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Zahlungsunfähigkeit und Rechtsschuldbefreiung

Amtsgericht Duisburg

Az: 64 IN 3/07

Urteil vom 09.06.2008


Der Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung wird zurückgewiesen.

Gründe I.
Auf Antrag des Schuldners, eines damals selbstständigen Buchhändlers, wurde am 16.12.1999 das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet (AG Duisburg, 60 IN 191/99). Nach Belehrung gemäß § 30 Abs. 3 InsO (in der Fassung von 1999) stellte der Schuldner am 13.04.2000, zwei Monate nach dem Berichtstermin vom 11.02.2000, einen Antrag auf Restschuldbefreiung, den das Amtsgericht zugleich als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Antragsfrist (§ 287 Abs. 1 Satz 2 InsO in der Fassung von 1999) auffasste. Mit Beschluss vom 17.4.2000 (Akte 60 IN 191/99, Sonderband RSB, BI. 4 ff.) lehnte das Amtsgericht die Wiedereinsetzung ab, weil der Schuldner nicht dargelegt habe, dass er die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten habe. Zugleich wurde der Antrag auf Restschuldbefreiung als verspätet und damit unzulässig zurückgewiesen. Die hier gegen eingelegte sofortige Beschwerde des Schuldners blieb erfolglos (Beschluss des LG Duisburg vom 07-.08.2000 – 24 T 96/00; Akte 60 IN 191/99, Sonderband RSB,Bl. 45 ff.). Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts hatte der Schuldner die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag schuldhaft versäumt.

Die Verwertung der Masse erbrachte für die festgestelltel1~Forderungen der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger in Höhe von 665.841,95 EUR eine Quote von 12,5 % (vgl. Schlussbericht des Insolvenzverwalters vom 02.03.2004; Akte 60 IN 191/99, BI. 575, Anlage 2, S. 19 ff.). Das Insolvenzverfahren wurde am 06.12.2006 nach Vollzug der Schlussverteilung aufgehoben. Am 02.01.2007 hat der Schuldner, der nunmehr als Angestellter in einer Buchhandlung arbeitet, erneut die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen sowie Restschuldbefreiung und Stundung der Verfahrenskosten beantragt. In dem eingereichten Gläubiger- und Forderungsverzeichnis hat er pauschal auf das aufgehobene erste Verfahren 60 IN 191/99 verwiesen (BI. 10 der Akte). Nach Hinweis des Gerichts auf die Entscheidung des BGH vom 06.07.2006 (NZI 2006, 601 = ZVI 2006, 406) hat der Schuldner mitgeteilt, im September 2006 habe sich bei ihm die X-Krankenkasse mit einer neuen Forderung in Höhe von 1.664,19 EUR und im April 2007 die Stadt D mit einer Forderung in Höhe von 44,22 EUR gemeldet.

II.
Der Antrag auf Restschuldbefreiung ist unzulässig. Das Recht des Schuldners, einen solchen Antrag zu stellen, ist durch den gleichen Antrag in dem ersten, im Dezember 2006 beendeten Insolvenzverfahren verbraucht. Der Schuldner ist deshalb mit dem neuen Antrag ausgeschlossen. Hierüber kann bereits jetzt, vor Klärung der Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, entschieden werden, weil der Antrag auf Restschuldbefreiung gegenüber dem Eröffnungsantrag einen eigenständigen Verfahrensgegenstand betrifft (vgl. § 1 Satz 2 InsO) und die Sache aus Rechtsgründen insoweit zur Entscheidung reif ist.

A. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Schuldner, gegen den bereits ein insolvenzgerichtliches Verfahren anhängig war, ohne dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt hat, in einem späteren Verfahren erstmals oder erneut einen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen kann, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Die Bestimmungen über die Antragsfristen (§ 287 Abs. 1 Satz 2, § 305 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 InsO) gelten ihrem Wortlaut nach unmittelbar nur
in dem jeweils bereits anhängigen Verfahren.

