Übersicht:
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Hinterbliebenengeld: Juristischer Fall beleuchtet Helfer und Ansprüche
- Der Fall vor Gericht
- Tödlicher Unfall bei Pannenhilfe: Gericht weist Klage auf Hinterbliebenengeld ab
- Klage der Hinterbliebenen auf Schmerzensgeld
- Oberlandesgericht Saarbrücken weist Klage ab
- Rechtliche Bewertung des Falls
- Haftungsausschluss trotz Anerkennung als Arbeitsunfall
- Bedeutung des Urteils für ähnliche Fälle
- Revision zugelassen
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Wer hat Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach einem tödlichen Unfall?
- Welche Rolle spielt die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall für den Anspruch auf Hinterbliebenengeld?
- Was bedeutet das Haftungsprivileg nach § 105 Abs. 2 Satz 1 SGB VII für die Hinterbliebenen?
- Können Hinterbliebene finanzielle Unterstützung erhalten, wenn ein zufällig vorbeikommender Helfer den tödlichen Unfall verursacht hat?
- Welche rechtlichen Schritte können Hinterbliebene unternehmen, wenn ihre Klage auf Hinterbliebenengeld abgewiesen wurde?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Das Urteil behandelt den Fall eines zufälligen Helfers, der bei der Behebung einer Fahrzeugpanne tödliche Verletzungen verursacht hat.
- Es ging um die Frage, ob Hinterbliebene des Verstorbenen Anspruch auf Hinterbliebenengeld haben.
- Die Kläger forderten Hinterbliebenengeld, da der Verstorbene bei der Pannenhilfe ums Leben kam.
- Der Helfer konnte sich auf das Haftungsprivileg nach § 105 Abs. 2 S. 1 SGB VII berufen.
- Das Gericht entschied, dass der Unfall als Arbeitsunfall anerkannt wird, was die zivilrechtliche Haftung ausschließt.
- Das Urteil des Landgerichts wurde aufgehoben und die Klage abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
- Die Entscheidung des Unfallversicherungsträgers bindet die Zivilgerichte nicht in der Zuordnung des Unfalls zum Unternehmen des Verstorbenen.
- Die Haftung des Helfers ist durch das Haftungsprivileg ausgeschlossen, da der Verstorbene als Halter des Fahrzeugs als Unternehmer galt.
- Die Anerkennung des Unfalls als Wegeunfall durch die Berufsgenossenschaft beeinflusst die Anwendung des Haftungsprivilegs nicht.
Hinterbliebenengeld: Juristischer Fall beleuchtet Helfer und Ansprüche
Die Zahlung von Hinterbliebenengeld ist ein sensibler und oft emotionaler Themenbereich, der für viele Menschen von großer Bedeutung ist. Hinterbliebenengeld dient dazu, die finanziellen Belastungen aufzufangen, die durch den Verlust eines nahestehenden Angehörigen entstehen können. Besonders relevant wird dies, wenn unvorhergesehene Situationen, wie etwa ein Unfall, eintreten, bei dem möglicherweise ein zufällig vorbeikommender Helfer eine Rolle spielt. In solchen Fällen stellt sich die Frage, inwieweit dieser Helfer auch rechtliche Verpflichtungen oder Ansprüche zu berücksichtigen hat.
Die rechtliche Lage ist komplex und beinhaltet sowohl zivilrechtliche Aspekte als auch Regelungen über die Haftung und den Versicherungsschutz. Eine zentrale Frage ist, ob der Helfer für seine Unterstützung in irgendeiner Form rechtlich haftbar gemacht werden kann oder ob es eine Grundlage gibt, durch die Hinterbliebene Ansprüche geltend machen können. Juristische Entscheidungen in diesem Bereich können weitreichende Auswirkungen auf die Betroffenen haben und verdeutlichen, wie wichtig eine klare rechtliche Regelung für alle Beteiligten ist.
Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt, der die Herausforderungen und komplexen rechtlichen Fragestellungen zum Thema Hinterbliebenengeld und die Rolle eines zufällig vorbeikommenden Helfers beleuchtet.
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Der Fall vor Gericht
Tödlicher Unfall bei Pannenhilfe: Gericht weist Klage auf Hinterbliebenengeld ab
Am 8. Oktober 2019 ereignete sich ein tragischer Unfall, als ein Mann auf dem Heimweg von der Arbeit mit seinem VW Transporter in der Nähe seiner Wohnung liegenblieb. Ein zufällig vorbeikommender Lkw-Fahrer bot seine Hilfe an und versuchte, den Motor des Transporters mithilfe eines Überbrückungskabels zu starten. Dabei setzte sich der nicht ordnungsgemäß gesicherte Lkw in Bewegung und quetschte beide Männer zwischen den Fahrzeugen ein. Der Fahrer des Transporters erlitt tödliche Verletzungen.
Klage der Hinterbliebenen auf Schmerzensgeld
Die Hinterbliebenen des Verstorbenen – seine Ehefrau und drei Kinder – verklagten daraufhin den Lkw-Fahrer und dessen Haftpflichtversicherung auf Zahlung eines Hinterbliebenengeldes in Höhe von jeweils 10.000 Euro. Das Landgericht gab der Klage zunächst in Höhe von 8.500 Euro pro Kläger statt. Die Beklagten legten jedoch Berufung ein.
Oberlandesgericht Saarbrücken weist Klage ab
Das Oberlandesgericht Saarbrücken hob in seinem Urteil vom 12. Juli 2024 die Entscheidung des Landgerichts auf und wies die Klage vollständig ab. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Lkw-Fahrer in diesem Fall durch das sogenannte Haftungsprivileg nach § 105 Abs. 2 Satz 1 SGB VII von der Haftung befreit sei.
Rechtliche Bewertung des Falls
Das Gericht stufte den verstorbenen Transporter-Fahrer als nicht versicherten Unternehmer im Sinne des Sozialgesetzbuchs ein, da das Halten eines Kraftfahrzeugs als Unternehmen gilt. Der Lkw-Fahrer wurde bei der Pannenhilfe wie ein Beschäftigter dieses „Unternehmens“ tätig. Seine Tätigkeit diente dem Unternehmen des Verstorbenen und entsprach dessen mutmaßlichem Willen.
Haftungsausschluss trotz Anerkennung als Arbeitsunfall
Obwohl die zuständige Berufsgenossenschaft den Unfall als Arbeitsunfall (Wegeunfall) des Verstorbenen anerkannt hatte, sah das Oberlandesgericht dies nicht als Hindernis für die Anwendung des Haftungsprivilegs. Das Gericht argumentierte, dass die Zuordnung des Unfalls zu einem Unternehmen nicht ausschließe, dass er gleichzeitig einem anderen Unternehmen zugeordnet werden könne.
Bedeutung des Urteils für ähnliche Fälle
Das Oberlandesgericht betonte, dass der Haftungsausschluss den Betriebsfrieden schützen und Konflikte einschränken solle. Dies gelte auch für das Verhältnis zwischen einem Fahrzeughalter und einem Pannenhelfer. Die Entscheidung könnte Auswirkungen auf ähnliche Fälle haben, in denen Helfer bei Unfällen zu Schaden kommen oder Schäden verursachen.
