OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
Az.: 5 U 31/05
Urteil vom 04.07.2007
Vorinstanz: Landgericht Oldenburg, Az.: 8 O 3184/03
Leitsatz:
Ist einem Zahnarzt bekannt, dass eine Patientin unter einer Palladium-Allergie leidet und setzt er gleichwohl Brücken mit einer Edelmetalllegierung ein, die 36,4 % Palladium enthält, so liegt ein grober Behandlungsfehler vor.
In dem Rechtsstreit hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2007 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25. Februar 2005 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
a) ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 EURO nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31. Januar 2003,
b) weitere 1.388,48 EURO nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31. März 2003 zu zahlen.
2) Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die Neuversorgung der von Dr. G… im Jahre 2003 entfernten Brücken und Kronen noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen einer – aus ihrer Sicht – fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung.
Bei der Klägerin wurde im Jahre 1987 eine Allergie gegen Quecksilber und Palladiumchlorid festgestellt. Im Jahre 1994 nahm der Beklagte eine Zahnsanierung bei der Klägerin vor, bei der er Kronen und Brücken einsetzte. Die Brücken bestanden aus der Edelmetalllegierung Heraloy U, die unter anderem einen Palladiumanteil von 36,4% enthielt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
1) an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 45.000 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31.01.2003 zu zahlen,
2) an sie weitere 1.388,48 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31.01.2003 zu zahlen,
3) an sie weitere 21.464,94 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31.01.2003 zu zahlen, (Verdienstausfall für die Zeit vom 04.12.1998 bis 15.02.2004),
4) an sie weitere 11.297,06 € (Haushaltsschaden) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31.01.2003 zu zahlen,
5) an sie ab dem 15.02.2004 einen monatlichen Haushaltsschaden in Höhe von 211,16 € zu zahlen, zahlbar zum 01. eines jeden Monats,
6) festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr aus der fehlerhaften Behandlung aus August/September 1994 entstanden ist oder noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die Klägerin nicht den ihr obliegenden Nachweis erbracht habe, dass ein fehlerhaftes Vorgehen des Beklagten bei der zahnprothetischen Behandlung die von ihr behaupteten Beeinträchtigungen und Beschwerden verursacht habe. Zwar habe der Beklagte in Kenntnis der Allergie Palladium verwandt. Nach dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. R… bestehe bei der Klägerin jedoch nur eine Sensibilisierung gegenüber Palladiumchlorid und Quecksilber von 1%. Die von der Klägerin aufgezählten Symptome wie Nieren und Blasenentzündung, Magen und Darmprobleme, Stoffwechselstörungen, Ödeme im Bereich der Augen, Schlaflosigkeit, Schwäche, Konzentrationsschwäche und Muskelschmerzen im Bereich des Rückens, des Nackens, der Schulter, der Arme und der Hände, Gürtelrose am Kopf, Schwindel, Ohrenschmerzen, Sehstörungen und Migräneanfall seien nicht mit einer kontaktallergischen Reaktion im Mundraum in Verbindung zu bringen. Es gebe keine wissenschaftlich beweisbaren Studien darüber, dass die Ursache dieser Erkrankungen in einer Palladiumbelastung liege.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Klägerin macht geltend, das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass dem Beklagten ein grober Behandlungsfehler unterlaufen sei, weil er trotz der Eintragungen im Allergiepass und entgegen den Empfehlungen der deutschen Gesellschaft für Zahn, Mund und Kieferheilkunde eine palladiumhaltige Legierung verwandt habe. Dieser grobe Behandlungsfehler führe zu einer Umkehr der Beweislast, da er geeignet sei, die eingetretenen Gesundheitsschäden der Klägerin zu verursachen. Dies belegten auch die bei seiner mündlichen Anhörung protokollierten Äußerungen des Sachverständigen Prof. Dr. R…. Zwar habe dieser in seinem schriftlichen Gutachten vom 27.06.2004 angenommen, die fortbestehenden Beschwerden der Klägerin nach der Entfernung der Brücken durch Dr. G… im Jahre 2003 sprächen gegen einen kausalen Zusammenhang mit der Behandlung durch den Beklagten. Im September 2004 sei allerdings festgestellt worden, dass sich noch zwei vom Beklagten eingebrachte Metallstifte mit den Kronen in ihrem Oberkiefer befunden hätten. Nach Entfernung dieser beiden palladiumhaltigen Stiftaufbauten