1. Auch in der Rechtsprechung ist die Frage bisher nicht grundsätzlich geklärt.

a) Nach Auffassung einiger Amtsgerichte, auf die sich der Schuldner im Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 17.01.2008 (BI. 53 ff. der Akte) beruft, ist nach Beendigung des ersten Insolvenzverfahrens jederzeit ein erstmaliger oder erneuter Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung in Verbindung mit einem eigenen Eröffnungsantrag statthaft, selbst wenn der Schuldner bereits im ersten Verfahren hinreichend Gelegenheit zu einem solchen Antrag hatte oder der Antrag als unzulässig zurückgewiesen worden ist (AG Göttingen NZI 2005, 398 f. = ZVI 2005,278 f.; AG Göttingen NZI 2008, 56 f. = ZVI 2007, 534 f.; AG Leipzig ZVI 2007,280 ff.; ebenso Hackenberg, ZVI 2005,468 ff.; Büttner, ZVI 2007, 229 ff.). Zur Begründung wird vor allem auf das Fehlen einer gesetzlichen Regelung über den Wegfall des Antragsrechts verwiesen. Dies überzeugt nicht. Die Vorstellung, ein versäumter oder gescheiterter Antrag auf Restschuldbefreiung könne ohne Einschränkung jederzeit und beliebig oft wiederholt werden, ist offenkundig absurd. Das Schweigen des Gesetzes befreit die Gerichte nicht von ihrer Aufgabe der Auslegung und Rechtsfortbildung. Rechtssätze können sich nicht nur aus einzelnen‘ positiven Bestimmungen, sondern auch aus der gesamten gesetzgeberischen Konzeption eines Regelungswerkes und aus allgemeinen rechtlichen Grundgedanken ergeben.
,
b) Die zu der vorliegenden Rechtsfrage bekannt gewordenen Entscheidungen des BGH sind Uneinheitlich. Zunächst hat der BGH entschieden, dass ein Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung nicht grundsätzlich unzulässig sei, wenn zuvor bereits ein Eröffnungsverfahren auf Antrag eines Gläubigers anhängig gewesen und dieser Eröffnungsantrag mangels Masse rechtskräftig abgewiesen worden sei (BGH, Beschluss vom 01.12.2005 – IX ZB 186/05, NZ12006, 181 f. = ZVI 2006, 67). Die Besonderheit dieses Falles bestand nicht zuletzt darin, dass das Insolvenzgericht dem Schuldner in dem ersten Verfahren die nur beim Eigenantrag maßgebliche kurze Antragsfrist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO (nF) mitgeteilt und ihn damit über die Möglichkeit, Restschuldbefreiung zu erlangen, nicht ordnungsgemäß belehrt hatte (§ 20 Abs. 2 InsO). In einem weiteren Fall hat der BGH sodann die Auffassung vertreten, ein Schuldner, der in einem eröffneten und durchgeführten Insolvenzverfahren den Antrag auf Restschuldbefreiung trotz ordnungsgemäßer gerichtlicher Belehrung nicht innerhalb der Antragsfrist (§ 287 Abs. 1 Satz 2 InsO) gestellt habe, obwohl ihm dies möglich gewesen sei, könne den Antrag anschließend im Rahmen eines neuen Eröffnungsverfahrens „jedenfalls“ dann nicht wiederholen, wenn „kein neuer Gläubiger des Schuldners hinzugekommen“ sei (BGH, Beschluss vom 06.07.2006 – IX ZB 263/05, NZI 2006, 601 = ZVI 2006, 406; ebenso LG Koblenz NZI 2004, 679 = ZVI 2005, 91; AG Marburg ZlnsO 2005,726). Unter der selben Voraussetzung hat der BGH den erneuten Antrag eines Schuldners auf Restschuldbefreiung dann für unzulässig gehalten, wenn dem Schuldner in dem durchgeführten ersten Insolvenzverfahren die Restschuldbefreiung rechtskräftig nach § 290 InsO versagt worden war; dabei stellte er auch darauf ab, dass die Rechtskraft der Versagungsentscheidung nicht durch den neuen Antrag beseitigt werden könne (BGH, Beschluss vom 11.10.2007 – IX ZB 270/05, NZI 2008, 45 f. = ZVI 2007, 610). Im Gegensatz hierzu hat der BGH sodann in einem ähnlichen Fall, ohne dies näher zu begründen, der rechtskräftigen Versagung der Restschuldbefreiung bei Abschluss des ersten Insolvenzverfahrens (§ 290 InsO) keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen und im Rahmen der Prüfung eines Stundungsantrags (§ 4a InsO) einen wiederholten Antrag auf Restschuldbefreiung inzidenter als zulässig behandelt (BGH, Beschluss vom 21.02.2008 – IX ZB 52/07, NZI 2008, 318 f. = ZVI 2008, 179 f.).