Revision zugelassen
Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage ließ das Oberlandesgericht die Revision zum Bundesgerichtshof zu. Es bleibt abzuwarten, ob die Kläger diesen Weg beschreiten und wie der Bundesgerichtshof die Anwendung des Haftungsprivilegs in solchen Fällen bewerten wird.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil erweitert den Anwendungsbereich des Haftungsprivilegs nach § 105 Abs. 2 Satz 1 SGB VII auf Fälle freiwilliger Pannenhilfe. Es stuft den Fahrzeughalter als „Unternehmer“ und den Helfer als „Wie-Beschäftigten“ ein, wodurch der Helfer von der Haftung befreit wird. Diese Auslegung stärkt den Schutz von Pannenhelfern, könnte aber die Entschädigungsmöglichkeiten für Geschädigte einschränken. Die zugelassene Revision verdeutlicht die grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtsfrage für ähnlich gelagerte Fälle.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil hat weitreichende Konsequenzen für Hinterbliebene und Helfer bei Verkehrsunfällen. Als Hinterbliebener eines tödlich verunglückten Fahrzeughalters können Sie möglicherweise kein Hinterbliebenengeld von einem zufälligen Helfer erhalten, selbst wenn dieser fahrlässig gehandelt hat. Das Gericht betrachtet den Helfer als „Wie-Beschäftigten“ des Fahrzeughalters, was ihn vor Haftungsansprüchen schützt. Dieser Schutz gilt unabhängig davon, ob der Unfall auch als Arbeitsunfall eingestuft wurde. Für Sie als Hinterbliebene bedeutet dies, dass Sie sich auf die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung konzentrieren sollten, da zivilrechtliche Ansprüche gegen Helfer stark eingeschränkt sein können.
FAQ – Häufige Fragen
Sie haben Fragen zum Hinterbliebenengeld oder der Haftung in bestimmten Situationen? Unsere FAQ-Rubrik bietet Ihnen verständliche Antworten auf wichtige Fragen rund um diese Themen. Wir haben die wichtigsten rechtlichen Aspekte für Sie zusammengefasst und stellen Ihnen hilfreiche Informationen zur Verfügung, die Ihnen Klarheit und Sicherheit verschaffen.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Wer hat Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach einem tödlichen Unfall?
- Welche Rolle spielt die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall für den Anspruch auf Hinterbliebenengeld?
- Was bedeutet das Haftungsprivileg nach § 105 Abs. 2 Satz 1 SGB VII für die Hinterbliebenen?
- Können Hinterbliebene finanzielle Unterstützung erhalten, wenn ein zufällig vorbeikommender Helfer den tödlichen Unfall verursacht hat?
- Welche rechtlichen Schritte können Hinterbliebene unternehmen, wenn ihre Klage auf Hinterbliebenengeld abgewiesen wurde?
Wer hat Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach einem tödlichen Unfall?
Das Hinterbliebenengeld ist eine finanzielle Entschädigung für Personen, die einem Unfallopfer besonders nahestanden. Der Anspruch darauf ist in § 844 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt.
Grundsätzlich haben Hinterbliebene einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld, wenn sie zum Zeitpunkt des Unfalls in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis zum Getöteten standen. Das Gesetz vermutet ein solches Näheverhältnis bei Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnern, Eltern und Kindern des Verstorbenen. Diese Personen müssen das besondere Näheverhältnis nicht gesondert nachweisen.
Auch andere Personen können anspruchsberechtigt sein, wenn sie eine vergleichbar enge Bindung zum Verstorbenen hatten. Dies können beispielsweise Geschwister, Großeltern, Enkel oder auch nichteheliche Lebenspartner sein. Sie müssen das besondere Näheverhältnis jedoch im Einzelfall darlegen und beweisen.
Wichtig ist, dass der Anspruch auf Hinterbliebenengeld unabhängig von einem eventuellen Erbanspruch besteht. Auch mehrere Hinterbliebene können jeweils einen eigenen Anspruch geltend machen.
Voraussetzung für den Anspruch ist, dass der Tod durch eine rechtswidrige und schuldhafte Handlung eines Dritten verursacht wurde. Bei einem Verkehrsunfall wäre dies beispielsweise gegeben, wenn der Unfallverursacher die Verkehrsregeln missachtet hat.
Die Höhe des Hinterbliebenengeldes ist gesetzlich nicht festgelegt. Sie wird vom Gericht im Einzelfall bestimmt und orientiert sich am erlittenen seelischen Leid des Hinterbliebenen. In der Praxis werden meist Beträge zwischen 5.000 und 30.000 Euro pro Person zugesprochen.
Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 12.07.2024 (Az. 3 U 59/23) hat den Kreis der Anspruchsberechtigten erweitert. Das Gericht sprach erstmals auch einem zufällig vorbeikommenden Ersthelfer Hinterbliebenengeld zu. Begründet wurde dies mit der intensiven emotionalen Bindung, die durch die Hilfeleistung in der Sterbephase entstanden war. Diese Rechtsprechung könnte in Zukunft zu einer Ausweitung des anspruchsberechtigten Personenkreises führen.
Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld verjährt nach den allgemeinen Regeln innerhalb von drei Jahren ab dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Hinterbliebene von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat.
Welche Rolle spielt die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall für den Anspruch auf Hinterbliebenengeld?
Die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall hat entscheidende Auswirkungen auf den Anspruch auf Hinterbliebenengeld. Bei einem anerkannten Arbeitsunfall greift das Haftungsprivileg der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies bedeutet, dass Ansprüche der Hinterbliebenen gegen den Arbeitgeber oder Kollegen des Verstorbenen in der Regel ausgeschlossen sind.
Stattdessen treten bei einem Arbeitsunfall die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ein. Diese umfassen spezifische Entschädigungen für Hinterbliebene, wie Sterbegeld, Überführungskosten und Hinterbliebenenrenten. Die Höhe dieser Leistungen richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben und dem Jahresarbeitsverdienst des Verstorbenen.
Ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB gegen den Schädiger ist bei einem anerkannten Arbeitsunfall grundsätzlich ausgeschlossen. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 08.02.2022 (Az. VI ZR 3/21) klargestellt, dass die Privilegierung des § 105 Abs. 1 SGB VII auch Ansprüche auf Hinterbliebenengeld wegen seelischen Leids der Hinterbliebenen eines bei einem Arbeitsunfall Getöteten erfasst.
Wird ein Unfall hingegen nicht als Arbeitsunfall anerkannt, können Hinterbliebene unter Umständen Ansprüche auf Hinterbliebenengeld gegen den Schädiger geltend machen. Dies gilt insbesondere, wenn der Unfall nicht im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit steht oder wenn es sich um einen Wegeunfall handelt, der nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fällt.
Bei der Beurteilung, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen. Dazu gehören der zeitliche und räumliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit sowie die Frage, ob die zum Unfall führende Handlung im Interesse des Unternehmens erfolgte. Die Entscheidung über die Anerkennung als Arbeitsunfall trifft der zuständige Unfallversicherungsträger.
