AG Hamburg-Harburg, Az.: 642 C 2/13
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.475,20 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückabwicklung einer Überweisung in Anspruch.
Die Klägerin ist ein Kreditinstitut, bei der Frau H. ein Konto unterhält. …. stellte ihrem seinerzeitigen Ehemann …. für dieses Konto eine Vollmacht aus, zugleich erhielt …. von der Klägerin einen eigenen Online-Zugriff auf dieses Konto mittels sog. PIN und TAN-Liste. Nachdem die Ehe im Jahr 2008 gescheitert war, widerrief …. gegenüber der Klägerin die Vollmacht zugunsten ihres Ehemannes mit Schreiben vom 10.11.2008 (Anlage K1, Bl. 6 d.A.). In der Folgezeit nahm …. zunächst keine Verfügungen mehr über das Konto vor. Den Online-Zugang des …. sperrte die Klägerin jedoch nicht.
Die Rechtsanwaltssozietät …. in Hamburg in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Sozius der Beklagte ist, hatte aus einem Mandat unter dem dortigen Aktenzeichen …….und der Mandatsbezeichnung „…. (Schuldenregulierung)“ gegen Herrn … offene Honorarforderungen über € 2.475,20. Am 08.02.2010 überwies …. unter Ausnutzung seines noch funktionierenden Online-Zugangs vom Konto der …. € 2.900,00 an die Rechtsanwaltssozietät …. unter Angabe des Verwendungszweckes „………..“. Auf den als Anlage B1 (Bl. 34 d.A.) vorgelegten Kontoauszug der Rechtsanwaltssozietät …. vom 10.02.2010 wird Bezug genommen.
Die Rechtsanwaltssozietät …., durch anwaltliches Schreiben der Klägerin vom 22.07.2010 (Anlage K2, Bl. 7 d.A.) zur Rückzahlung bis zum 31.07.2010 aufgefordert, erstattete der Klägerin lediglich den Differenzbetrag zwischen der erhaltenen Zahlung und der Honorarforderung gegen …., mithin € 424,80, und lehnte weitere Zahlungen ab.
Die Klägerin trägt vor, ihr stehe ein bereicherungsrechtlicher Rückabwicklungsanspruch gegen die Rechtsanwaltssozietät …. zu, für den der Beklagte als Gesellschafter persönlich hafte. Das Konto der …. habe nicht belastet werden können; dieser stünde im Fall der Belastung des Kontos vielmehr gegen die Klägerin ein Erstattungsanspruch gemäß § 675 u S. 2 BGB zu, weil der Zahlungsvorgang gegenüber der …. mangels Autorisierung gemäß § 650 j Abs. 1 S. 1 BGB nicht wirksam geworden sei. Der Beklagte bzw. die Rechtsanwaltssozietät …. habe auch gewusst, dass der Zahlungsvorgang durch …. ausgelöst worden sei, wie aus deren Schreiben vom 11.02.2010 (Anlage K4, Bl. 42 d.A.) hervorgehe; daher hätten sie auch nicht von einer Berechtigung der Überweisung ausgehen dürften.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 2.475,20 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2010 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er wendet ein, die Klägerin sei verpflichtet gewesen, das Konto der …. mit dem Überweisungsbetrag zu belasten, da …. entweder den Zahlungsvorgang selbst autorisiert oder aber durch grobfahrlässigen Umgang mit dem Zahlungsauthentifizierungsinstrument ermöglicht habe und sich im letzteren Fall der Klägerin gegenüber gemäß §§ 675 l, 280 BGB schadensersatzpflichtig gemacht habe. Auch im Falle eines nicht autorisierten Zahlungsvorganges habe die Klägerin jedenfalls keinen Erstattungsanspruch gegen den Beklagten. Aus dem Kontoauszug (Anlage B1, Bl. 34 d.A.) sei ohne weiteres die konkrete Vorgangsbezogenheit der Überweisung ersichtlich, wie sich insbesondere aus der Übereinstimmung des Verwendungszweckes mit den hinterlegten Mandatsdaten ergebe. Soweit …. aus dem Kontoauszug als Zahlerin hervorgeht, handele es sich um ein „übliches Geschehen im Familienverband“.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Rückzahlung von € 2.475,20 gemäß §812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB.
