ArbG Berlin
Az.: 28 Ca 16143/12
Urteil vom 14.12.2012
I. Der Beklagte wird verurteilt, das Zeugnis vom 31. Mai 2011 dahingehend zu ergänzen, dass die Formulierung im 5. Absatz, letzter Satz, lautet: Herr W. war ein fleißiger, ehrlicher, gewissenhafter und zuverlässiger Mitarbeiter, der über umfassende Fachkenntnisse verfügt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 965,– Euro festgesetzt.
Tatbestand
Es geht um Ergänzung eines Arbeitszeugnisses (§ 109 GewO1). – Vorgefallen ist dies:
I. Der (heute2) 40-jährige Kläger trat im April 2010 zunächst gegen eine Monatsvergütung von 400,– Euro3 als „Aushilfe“4 in die Dienste des Beklagten, der mit einer nicht näher festgestellten Zahl von Mitarbeitern einen Betrieb des Lebensmittel-Einzelhandels unterhält. Per Juni 2010 avancierte er per Zeitvertrag zum 31. Mai 2011 zur „Abteilungsaufsicht“, wofür er bei 45 Wochenarbeitsstunden 1.930,– Euro (brutto) pro Monat empfangen sollte5. In der nach Erscheinungsbild und Diktion vom Beklagten gestellten Vertragsurkunde war eine Probezeit von sechs Monaten bestimmt.
II. Wie es den Parteien in der Folge miteinander erging, ist nicht im Einzelnen festgestellt, hier aber auch einerlei. Festzuhalten ist jedoch dies:
1. Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 8. November 20106 unter Berufung auf die vorerwähnte Probezeit zum Ablauf des 22. November 2010 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt hatte, kam es zum Rechtsstreit über deren Wirksamkeit. Am 26. April 2011 entschied die Kammer 34 des Arbeitsgerichts Berlin, die Kündigung habe das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet; dieses ende vielmehr kraft Fristablaufs erst mit dem 31. Mai 20117. Im Urteil heißt es unter anderem:
„Im Sommer 2010 kam es während einer Urlaubsabwesenheit des Beklagten zu mehreren außergewöhnlich großen und kostspieligen Bestellungen von Zigaretten für den E. Markt des Beklagten, über dessen Höhe die Parteien nicht einig sind. Diese Zigaretten wurden in den E. Markt des Beklagten geliefert und verschwanden alsdann, der Beklagte gibt den entstandenen Schaden mit knapp 60.000,00 EUR an. Der Beklagte bemühte sich im Nachgang herauszufinden, welcher seiner 5 stellvertretenden Marktleiter (darunter der Kläger) die außergewöhnlich großen Bestellungen initiiert hatte und verdächtig sei, für diesen Vorfall verantwortlich zu sein. Nach Durchsicht der Dienstpläne kam er zu dem Schluss, dass der Kläger bei jeder der 4 Anlieferungen der Zigaretten zugegen gewesen sei und auch jeweils am Tage der jeweiligen Bestellung im Betrieb gewesen sei, woraus der Beklagte schloss, dass der Kläger der Hauptverdächtige sei. Der Beklagte zeigte den Vorfall bei der Staatsanwaltschaft an, woraufhin die Polizei die Wohnung des Klägers am 10.02.2011 durchsuchte, jedoch nichts Verdächtiges fand. …
Vorliegend wäre zwar ein erheblicher Verdacht, der Kläger könnte seine Stellung als stellvertretender Marktleiter dazu missbraucht haben, unmäßig viele Zigaretten zu bestellen und diese alsdann mithilfe seines Marktschlüssels zu entwenden, grundsätzlich geeignet, eine Verdachtskündigung zu begründen. Indes konnte die Kammer keinen erheblichen Tatverdacht gegen den Kläger feststellen: Die wenigen Tatsachen, die dem Beklagten zur Verfügung stehen, reichen nicht aus, um die Kammer davon zu überzeugen, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit der Kläger gewesen ist, der die Zigaretten gestohlen hat. Selbst wenn die vom Beklagten vorgetragenen Tatsachen unstreitig geblieben wären, begründeten sie keinen starken Tatverdacht. Zwar mag der Kläger bei allen übermäßig hohen Bestellungen zugegen gewesen sein, als die Ware angeliefert wurde und hätte mit Hilfe seines Schlüssels womöglich Gelegenheit gehabt, die Zigaretten mitzunehmen. Doch treffen diese Verdachtsmomente nicht nur auf den Kläger, sondern mindestens auch auf die weiteren stellvertretenden Markleiter zu“.