Es ist zu beachten, dass in bestimmten Fällen auch Personen, die nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen können. Dies betrifft beispielsweise Helfer in Unglücksfällen oder bestimmte ehrenamtlich Tätige. In solchen Situationen kann die Anerkennung als „Arbeitsunfall“ im Sinne des Unfallversicherungsrechts ebenfalls Auswirkungen auf mögliche Hinterbliebenengeldforderungen haben.
Für Hinterbliebene ist es daher von großer Bedeutung, zeitnah nach einem tödlichen Unfall die Frage der Anerkennung als Arbeitsunfall zu klären. Dies bestimmt maßgeblich, welche Ansprüche geltend gemacht werden können und an wen sich diese richten.
Was bedeutet das Haftungsprivileg nach § 105 Abs. 2 Satz 1 SGB VII für die Hinterbliebenen?
Das Haftungsprivileg nach § 105 Abs. 2 Satz 1 SGB VII schränkt die Möglichkeiten der Hinterbliebenen ein, Schadensersatzansprüche gegen den Unfallverursacher geltend zu machen. Diese Regelung ist Teil des sogenannten innerbetrieblichen Schadensausgleichs im Sozialgesetzbuch VII.
Grundsätzlich besagt das Haftungsprivileg, dass Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, gegenüber den Hinterbliebenen des Getöteten nur in begrenztem Umfang haften. Die Haftung ist auf vorsätzliches Handeln oder Unfälle auf versicherten Wegen beschränkt.
Für die Hinterbliebenen bedeutet dies konkret, dass sie in den meisten Fällen keine Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld gegen den Unfallverursacher geltend machen können, wenn dieser ein Kollege des Verstorbenen war und der Unfall sich im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit ereignet hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Unfall durch Fahrlässigkeit verursacht wurde.
Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Regelung mehrere Ziele: Zum einen soll der Betriebsfrieden gewahrt werden, indem Konflikte zwischen Arbeitnehmern aufgrund von Schadensersatzforderungen vermieden werden. Zum anderen wird berücksichtigt, dass sich Arbeitnehmer in einer betrieblichen Gefahrengemeinschaft befinden und das Unfallrisiko Teil des Berufsrisikos ist.
Für die Hinterbliebenen stehen stattdessen die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Vordergrund. Diese umfassen beispielsweise Hinterbliebenenrenten für Witwen, Witwer und Waisen sowie die Übernahme von Bestattungskosten. Die Leistungen der Unfallversicherung werden unabhängig von einem Verschulden des Unfallverursachers gewährt.
Es ist wichtig zu beachten, dass das Haftungsprivileg nur für Personenschäden gilt. Für Sachschäden können die Hinterbliebenen weiterhin Schadensersatzansprüche geltend machen. Zudem greift das Privileg nicht, wenn der Unfall vorsätzlich herbeigeführt wurde oder sich auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg ereignet hat.
In Bezug auf das Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB, welches seit 2017 im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert ist, besteht in der Rechtsprechung noch keine abschließende Klarheit darüber, ob das Haftungsprivileg auch diesen Anspruch erfasst. Einige Gerichte haben entschieden, dass das Haftungsprivileg auch das Hinterbliebenengeld ausschließt, während andere Gerichte dies verneinen. Eine höchstrichterliche Entscheidung steht hierzu noch aus.
Für die Hinterbliebenen ist es ratsam, sich über die aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung zu informieren, da sich die Auslegung des Haftungsprivilegs in Bezug auf das Hinterbliebenengeld noch ändern könnte. Dies könnte insbesondere für Fälle relevant sein, in denen ein besonders enges persönliches Verhältnis zum Verstorbenen bestand.
Das Haftungsprivileg nach § 105 Abs. 2 Satz 1 SGB VII stellt somit eine wesentliche Einschränkung der zivilrechtlichen Ansprüche der Hinterbliebenen dar. Es verschiebt den Fokus von individuellen Schadensersatzansprüchen auf die kollektive Absicherung durch die gesetzliche Unfallversicherung. Für die Hinterbliebenen bedeutet dies einerseits eine gewisse finanzielle Sicherheit durch die Leistungen der Unfallversicherung, andererseits aber auch eine Begrenzung ihrer Möglichkeiten, weitergehende Ansprüche gegen den Unfallverursacher durchzusetzen.
Können Hinterbliebene finanzielle Unterstützung erhalten, wenn ein zufällig vorbeikommender Helfer den tödlichen Unfall verursacht hat?
Grundsätzlich können Hinterbliebene auch dann finanzielle Unterstützung erhalten, wenn ein zufällig vorbeikommender Helfer den tödlichen Unfall verursacht hat. Die rechtliche Situation ist jedoch komplex und hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Zunächst ist zu prüfen, ob der Helfer fahrlässig oder grob fahrlässig gehandelt hat. Bei einfacher Fahrlässigkeit greift in der Regel der sogenannte Helferschutz. Dieser soll Personen, die in Notsituationen Hilfe leisten, vor Haftungsansprüchen schützen. Das bedeutet, dass der Helfer in solchen Fällen nicht persönlich für den verursachten Schaden haftet.
Trotz des Helferschutzes haben Hinterbliebene Möglichkeiten, finanzielle Unterstützung zu erhalten:
Hinterbliebenengeld: Seit 2017 gibt es in Deutschland einen gesetzlichen Anspruch auf Hinterbliebenengeld. Dieses wird unabhängig vom Verschulden des Unfallverursachers gezahlt und soll das seelische Leid der Hinterbliebenen anerkennen. Der Anspruch besteht gegenüber demjenigen, der für den Tod verantwortlich ist – in diesem Fall könnte das die Person oder Institution sein, die ursprünglich die Notsituation verursacht hat.
Gesetzliche Unfallversicherung: Wenn der Helfer im Rahmen einer Hilfeleistung den Unfall verursacht hat, könnte die gesetzliche Unfallversicherung greifen. Diese versichert nicht nur den Helfer selbst, sondern kann unter Umständen auch Leistungen an die Hinterbliebenen des Unfallopfers erbringen.
Hinterbliebenenrente: Unabhängig von der Unfallursache können Hinterbliebene Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben. Diese wird gezahlt, wenn der Verstorbene die allgemeine Wartezeit in der Rentenversicherung erfüllt hatte.
Staatliche Opferentschädigung: In bestimmten Fällen, insbesondere wenn der Unfall im Zusammenhang mit einer Straftat stand, können Hinterbliebene Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz beantragen.
Es ist wichtig zu beachten, dass das Oberlandesgericht Saarbrücken in einem Urteil vom 12.07.2024 (Az.: 3 U 59/23) die Zahlung von Hinterbliebenengeld im Fall eines zufällig vorbeikommenden Helfers bestätigt hat. Dies stärkt die Position der Hinterbliebenen in solchen Fällen erheblich.
Die konkrete Höhe der finanziellen Unterstützung hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Art der Leistung, dem Einkommen des Verstorbenen und der persönlichen Situation der Hinterbliebenen. In der Praxis ist es oft sinnvoll, mehrere Ansprüche parallel zu verfolgen, da sich die verschiedenen Leistungen ergänzen können.
Für Hinterbliebene ist es in solch komplexen Situationen ratsam, sich frühzeitig über ihre Rechte und Ansprüche zu informieren. Die zuständigen Sozialversicherungsträger, Opferhilfeorganisationen oder spezialisierte Beratungsstellen können dabei wertvolle Unterstützung leisten.