habe sich ihr Zustand gebessert; die wesentlichen Beschwerden seien zurückgegangen. Dadurch werde der ursächliche Zusammenhang zusätzlich belegt, selbst wenn man die Äußerungen des gerichtlichen Sachverständigen zugrunde lege. Im Übrigen sei der Zusammenhang schon durch die von ihr erstinstanzlich vorgelegten Unterlagen belegt worden. Schließlich habe das Landgericht auch nicht berücksichtigt, dass jedenfalls die eingebrachten Kronen und Metallstifte in einer schmerzhaften Behandlung hätten entfernt werden müssen und die endgültige Neuversorgung noch ausstehe. Als Folge der fehlerhaften Behandlung seien ihr weitere Kosten in Höhe von 2.128,65 € entstanden, die sie nunmehr zusätzlich geltend macht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,
1. an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 45.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 1 DÜG seit dem 31.01.2003 zu zahlen,
2. an sie weitere 1.388,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.01.2003 zu zahlen,
3. an sie weitere 21.464,94 € Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.01.2003 zu zahlen (Verdienstausfall für die Zeit vom 04.12.1998 – 15.12.2004),
4. an sie weitere 11.297,06 € (Haushaltsschaden) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.01.2003 zu zahlen,
5. an sie ab dem 15.02.2004 einen monatlichen Haushaltsschaden in Höhe von 211,16 € zu zahlen, zahlbar zum 01. eines jeden Monats,
6. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr aus der fehlerhaften Behandlung aus August/September 1994 entstanden ist oder noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.
Mit Schriftsatz vom 29.06.2005 hat die Klägerin ferner beantragt,
an sie 2.128,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Juli 2005 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und die im Schriftsatz vom 29.06.2005 enthaltene Klageänderung abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz dahingestellt bleiben könne, welche Partei die Beweislast für die von der Klägerin behaupteten Gesundheitsschäden zu tragen habe. Der Sachverständige habe sowohl in seinem schriftlichen Gutachten als auch bei seiner mündlichen Anhörung ausgeschlossen, dass die von der Klägerin beschriebenen Beschwerden auf kontaktallergische Reaktionen hinsichtlich Palladiums zurückzuführen seien. Im Übrigen liege ein grober Behandlungsfehler nicht vor. Die Empfehlung des früheren Bundesgesundheitsministeriums aus dem Jahre 1993 zu der Verwendung bestimmter Dentallegierungen habe sich allein auf PalladiumKupferLegierungen bezogen, nicht aber auf die hier benutzte GoldPalladiumLegierung. Diese Legierung sei noch bis zum Jahr 2004 hergestellt worden.
Selbst bei einer Kenntnis von einer Sensibilisierung der Klägerin gegen Palladiumchlorid könne nicht von einem groben Behandlungsfehler ausgegangen werden, zumal dieser Vorwurf erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erhoben worden sei. Er bestreite nach wie vor, zu Beginn der Behandlung über die Sensibilisierung der Klägerin in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Die von ihm eingebrachten Stiftaufbauten (RadixAnker) enthielten kein Palladium. Außer den zwei Brücken habe er Kronen nicht eingebracht. Da es der Klägerin nach der nunmehr mitgeteilten Entfernung von sechs weiteren devitalen Zähnen schlagartig besser gegangen sei, könne nur der Schluss gezogen werden, dass Palladium nicht die Ursache ihrer Beschwerden gewesen sei. Selbst bei Annahme seiner Verantwortlichkeit sei von einem Mitverschulden der Klägerin auszugehen, da sie ihn weder über allergische Reaktionen im Mundraum unterrichtet noch einen Kontrolltermin wahrgenommen habe. Da sich die Klägerin durch einfache Nachfrage über die Zusammensetzung der bei ihr eingegliederten Metalllegierung hätte erkundigen können, seien eventuelle Ansprüche angesichts ihrer Kenntnis der Lokalreaktionen auch verjährt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Senat hat mit Beweisbeschluss vom 14. September 2005 ergänzend Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen, zahnärztlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. J…. Außerdem hat der Senat mit Beweisbeschluss vom 19. April 2006 Beweis erhoben durch Einholung eines immunologischen Gutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird insoweit auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K… vom 19. Februar 2007 und seine mündliche Anhörung in der Sitzung vom 20. Juni 2007 verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg. Im Übrigen hat die Berufung keinen Erfolg.