2. Das wollte der Beklagten nicht gelten lassen: Er legte Berufung beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ein, dessen Kammer 17 sein Rechtsmittel im Urteil vom 28. September 20118 allerdings zurückwies. In deren Urteil heißt es unter anderem:
„Das Arbeitsgericht hat im vorliegenden Fall zu Recht angenommen, dass ein gegen den Kläger gerichteter dringender Verdacht nicht berechtigt ist. Es ist zwar ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Beklagte den Kläger verdächtigte, für den entdeckten Inventarverlust verantwortlich zu sein. Der Kläger war – nach der Behauptung des Beklagten allein – für den Bereich Tabakwaren zuständig. Auch war der Kläger an den Tagen der ungewöhnlich umfangreichen Bestellungen und der vermerkten Anlieferung der Ware im Betrieb nach den betrieblichen Unterlagen anwesend. Die Annahme des Beklagten, der Kläger hätte – so er die Bestellungen nicht selbst ausgelöst hatte – angesichts des Umfangs der Lieferung bemerken müssen, dass ohne eigentlichen Bedarf große Mengen von Tabakwaren bestellt worden waren, lag zunächst ebenfalls nahe. Gleichwohl deuten die Umstände nicht in der erforderlichen Weise auf eine Täterschaft des Klägers hin; es besteht mit anderen Worten kein dringender Verdacht gegen den Kläger, sich unrechtmäßig in den Besitz von an den Betrieb des Beklagten gelieferten Tabakwaren gebracht zu haben. So deutet zunächst nichts darauf hin, dass nur der Kläger die Tabakwaren bestellt haben kann. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer vielmehr einräumen müssen, dass das elektronische Bestellgerät benutzt werden konnte, ohne ein Passwort oder eine sonstige Zugangsberechtigung eingeben zu müssen. Der Kläger ist auch nicht bei den hier maßgeblichen Bestellungen von Tabakwaren beobachtet worden; sie konnten daher von jedem Mitarbeiter ausgeführt worden sein. Ferner ist auch nicht dokumentiert, wer die bestellten Waren entgegen genommen hat; folglich fehlt auch jeder Nachweis dafür, dass der Kläger Kenntnis von der Lieferung der Waren hatte. Dass nur der Kläger Zugang zu den angelieferten Waren haben konnte, ist ebenfalls nicht erkennbar. Die Annahme des Beklagten, der Kläger müsse für den Verlust der Tabakwaren verantwortlich sein, weil er für den Bereich Tabak zuständig und an den fraglichen Tagen im Betrieb anwesend war, berücksichtigt nicht ausreichend, dass Dritte die betrieblichen Gegebenheiten ausgenutzt und sich ohne Kenntnis und Beteiligung des Klägers in krimineller Weise in den Besitz der Tabakwaren gebracht haben können. Schließlich haben auch weder die Durchsuchung der Wohnung des Klägers noch die erteilten Auskünfte über seine Bankkonten Hinweise darauf erbracht, dass der gegen den Kläger gerichtete Verdacht berechtigt ist“.
3. Die hiergegen vom Beklagten eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wie der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Beschluss vom 19. April 20129 gleichfalls zurück.
III. In einem weiteren Vorprozess gleichen Rubrums (Arbeitsgericht Berlin – 1 Ca 18189/1110) hatte der Kläger unterdessen Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses erhoben, dem das Gericht durch Urteil vom 30. August 201211 entsprach. Die ihm daraufhin erteilte Beurteilung12 (Kopie: Urteilsanlage I.) war jedoch nicht vom Beklagten persönlich, sondern „i.A.“ einen Herrn K.-P. K. als „Abteilungsleiter Personalwesen“ unterzeichnet. Nachdem der Kläger dies beanstandet hatte, erteilte der Beklagte ein nunmehr von ihm selber unterschriebenes Zeugnis13 (Kopie: Urteilsanlage II.). Beide Texte enthalten die Wendung:
„Herr W. [Nachname des Klägers im Original ausgeschrieben; d.U.] war ein fleißiger, gewissenhafter und zuverlässiger Mitarbeiter, der über umfassende Fachkenntnisse verfügt“.