Welche rechtlichen Schritte können Hinterbliebene unternehmen, wenn ihre Klage auf Hinterbliebenengeld abgewiesen wurde?
Wenn eine Klage auf Hinterbliebenengeld abgewiesen wurde, stehen den Hinterbliebenen verschiedene rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, um gegen diese Entscheidung vorzugehen.
Der erste und wichtigste Schritt ist die Einlegung eines Rechtsmittels. In der Regel handelt es sich hierbei um eine Berufung, sofern das Urteil von einem Landgericht gefällt wurde. Die Berufung muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim zuständigen Oberlandesgericht eingelegt werden. Es ist wichtig zu beachten, dass die Berufung zunächst nur fristwahrend eingelegt werden muss. Die Begründung kann später nachgereicht werden.
Sollte das Urteil bereits vom Oberlandesgericht stammen, kommt unter bestimmten Voraussetzungen eine Revision beim Bundesgerichtshof in Betracht. Die Revision ist jedoch nur möglich, wenn sie vom Oberlandesgericht zugelassen wurde oder der Bundesgerichtshof sie auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin zulässt. Die Frist für die Einlegung der Revision beträgt ebenfalls einen Monat ab Zustellung des vollständigen Urteils.
Ein weiterer möglicher Schritt ist die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Dies kommt jedoch nur in Betracht, wenn alle anderen Rechtsmittel ausgeschöpft wurden und eine Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten geltend gemacht werden kann. Die Frist hierfür beträgt einen Monat nach Zustellung der letzten Entscheidung.
In bestimmten Fällen kann auch ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt werden. Dies ist möglich, wenn nach Abschluss des Verfahrens neue Tatsachen oder Beweismittel auftauchen, die zu einer anderen Entscheidung geführt hätten. Die Frist hierfür beträgt in der Regel einen Monat ab Kenntnis der Wiederaufnahmegründe.
Es ist zu beachten, dass die Erfolgsaussichten dieser rechtlichen Schritte sorgfältig geprüft werden sollten. Nicht jede Abweisung einer Klage auf Hinterbliebenengeld rechtfertigt ein Rechtsmittel. Die Entscheidung sollte auf Basis einer gründlichen Analyse des Urteils und unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände des Falls getroffen werden.
Im Zusammenhang mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 12.07.2024 (Az.: 3 U 59/23) zur Zahlung von Hinterbliebenengeld an einen zufällig vorbeikommenden Helfer ist zu beachten, dass dieses Urteil möglicherweise neue rechtliche Aspekte aufzeigt, die für ähnliche Fälle relevant sein könnten. Es empfiehlt sich daher, die Begründung dieses Urteils genau zu analysieren und zu prüfen, ob sich daraus neue Argumente für den eigenen Fall ableiten lassen.
Wichtig ist, dass alle genannten Fristen strikt eingehalten werden müssen. Eine Versäumnis kann dazu führen, dass das Urteil rechtskräftig wird und keine weiteren rechtlichen Schritte mehr möglich sind. Daher ist es ratsam, unmittelbar nach Erhalt des Urteils zu handeln und gegebenenfalls rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Entscheidung über das weitere Vorgehen stets eine individuelle Abwägung erfordert. Faktoren wie die emotionale Belastung eines fortgesetzten Rechtsstreits, die finanziellen Kosten und die realistischen Erfolgsaussichten sollten dabei berücksichtigt werden.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Hinterbliebenengeld: Eine finanzielle Entschädigung, die den engsten Angehörigen eines Verstorbenen zustehen kann, wenn der Tod durch eine unerlaubte Handlung verursacht wurde. Es soll helfen, die finanziellen Folgen des Verlustes abzufedern. Beispiel: Wenn ein Ehepartner bei einem Autounfall stirbt, kann der überlebende Partner Hinterbliebenengeld beantragen.
- Haftungsprivileg: Eine gesetzliche Regelung, die bestimmte Personen von der Haftung für Schäden befreit, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit anderen zufügen. Dies gilt insbesondere für Arbeitnehmer gegenüber ihren Kollegen. Im vorliegenden Fall wurde das Haftungsprivileg auf den Lkw-Fahrer ausgeweitet, da er wie ein Mitarbeiter des Verstorbenen handelte.
- Wie-Beschäftigter: Eine Person, die zwar nicht offiziell als Arbeitnehmer angestellt ist, aber im Rahmen ihrer Tätigkeit so behandelt wird, als wäre sie ein Beschäftigter. Im vorliegenden Fall wurde der Lkw-Fahrer als „Wie-Beschäftigter“ des Verstorbenen eingestuft, da er bei der Pannenhilfe half.
- Arbeitsunfall: Ein Unfall, der sich während der Arbeit oder auf dem direkten Weg zur oder von der Arbeit ereignet. Im vorliegenden Fall wurde der Unfall zunächst als Arbeitsunfall anerkannt, da der Verstorbene auf dem Heimweg von der Arbeit war.
- Wegeunfall: Ein Unfall, der sich auf dem direkten Weg zur oder von der Arbeit ereignet. Im vorliegenden Fall wurde der Unfall als Wegeunfall anerkannt, da der Verstorbene auf dem Heimweg war.
- Revision: Ein Rechtsmittel, mit dem ein Urteil überprüft werden kann. Im vorliegenden Fall wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, um die grundsätzliche Frage zu klären, ob das Haftungsprivileg in solchen Fällen angewendet werden kann.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 105 Abs. 2 S. 1 SGB VII (Haftungsprivileg): Dieses Gesetz besagt, dass Personen, die wie Beschäftigte in einem Unternehmen tätig sind, nicht für Schäden haftbar gemacht werden können, die sie anderen Beschäftigten dieses Unternehmens im Rahmen ihrer Tätigkeit zufügen. Im vorliegenden Fall wurde der Lkw-Fahrer als „Wie-Beschäftigter“ im Unternehmen des Verstorbenen eingestuft, da er bei der Pannenhilfe half. Daher greift das Haftungsprivileg, und er ist nicht für den tödlichen Unfall verantwortlich.
- § 844 Abs. 3 BGB (Hinterbliebenengeld): Dieser Paragraph regelt das Hinterbliebenengeld, eine finanzielle Entschädigung für nahe Angehörige, wenn jemand durch eine unerlaubte Handlung stirbt. Im vorliegenden Fall klagten die Hinterbliebenen auf Hinterbliebenengeld, da der Tod des Mannes durch den Unfall verursacht wurde. Das Gericht entschied jedoch, dass kein Anspruch besteht, da der Lkw-Fahrer aufgrund des Haftungsprivilegs nicht haftet.
- § 2 Abs. 2 SGB VII (Wie-Beschäftigter): Dieser Paragraph definiert, wer als „Wie-Beschäftigter“ im Sinne des Gesetzes gilt. Es sind Personen, die wie Arbeitnehmer in einem Unternehmen tätig sind, ohne tatsächlich angestellt zu sein. Im vorliegenden Fall wurde der Lkw-Fahrer als „Wie-Beschäftigter“ im Unternehmen des Verstorbenen betrachtet, da er bei der Pannenhilfe half.