1)
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 847 BGB auf Zahlung von 1.000 € Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. Januar 2003. Die Beeinträchtigungen und Beschwerden der Klägerin aufgrund der fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung des Beklagten rechtfertigen einen weitergehenden Schmerzensgeldanspruch jedoch nicht.
a) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Beklagten eine fehlerhafte prothetische Versorgung mittels Materialien, die unter anderem Palladium enthielten vorzuwerfen ist, obwohl ihn die Klägerin vor der Behandlung durch Übergabe des Allergiepasses über eine entsprechende Allergie informiert hat. Insofern kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden. Das Landgericht durfte allerdings die geltend gemachten Ansprüche nicht deshalb verneinen, weil die Klägerin einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den von ihr geklagten Beschwerden und der Verwendung der PalladiumLegierung nicht bewiesen habe, ohne der Frage einer möglichen Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers nachzugehen.
b) Ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, führt grundsätzlich zu einer Umkehr der Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden (BGH GesR 2004, 291, 292; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 10. Aufl. Rz. 515; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Aufl. Kap. B Rz. 258 jeweils m.w.N.). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch den Senat ist vom Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers auszugehen. Der Sachverständige Prof. Dr. J… hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 6. Januar 2006 zwar in der bloßen Verwendung von Heraloy U angesichts widersprüchlicher Literaturmeinungen noch keinen groben Behandlungsfehler gesehen. Aus objektiver Sicht sei es allerdings nicht mehr verständlich, bei einem Patienten eine palladiumhaltige Legierung zu verwenden, der von einer diesbezüglichen Allergie berichtet habe. Dennoch führt diese Feststellung nicht ohne weiteres zu einer Haftung des Beklagten.
c) Die Verlagerung des Beweislast auf die Behandlungsseite ist ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn jeglicher haftungsbegründende Ursachenzusammenhang zwischen dem groben Behandlungsfehler und dem Schaden äußerst unwahrscheinlich ist (BGH GesR 2004, 291, 292; Geiß/Greiner a.a.O. Rz. 259) beziehungsweise ein allenfalls theoretisch denkbarer Zusammenhang besteht (Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl. Rz. 116). Das Vorliegen einer solchen Ausnahmekonstellation hat der Beklagte zur Überzeugung des Senats für nahezu alle von der Klägerin behaupteten Beeinträchtigungen bewiesen. Der Sachverständige Prof. Dr. K… hat bei seiner ergänzenden Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2007 hinsichtlich der aus den Aufzeichnungen des damaligen Hausarztes der Klägerin H… folgenden Symptome, vermuteten und nachgewiesenen Erkrankungen einen Ursachenzusammenhang (sogar) ausgeschlossen hinsichtlich der Refluxoesophagitis, des lagerungsabhängigen Schwindels, der bakteriellen Urocystitis mit Nephropathie, des viralen grippalen Infekts, des Karpatunnelsyndroms, der bakteriellen Konjunktivitis sowie der Bandscheibenprotrusion L5/S1. Gleiches gilt nach den Ausführungen des Sachverständigen hinsichtlich der in der Klageschrift weiter angeführten Gürtelrose am Kopf. Einen Ursachenzusammenhang mit der streitgegenständlichen Behandlung hat der Sachverständige weiter für äußerst unwahrscheinlich gehalten hinsichtlich des essentiellen Hypertonus, der Gallenblasensteine, der nicht bakteriellen Urocystitis, der Migräneanfälle, der Angina pectorisSymptomatik, des FibromyalgieSyndroms, des unklaren Abdomens, des Sodbrennens, der Schmerzen im ganzen Körper, der Ohrenschmerzen, der inneren Unruhe, des Tinnitus/Ohrensausen, des Herzklopfens, des Brennens in den Waden und (aus der Klageschrift) des Juckreizes, der Ödeme im Bereich der Augen, der Schlaflosigkeit, der (Konzentrations)Schwäche, der Sehstörungen sowie der mit Schriftsatz vom 26. April 2007 erstmals vorgetragenen erheblichen Hautreaktionen auf dem Rücken, hinter den Ohren und in der Nase.
Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K… an. Er hat sich in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2007 detailliert mit dem Vorbringen der Klägerin und in genauer Kenntnis ihrer Krankengeschichte auseinandergesetzt. Seine Beurteilung deckt sich im Übrigen mit den Feststellungen des Vorgutachters Prof. Dr. R…, der in seinem schriftlichen Gutachten vom 26. Juli 2004 die in der Klageschrift aufgezählten Symptome (mit Ausnahme des nicht erwähnten Juckreizes) ebenfalls nicht in einen kausalen Zusammenhang mit dem vom Beklagten eingebrachten Zahnersatz gebracht hat. Etwas anderes folgt auch nicht aus der ärztlichen Bescheinigung des Facharztes für innere Medizin Dr. D… vom 14. April 1994, wonach die Klägerin zu diesem Zeitpunkt gesund und frei von ansteckenden Erkrankungen und körperlichen Gebrechen war. Wenn die Klägerin später an erheblichen Beeinträchtigungen leidet, so kann dies – wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich zahlreicher Beschwerden ausgeführt hat – auf vielfältige Ursachen zurückzuführen sein. Die Sachverständigen Prof. Dr. R… und Prof. Dr. K… haben auch überzeugend darauf hingewiesen, dass gegen einen kausalen Zusammenhang nicht zuletzt die Persistenz der Beschwerden trotz Entfernung des palladiumhaltigen Zahnmaterials spricht. Die Klägerin hat erstinstanzlich wiederholt vorgetragen, dass sich ihr gesundheitlicher Zustand nicht geändert habe und eine Besserung nicht in Sicht sei, obwohl sie das vom Beklagten eingebrachte Material im Jahre 2003 habe entfernen lassen. Diesen Vortrag hat sie noch in der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2004 vor dem Landgericht bestätigt. Daran ändert auch der neue Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 16. Februar 2005 und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht nichts, wonach (erst) bei einer neuerlichen Überprüfung im Jahre 2004 festgestellt worden sei, dass zwei überkronte Zähne im Oberkiefer einen Stiftaufbau aus Metall aufwiesen und deren Entfernung am 9. Dezember 2004 (neben sechs weiteren Zähnen) ihre Beschwerden habe erheblich reduzieren können, wodurch (nunmehr) ein Ursachenzusammenhang belegt sei. Diesen neuen Sachverhalt hätte die Klägerin ohne weiteres bei der Anhörung des Sachverständigen vor dem Landgericht am 4. Februar 2005, bei der sie selbst anwesend war, vortragen können und im Hinblick auf die von ihr geltend gemachte Rente auch vortragen müssen. Sie hat damit eine wesentliche Besserung ihres Gesundheitszustandes verschwiegen. Soweit sie dieses neue Vorbringen nunmehr auch in der Berufungsinstanz modifiziert wiederholt, ist sie damit gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.
Der Senat hat auch keinen Zweifel an der Kompetenz des Sachverständigen. Der Sachverständige ist Facharzt für internistische Erkrankungen, worunter auch immunologische Erkrankungen fallen. Außerdem hat er die Zusatzfortbildung Allergologie erworben und damit eine Weiterbildung auf dem Gebiet der allergischen und immunologischen Erkrankungen. Der von der Klägerin wiederholt beantragten Einholung eines „klassischen“ immunologischen Gutachtens bedufte es nicht. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass es nach den medizinischen Berufsordnungen keine reine Zusatzbezeichnung „Immunologie“ gebe, die Immunologie vielmehr immer im Kontext mit Weiterbildungen auf anderen Spezialgebieten zu betrachten sei. Die Voraussetzungen der Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 412 ZPO lagen nicht vor (Steffen/Pauge a.a.O. Rz. 593 a; Thomas/PutzoReichold, ZPO, 28. Aufl. § 412 Rz. 1; ZöllerGreger, ZPO, 25. Aufl. § 412 Rz 1).