Dass der Kläger bei seiner Arbeit (auch) „ehrlich“ gewesen sei, bescheinigen die Texte hingegen nicht14.
IV. Damit will nun dieser es nicht bewenden lassen: Er nimmt den Beklagten mit seiner am 30. Oktober 2012 zugestellten Klage auf Ergänzung des Zeugnisses dahin in Anspruch, dass in die vorerwähnte Aussage das Wörtchen „ehrlicher“ eingefügt werde. Im Einzelhandel sei, so meint er, insbesondere für Mitarbeiter mit Kassentätigkeit die Ehrlichkeit im Zeugnis besonders zu bescheinigen15. Der Ehrlichkeitsvermerk sei nicht nur branchenüblich, sondern von besonderer Bedeutung16: Treffe ein Zeugnis hierzu keine Aussage, so sei davon auszugehen, „dass der Mitarbeiter nicht ehrlich gewesen“ sei17.
V. Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, das Zeugnis vom 31. Mai 2011 dahingehend zu ergänzen, dass die Formulierung im 5. Absatz, letzter Satz lautet: Herr W. war ein fleißiger, ehrlicher, gewissenhafter und zuverlässiger Mitarbeiter, der über umfassende Fachkenntnisse verfügt.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
VI. Er hält sich nicht für verpflichtet, ins Zeugnis des Klägers den Ausdruck „ehrlicher“ einzufügen. Zum einen enthalte die Beurteilung die gewünschte Wertung bereits18. Zum anderen sei seine Unehrlichkeit nachweisbar19. Und schließlich sei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses „eine (fehlgeschlagene) Verdachtskündigung“ vorausgegangen20:
1. So schließe es, wie der Beklagte meint, spätestens die Kombination der Worte „gewissenhaft“ und „zuverlässig“ aus, dass ein Leser des Zeugnisses den Kläger für unehrlich halten werde21. Insbesondere könne jemand, auf den sich ein Arbeitgeber verlassen könne, wie der Beklagte weiter meint, „nicht unehrlich sein“22. Dasselbe ergebe die Textexegese für das Wort „gewissenhaft“23. Allein die Möglichkeit, dass potentielle künftige Arbeitgeber darüber anders denken könnten, begründe seinen Anspruch auf entsprechende Formulierung hingegen nicht24.
2. Erwiesenermaßen unehrlich sei der Kläger zudem, weil dieser im Rahmen der von ihm schon angesprochenen Prozesse nicht bei der Wahrheit geblieben sei25: So habe er in jenem Rechtsstreit, in dem es auch um die Zeugniserteilung gegangen sei (s. oben, S. 4 [III.]), insbesondere im Termin am 30. August 2012 geltend gemacht, sein Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr 2010 sei lediglich wegen eines einzigen Tages in Natur erfüllt worden26. Das aber sei nachweislich falsch27. So sei aus der damaligen Urlaubsplanung für die Monate September und Oktober 2010 ersichtlich, dass Urlaub „zunächst für den Zeitraum 27. September 2010 bis einschließlich 16. Oktober 2010 eingetragen“ gewesen sei28. Später sei dieser Zeitraum auf den 9. Oktober 2010 korrigiert worden29. Dies entspreche, wie der Beklagte abermals meint, „einer Gewährung“ von 12 Urlaubstagen30. Weiter heißt es hierzu beim Beklagten:
„Auch nachdem der Kläger mit diesem Sachverhalt konfrontiert wurde, blieb er jedoch bei seiner Aussage und behauptete weiterhin, lediglich einen einzigen Urlaubstag genommen zu haben.
Ergänzend überreichen wir in Kopie als Anlage B 231 (Kopie: Urteilsanlage III.) die schriftliche Aussage von Herrn Ch. Wi. sowie in Kopie als Anlage B 332 (Kopie: Urteilsanlage IV.) die schriftliche Aussage von Herrn M. Kö.. Die beiden Herren sind jeweils Mitarbeiter bei dem Beklagten. Beide Mitarbeiter können sich zwar nicht mehr exakt daran erinnern, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang der Kläger im Kalenderjahr 2010 Urlaub genommen hat. Wie den als Anlagen B 2 und B 3 überreichten schriftlichen Aussagen dieser Mitarbeiter jedoch entnommen werden kann, können sich diese noch daran erinnern, dass der Kläger nach der Geburt seiner Tochter im Jahre 2010 mindestens eine Woche Urlaub genommen und gewährt bekommen hat. [Beweis: Zeugnis der Herren Wi. und Kö.].
