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Zahnarztfehler – Nachbehandlungskosten

Oberlandesgericht Naumburg

Az: 1 U 27/09

Urteil vom 25.06.2009


Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.1.2009 verkündete Urteil des Landgerichts Halle (9 O 148/07) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.662,71 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von 1.000,– Euro seit dem 12.4.2007 und auf einen Betrag von 662,71 Euro seit dem 21.9.2007 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche zukünftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die daraus resultieren, dass der Beklagte im Rahmen der kieferorthopädischen Behandlung bei der Klägerin neben den Zähnen 14 und 44 (rechts) nicht sogleich oder zeitnah auch die Zähne 24 und 34 (links) extrahiert hat, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind oder übergehen werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 64 % und der Beklagte zu 36 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen und beschlossen:

Der Streitwert für den Rechtsstreit (für die erste Instanz zugleich in Abänderung des Streitwertbeschlusses im angefochtenen Urteil) wird auf 21.561,16 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die am 11.8.1988 geborene Klägerin begab sich im Jahre 1998 auf Anraten ihrer Hauszahnärztin in kieferorthopädische Behandlung beim Beklagten. Der Beklagte stellte folgende Diagnose (entsprechend Behandlungsplan vom 29.10.1998 – Hülle Bl. 92 I -):

LS: Steil- oder invertiertstehende Schneidezähne, Rück- und Tiefbiß

OK: Oberer Schmalkiefer mit engstehender OK-Front, Steilstand 11 und 21, Protrusion von 12 und 22

UK: Unterer Schmalkiefer mit eng.- und invertiertstehender UK-Front

Der Beklagte zog am 24.1.2000 bzw. 9.1.2001 bei der Klägerin zur Vermeidung einer Zahnfehlstellung im rechten Ober- und Unterkiefer die (gegenüber liegenden) Zähne 14 und 44. Der Beklagte installierte sodann an beiden Kiefern feste Zahnspangen (sog. Brackets). Diese Zahnspangen trug die Klägerin bis zum Jahr 2003. Da die Behandlung bis zu diesem Zeitpunkt nicht abgeschlossen war, stellte der Beklagte einen KFO-Verlängerungsantrag, dem die Krankenkasse der Klägerin mit Bescheid vom 12.4.2004 (Hülle Bl. 92 I) stattgegeben hat. Im Verlauf des Jahres 2003 brach die Klägerin (nach ihrem Vortrag) wegen ständiger Kopfschmerzen und eines Kiefergelenkknackens die Behandlung beim Beklagten ab und stellte sich wegen der vorgenannten Beschwerden bei ihrer Hauszahnärztin vor. Frau Dr. S. (dazu i.E.: Schreiben vom 15.5.2005 – Bl. 96/97 I -) empfahl die Eingliederung einer UK adjustierten Schiene. Die Eingliederung erfolgte am 23.12.2003. Nach einer Feinjustierung war die Klägerin im März 2004 insgesamt beschwerdefrei, wobei sie bereits seit Ende Januar nicht mehr über Kopfschmerzen klagte.

Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten geltend. Sie ist der Ansicht, dass der Behandlungsplan des Beklagten im Grundsatz deshalb fehlerhaft gewesen sei, weil er lediglich die Extraktion der Zähne 14 und 44 auf der rechten Seite vorgesehen habe. Zur Vermeidung von asymmetrischen Fehlstellungen hätten parallel dazu auf der linken Seite im Ober- und Unterkiefer die Zähne 24 und 34 extrahiert werden müssen. Infolge dieses Planungsfehlers habe sich eine Zahnfehlstellung sämtlicher Zähne herausgebildet. Die Zähne seien asymmetrisch verschoben, was zum einen äußerlich unschön sei und zum andern zu Kiefer-, Kiefergelenk- und Kopfschmerzen geführt habe, die nahezu ein dreiviertel Jahr angehalten hätten. Die Klägerin hat einen Behandlungsplan zur Beseitigung der asymmetrischen Verzahnung der Universitätsklinik für Kieferorthopädie der Universität H. eingeholt. Der Plan (Bl. 13 – 15 I) geht von voraussichtlichen Kosten i.H.v. 5.557,72 Euro aus. Für die Erstellung des Behandlungsplans berechnete die Klinik entsprechend der Rechnung vom 13.12.2006 (Bl. 16 I) einen Betrag von 614,98 Euro. Die Kosten für die Erstellung des Behandlungsplans macht die Klägerin mit der vorliegenden Klage geltend. Soweit sie zunächst einen konkreten Feststellungsantrag (Berufungsantrag zu 1b) hinsichtlich der im Behandlungsplan genannten Maßnahmen und der dabei entstehenden Kosten gestellt hat, hat sie diesen Antrag im Senatstermin vom 18.6.2009 zurückgenommen. Eine Behandlung entsprechend dem vorgenannten Behandlungsplan ist bislang (nach Behauptung der Klägerin aus Kostengründen) nicht erfolgt. Die Klägerin ist weiter der Ansicht, dass ihr im Hinblick auf die erlittenen Kiefer-, Kiefergelenk- und Kopfschmerzen sowie der bestehenden Entstellung ihres Aussehens infolge der asymmetrischen Fehlstellung der Zahnreihen ein Schmerzensgeld zustehe, dessen Höhe sie mit mindestens 10.000,– Euro annimmt. Auf der Basis eines sich aus den vorgenannten drei Positionen errechnenden Gegenstandswertes von 16.172,70 Euro verlangt die Klägerin zudem Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 961,28 Euro (Bl. 50/51 I). Letztlich begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihr der Beklagte auch zum Ersatz künftiger Schäden verpflichtet ist, die sich aus der fehlerhaften Behandlung ergeben könnten.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er trägt vor, dass die Behandlung nicht abgeschlossen gewesen sei. Die einseitige Extraktion sei gewählt worden, um Verankerungsverluste zu vermeiden. Extraktionstherapien mit festsitzenden Apparaturen würden so durchgeführt, dass einseitig extrahiert und die Gegenseite zur Verankerung genutzt werde. Die Schienentherapie durch Frau Dr. S. habe seinem Behandlungsplan entgegen gewirkt. Durch die Schienentherapie werde die Stellung der Zähne und des Kiefergelenks in der vorhandenen Position stabilisiert, wohingegen seine Therapie die Zähne in eine bessere Position bewegt hätte. Die Parallelextraktion auf der linken Seite sei mit möglichen Nachteilen verbunden gewesen. Die Abwägung des Interesses der Klägerin am Erhalt gesunder Zähne einerseits und einer geringfügigen Mittellinienabweichung andererseits habe zu der Entscheidung geführt, die beiden gesunden Zähne (24/34) zu erhalten.

Dem Klageverfahren voraus ging ein Schlichtungsverfahren bei der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt. In diesem Verfahren erstellte Dr. K. zwei Stellungnahmen (vom 10.12.2005 – Bl. 6/7 I – und 28.3.2006 – Bl. 9 I -), auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Im Schlichtungsverfahren konnte eine abschließende Regelung nicht erreicht werden.

Gemäß Beweisbeschluss vom 7.1.2008 (Bl. 83 – 85 I), ergänzt durch Beschluss vom 16.4.2008 (Bl. 125 I) hat das Landgericht Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses wird Bezug genommen auf das Gutachten von Frau Dr. E. vom 25.7.2008 (Bl. 150 – 156 I). Die Sachverständige hat ihr Gutachten im Termin vom 11.12.2007(8) mündlich erläutert (Bl. 197 – 203 I).

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 215 – 227 I).

Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei zwar von einem Behandlungsfehler auszugehen. Insbesondere sei der Behandlungsplan fehlerhaft gewesen. Im Hinblick auf den bestehenden Engstand bei der Klägerin im Jahre 2000 hätte es dem zahnmedizinischen Standard entsprochen, dass im Verlauf der Behandlung alle 4 Zähne (rechts 11/44; links 24/34) extrahiert worden wären. Diese Wertung der gerichtlich bestellten Sachverständigen entspreche den Stellungnahmen im Schlichtungsverfahren. Es fehle aber an einem Kausalzusammenhang, weil die Klägerin die notwendige Weiterbehandlung im Jahre 2003 durch ihr Fernbleiben vereitelt habe. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Naumburg (Urteil vom 13.12.2007 – 1 U 10/07 – z.B. NJW-RR 2008, 1056) handele es sich bei der zahnärztlichen Versorgung eines Patienten zwar um einen Dienstvertrag. Da die kieferorthopädische Behandlung aber ein langwieriger, über mehrere Jahre andauernder Prozess sei, sei der Patient grundsätzlich gehalten, an der Behandlung mitzuwirken. Der Klägerin habe es daher oblegen, jedenfalls nach Abschluss der Behandlung durch Frau Dr. S. im Jahre 2003, den Beklagten wieder aufzusuchen, um diesem die Möglichkeit zu gegeben, die Behandlung fortzusetzen. Dem stehe nicht entgegen, dass der ursprüngliche Behandlungsplan des Beklagten die Extraktion der Zähne auf der linken Seite (24/34) nicht vorgesehen habe, weil der Zahnarzt im Behandlungsverhältnis eine finale, dem Facharztstandard entsprechende Versorgung schulde. Nach dem Gutachten der Sachverständigen sei eine Extraktion der Zähne 24 und 34 immer noch möglich. Ein Schmerzensgeldanspruch scheide auch deshalb aus, weil die Klägerin nicht bewiesen habe, dass ihre Beschwerden (Kiefer-, Kiefergelenk- und Kopfschmerzen) auf einen Behandlungsfehler des Beklagten zurückzuführen seien. Die Sachverständige habe ausgeführt, dass das Erkrankungsbild der Klägerin (Craniomandibuläre Dysfunktion – CMD -) eine Vielzahl von klinischen Beschwerden einschließe. Die häufigsten Symptome seien Schmerzen in der Mundregion, im Gesicht, Kopf und Nacken. Der Feststellungsantrag sei zwar zulässig aber nicht begründet. Allein wegen des Planungsfehlers hafte der Beklagte im Hinblick auf den Abbruch der Behandlung durch die Klägerin nicht. Dass darüber hinaus materielle oder immaterielle Schäden eintreten könnten, sei weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 1.4.2009 (Bl. 13 – 18 II), mit der sie ihre erstinstanzlichen Zahlungs- und Feststellungsanträge weiterverfolgt.

Wegen der in der Berufungsinstanz von der Klägerin gestellten Anträge wird Bezug genommen auf Seite 2 der Berufungsbegründung vom 1.4.2009 (Bl. 14 II) i.V.m. dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.6.2009.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft seinen Vortrag aus erster Instanz. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 26.5.2009 (Bl. 48 – 50 II).

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg:

Mit dem Berufungsantrag 1 a) verlangt die Klägerin Erstattung der Kosten, die die Universitätsklinik für Kieferorthopädie gemäß Rechnung vom 13.12.2006 (Bl. 16 I) für die Erstellung des Behandlungsplanes geltend macht (614,98 Euro). Ersatz dieser Kosten kann die Klägerin nicht verlangen. Wie der Senat bereits in der vom Landgericht (in anderem Zusammenhang) zitierten Entscheidung (Urteil vom 13.12.2007 – 1 U 10/07 -; z.B. NJW-RR 2008, 1056 [hier: zitiert nach juris]) ausgeführt hat, stellen Kosten einer notwendigen Nachbehandlung wegen eines (an dieser Stelle unterstellten) ärztlichen Behandlungsfehlers nur dann einen ersatzfähigen Vermögensschaden dar, wenn der Patient diese Nachbehandlung bereits hat durchführen lassen. Vor der Durchführung der Nachbehandlung sind Kosten noch nicht entstanden, d.h. es fehlt (noch) an einer vermögenswirksamen Maßnahme (a.a.O., Rn. 16; ebenso: OLG Köln Urteil vom 12.1.2005 – 5 U 96/03 – z.B. GesR 2005, 266 [hier: zitiert nach juris, Rn. 13]). Dementsprechend können auch die Kosten für ein Privatgutachten oder einen Kostenvoranschlag (um nichts anderes handelt es sich bei den Kostenangaben im Behandlungsplan – Bl. 14 I -) nur dann ersetzt verlangt werden, wenn der Patient eine – konkrete – Behandlungsabsicht nachgewiesen hat (OLG München Beschluss vom 1.2.2006 – 1 U 47/05 – z.B. MedR 2006, 596 [hier: zitiert nach juris, Rn. 36]). Dafür ist es nicht ausreichend, wenn lediglich allgemein ausgeführt wird (Protokoll vom 11.12.2007 – Bl. 1995 I -), dass die Behandlung durch die Universitätsklinik bislang nicht begonnen worden sei, weil das Geld fehle bzw. – wie im Senatstermin bekundet -, dass die Korrektur zwar nach wie vor geplant sei, wegen des Studiums der Klägerin aber nicht in näherer Zukunft. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Einholung des „Kostenvoranschlages“ für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen weder angemessen noch erforderlich war (dazu: LG Münster Urteil vom 31.5.2007 – 11 O 1097/05 – [hier: zitiert nach juris, Rn. 36]), für eine Haftung dem Grunde nach nicht, weil der Behandlungsplan dazu keine Feststellungen trifft und zur Höhe nach nicht, weil ein Zahlungsanspruch vor Durchführung der Maßnahme – wie ausgeführt – nicht besteht.