Die Entscheidungen des BGH lassen einen überzeugenden gemeinsamen rechtssystematischen Grundgedanken nur im Ansatz erkennen. Sie beruhen augenscheinlich im Kern auf der Überlegung, dass ein erneuter Antrag auf Restschuldbefreiung ausgeschlossen ist, wenn der Schuldner mit ihm eine insolvenzgerichtliche Entscheidung in einer Angelegenheit anstrebt, die bereits Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens war, und sich die maßgebliche Sachlage nicht wesentlich geändert hat. Das ist einleuchtend. Nicht gerechtfertigt ist jedoch die – vom BGH selbst durch das Wort „jedenfalls“ eingeschränkte Auffassung, eine solche unveränderte Sachlage bestehe nur, wenn seit der Eröffnung des ersten Verfahrens keine neue Verbindlichkeit oder kein neuer Gläubiger des Schuldners hinzugekommen sei. Abgesehen davon, dass bereits die Verwaltervergütung und die übrigen Kosten des ersten Verfahrens vielfach als noch offenstehende neue Verbindlichkeiten anzusetzen sein werden, lädt diese Auffassung geradezu zum Missbrauch und zur Unredlichkeit ein. Einem einigermaßen erfindungsreichen Schuldner bereitet es keine nennenswerten Schwierigkeiten, bei Fortdauer der Zahlungsunfähigkeit zusätzliche finanzielle Verpflichtungen, etwa aus Dauerschuldverhältnissen, auflaufen zu lassen oder im zweiten Verfahren neue Gläubiger zu präsentieren, ohne sich zugleich selbst des Eingehungsbetruges zu bezichtigen.

2. Nach Ansicht des Gerichts kann ein Schuldner für jede drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit nur einmal Restschuldbefreiung beantragen (§ 230 ZPO, § 4 InsO), und zwar aus Anlass des ersten zulässigen Eröffnungsantrags, auf dessen Grundlage das Insolvenzgericht später rechtskräftig die Zahlungsunfähigkeit feststellt. Dies ergibt sich aus der gesetzgeberischen Konzeption, die den Einzelvorschriften über den Antrag auf Restschuldbefreiung insgesamt zu Grunde liegt.

a) Maßgebliche wesentliche Grundlage des Antrags auf Restschuldbefreiung ist nicht die Existenz bestimmter Verbindlichkeiten des Schuldners oder die Anzahl seiner Gläubiger, sondern der offen zu Tage getretene Zustand der (zumindest drohenden) Zahlungsunfähigkeit. Die gesetzliche Möglichkeit einer zahlungsunfähigen natürlichen Person, Restschuldbefreiung zu erlangen, knüpft an das Vorliegen eines zulässigen und letztlich auch begründeten Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens an (§ 287 Abs. 1, § 289 Abs. 1 InsO). Diese Verknüpfung beruht auf der Annahme des Gesetzgebers, es erscheine sachgerecht, das Insolvenzverfahren mit der allseitigen Bereinigung der Verschuldung, wie sie bei beschränkt haftenden Rechtsträgern typischerweise mit der Zwangsverwertung des schuldnerischen Vermögens verbunden ist, auch für die Bewältigung der schweren Verschuldung natürlicher Personen zu nutzen ( RegE InsO 1992, BT-Dr. 12/2443, S. 82, 187 f.). Ist die finanzielle Misere des Schuldners so schwerwiegend und unerträglich geworden, dass entweder ein Gläubiger oder der Schuldner selbst den Eröffnungsantrag einreicht und das Insolvenzgericht sodann die (zumindest drohende) Zahlungsunfähigkeit feststellt, so soll der Schuldner in dieser Situation die Möglichkeit erhalten, bei Beendigung des Insolvenzverfahrens dem unbeschränkten Nachforderungsrecht der Gläubiger (§ 201 Abs. 1, § 215 Abs. 2 InsO) zu entgehen und nach zumutbaren eigenen Bemühungen eine endgültige, allseitige und umfassende Schuldenbereinigung zu erlangen (vgl. RegE InsO 1992, BT-Dr. 12/2443, S. 81 f., 187 f.).