In jedem Fall ist die Aussage des Klägers, er habe lediglich einen Urlaubstag im Kalenderjahr 2010 genommen, unzutreffend. Bereits hieraus ergibt sich, dass dem Kläger keine Ehrlichkeit zu bescheinigen ist, da er eben nicht ehrlich ist“.
3. Im Übrigen sei die bekannte Rechtsprechung im Bezug auf die Attestierung von Ehrlichkeit eines Mitarbeiters mit Kassentätigkeit, wie der Beklagte endlich meint, auf den Streitfall nicht anwendbar33: Hier habe nämlich, wie auch die zitierten Urteile der vorbefassten Spruchkörper (s. oben, S. 2-3 [II.1.]; S. 3-4 [2.]) belegten, zumindest der Verdacht gegen den Kläger bestanden, dass dieser an Bestellung und Verschwinden der betreffenden Zigaretten beteiligt gewesen sei34. Auf diesem Hintergrund sei es unzumutbar, ihn (Beklagten) zu verurteilen, dem Kläger trotz erheblicher Verdachtsmomente im Zeugnis gleichwohl „Ehrlichkeit“ zu bescheinigen35.
VII. Hierzu erwidert der Kläger unter anderem, die Behauptung, ihm könne keine Ehrlichkeit attestiert werden, weil er aus Sicht des Beklagten eben kein ehrlicher Mitarbeiter gewesen sei, könne nur noch als böswillig bezeichnet werden36: Er habe seinerzeit nur einen Urlaubstag genommen und dies im Vorprozess auch so eingeräumt37. Dem (schon) damaligen Vortrag des Beklagten, er habe im September und Oktober 2010 weitere Urlaubstage genommen, habe die dort befasste Kammer im Urteil entgegen gehalten, dass die vom Beklagten hierzu vorgelegte Urlaubsplanung den nötigen Beweis nicht erbringe38. Aus bloßen Eintragungen in einen Urlaubsplan ergäbe sich nämlich kein Rückschluss darauf, dass entsprechend der Planung auch verfahren worden sei39. Dem habe er auch heute nichts hinzuzufügen40. – Dass der Beklagte ihm schließlich wegen „fehlgeschlagener Verdachtskündigung“ keine Ehrlichkeit zu bescheinigen brauche, sei aus seiner Sicht „abwegig“41: Die damalige Kündigung sei von Anfang an aufgrund eines völlig unbegründeten „Verdachts“ ausgesprochen worden42. Dazu habe die 34. Kammer des Gerichts zu Recht festgestellt, dass „die Kündigung lediglich ‚ein Schuss ins Blaue‘ gewesen sei“43. Es wäre, wie der Kläger meint, absurd anzunehmen, dass der Arbeitgeber verhaltensbedingte Kündigungen als „Schuss ins Blaue“ aussprechen könne, um sich später dann darauf zu berufen, er brauche dem Mitarbeiter dann keine Ehrlichkeit mehr zu bescheinigen44.
VIII. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf deren Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen. Hiervon nicht inbegriffen sind die Ausführungen des Klägers im vorerwähnten Schriftsatz vom 11. Dezember 2012, weil der Beklagte dazu kein ausreichendes rechtliches Gehör mehr erhalten hat. Soweit hier aus diesem Schriftsatz zitiert oder berichtet wird, geschieht dies daher allein zur Illustration.
Entscheidungsgründe
Der Klage kann ihr Erfolg nicht versagt bleiben.
Der Beklagte wird das Zeugnis (Urteilsanlage II.) wie beantragt zu ergänzen haben. Seine Einwände können daran nichts ändern. – Im Einzelnen:
I. Was zunächst den normativen Rahmen anbelangt, so ist mit der Zitierung des § 109 GewO im Vorspann (s. oben, S. 2 [vor I.] mit Fn. 1) bereits umrissen, dass der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis hat, das zumindest Angaben über Art und Dauer der Tätigkeit enthält. Wünscht er – wie der hiesige Kläger – dessen Erstreckung auf Leistung und Verhalten, so hat die Beurteilung sich auch über diese Themen aus dem Erlebnisbereich des Arbeitgebers auszusprechen.