Den Berufungsantrag zu 1b hat die Klägerin im Senatstermin zurückgenommen, was bei der Kostenentscheidung (§ 516 Abs. 3 S. 1 ZPO) zu berücksichtigen ist.:

Der allgemeine Feststellungsantrag (Berufungsantrag zu 3)) ist begründet. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass ein Behandlungsfehler des Beklagten darin liegt, dass er lediglich auf der rechten Seite die Zähne 14 und 44 und nicht zugleich (oder zeitnah: 6 Monate = Sommer 2001; dazu Anhörung der Sachverständigen, Protokoll S. 4 – Bl. 198 I -) auch auf der linken Seite die Zähne 24 und 34 extrahiert hat. Wären in diesem zeitlichen Fenster alle vier genannten Zähne entfernt worden, wäre es – eine sachgerechte (Weiter)Behandlung durch den Beklagten unterstellt – nicht zu einer Mittellinienverschiebung gekommen (Anhörung der Sachverständigen a.a.O.). Davon ist das Landgericht (LGU S. 7 – Bl. 222 I -) auf der Basis des Beweisergebnisses in zutreffender Weise ausgegangen. Der Senat schließt sich dieser Bewertung an. Dies gilt auch für die Feststellung, dass nicht von einem groben Behandlungsfehler des Beklagten auszugehen ist.

Das Landgericht beruft sich aber zu Unrecht für den von ihm verneinten Zurechnungszusammenhang (LGU S. 8/9 – Bl. 223/224 I -) zwischen dem Behandlungsfehler und dem Schaden (der Mittellinienverschiebung) auf das Urteil des Senats vom 13.12.2007 (1 U 10/07 – zitiert nach juris: a.a.O. -). Der Senat hatte in dem genannten Fall allein die Frage zu entscheiden, ob einem Zahnarzt bei anfänglicher geringfügiger Beweglichkeit einer Zahnprothese („kippeln“) im Rahmen der Weiterbehandlung Gelegenheit zur Vornahme von Korrekturen gegeben werden muss. Der Senat hat dazu ausgeführt (a.a.O., Rn. 23):

Da die Eingliederung von Zahnersatz aber regelmäßig ein mehrstufiger Prozess ist, dem das Risiko anfänglicher Passungenauigkeiten und Beweglichkeiten immanent ist, ist der Patient grundsätzlich gehalten, bei weiteren Eingliederungsmaßnahmen einer Prothese mitzuwirken. … Denn die Pflicht des Zahnarztes im Behandlungsverhältnis besteht in einem Hinwirken auf eine final dem Facharztstandard entsprechende prothetische Versorgung.