Die Chance eines wirtschaftlichen Neubeginns, die das Gesetz dem Schuldner hiermit bietet, ist demnach untrennbar mit dem offenen Ausbruch der finanziellen Krise des Schuldners verbunden. Die Krise soll dadurch bewältigt werden, dass dem Schuldner die zu dieser Zeit bereits begründeten Verbindlichkeiten erlassen werden (§ 301 Abs. 1, § 38 InsO), soweit sie nicht durch Verwertung des schuldnerischen Vermögens (§ 159 InsO) und durch zumut-baren Einsatz seiner Arbeitskraft (§ 97 Abs. 2, § 295 Abs. 1 NI‘. 1, Abs. 2 InsO) getilgt werden können.

b) Die Möglichkeit eines Neubeginns bietet das Gesetz dem zahlungsunfähigen Schuldner jedoch weder zeitlich unbegrenzt noch beliebig oft. Die Antragsfristen, die in § 287 Abs. 1 Satz 2, § 305 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 InsO festgelegt sind, dienen zwar vordergründig vor allem dem Zweck, den zügigen Ablauf des jeweiligen Verfahrens zu fördern, indem sie den Gläubigern Klarheit über die Absichten des Schuldners verschaffen und ihnen die Möglichkeit geben, eventuellen Versagungsgründen gegen die Erteilung der Restschuldbefreiung schon zu einem frühen Zeitpunkt nachzugehen ( RegE InsO 1992, BT-Dr. 12/2443, S. 189, zu § 236 = § 287 InsO 1999; vgl. auch RegE InsOÄndG 2001, BT-Dr. 14/5680, S. 28, NI‘. 15 zu § 287). Sie beruhen jedoch auch wesentlich auf der weitergehenden gesetzgeberischen Erwartung, dass der Schuldner sich angesichts des offenen Ausbruchs seiner finanziellen Krise, wie sie in einem zulässigen und letztlich auch begründeten Eröffnungsantrag zum Ausdruck kommt, in angemessener Frist entscheidet, ob er das gesetzliche Angebot annehmen und „den Weg der Restschuldbefreiung gehen möchte“ (BegI‘. RegE InsO 1992, BT-Dr. 12/2443, S. 189, zu § 236 = § 287 InsO 1999). Den zahlungsunfähigen Schuldner trifft in dieser Lage im eigenen Interesse die Obliegenheit, den Antrag auf Restschuldbefreiung möglichst frühzeitig zu stellen (BegI‘. RegE InsO 1992, BT-Dr. 12/2443, S. 189, zu § 236 = § 287 InsO 1999). Der Zeitpunkt seiner Entscheidung ist jedenfalls dann gekommen, wenn bereits ein zulässiger Eröffnungsantrag vorliegt und keine vernünftige Aussicht auf eine Besserung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners mehr besteht (vgl. § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO).