1. In welcher Weise das alles zu geschehen hat, ergibt sich nach langjährig eingespielter Judikatur der Gerichte für Zivil- und Arbeitssachen aus den Zwecken einer solchen Urkunde: Diese solle „einerseits dem Arbeitnehmer als Unterlage für eine neue Bewerbung dienen, andererseits einen Dritten, der die Einstellung des Zeugnisinhabers erwägt, unterrichten“45. Da im Auge zu behalten ist, dass ein solches Zeugnis „für den Dienstleistenden vielfach zu seinem Fortkommen von der größten Wichtigkeit“46 ist, besteht auch Einigkeit, dass seine Abfassung „von verständigem Wohlwollen“ für den Arbeitnehmer getragen sein soll, um ihm „sein weiteres Fortkommen nicht unnötig zu erschweren“47.
2. Festzuhalten ist des Weiteren, dass die textliche Ausgestaltung des Zeugnisses an sich Sache des Arbeitgebers ist48. Deshalb kann der Arbeitnehmer regelmäßig nicht die Verwendung bestimmter von ihm bevorzugter Passagen und schon gar nicht Erteilung eines von ihm selber abgefassten Arbeitszeugnisses fordern. Allerdings hat solcher Respekt vor fremden Kompetenzen auch seine Grenzen: Hat sich der Arbeitgeber beispielsweise als anhaltend unfähig oder unwillig erwiesen, dem Gebot zur Erteilung eines den gesetzlichen Vorgaben genügenden Zeugnisses Rechnung zu tragen, so kann die an sich ihm zufallende Formulierungsverantwortung auch auf das befasste Gericht übergehen49: Das ist dann zwar misslich und unerwünscht, aber im Interesse der Autorität der objektiven Rechtsordnung nicht zu ändern50. – Erst recht kann der Arbeitnehmer in Fällen, in denen ein Zeugnis – gemessen an den normativen Vorgaben – äußerlich oder inhaltlich nur teilweise missglückt erscheint, zur Abhilfe dessen Berichtigung bzw. Ergänzung fordern und durchsetzen51.
3. Auf diesem Hintergrund gebührt nicht zuletzt jenem Gebot besondere Aufmerksamkeit, das nach gleichfalls eingespielter zeugnisrechtlicher Judikatur inzwischen auch seine Spuren im kodifizierten Gesetzesrecht hinterlassen hat (s. oben § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO52):
a. Gemeint ist der Umstand, dass ein Zeugnis auch keine Auslassungen enthalten darf, die den Leser zum Nachteil des Arbeitnehmers unnötig stutzig machen oder gar Spekulationen über die Gültigkeit vordergründig positiv bescheinigter Eigenschaften des Betroffenen provozieren könnten53. Dazu ist weiterhin aus guten Gründen anerkannt, dass für die Handhabung solcher textlichen Gefährdungslagen nicht maßgeblich ist, was sich der Aussteller subjektiv dabei gedacht oder welches Verständnis des Leserkreises er (vielleicht) unterstellt hat54. Insofern kann der Ansicht des hiesigen Beklagten somit keineswegs beigetreten werden (s. oben, S. 5 [VI.1.]), allein die Möglichkeit etwaiger Missverständnisse der Leser seines Zeugnistexts erzeugten noch keinen Korrekturbedarf. – Nach besagter Judikatur ist das Gegenteil der Fall.
b. Paradebeispiel einschlägiger Gefährdungslagen ist nach abermals langjähriger Rechtsprechung der Gerichte für Arbeitssachen die auch im Zentrum des hiesigen Rechtsstreits stehende Problematik des sogenannten „Ehrlichkeitsvermerks“. Gerade mit Blick auf gefährdende Auslassungen in Arbeitszeugnissen hebt das Bundesarbeitsgericht (BAG) seit mittlerweile mehr als 40 Jahren55 in Übereinstimmung mit Instanzgerichten56 und Fachschrifttum57 hervor, dass bei einem ehrlichen Kassierer der Hinweis auf seine Ehrlichkeit nicht fehlen dürfe58.