Die vorliegende Fallkonstellation entspricht nicht dem Sachverhalt der zitierten Entscheidung des Senats. Der Senat hatte bereits dort ausgeführt, dass es sich bei der vertraglichen Beziehung über die zahnärztliche Versorgung zwischen dem Patienten und dem Zahnarzt um einen Dienstvertrag handelt und damit ein Recht des Zahnarztes auf Nachbesserung grundsätzlich ausscheidet. Da es sich bei der prothetischen Behandlung (z.T.) um ein „Vortasten“ handelt, um zu einer befriedigenden Lösung zu gelangen (Senat a.a.O.), ist der Patient gehalten, an der Vollendung der geplanten Maßnahme mitzuwirken. Ein Behandlungsfehler kann insoweit erst dann angenommen werden, wenn dem Zahnarzt im Rahmen der vorgenannten Möglichkeit zur Fortsetzung der Behandlung die Korrektur vorwerfbar nicht gelingt. Davon kann vorliegend indes keine Rede sein, weil der Behandlungsfehler bereits darin liegt, dass der Behandlungsplan des Beklagten die Extraktion der Zähne (links) 24 und 34 überhaupt nicht vorsah. Der Beklagte hat die bei der Klägerin eingesetzten Brackets im Jahre 2002 entfernt, weil – nach den Ausführungen der Sachverständigen (Anhörung a.a.O.) – der Engstand beseitigt und auf der rechten Seite ein befriedigendes Ergebnis hergestellt wurde. Die Sachverständige (a.a.O.) hält die Entfernung der Brackets aber dann für unlogisch, wenn der Beklagte noch die Extraktion der Zähne 24 und 34 vorgehabt hätte. Bei einer geplanten Weiterbehandlung (zu ergänzen: links) hätten die Brackets im Kiefer belassen werden müssen. Es hätte sich mithin bei der Extraktion der Zähne 24 und 34 nicht um eine – geplante – Vollendungs(be)handlung des Beklagten im Hinblick auf den Behandlungsplan gehandelt, sondern um eine (neue) Behandlung zur Beseitigung des Mangels dieses Behandlungsplanes und damit um eine echte Nachbesserungstätigkeit, zu der der Beklagte im Rahmen des bestehenden Dienstvertragsverhältnisses nicht berechtigt war. Die Verweigerung der Klägerin zur Fortsetzung der Behandlung durch den Beklagen steht daher – anders als im Urteil des Senats vom 13.12.2007 – der Annahme eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Mangel des Behandlungsplans und dem eingetretenen Schaden nicht entgegen. Der allgemeine Feststellungsantrag ist damit begründet.

Der Antrag auf Zahlung eines Schmerzensgeldes (Berufungsantrag zu 2.) hat teilweise Erfolg. Das Landgericht hat dazu ausgeführt, dass ein Schmerzensgeldanspruch nicht bestehe, weil die Klägerin nicht bewiesen habe, dass die im Jahre 2003 erlittenen Kiefergelenks- und Kopfschmerzen auf den Behandlungsfehler zurückzuführen seien (LGU S. 11 – Bl. 225 I). Gegen diese Begründung wendet sich die Berufung nicht (BB S. 5 – Bl. 17 II -). Die Berufung rügt vielmehr, dass das Landgericht nicht geprüft habe, ob ein Schmerzensgeldanspruch wegen der Fehlstellung der Schneidezähne bestehe. Die Mittellinie der Zähne im Ober- und Unterkiefer seien bei der Klägerin erkennbar verschoben, insbesondere die Frontzähne des Oberkiefers stünden schief, was einen störenden Eindruck vermittle. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Behandlung den Zweck gehabt habe, kosmetische Korrekturen vorzunehmen. Die Klägerin sei jetzt, in einem Lebensabschnitt, in den die Partnersuche und -bindung falle, entstellt.

