestand.

Nachdem die Klägerin in dem Gespräch mit dem Beklagten am 24.05.2019 geäußert hat, dass sie die ehrenamtliche Betreuung übernehmen möchte, hat der Beklagte dies dem Betreuungsgericht mitgeteilt. Die Klägerin hat aber weder gegenüber dem Beklagten, noch gegenüber dem Betreuungsgericht erwähnt, dass eine Betreuungsvollmacht zur ihren Gunsten existiert, noch hat sie die Betreuungsvollmacht vorgelegt. Dies geschah erst nach dem Tod der Betreuten zur Beantragung der Akteneinsicht in die Betreuungsakte.

Der Beklagte gibt hierzu an, dass die Klägerin mit keinem Wort erwähnt habe, dass eine Betreuungsvollmacht zu ihren Gunsten existieren soll. Hätte sie das gesagt und hätte eine solche Vollmacht vorgelegen, hätte er diese Betreuungsvollmacht unmittelbar an das zuständige Betreuungsgericht übermittelt.

Eigene Ermittlungen ohne jedwede Anhaltspunkte musste der Beklagte nicht anstrengen.

II.

Mangels Anspruch in der Hauptsache besteht auch kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Zinsen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.


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