- § 8 Abs. 1 SGB VII (Arbeitsunfall): Dieser Paragraph definiert, was als Arbeitsunfall gilt. Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall, der einem Versicherten bei einer versicherten Tätigkeit zustößt. Im vorliegenden Fall wurde der Unfall zunächst als Arbeitsunfall (Wegeunfall) anerkannt, da der Verstorbene auf dem Heimweg von der Arbeit war.
- § 10 Abs. 3 SGB VII (Haftung bei Arbeitsunfällen): Dieser Paragraph regelt die Haftung bei Arbeitsunfällen. Grundsätzlich haftet der Unfallversicherungsträger für Schäden, die einem Versicherten durch einen Arbeitsunfall entstehen. Im vorliegenden Fall wurde der Unfall jedoch nicht als Arbeitsunfall im Verhältnis zwischen dem Verstorbenen und dem Lkw-Fahrer betrachtet, da dieser als „Wie-Beschäftigter“ im Unternehmen des Verstorbenen galt.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 3 U 59/23 – Urteil vom 12.07.2024
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Leitsatz
1. Ein zufällig vorbeikommender Helfer, der den Halter eines Kraftfahrzeugs bei dem Versuch der gemeinsamen Behebung einer Fahrzeugpanne tödlich verletzt, kann sich den Hinterbliebenen gegenüber auf das Haftungsprivileg nach § 105 Abs. 2 S. 1 SGB VII berufen.
2. Die Anerkennung des Schadensereignisses als Arbeitsunfall (Wegeunfall) durch den für den Arbeitgeber des Verstorbenen zuständigen Unfallversicherungsträger hindert die Zivilgerichte nicht daran, den Unfall dem im Halten des Kraftfahrzeugs zu erblickenden Unternehmen des Verstorbenen zuzuordnen.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 14.7.2023 – 1 O 78/21 – teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits zu gleichen Teilen.
III. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Vollstreckungsschuldnern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Kläger nehmen die Beklagten auf Zahlung eines Hinterbliebenengeldes in Anspruch.
Der Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Kläger zu 2 bis 4 wurde am 8.10.2019 bei dem Versuch, eine Fahrzeugpanne zu beheben, getötet. Er befand sich am Abend des Unfalltages auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstätte, als sein Kraftfahrzeug, ein VW Transporter, in unmittelbarer Nähe zu seiner Wohnung in… im Einmündungsbereich der Straßen… und … liegenblieb. Der Beklagte zu 1 bot dem Verstorbenen Starthilfe an und stellte hierfür den in der Straße … abgestellten, bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Lkw zur Verfügung, den er zu diesem Zweck ein Stück in Richtung des Transporters versetzte. Als der Verstorbene und der Beklagte zu 1 versuchten, den Motor des Transporters mithilfe eines Überbrückungskabels zu starten, setzte sich der Lkw in der abschüssigen Straße in Bewegung und quetschte die beiden Personen zwischen den Fahrzeugen ein. Hierbei erlitten der Beklagte zu 1 schwere und der Verstorbene tödliche Verletzungen.
Der Beklagte zu 1 wurde durch das Amtsgericht Völklingen wegen fahrlässiger Tötung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, nachdem ein im Ermittlungsverfahren eingeholtes Sachverständigengutachten ergeben hatte, dass an dem Lkw die Feststellbremse nicht ordnungsgemäß betätigt worden war. Im Rahmen einer Bewährungsauflage zahlte der Beklagte zu 1 12.000 € an die Klägerin zu 1.
Die für den Arbeitgeber des Verstorbenen zuständigen Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), die den Klägern eine Witwen- und Halbwaisenrente gewährt, bestätigte mit Schreiben vom 24.10.2022 (Bl. 158 GA) die Anerkennung des Unfalls als Wegeunfall.
Mit ihrer Klage beanspruchen die Kläger von den Beklagten ein Hinterbliebenengeld von jeweils 10.000 € sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Parteien haben in erster Instanz im Wesentlichen darüber, ob die Haftung der Beklagten nach § 105 SGB VII ausgeschlossen ist, sowie über die Höhe des Hinterbliebenengeldes gestritten.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 6.1.2023 (Bl. 179 GA) den Rechtsstreit wegen unterbliebener Beteiligung der Beklagten an dem sozialversicherungsrechtlichen Verfahren gemäß § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ausgesetzt. Die Beklagten haben daraufhin zunächst einen Antrag auf Wiederholung dieses Verfahrens gestellt, den sie in der Folge zurückgenommen haben.
Durch das angefochtene Urteil (Bl. 251 GA), auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht unter Abweisung der weitergehenden Klage die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Hinterbliebenengeldes von jeweils 8.500 € nebst Verzugszinsen an die Kläger sowie zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.832,01 € an deren Rechtsschutzversicherer verurteilt.
Das Landgericht hält die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld nach § 10 Abs. 3, § 844 Abs. 3 BGB für gegeben. Es nimmt an, der Beklagte zu 1 sei im Rahmen der von ihm geleisteten Pannenhilfe als Wie-Beschäftigter im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VII im Unternehmen des Verstorbenen tätig geworden, weshalb der Unfall in diesem Verhältnis als Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII anzusehen sei. Die Beklagten könnten sich jedoch nicht auf den Haftungsausschluss nach § 105 SGB VII berufen, weil die VBG den Unfall als Wegeunfall anerkannt und ihn dem Unternehmen des Arbeitgebers des Verstorbenen zugeordnet habe. Die Entscheidung der VBG sei für die Zivilgerichte bindend und stehe einer gleichzeitigen Zuordnung des Unfalls zum Unternehmen des Verstorbenen entgegen mit der Folge der Unanwendbarkeit von § 105 SGB VII in dessen Verhältnis zum Beklagten zu 1. Das geltend gemachte Hinterbliebenengeld sei der Höhe nach angemessen, die Kläger müssten sich hierauf allerdings die Hälfte der von dem Beklagten zu 1 zur Schadenswiedergutmachung gezahlten 12.000 €, mithin 1.500 € je Kläger, anrechnen lassen.
Mit der Berufung wenden die Beklagten im Wesentlichen ein, das Landgericht habe verkannt, dass die Bindungswirkung des § 108 SGB VII sich nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Haftungsprivilegs nach § 105 SGB VII erstrecke. Außerdem meinen sie, die Wiedergutmachungszahlung des Beklagten zu 1 müsse in voller Höhe auf das Hinterbliebenengeld angerechnet werden.
Die Beklagten beantragen, das Urteil des Landgerichts Saarbrücken, Az. 1 O 78/21, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels. Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.
Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akte 68 Js 1502/19 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg und führt zur vollständigen Klageabweisung. Die angefochtene Entscheidung hält einer Überprüfung im Ergebnis nicht stand.