II. Nach diesen Grundsätzen kann der Beklagte dem hiesigen Kläger den geforderten Ehrlichkeitsvermerk nicht vorenthalten. Er kann diesen insofern weder der Sache nach auf Erfüllung (s. § 362 Abs. 1 BGB59) noch – im nicht zu übersehenden Kontrast zur vermeintlichen Erfüllung – darauf verweisen, die Zertifizierung von Ehrlichkeit sei ihm angesichts der Vorgeschichte mit „fehlgeschlagener Verdachtskündigung“ (s. oben, S. 2-4 [II.]) unzumutbar (§ 242 BGB60); nichts anderes folgt schließlich aus der übrigen Vorgeschichte (s. oben, S. 5-6 [VI.2.]) in Sachen Urlaubsabgeltung. – Der Reihe nach:
1. Soweit der Beklagte zunächst also meint (s. oben, S. 5 [VI.1.]), er hätte dem Kläger der Sache nach bereits Ehrlichkeit zugebilligt, entspricht das nicht den gerade referierten Grundsätzen der einschlägigen Judikatur. Diese legt im hiesigen Kontext nicht zufällig Wert auf Genauigkeit im Ausdruck61, die durch andere positiv besetzte Attribute weder erreicht noch ersetzt werden kann. Das gilt nicht nur deshalb, weil nicht die Spur einer Gewähr dafür besteht, dass etwaige Leser des Zeugnisses mit den dem Kläger stattdessen angebotenen Begriffen dasselbe Verständnis verbinden, das der Beklagte hier unter Verwendung aufwendiger begrifflicher Schlaglichterketten (s. oben, S. 5 Fn. 22 u. 23) als vermeintlich unmissverständlichen Bedeutungsgehalt zu vermitteln sucht. Sondern es gilt auch, weil spätestens dem geübten Leser gerade im Umfeld der übrigen gemeinhin als positiv gedeuteten Eigenschaften auffallen muss, wie schwer der Beklagte sich erkennbar damit tut, den nach den Gepflogenheiten der beteiligten Verkehrskreise allzu gewohnten Schritt zu tun, in diesem Kontext nun eben auch „Ehrlichkeit“ zu vermelden. Wie bereits erwähnt (s. oben, S. 10 [3 a.]), erwächst der zeugnisrechtliche Pflichtenkreis des Arbeitgebers zuförderst aus dem Bemühen, den betroffenen Arbeitnehmer unüberschaubaren Risiken für die Missdeutung seiner Person und Befähigung gar nicht erst auszusetzen. Trifft hiernach zu, dass das Fehlen des erwarteten „Ehrlichkeitsvermerks“ das Schicksal etwaiger Bewerbungsbemühungen der Zielperson nach aller empirischen Erfahrung typischerweise besiegelt62, führt für den Beklagten hier somit kein Weg daran vorbei, die dem Kläger vermeintlich schon mitbescheinigte Ehrlichkeit auch klipp und klar auf den Begriff zu bringen63.
2. Wenn der Beklagte alsdann statt des sprachlich vermeintlich längst bekundeten Wohlwollens für den Kläger im Hinweis auf „Unzumutbarkeit“ den wahren Beweggrund seines anhaltenden Widerstandes aufdeckt, so hilft auch das nicht weiter:
a. Es ist allerdings mühelos nachvollziehbar, dass es Geschehnisse wie diejenigen, die Gegenstand und Kern des hier über drei Instanzen geführten ersten Vorprozesses waren (s. oben, S. 2-4 [II.]), einem Arbeitgeber psychologisch oft64 nicht leicht fallen lassen, dem in Betracht kommenden Teil seines Personals nach Maßgabe der zeugnisrechtlichen Verpflichtungen im Zweifel gleichwohl unbeirrt „Ehrlichkeit“ zu bescheinigen, solange die wirklichen Tatumstände nicht hinreichend geklärt sind:
aa. Andererseits gilt nach dem schon zitierten Erfahrungssatz65, dass das Fehlen des Ehrlichkeitsvermerks dem betreffenden Mitarbeiter den Weg in eine alsbaldig einschlägige berufliche Zukunft und damit seinem „beruflichen Fortkommen“ als traditionell wichtigstem Schutzgut aller normativen Reglementierung von Zeugnisinhalten66 zu verbauen pflegt. Das aber erscheint namentlich für Arbeitspersonen, die nicht einmal mit persönlich fragwürdigen Verhaltensweisen dazu beigetragen haben, in die betreffende Verdachtslage zu geraten, als seinerseits untragbares Ergebnis.