Die Bedeutung der zeitlichen Begrenzung des Antragsrechts wird durch die Hinweispflicht des Insolvenzgerichts gegenüber dem Schuldner nach § 20 Abs. 2, § 305 Abs. 3, § 306 Abs. 3 Satz 1 InsO besonders hervorgehoben. Der Hinweis muss stets auf diese zeitliche Begrenzung eingehen. Im Fall eines Eröffnungsantrags des Schuldners ist über die Antragsfrist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO oder des § 305 Abs. 3 InsO zu belehren, bei Eingang eines zulässigen Gläubigerantrags hat das Gericht dem Schuldner für die etwaige Einreichung der zur Restschuldbefreiung erforderlichen Erklärungen eine angemessene Frist zu setzen (BGHZ 162,181,186 = NJW2005, 1433f. = NZ12005, 271 f.). Diese Regelungen durchbrechen den Grundsatz, dass im Allgemeinen weder die Insolvenzordnung noch die subsidiär anzuwendende Zivilprozessordnung gerichtliche Belehrungen über Rechtsmittel oder andere Antragsrechte vorsieht (§§ 230,231 Abs. 1 ZPO; vgl. BVerfGE 93,99, 112 = NJW 1995,3173; BGH NZI 2004, 85). Sie sollen nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers sicherstellen, dass der Schuldner „nicht aus Rechtsunkenntnis die Chance der Restschuldbefreiung verliert“ ( RegE InsO 1992, BT-Dr. 12/2443, S. 120, zu § 37 = § 30 Abs. 3 InsO 1999; vgl. auch RegE InsOÄndG 2001, BT-Dr. 14/5680, S. 24, zu § 20 Abs. 2; ferner BGHZ 162,181,186 = NJW 2005,1433 f. = NZI 2005, 271 f.; BGH, Beschluss vom 07.02.2008 – IX ZB 47/05, ZlnsO 2008, 320). In Rechtsbegriffen ausgedrückt, bedeutet ein solcher Verlust aber nichts Anderes als den endgültigen Verlust des Antragsrechts. Die Hinweispflicht des Insolvenzgericht wäre deshalb unter dem Gesichtspunkt der Fürsorge gegenüber dem Schuldner sachlich überflüssig und allenfalls durch fiskalische oder verfahrensökonomische Gründe gerechtfertigt, wenn es dem zahlungsunfähigen Schuldner auch nach Beendigung des aktuellen insolvenzgerichtlichen Verfahrens rechtlich möglich wäre, den versäumten oder gescheiterten Antrag auf Restschuldbefreiung jederzeit und beliebig oft zu wiederholen.

c) Die enge sachliche Verknüpfung des gesetzlichen Angebots zur Restschuld befreiung mit der akuten, das insolvenzgerichtliche Verfahren auslösenden finanziellen Krise des Schuldners wird auch in den Versagungsgründen nach § 290 Abs. 1 Nr. 2,4 bis 6 InsO deutlich. In diesen Tatbeständen werden unredliche Verhaltensweisen des Schuldners mit Sanktionen belegt, die sich in einem zeitlich genau festgelegten Vorfeld des aktuellen Eröffnungsantrags oder sogar noch danach ereignet haben. Überließe man es bei Vorliegen eines zulässigen und letztlich begründeten Eröffnungsantrags der freien Disposition des Schuldners, ob er den Antrag auf Restschuldbefreiung jetzt oder erst nach Abschluss des laufenden Verfahrens in Verbindung mit einem neuen Eröffnungsantrag stellt, so würde man ihm damit die Möglichkeit verschaffen, nicht nur die an zeitliche Vorgaben geknüpften Versagungsgründe des § 290 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 InsO zu umgehen, sondern auch ohne nennenswertes Risiko im ersten Verfahren gegen seine Auskunfts- und Mitwirkungspflicht (§ 290 Abs. 1 Nr. 5, 6 InsO) zu verstoßen und dies durch korrektes Verhalten in dem neuen Verfahren wieder gut zu machen; die Wahrscheinlichkeit einer strafrechtlichen Verfolgung solcher Verstöße (vgl. § 283 Abs. 1 Nr. 1, 4, 6, 8 StGB), die auch in einem zweiten Verfahren zur Versagung der Restschuldbefreiung führen könnte (§ 290 Abs. 1 Nr. 1, §§ 297, 300 Abs. 2 InsO), ist jedenfalls erfahrungsgemäß äußerst gering. Eine solche Rechtsanwendung würde dem Schuldner nicht hinnehmbare Manipulationsmöglichkeiten einräumen, die offenkundig mit dem gesetzlichen Grundgedanken unvereinbar sind, dass nur ein redlicher Schuldner Restschuldbefreiung soll erlangen können (§ 1 Satz 2 lnsO). Dies ist in der
Rechtsprechung anerkannt (vgl. BGH NZI 2008, 45 f. Tz. 12 0 ZVI 2007, 610, 611 f.).

d) Ein Schuldner hat deshalb grundsätzlich für jede drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit nur einmal die Möglichkeit, Restschuldbefreiung zu beantragen. Hat er aus Anlass eines zulässigen und letztlich auch begründeten Eröffnungsantrags trotz ordnungsgemäßer gerichtlicher Belehrung keinen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt oder hat er trotz AntragsteIlung das Ziel der Restschuldbefreiung verfehlt, so kann der Schuldner in einem späteren Verfahren Restschuldbefreiung nur beantragen, wenn die ursprüngliche Zahlungsunfähigkeit weggefallen und der Schuldner in der Folgezeit erneut zahlungsunfähig geworden ist oder es zu werden droht.