Einer Rückgriffskondiktion der Klägerin gegen den Beklagten steht ein vorrangiges Leistungsverhältnis zwischen der Klägerin und …. einerseits (Deckungsverhältnis) und …. und der Rechtsanwaltssozietät …. bzw. dem Beklagten andererseits (Valutaverhältnis) entgegen, das eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung zwischen den Parteien (Zuwendungsverhältnis) ausschließt.
a)
In den Fällen der Leistung kraft Anweisung vollzieht sich der Bereicherungsausgleich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich innerhalb des jeweiligen fehlerhaften Leistungsverhältnisses, also zum einen zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen im sogenannten Deckungsverhältnis und zum anderen zwischen dem Anweisenden und dem Anweisungsempfänger im sogenannten Valutaverhältnis. Nach dem bereicherungsrechtlichen Leistungsbegriff bewirkt der Angewiesene mit seiner Zuwendung an den Anweisungsempfänger zunächst eine eigene Leistung an den Anweisenden und zugleich eine Leistung des Anweisenden an den Anweisungsempfänger (BGH NJW 2011, 66 – juris, Tz. 31).
(1)
Für die Bestimmung der Leistungsverhältnisse ist nach der Lehre vom sog. objektiven Empfängerhorizont entscheidend, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtungsweise in den Augen des Zuwendungsempfängers darstellt. Nicht auf den inneren Willen des Leistenden, sondern auf die Erkennbarkeit der Person des Leistenden „aus der Sicht des Zuwendungsempfängers“ kommt es an (BGHZ 40, 272 – juris, Tz. 29). Dies gilt auch dann, wenn mehr als drei Personen an dem Leistungsverhältnis beteiligt sind (vgl. BGH JZ 1962, 671).
Ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch gegen den Zahlungsempfänger kommt allerdings in Betracht, wenn es an einer Anweisung ganz fehlt und dies dem Zahlungsempfänger bekannt ist; dessen schutzwürdige Belange sind dann nicht betroffen, weil er weiß, dass es an einer Leistung seines Vertragspartners fehlt. Dies ist insbesondere bei versehentlicher Doppelausführung einer Überweisung anzunehmen (vgl. BGH NJW 2011, 66 – juris, Tz. 34 m.w.N.; LG Hannover, BKR 2011, 348).
(2)
Letztgenannte Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Der hier zu entscheidende Fall ist mit den Fällen einer Doppelüberweisung nicht vergleichbar; insbesondere fehlt es an einer Kenntnis des Beklagten vom Fehlen einer Anweisung im Deckungsverhältnis.
Aus Sicht des Beklagten als Zuwendungsempfänger sollte durch die von der Klägerin ausgeführte Überweisung eine Leistung der …. für …. (§ 267 BGB) an den Beklagten erbracht werden. Dies ergibt sich hinreichend deutlich aus dem Kontoauszug Anlage B1, in dem …. als Zahlerin und das bei den Beklagten geführte Aktenzeichen des Mandates, auf dem die Forderung gegen …. beruht, als Verwendungszweck angegeben ist. Wegen dieser eindeutigen Zweckbestimmung der Zahlung ist es unschädlich, dass der Überweisungsbetrag etwas höher ausgefallen ist als die Forderung gegen ….. Zweifel an der Zuordnung der Zahlung folgen daraus nicht.
Der Umstand, dass der Kontoauszug …. und nicht …. als Zahler ausweist, erlaubt nicht die Annahme, aus Sicht des Beklagten als Zahlungsempfänger sei das Fehlen einer Anweisung der Kontoinhaberin offensichtlich. Es kann dahinstehen, ob es sich bei der Zahlung um ein „übliches Geschehen im Familienverband“ handelt, wie der Beklagte meint, woran nach Scheitern der Ehe zwischen Herrn und …. allerdings gewisse Zweifel bestehen. Dessen ungeachtet begründet aber die genaue Angabe der Mandatsnummer auf der Überweisung hinreichend schützenswertes Vertrauen des Beklagten darauf, dass die Überweisung von der Kontoinhaberin …. – die aus Sicht des Beklagten allein Zugriff auf ihr Konto hatte – in Kenntnis der Verbindlichkeit des …. gegenüber dem Beklagten veranlasst war. Gründe der …., als Dritte für …. eine Leistung an den Beklagten zu erbringen, sind unabhängig vom Fortbestand der Ehe viele denkbar; sie zu erforschen, oblag dem Beklagten nicht.