ab. In diesem Spannungsfeld sollte Plausibilität für folgenden Rechtssatz erzielbar sein: Solange die Geschehensumstände nach Art und Gewicht nicht wenigstens jenen Schwellenwert objektivierbaren Argwohns in die Loyalität der betreffenden Arbeitsperson erreichen, der eine „Verdachtskündigung“ legitimieren könnte67, darf sich die Ungewissheit über das wahre Geschehen auch im Kontext der Zeugniserteilung nicht zulasten der verdächtigten Person auswirken68. Da bekanntlich schon die Verdachtskündigung auch einen in Wirklichkeit unschuldigen Adressaten treffen kann69, ist dessen Schutz vor ihm nachteiligen beruflichen Konsequenzen erst recht geboten, wenn die Voraussetzungen solcher Verdachtskündigung nicht erfüllt sind.
b. Geht man hiervon aus, so führt für den hiesigen Beklagten kein Weg daran vorbei, dem Kläger neben den ohnehin schon attestierten Eigenschaften (s. oben, S. 4 [III.]; Urteilsanlagen I. u. II.) wie gewünscht auch Ehrlichkeit zu bescheinigen. Wie die Vorgeschichte (s. oben, S. 2-4 [II.]) gezeigt hat, vermochte ihm keines der mit dem Kündigungsstreit befassten Gerichte zu bestätigen, dass gegen die Ehrlichkeit des Klägers ausreichend tragfähige Gesichtspunkte vorlägen.
3. Das Blatt ist auch nicht damit zu wenden, dass der Beklagte aus Eindrücken im zweiten Vorprozess (u.a. über die Urlaubsabgeltung; s. oben, S. 4 [III.]; S. 5-6 [VI.2.]) abgeleitet wissen will, der Kläger sei objektiv nicht ehrlich:
a. Für diesen Befund ist das Gericht glücklicherweise der Last enthoben, die ihm zur Vergewisserung vom Beklagten hierfür angebotenen Auskunftspersonen (die Herren Wi. und Kö.) zu befragen. Dabei ist mit „glücklicherweise“ nicht etwa gemeint, dass die Kammer Vorbehalte gegen die persönliche Integrität seiner beiden Mitarbeiter (oder auch den Kläger, der dann im Zweifel gleichfalls zu befragen wäre) hegte: Gemeint sind vielmehr ebenso legendäre70 wie strukturelle71 Probleme, die mit Erinnerungsbildern von Menschen anthropologisch verbunden sind, deren Authentizität dabei machtvoll untergraben und daher das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit vollem Recht von der Unzuverlässigkeit des Zeugenbeweises „generell“ sprechen lassen72.
b. All dessen enthoben ist die Kammer vielmehr deshalb, weil Fragen der prozessualen Abwicklung einer beendeten Arbeitsbeziehungen ein situativ anderes Erlebnisfeld betreffen als das, worüber der Arbeitgeber als Leistung und Verhalten der Arbeitsperson im Arbeitsverhältnis per Zeugnis zu berichten hat. Was ausgerechnet im Rechtsstreit vor Gericht zu besichtigen ist, steht erfahrungsgemäß ohnehin unter anderen Vorzeichen73 als das, was sich in intakten Vertragsbeziehungen im Lichte (noch) ungebrochenen Vertrauens zuträgt. Deshalb können die vom Beklagten seinen beiden Gewährspersonen zugeschriebenen Gedächtnisinhalte ebenso dahingestellt bleiben, wie die aussagepsychologisch äußerst komplexen Folgefragen, die anderenfalls durch die eigens als vermeintliches „Gütesiegel“ präsentierten Schriftstücke aus dem September 2012 (s. oben, S. 6 [vor 3.]; Urteilsanlagen III. u. IV.) über Entstehungsbedingungen, Irrtumsanfälligkeiten und Selbstbindungsphänomene solcher Art mehrköpfiger „Beweissicherung“ unausweichlich aufgeworfen wären74.