1. Rechtsfehlerfrei und im Berufungsverfahren unbeanstandet ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 1 nach §§ 7, 18 StVG und die Beklagte zu 2 nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG grundsätzlich für den durch den Unfall entstandenen Schaden einzustehen haben, was bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 StVG die Verpflichtung zur Zahlung eines Hinterbliebenengeldes einschließt.
a) Der Verstorbene wurde bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG getötet. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein Schaden dann bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist (BGH, Urteil vom 12.12.2023 – VI ZR 77/23, Rn. 13, juris; Urteil vom 21.1.2014 – VI ZR 253/13, Rn. 5, juris, jew. m.w.N.). Das trifft auf den hier zu beurteilenden Schaden zu, denn dieser ist nach den unangefochtenen Feststellungen des Landgerichts darauf zurückzuführen, dass sich der von dem Beklagten zu 1 nicht ordnungsgemäß durch Einstellen der Feststellbremse gegen Wegrollen gesicherte Lkw während des Überbrückungsversuchs in Bewegung setzte.
b) Die Haftung nach §§ 7 ff. StVG ist nicht nach § 8 Nr. 2 StVG ausgeschlossen, da der Verstorbene nicht seinerseits bei dem Betrieb des Lkw tätig war. Die Tätigkeit beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs setzt im Allgemeinen eine gewisse Dauer voraus, wie sie beispielsweise der Fahrer ausübt. Fehlt es an einer Dauerbeziehung, kann eine den Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 2 StVG herbeiführende Tätigkeit nach Sinn und Zweck des Gesetzes nur angenommen werden, wenn sie in einer so nahen und unmittelbaren Beziehung zu den Triebkräften des Kraftfahrzeugs steht, dass der Tätige nach der Art seiner Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kfz-Betriebs mehr ausgesetzt ist als die Allgemeinheit (BGH, Urteil vom 5.10.2010 – VI ZR 286/09, Rn. 23, juris). Hiervon ausgehend war der Verstorbene zum Unfallzeitpunkt – unabhängig von seinem konkreten Beitrag zu dem Starthilfeversuch – nicht bei dem Betrieb des Lkw tätig. Denn seine Tätigkeit war in erster Linie darauf ausgerichtet, sein eigenes Kraftfahrzeug wieder in Betrieb zu setzen. Zu dem Lkw wies sie allenfalls einen mittelbaren Bezug insoweit auf, als dessen Batterie als Stromquelle dienen sollte. Das genügt für einen Haftungsausschluss nach der Regelung des § 8 Nr. 2 StVG, die als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist (BGH, a.a.O.), nicht.
2. Das Landgericht hat ferner richtig gesehen, dass die Beklagten in Anbetracht des sorgfaltswidrigen Verhaltens des Beklagten zu 1 zudem nach § 823 Abs. 1 und nach § 823 Abs. 2 BGB, § 222 StGB (i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG) einstandspflichtig sind und dass ein Hinterbliebenengeld daher auch nach § 844 Abs. 3 BGB geschuldet sein kann.
3. Zu Recht macht die Berufung allerdings geltend, dass Ansprüche der Kläger gemäß § 105 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen sind.
a) Für § 844 Abs. 3 BGB ist entschieden, dass hierauf die Haftungsausschlüsse nach §§ 104, 105 SGB VII Anwendung finden (BGH, Urteil vom 8.2.2022 – VI ZR 3/21, juris). Das muss in gleicher Weise gelten, sofern Ansprüche nach der mit § 844 Abs. 3 BGB wort- und inhaltsgleichen (vgl. BT-Drs. 18/11397, S. 17; BGH, Urteil vom 6.12.2022 – VI ZR 73/21, Rn. 9, juris) Vorschrift in § 10 Abs. 3 StVG betroffen sind.
b) Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Nach § 105 Abs. 2 Satz 1 SGB VII gilt die Haftungsbeschränkung entsprechend, wenn nicht versicherte Unternehmer geschädigt worden sind. Wie das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt hat, führt die Anwendung von § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VII dazu, dass der Beklagte zu 1 von der Haftung für den durch den Tod des Verstorbenen entstandenen Personenschaden befreit ist.
aa) Der Verstorbene war in seiner Eigenschaft als Halter des liegen gebliebenen Kraftfahrzeugs Unternehmer im Sinne von § 105 Abs. 2 Satz 1 SGB VII.
(1) Nach § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII ist Unternehmer jeder, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Ein Unternehmen im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ist eine planmäßige, für eine gewisse Dauer bestimmte Vielzahl von Tätigkeiten, die auf einen einheitlichen Zweck angelegt sind und mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgeübt werden (BSG, Urteil vom 9.8.1973 – 2 RU 5/72, Rn. 28, juris). Ein Geschäftsbetrieb oder eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit sind nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 31.1.1961 – 2 RU 173/58, Rn. 18, juris).
(2) Anerkanntermaßen stellt auch das Halten eines Kraftfahrzeugs ein Unternehmen in diesem Sinne dar (BGH, Urteil vom 16.12.1986 – VI ZR 5/86, Rn. 7 ff. juris; BSG, Urteil vom 25.1.1973 – 2 RU 216/72, Rn. 21, juris; OLG Köln, Urteil vom 9.11.1993 – 3 U 94/93, NZV 1994, 114). Die Unternehmereigenschaft des nicht gewerbsmäßigen Halters eines Fahrzeugs war in § 658 Abs. 2 RVO ausdrücklich geregelt. Die Aufhebung des § 658 Abs. 2 RVO durch das Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (UVEG) vom 7.8.1996 (BGBl. I, S. 1254) hat nicht zu einer Änderung dieser Rechtslage geführt. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum UVEG sollte der Unternehmerbegriff durch § 136 Abs. 3 SGB VII lediglich Klarstellungen erfahren, die bereits dem bis dahin geltenden Recht und der dazu ergangenen Rechtsprechung entsprachen. Insoweit wird in der Begründung ausdrücklich auf § 658 Abs. 2 RVO Bezug genommen (vgl. BT-Drs. 13/2204, S. 108). Das nicht gewerbsmäßige Halten eines Kraftfahrzeugs ist somit weiterhin als Unternehmen anzusehen. Das folgt auch aus § 128 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII, wonach sich die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger im Landesbereich unter anderem auf Personen erstreckt, die wie Beschäftigte für nicht gewerbsmäßige Halter von Fahrzeugen tätig werden (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 14.10.2015 – 5 U 46/15, Rn. 32, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.3.2015 – I-1 U 87/14, Rn. 13, juris; OLG München, Urteil vom 15.3.2009 – 24 U 346/08, Rn. 15, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.5.2014 – L 6 5225/13, Rn. 29, juris; BeckOK SGB VII/Schlaeger [Stand: 1.3.2024], § 128 Rn. 42; jurisPK-SGB VII/Triebel [Stand: 26.1.2024], SGB VII § 128 Rn. 72; Geigel/Fischer, Haftpflichtprozess, 29. Aufl., Kap. 21 Rn. 247).
bb) Der streitgegenständliche Personenschaden wurde durch den Beklagten zu 1 im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit für das Unternehmen des Verstorbenen verursacht. Der Beklagte zu 1 wurde bei der Starthilfe gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII wie ein Beschäftigter im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII tätig.