(3)
Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsverhältnisse gegenüber einer Direktkondiktion gegen den Zahlungsempfänger führt auch nicht zu einer unbilligen Risikoverlagerung auf die Klägerin. Fehlerhaft ist hier das Deckungs- und nicht das Valutaverhältnis. Unstreitig konnte …. die Überweisung nur deshalb vornehmen, weil es die Klägerin nach dem Widerruf der Kontovollmacht am 10.11.2008 versäumt hatte, den Online-Zugang des …. zu sperren. Da der Fehler somit im Organisationsbereich der Klägerin liegt, sind schützenswerte Belange, die eine Direktkondiktion der Klägerin gegen den Beklagten geböten, nicht gegeben (vgl. BGH NJW 2011, 66 – juris, Tz. 36).
b)
An dieser Bewertung nach den gefestigten Grundsätzen der Rechtsprechung zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung in den sog. Anweisungsfällen ist auch nach der Regelung des Rechtes der Zahlungsdienste in §§ 675 c ff. BGB in Umsetzung der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 („Zahlungsdiensterichtlinie“) festzuhalten.
(1)
Der Auffassung des LG Hannover (BKR 2011, 348 – juris, Leitsatz zu 2 und Tz. 25), wonach aufgrund des Inkrafttretens des § 675 u BGB ein nicht autorisierter Zahlungsvorgang generell nicht mehr als bereicherungsrechtliche Leistung des Kontoinhabers an den Zahlungsempfänger anzusehen und deshalb eine Eingriffskondiktion der Bank gegen den Zahlungsempfänger gegeben sei, folgt das Gericht nicht. Gegen dieses auch von weiten Teilen der Literatur (etwa Bartels, WM 2010, 1828; Belling/Belling, JZ 2010, 708; Winkelhaus, BKR 2010, 441) vertretene Verständnis, wonach die Rückgriffsperre des § 675 u BGB auch bereicherungsrechtliche Ansprüche erfasst, spricht bereits die Beschränkung des Wortlautes auf „Erstattung von Aufwendungen“, worunter Kondiktionen nicht zu subsumieren sind (Kiehnle, JURA 2012, 895, 900). Auch die Regierungsbegründung zu § 675 u BGB (BT-Drs. 16/11643, S. 113) gibt für einen Ausschluss bereicherungsrechtlicher Rückgriffsansprüche nichts her (vgl. Kiehnle a.a.O.).
(2)
Unabhängig davon ist der Regelungsumfang des § 675 u BGB auf das Deckungsverhältnis beschränkt. Die Ausdehnung der Norm auf das bereicherungsrechtliche Haftungsregime in Anweisungsfällen insgesamt ist auch nicht aufgrund des Vollharmonisierungsgebotes gemäß Art. 86 der Zahlungsdiensterichtlinie geboten, sondern würde vielmehr eine „überschießende Transformation“ der Richtlinie bedeuten (Schnauder, Anm. zu LG Hannover vom 21.12.2010, jurisPR-BKR 11/2011, Anm. 4). Für eine damit eintretende Verkürzung des Vertrauensschutzes des Zahlungsempfängers – dem Interna des Deckungsverhältnisses regelmäßig nicht bekannt sind und der sich demgemäß grundsätzlich darauf verlassen können soll, er dürfe das auf seinem Konto gutgeschriebene Geld behalten – gibt die allein für das Deckungsverhältnis maßgebliche Norm nichts her (Kiehnle, JURA 2012, 895, 900; Rademacher, NJW 2011, 2169, 2170 f.).
(3)
Auch Erwägungen zum Schutzzweck des § 675 u BGB gebieten keine Zulassung einer Direktkondiktion der Klägerin gegen den Beklagten. Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung innerhalb der Leistungsverhältnisse gefährdet die Interessen der …. als Zahlerin nicht. …. hat im Sinne von § 812 BGB durch die Ausführung der Überweisung nichts erlangt außer einer Kondiktion gegen …., der seinerseits insoweit Befreiung von einer Verbindlichkeit gegenüber seinen Gläubigern, den …. Rechtsanwälten, erlangt hat. Er haftet deshalb bereicherungsrechtlich der …., die ihrerseits der Klägerin auf Herausgabe der Kondiktion gegen …. haftet. …. kann sich folglich durch Abtretung ihrer Ansprüche gegen …. an die Klägerin befreien, so dass die Klägerin ihrerseits bereicherungsrechtlich gegen …. vorgehen kann.
Umgekehrt bietet die Verweisung des Zahlungsempfängers auf den Entreicherungseinwand nach § 818 Abs. 3 BGB keinen hinreichenden Grund dafür, den Zahlungsempfänger einer Direktkondiktion der Bank auszusetzen; der Vertrauensschutz würde so von der Liquidität des Zahlungsempfängers abhängen und nur eingreifen, wenn dieser selbst in besonders beengten finanziellen Verhältnissen steht (Rademacher, NJW 2011, 2169, 2171).
2.
Mangels Bestehens einer Hauptforderung war die Klage auch hinsichtlich der Zinsforderung abzuweisen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.