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Zwar stellt der ärztliche Kunstfehler grundsätzlich immer einen Körper- oder Gesundheitsschaden dar (Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 76, 1g – S. 383 -), erforderlich ist aber die Erheblichkeit einer Störung (MK-Wagner BGB, 5. Aufl., § 823, Rn. 73 – die Störung muss Krankheitswert haben: RGRK-Steffen BGB, 12. Aufl., § 823, Rn. 10 -). Weiter ist unumstritten, dass auch Beeinträchtigungen des Aussehens einen Schmerzensgeldanspruch auslösen können (z.B. OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 1331; HansOLG Hamburg OLGR 2001, 179 [jeweils Bauchdecke]). Für den vorliegenden Fall ist aber zu berücksichtigen, dass außer Betracht bleiben muss, dass die Klägerin Kiefer-, Kiefergelenk- und Kopfschmerzen hatte, weil insoweit die Kausalität mit dem Behandlungsfehler des Beklagten nicht bewiesen ist, die Schmerzen vielmehr auch anlagebedingt durch die Krankheit bzw. mit der veranlassten und sachgerecht durchgeführten Extraktion der Zähne auf der rechten Seite verbunden sein könnten (dazu Anhörung der Sachverständigen S. 7 – Bl. 201 I -). Weiter kann für einen Schmerzensgeldanspruch nicht berücksichtigt werden, dass eine erneute Behandlung erforderlich ist, weil sich diese als Fortsetzung der Behandlung durch den Beklagten darstellt und damit verbundene Unannehmlichkeiten (Schmerzen) auch bei einer Weiterbehandlung (also der Extraktion der Zähne – links – 24 und 34 und der sich daran anschließenden Behandlung) durch den Beklagten angefallen wären. Für die Frage eines Schmerzensgeldanspruchs kommt es mithin – wovon auch die Berufung ausgeht – allein auf die Beeinträchtigung des Aussehens der Klägerin und auf den Umstand an, dass bislang wegen der Dauer des Verfahrens (bei bisheriger Weigerung des Beklagten zur Leistung von Schadensersatz) eine – medizinisch mögliche – Korrektur nicht erfolgt ist. Die zur Gerichtsakte gereichten Fotos (z.B. Hülle hinter Bl. 79 I / Umschlag Bl. 81 I / Hülle Bl. 92 I) lassen eine optisch gravierende Beeinträchtigung des Aussehens durch die Verschiebung der Zahnmittellinie nicht erkennen. Zwar ist diese als solche (auch auf den Fotos Umschlag Bl. 81 I) erkennbar, was aber nicht zu einer erheblicheren Störung des Gesamteindrucks führt. Dieser Eindruck hat sich für den Senat bei der persönlichen Vorstellung der Klägerin im Termin vom 18.6.2009 ohne Einschränkung bestätigt. Dementsprechend ist auch nachvollziehbar, wenn die Sachverständige (Anhörung S. 8 – Bl. 202 I -) davon spricht, dass sie den Leidensdruck der Klägerin als derzeit eher nicht so groß einschätzt. Der Senat verkennt nicht, dass der optischen Erscheinung einer Person im (privaten aber auch beruflichen) täglichen Leben eine nicht unwesentliche Bedeutung zukommt. Der Senat sieht daher im konkreten Einzelfall (so wie er durch die zur Gerichtsakte gereichten Fotos und den persönlichen Eindruck belegt ist) die Grenze zur gesundheitlichen Beeinträchtigung überschritten, sodass ein Schmerzensgeldanspruch dem Grunde nach gerechtfertigt ist, dieser der Höhe nach im Hinblick auf die feststellbaren Störungen bei der Klägerin aber im unteren Bereich anzusiedeln ist. Konkrete Beeinträchtigungen im Leben der Klägerin sind für die Zeit zwischen dem Abbruch der Behandlung beim Beklagten (Sommer 2003) und der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat weder vorgetragen, noch ersichtlich. Bei einer Gesamtwürdigung vorgenannter Umstände erachtet der Senat ein Schmerzensgeld i.H.v. 1.000,– Euro für angemessen.