Die Bestimmung des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO, nach der die Restschuldbefreiung einem Schuldner zu versagen ist, dem in den letzten zehn Jahren vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung erteilt oder nach § 296 oder § 297 InsO versagt worden ist, steht dieser Auslegung nur scheinbar entgegen. Zwar setzt § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO voraus, dass bereits früher ein Insolvenzverfahren über das schuldnerische Vermögen stattgefunden hat. Die Regelung greift aber nur ein, wenn der erneute Antrag auf Restschuldbefreiung zulässig ist. Über die Voraussetzungen dieser Zulässigkeit enthält sie weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrer systematischen Stellung oder ihrem Normzweck eine Aussage. Ihre Entstehungsgeschichte bestätigt sogar eher, dass die Möglichkeit eines zweiten Anlaufs zur Restschuldbefreiung nach der Vorstellung des Gesetzgebers erst bei einer erneuten Zahlungsunfähigkeit bestehen sollte. Der Regierungsentwurf der Insolvenzordnung sah nämlich die in § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO enthaltene Sperrfrist von zehn Jahren nur für den Fall vor, dass der Schuldner bereits einmal Restschuldbefreiung erlangt hatte (§ 239 Abs. 1 RegE InsO 1992). Damit sollte ein Missbrauch des Insolvenzverfahrens als Mittel zur wiederholten Reduzierung der Schuldenlast verhindert werden (RegE InsO 1992, BT-Dr. 12/2443, S. 190). Die Gefahr einer solchen wiederholten Reduzierung besteht jedoch nur, wenn die dem ersten Verfahren zugrunde liegende Zahlungsunfähigkeit infolge der Erteilung der Restschuldbefreiung entfallen ist und nachträglich neue Verbindlichkeiten entstanden sind, die wiederum zur Zahlungsunfähigkeit des Schuldners geführt haben. Es sprechen deshalb gute Gründe dafür, dass der Regierungsentwurf von der Annahme ausging, im Rahmen eines zweiten Insolvenzverfahrens könne es zu einem zulässigen Antrag auf Restschuldbefreiung nur kommen, wenn eine neue Zahlungsunfähigkeit eingetreten sei. Die Begründung des Rechtsausschusses des Bundestags zur Erweiterung des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO (Ausschussbericht, 1994, BT-Dr. 12/7302, S. 187 Nr. 184) lässt in diesem Punkt keine Abweichung von der Konzeption des Regierungsentwurfs erkennen. Sie nennt lediglich als Ziel der Erweiterung die Eindämmung von Missbräuchen sowie die Vermeidung von Verfahren und die damit verbundene Entlastung der Insolvenzgerichte. Diese Argumente sind jedoch auch dann berechtigt, wenn der neue Antrag auf Restschuldbefreiung die Überwindung der alten und den Ausbruch einer erneuten finanziellen Krise des Schuldners voraussetzt.

e) Die dargestellte Beschränkung des Antragsrechts kann allerdings nicht gelten, wenn der Schuldner im ersten Verfahren die Restschuldbefreiung ohne sein Verschulden verfehlt hat und er dies nicht mit einem Wiedereinsetzungsantrag (§§ 233 ff. ZPO analog, § 4 InsO) oder einem Rechtsmittel (§§ 6,7 InsO) hat geltend machen können. Allein in einem solchen Ausnahmefall verlangt das Gebot eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens, dass dem Schuldner durch ein entsprechendes Antragsrecht erneut die Chance der Restschuldbefreiung eröffnet wird.

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B. Die danach erforderlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit des neuen Antrags auf Restschuldbefreiung liegen hier nicht vor.