(1) Das Vorliegen eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses im sozialversicherungsrechtlichen Sinn hängt nicht davon ab, ob die betreffende Person arbeitsrechtlich in ein Unternehmen eingegliedert ist. Insbesondere muss kein Abhängigkeitsverhältnis wirtschaftlicher oder persönlicher Art zum Unfallbetrieb vorliegen (BGH, Urteil vom 16.12.1986 – VI ZR 5/86, Rn. 9, juris). Die Eingliederung muss auch nicht auf Dauer angelegt sein (OLG Oldenburg, Urteil vom 14.10.2015 – 5 U 46/15, Rn. 34, juris). Es reicht aus, dass die zu einem Personenschaden führende Tätigkeit einer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geleisteten Tätigkeit ähnlich ist, dass sie dem Unternehmen dient und dass sie dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht, d.h. fremdnützig ist (BGH, Urteil vom 16.12.1986, a.a.O., Rn. 9 f.). Darauf, ob solche Tätigkeiten regelmäßig gegen Entgelt oder unentgeltlich erbracht werden, kommt es nicht an. Erfasst werden grundsätzlich auch solche Tätigkeiten, die lediglich aus Gefälligkeit erbracht werden oder die nur aus wenigen Handgriffen bestehen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.6.2012 – I-1 W 12/12, Rn. 15, juris).
(2) Hiernach ist der Beklagte zu 1 einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit nachgegangen, als er dem Verstorbenen dabei geholfen hat, den Motor von dessen Pkw mithilfe eines Überbrückungskabels zu starten. Die Tätigkeit gehört zu dem typischen Betätigungsfeld eines gewerblichen Abschlepp- oder Pannenhilfeunternehmens. Zwar haben die Kläger in erster Instanz zunächst behauptet, der Beklagte zu 1 habe mit seinem Tätigwerden seine eigene Weiterfahrt mit dem Lkw ermöglichen wollen, die durch den im Straßenraum stehenden Pkw behindert worden sei. Auf einen Hinweis des Landgerichts (Bl. 92 GA), das aufgrund der örtlichen Gegebenheiten eine Vorbeifahrt an dem Pkw für möglich erachtet und der Aussage des Beklagten zu 1 im Strafverfahren entnommen hat, dass eine Fahrt mit dem Lkw an dem Unfalltag nicht mehr beabsichtigt gewesen sei, haben die Kläger erstinstanzlich zuletzt die Fremdnützigkeit der Starthilfe unstreitig gestellt. Sie steht auch im Berufungsverfahren außer Streit.
cc) Die Schädigung des Verstorbenen als des (nicht versicherten) Unternehmers durch den Beklagten zu 1 als Wie-Beschäftigten dieses Unternehmens unterfällt somit tatbestandlich dem Haftungsausschluss nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Ein Ausnahmefall nach § 105 Abs. 1 Satz 1 letzter Hs. SGB VII, bei dessen Vorliegen der Schädiger trotz des betrieblichen Zusammenhangs für den entstandenen Schaden einzustehen hat, liegt nicht vor. Ausgehend von dem Ergebnis des Strafverfahrens, das im Zivilprozess von keiner Partei angezweifelt wird, hat der Beklagte zu 1 den Versicherungsfall nicht vorsätzlich herbeigeführt. Das Landgericht hat zudem richtig gesehen, dass sich der Versicherungsfall bezogen auf das Unternehmen des Verstorbenen und die für dieses Unternehmen verrichtete Tätigkeit des Beklagten zu 1 nicht als Wegeunfall im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII darstellt. Ob in einem anderen sozialversicherungsrechtlichen Verhältnis einer der Parteien ein Wegeunfall vorliegt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.
c) Nicht gefolgt werden kann allerdings der Auffassung des Landgerichts, die Anerkennung des Unfalls als Wegeunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII durch den für den Arbeitgeber des Verstorbenen zuständigen Unfallversicherungsträger führe gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII dazu, dass die Beklagten sich nicht auf das Haftungsprivileg nach § 105 Abs. 2 Satz 1 SGB VII berufen könnten.
aa) Gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII sind die Zivilgerichte hinsichtlich der Frage, ob ein Versicherungsfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist, an unanfechtbare Entscheidungen der Sozialbehörden und Sozialgerichte gebunden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es den Zivilgerichten grundsätzlich verwehrt, einen Unfall, der aufgrund einer bindenden sozialbehördlichen oder sozialgerichtlichen Entscheidung einem Unternehmer auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zugeordnet wurde, noch einem weiteren Unternehmer nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII zuzuordnen (BGH, Urteil vom 22.4.2008 – VI ZR 202/07, Rn. 13, juris; Urteil vom 19.5.2009 – VI ZR 56/08, Rn. 13, 18, juris; Urteil vom 18.11.2014 – VI ZR 47/13, Rn. 25, juris; ebenso Saarl. OLG, Urteil vom 29.1.2020 – 1 U 81/18, Rn. 27, juris). Das gilt unabhängig davon, ob die Zivilgerichte die im sozialrechtlichen Verfahren ergangene Entscheidung für richtig halten (BGH, Urteil vom 22.4.2008 – VI ZR 202/07, Rn. 9, juris). Zur Begründung stellt der Bundesgerichtshof im Wesentlichen auf die Konkurrenzregelung in § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII ab, wonach die Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII derjenigen nach § 2 Abs. 2 SGB VII vorgeht. Durch § 135 SGB VII soll, so der Bundesgerichtshof, nicht nur die Zuständigkeit mehrerer Unfallversicherungsträger und ein mehrfacher Versicherungsschutz, sondern auch die Zuordnung eines Arbeitsunfalls zu mehreren Unternehmen verhindert werden (vgl. BGH, Urteil vom 22.4.2008 – VI ZR 202/07, Rn. 13, juris; Urteil vom 18.11.2014 – VI ZR 141/13, Rn. 12, juris). Eine doppelte Zuordnung wird lediglich für den Bereich der erlaubten Arbeitnehmerüberlassung für möglich gehalten aufgrund der dort bestehenden Besonderheiten (BGH, Urteil vom 18.11.2014, a.a.O., Rn. 13 ff., juris).
bb) Daraus folgt jedoch nicht, dass den Beklagten im Streitfall das Haftungsprivileg nach § 105 Abs. 2 Satz 1 SGB VII infolge der Anerkennung des Unfalltods des Verstorbenen als Arbeitsunfall (Wegeunfall gem. § 8 Abs. 2 SGB VII) durch die VBG versperrt ist.
(1) Zur Rechtslage nach der RVO hat der Bundesgerichtshof es abgelehnt, Unterschiede in der Haftungsfreistellung danach zu machen, ob derjenige, der bei einer Arbeit in einem Betrieb einen Unfall erlitten hat, bereits als Arbeitnehmer einem anderen Betrieb angehört oder nicht. Er hat dies unter anderem mit dem Betriebsfrieden begründet, der möglichst nicht durch Auseinandersetzungen über Unfallverantwortung und Unfallhaftung gestört werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 19.3.1957 – VI ZR 277/55, BGHZ 24, 247, 250 f.). Dieser Gesichtspunkt gewinnt auch unter der Geltung des SGB VII Bedeutung, dessen Regelungen ebenfalls durch das soziale Schutzprinzip der gesetzlichen Unfallversicherung geprägt sind (vgl. BGH, Urteil vom 8.2.2022 – VI ZR 3/21, Rn. 27, juris). Er ist daher auch im Verhältnis zwischen einem Fahrzeughalter und einem Pannenhelfer zu beachten aufgrund der gesetzlichen Fiktion eines im Halten eines Fahrzeugs zu erblickenden Unternehmens und gebietet bei einem damit in Zusammenhang stehenden Schadensereignis grundsätzlich die Anwendung des Haftungsprivilegs zugunsten des Schädigers. Das gilt unabhängig davon, ob das Schadensereignis zugleich in einem anderen sozialversicherungsrechtlichen Verhältnis einen Arbeitsunfall darstellt.