Der Anspruch auf Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu 4.) ist ebenfalls nur teilweise begründet. Ein solcher Anspruch kommt nur dann in Betracht, wenn die Einschaltung eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig war (Palandt/Heinrichs BGB, 68. Aufl., § 249, Rn. 39). Dies ist bei einem Verfahren, das einen ärztlichen Behandlungsfehler zum Gegenstand hat (vorliegend: Weigerung des Beklagten Schadensersatz zu leisten / Schlichtungsverfahren) grundsätzlich anzunehmen. Allerdings rechtfertigt dies nicht den Ersatz dadurch entstandener Kosten in jeder Höhe. Die Geltendmachung unbegründeter Ansprüche kann vielmehr u.U. zu Gegenansprüchen der Gegenseite führen (Palandt a.a.O., § 280, Rn. 27 m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze können auch der Höhe nach nur die Kosten ersetzt verlangt werden, von deren Erstattungsfähigkeit die Klägerin ausgehen konnte. Dazu rechnet nicht die Einbeziehung einer der Höhe nach überzogenen Schmerzensgeldforderung (10.000,– Euro) in den abgerechneten Gegenstandswert (Bl. 50/51 I). Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Geltendmachung der Kosten für die Behandlung gemäß Kostenplan der Universitätsklinik H. (5.557,72 Euro [Bl. 13/14 I]) und die Kosten für die Erstellung dieses Plans (614,08 Euro – Bl. 16 I -) rechtlich vertretbar ist (Palandt a.a.O.), so gilt dies nicht für die geforderte Schmerzensgeldhöhe. Hierfür kann nur der vom Senat zugesprochene Betrag berücksichtigt werden. Der Anspruch ist daher nur i.H.v. Gegenstandswert: Kostenplan: 5.557,72 Euro

Rechnung Plan

614,08 Euro

Schmerzensgeld

1.000, — Euro

Gesamt

7.171,80 Euro

Gebühr §§ 13/14 RVG (1,3)

536,90 Euro

Pauschale 20, — Euro

556,90 Euro

19 % Ust.

105,81 Euro

662,71 Euro begründet.

III.

a) Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 S. 1 ZPO. Der Berufungsantrag zu 1b formuliert (in Abgrenzung zum Berufungsantrag zu 3) eine konkrete Forderung gegenüber dem Beklagten und muss deshalb bei der Bemessung der Kostenquote (soweit die Berufung zurückgenommen wurde im Rahmen von § 516 Abs. 3 S. 1 ZPO) gesondert berücksichtigt werden, wobei der übliche Abschlag für einen Feststellungsantrag mit 20 % angesetzt wird (5.557,72 Euro ./. 20 % = 4.446,18 Euro). Den Feststellungsantrag zu 3. bewertet der Senat bei einer Gesamtbetrachtung (wobei die Kostenhöhe des Behandlungsplans als Orientierungspunkt herangezogen wird) mit 6.500,– Euro. Die Höhe des Schmerzensgeldes hat die Klägerin zwar in das Ermessen des Gerichts gestellt. Der Senat geht aber davon aus, dass – wie bei der Bemessung der Beschwer – der Betrag maßgeblich ist, den der Kläger mindestens fordert (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO, 67. Aufl., Anh § 3, Rn. 100). Die Klägerin hat bereits in der Klageschrift (S. 4 – Bl. 4 I -) ausgeführt, dass sie ein Schmerzensgeld von mindestens 10.000,– Euro für angemessen erachtet. Für die Bestimmung der Obsiegens-/ Unterliegensquote ergibt sich damit folgende Gegenüberstellung:

Antrag

BU

Kosten Behandlungsplan:

614,98 Euro

Behandlungsplan

4.446,18 Euro

Feststellungsantrag

6.500, — Euro

6.500, — Euro

Schmerzensgeld

10.000, — Euro

1.000, — Euro

RA-Kosten

961,28 Euro

662,71 Euro

22.522,44 Euro

8.162,71 Euro

Die Kostenquote beträgt auf dieser Basis (gerundet) 64 % (Klägerin) zu 36 % (Beklagter).

Die Differenz zwischen dem vorgenannten Ausgangsbetrag für die Kostenquote von 22.522,44 Euro und dem eingangs genannten Streitwert für das Berufungsverfahren (21.561,16 Euro) resultiert daraus, dass die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zwar die Kostenquote beeinflussen (§ 92 Abs. 1 ZPO), nicht aber den Streitwert erhöhen (Senat, Urteil vom 4.6.2009 – 1 U 4/09 – m.w.N.). Die Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 3 S. 1 GKG.

b) Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

c) Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen.

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