d) Zurechnen lassen muss sich der Beklagte hingegen die untypische kontaktallergische Erkrankung von Haut und Schleimhaut (Bläschen an den Lippen, Stippen auf der Schleimhaut, Zahnfleischentzündung, Hautausschläge im Gesicht), die die Klägerin zwei Tage nach der streitgegenständlichen Behandlung bekam und deren Folgen ca. zwei Wochen anhielten. Insoweit hat der Sachverständige Prof. Dr. K… zwar in Übereinstimmung mit dem behandelnden Hausarzt Dr. D… und dem Vorgutachter Prof. Dr. R… eine eher infektbedingte Begleitsymptomatik angenommen und die angegebenen Lokalreaktionen nur unwahrscheinlich auf eine Kontaktallergie mit Palladium zurückgeführt. Da aber die grob fehlerhafte Verwendung der PaladiumLegierung grundsätzlich auch geeignet war, den insoweit eingetretenen Schaden zu verursachen, ist der Beklagte hinsichtlich der Lokalreaktionen für das Vorliegen der Ausnahmekonstellation beweisfällig geblieben.
e) Nach alledem steht der Klägerin ein Anspruch auf Schmerzensgeld zu für die ca. 2 Wochen andauernden Beeinträchtigungen infolge der genannten Lokalreaktionen. Außerdem waren zu berücksichtigen die Schmerzen, welche die Klägerin bei der Entfernung der Brücken und Kronen des Beklagten durch den Zahnarzt Dr. G… im Jahre 2003 erleiden musste (s.u.). Ein Mitverschulden, da sie sich nach dem Auftreten von kontaktallergischen Reaktionen im Mundbereich nicht wieder bei dem Beklagten vorgestellt hat, muss sich die Klägerin nicht anrechnen lassen. Sie durfte darauf vertrauen, dass der eingebrachte Zahnersatz kein Palladium enthielt, nachdem sie den Beklagten ausdrücklich auf eine entsprechende Allergie hingewiesen hatte. Nach alledem erscheint dem Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 € angemessen, aber auch ausreichend.
2)
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 1.388,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. Januar 2003.
a) Infolge der fehlerhaften Behandlung des Beklagten steht der Klägerin ein Anspruch auf Rückzahlung nicht erstatteter Behandlungskosten, der Selbstbeteiligungen und der Fahrtkosten zum Zahnarzt Dr. G… zu, der ausweislich der vorliegenden Behandlungsunterlagen die erforderlich gewordene Entfernung von Brücken und Kronen im Zeitraum vom 17. März bis zum 19. September 2003 vorgenommen hat. Die Klägerin hat die insoweit entstandenen Kosten mit insgesamt 1.388,48 € beziffert und belegt. Die geltend gemachten Fahrtkosten sind angemessen (§ 287 ZPO).
b) Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB.
3)
Der Klägerin steht weder der geltend gemachte Verdienstausfall in Höhe von 21.464,94 € noch ein Haushaltsschaden in Höhe von 11.297,06 € sowie ein monatlicher Haushaltsschaden in Höhe von 211,16 € zu. Der Beklagte hat bewiesen, dass – von den insoweit unerheblichen, geringfügigen Lokalreaktionen unmittelbar nach der Einbringung des Zahnersatzes abgesehen – ein haftungsbegründender Ursachenzusammenhang zwischen seiner fehlerhaften Behandlung und den von der Klägerin geklagten Beeinträchtigungen und Beschwerden äußerst unwahrscheinlich ist. Damit bleibt die Klägerin beweisfällig dafür, dass die fehlerhafte Behandlung des Beklagten die insoweit geltend gemachten Schäden verursacht hat.
4)
Der Klägerin steht schließlich auch nicht der erst mit Schriftsatz vom 15. Juni 2005 vorgetragene und mit Schriftsatz vom 29. Juni 2005 klageerweiternd geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 2.128,65 € nebst Zinsen zu. Der neue Tatsachenstoff, der der Begründung der Klageerweiterung zugrunde gelegt wird, kann nicht nach §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO in den Prozess eingeführt werden (Zöller/Gummer/Heßler a.a.O. § 531 Rz. 24).
5) Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Feststellung hinsichtlich des materiellen und immateriellen Schadens, der mit der noch ausstehenden Neuversorgung der durch den Zahnarzt Dr. G… im Jahre 2003 entfernten Brücken und Kronen verbunden ist. Einen weitergehenden Feststellungsanspruch hat die Klägerin nicht.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs.2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.