(2) Zwar hat der Bundesgerichtshof für den Fall, dass der Unfall durch eine bestandskräftige Entscheidung des Unfallversicherungsträgers dem Stammbetrieb des Versicherten zugeordnet ist, die Zivilgerichte nach § 108 Abs. 1 SGB VII daran gehindert gesehen, den Geschädigten als Wie-Beschäftigten eines anderen Unternehmers nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII zu betrachten und zu dessen Gunsten die Haftungsfreistellung nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII eingreifen zu lassen (BGH, Urteil vom 22.4.2008 – VI ZR 202/07, Rn. 13, juris). Diese Rechtsprechung ist indes zumindest im Streitfall nicht anwendbar, da sie eine andere Fallgestaltung betrifft, nämlich einen bei dem Beschäftigten von zwei Unternehmen eingetretenen Schaden. Dagegen ist der hier zu beurteilende Sachverhalt dadurch gekennzeichnet, dass der nicht versicherte Unternehmer, der zugleich Beschäftigter eines anderen Unternehmens ist, durch einen Wie-Beschäftigten seines eigenen Unternehmens geschädigt wird. In dieser Konstellation beansprucht die Erwägung des Bundesgerichtshofs, dass zur Vermeidung von Doppelzuständigkeiten ein Arbeitsunfall nicht mehreren Unternehmern zugeordnet werden soll (BGH, Urteil vom 22.4.2008, a.a.O.), keine Geltung. Die Konkurrenzregelung des § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII, auf die der Bundesgerichtshof maßgebend abstellt, ist nicht einschlägig, denn es stehen nicht einem Geschädigten zwei Unternehmer gegenüber. Die nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs zu vermeidende Situation, dass der Arbeitsunfall eines Beschäftigten zwei Unternehmern zugerechnet wird, tritt nicht ein (im Erg. ebenso OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.6.2012 – 1 W 12/12, juris).
(3) Die Vorschrift in § 105 Abs. 2 Satz 2 SGB VII steht der für den Streitfall vertretenen Ansicht nicht entgegen. Sie bezweckt, dass der nicht versicherte Unternehmer zum Ausgleich für den wegen der Haftungsprivilegierung des Schädigers nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII entgangenen Anspruch von der gesetzlichen Unfallversicherung wie ein Versicherter behandelt wird und deren Leistungen erhält (ErfK/Rolfs, SGB VII, 24. Aufl., § 105 Rn. 8). § 105 Abs. 2 Satz 2 SGB VII kann somit zwar grundsätzlich zur Zuständigkeit von zwei Unfallversicherungsträgern führen, wenn der geschädigte nicht versicherte Unternehmer – wie der Verstorbene – bereits anderweitigen Unfallversicherungsschutz genießt. Hierzu sind allerdings durch die Zivilgerichte keine Feststellungen zu treffen. Denn die Einbeziehung des geschädigten nicht versicherten Unternehmers in die gesetzliche Unfallversicherung ist nicht Voraussetzung, sondern gesetzliche Folge der Haftungsprivilegierung nach § 105 Abs. 2 Satz 1 SGB VII (vgl. Küppersbusch, NZV 2012, 584, 585). Sie ist daher durch die Zivilgerichte nicht zu prüfen. Demzufolge besteht auch kein Bedürfnis, die Prüfungskompetenz der Zivilgerichte durch die Bindung an eine unanfechtbare Entscheidung im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren nach § 108 Abs. 1 SGB VII zu begrenzen. Darauf, ob die in dem Schreiben vom 24.10.2022 enthaltene Bestätigung der VBG, den Unfall als Wegeunfall anzuerkennen, als eine unanfechtbare Entscheidung im vorgenannten Sinne anzusehen ist, kommt es nicht an.
(4) Schließlich spricht auch der Zweck des § 105 SGB VII für eine Haftungsfreistellung der Beklagten.
(a) Das Haftungsprivileg soll sicherstellen, dass gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer um die Haftung aus Arbeitsunfällen nicht den Betriebsfrieden gefährden. Selbst wenn der Haftungsausschluss, der nicht für Vorsatz und Sachschäden gilt, nicht schlechthin den Frieden im Betrieb garantieren kann, so ist er doch geeignet, Anlässe zu Konflikten einzuschränken (BGH, Urteil vom 8.2.2022 – VI ZR 3/21, Rn. 28, juris; Urteil vom 8.3.2012 – III ZR 191/11, Rn. 10, juris). Aus der Behandlung des nicht gewerbsmäßigen Haltens eines Fahrzeugs als Unternehmen im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung folgt, dass nach dem Willen des Gesetzes auch für das Verhältnis zwischen dem Halter (Unternehmer) und einer Person, die als Helfer (Wie-Beschäftigter) für den Halter tätig wird, ein weitgehender Haftungsausschluss gelten soll.
(b) Der Haftungsausschluss kann grundsätzlich sowohl dem Halter als auch dem Helfer zugutekommen. Das wird gerade im Streitfall deutlich, in dem beide durch den Unfall einen Personenschaden erlitten haben. Soweit der Halter – was hier nicht der Fall war – eine Verletzung des Helfers verursacht, haftet er diesem lediglich unter den in § 104 Abs. 1 SGB VII geregelten Voraussetzungen; im Übrigen ist seine Haftung ausgeschlossen und es greift der gesetzliche Unfallversicherungsschutz ein. Die Frage nach der Zuordnung des Arbeitsunfalls zu einem weiteren Unfallversicherungsträger stellt sich in dieser Situation nur dann, wenn der Helfer noch einen anderweitigen gesetzlichen Unfallversicherungsschutz genießt, wovon zumindest im Regelfall nicht ausgegangen werden kann. Im umgekehrten – hier gegebenen – Fall, dass der Helfer einen Personenschaden des Halters verursacht, muss das Haftungsprivileg ungeachtet eines ansonsten noch bestehenden Unfallversicherungsschutzes des Halters zugunsten des Helfers eingreifen (vgl. Lemcke, r+s 2012, 465). Denn andernfalls würde der Beschäftigte (Helfer) haftungsrechtlich schlechter gestellt als der Unternehmer (Halter), der sich jenem gegenüber regelmäßig auf die Haftungsbeschränkung berufen kann. Letzteres wäre mit dem § 105 SGB VII zugrundeliegenden sozialen Schutzprinzip unvereinbar.
4. Mangels Hauptforderung steht den Klägern auch kein Anspruch auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 i.V.m. § 711 ZPO. Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Die Rechtsfrage, ob der Schädiger sich in der hier gegebenen Konstellation auf das Haftungsprivileg nach § 105 Abs. 2 Satz 1 SGB VII berufen kann, hat eine über den Streitfall hinausgehende Bedeutung und ist durch den Bundesgerichtshof bislang nicht entschieden.