1. Der Schuldner ist in dem ersten Verfahren über seine Möglichkeit, Restschuldbefreiung zu beantragen, ordnungsgemäß belehrt worden. Entsprechend dem im Jahre 1999 geltenden § 30 Abs. 3 InsO hieß es im Eröffnungsbeschluss vom 16.12.1999 im Anschluss an die Terminbestimmung der Gläubigerversammlungen (Berichtstermin und Prüfungstermin):

„Der Schuldner wird darauf hingewiesen, dass er nach Maßgabe der §§ 286 bis 303 InsO auf Antrag Restschuldbefreiung erlangen kann. Der Antrag ist spätestens in der ersten Gläubigerversammlung entweder schriftlich beim Insolvenzgericht einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären (§ 287 InsO).“

Zusätzlich wurde dem Schuldner am 21.12.1999 mit dem Eröffnungsbeschluss ein gerichtliches Merkblatt über das Verfahren zur Restschuldbefreiung zugestellt, in dem auch die Notwendigkeit und der erforderliche Inhalt der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 InsO dargestellt waren (Akte 60 IN 191/99, BI. 121 f., 131, 135).

Diese Hinweise entsprachen den gesetzlichen Anforderungen. Sie enthielten alle Informationen, die der Schuldner benötigte, um rechtzeitig einen zulässigen Antrag auf Restschuldbefreiung zu stellen (vgl. MünchKomm-lnsO/Schmahl, 1. Aufl. 2001, § 30 RdNr. 15; BGH NZI 2004, 593, 594 = ZVI 2004, 492 f.; BGH, Beschluss vom 28.09.2006 – IX ZB 64/06, juris).

2. Der Schuldner war nicht ohne sein Verschulden gehindert, im ersten Verfahren rechtzeitig und ordnungsgemäß Restschuldbefreiung zu beantragen. Wie das LG Duisburg auf die Beschwerde des Schuldners mit Beschluss vom 07.08.2000 – 24 T 96/00 entschieden hat, hatte der Schuldner die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag, den er mit dem verspäteten Antrag auf Restschuldbefreiung eingereicht hatte, zweifelsfrei schuldhaft versäumt. Damit beruhte das Scheitern seines Antrags auf Restschuldbefreiung maßgeblich auf seinem eigenen Verschulden.

3. Schließlich ist die Zahlungsunfähigkeit, die dem Eröffnungsbeschluss vom 16.12.1999 zugrunde lag, auch nicht in der Zwischenzeit weggefallen und nachträglich erneut eingetreten. Der Schuldner verweist in dem knapp einen Monat nach Beendigung des ersten Insolvenzverfahrens vorgelegten Gläubiger- und Forderungsverzeichnis pauschal auf die früheren Insolvenzgläubiger und hat später zusätzlich noch neue Verbindlichkeiten mitgeteilt. Dies zeigt, dass seine bis 1999 begründeten finanziellen Verpflichtungen bisher nicht vollständig erfüllt worden sind. Ebenso wenig hatte der Schuldner nach dem Eröffnungsbeschluss vom 16.12.1999 seine Solvenz für einen nennenswerten Zeitraum auf andere Weise nachhaltig wiederhergestellt. Insbesondere deutet nichts darauf hin, dass er mit den Gläubigern eine tragfähige Zahlungsvereinbarung geschlossen oder seine damaligen Verbindlichkeiten mit Hilfe eines neuen, langfristig angelegten und mit realistischen Raten abzutragenden Kredits abgelöst hatte.

C. Das Gericht wird erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses über die notwendigen weiteren Ermittlungen (§§ 16, 26 InsO) und anschließend über die Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens entscheiden. Sollte das schuldnerische Vermögen voraussichtlich die Verfahrens kosten nicht decken, so kommt eine Stundung dieser Kosten nicht in Betracht, weil sie einen zulässigen Antrag auf Restschuldbefreiung voraussetzt (§ 4a Abs. 1 InsO). Sicherungsmaßnahmen erscheinen zur Zeit nicht notwendig. Der Schuldner ist allerdings aufgrund seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflicht (§ 20 Abs. 1, § 97 InsO) gehalten, dem Gericht unaufgefordert und unverzüglich jede wesentliche Veränderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse sowie alle Umstände anzuzeigen, die eine gerichtliche Anordnung zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse erfordern könnten (§§ 21, 22 InsO).

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