III. War der Klage danach zu entsprechen, so bringt der Tenor zu I. dieses Urteils die gebotene Konsequenz zum Ausdruck. – Für die sogenannten „Nebenentscheidungen“ lässt es sich kurz machen:
1. Soweit das Gericht auch ohne bekundeten Wunsch der Parteien über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten seiner Inanspruchnahme entschieden hat, bedurfte es hierzu keines Antrags (§ 308 Abs. 2 ZPO75). Diese Kosten hat das Gericht dem Beklagten als unterlegener Partei zuweisen müssen (s. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO76; Tenor zu II.).
2. Den Wert des Streitgegenstandes hat es aufgrund des § 61 Abs. 1 ArbGG77 im Tenor festgesetzt und nach den Gepflogenheiten der arbeitsgerichtlichen Praxis einer halben Monatsvergütung des Klägers bemessen. Das macht also (1.930,– Euro x 0,5 = ) 965,– Euro und erklärt den Tenor zu III.
Fußnoten
1) S. Text: „§ 109 Zeugnis.(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben über Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.. – (2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. – (3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen“.
2) Geboren im September 1972.
3) S. Klageschrift S. 2 (Bl. 2 der Gerichtsakte [künftig kurz: „GA“]).
4) S. Kopie des (nicht datierten) „Personalfragebogen[s] für geringfügig Beschäftigte“ als Anlage K 1 zur Klageschrift (Bl. 5 GA).
5) S. Kopie als Anlage K 4 zur Klageschrift (Bl. 18 GA).
6) S. Kopie des (nicht datierten) „Personalfragebogen[s] für geringfügig Beschäftigte“ als Anlage K 1 zur Klageschrift (Bl. 5 GA).
7) S. Kopie des Urteils vom 26.4.2011 als Anlage K 5 zur Klageschrift (Bl. 19-25 GA).
8) S. Kopie des Urteils vom 28.9.2011 als Anlage K 6 zur Klageschrift (Bl. 26-33 GA).
9) S. Kopie des Urteils vom 28.9.2011 als Anlage K 7 zur Klageschrift (Bl. 34-36 GA).
10) S. Klageschrift S. 3 (Bl. 3 GA).
11) S. Kopie des Urteils vom 30.8.2012 als Anlage K 9 zur Klageschrift (Bl. 38-47 GA).
12) S. Kopie als Anlage K 10 zur Klageschrift (Bl. 48 GA).
13) S. Kopie des Urteils vom 28.9.2011 als Anlage K 6 zur Klageschrift (Bl. 26-33 GA).
14) S. jedoch zum Umstand, dass der Beklagte die Attestierung von „Ehrlichkeit“ durch die übrigen Attribute für sprachlich inbegriffen hält, noch unten, S. 5 [VI.].
15) S. Klageschrift S. 4 (Bl. 4 GA).
16) S. Klageschrift a.a.O.
17) S. Klageschrift a.a.O. unter Hinweis auf das im Falle einer Kollegin des Klägers gegen den Beklagten ergangene Urteil in ArbG Berlin 30.5.2012 – 20 Ca 20744/11 – n.v.: „Der Ehrlichkeitsvermerk ist nicht nur branchenüblich, sondern von besonderer Bedeutung, der positive Erwähnung finden muss. Trifft das Zeugnis hierzu keine Aussage, ist davon auszugehen, dass der Mitarbeiter nicht ehrlich gewesen ist“.
18) S. Klageerwiderungsschrift vom 28.11.2012 S. 1 (Bl. 64 GA): „Zum einen beinhaltet das Zeugnis bereits die begehrte Feststellung“.
19) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.
20) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.
21) S. Klageerwiderungsschrift S. 2 [1.] (Bl. 65 GA).
22) S. Klageerwiderungsschrift S. 2-3 (Bl. 65-66 GA), wo der Beklagte unter Berufung auf die elektronische Ausgabe des „Duden“ als Synonyme für „zuverlässig“ aufzählt: „verlässlich, aufrichtig, fair, glaubwürdig, integer, redlich, seriös, solide, unbescholten, untadelig, unverhohlen, vertrauenswürdig, wahrheitsliebend, glaubwürdig, seriös, verlässlich [also Doppelung? – d.U.], akkurat, genau, gewissenhaft, gründlich, korrekt, ordentlich, sorgfältig, achtsam, sorgsam und loyal“.
23) S. Klageerwiderungsschrift S. 2 (Bl. 65 GA) mit Hinweis auf Synonyme „akkurat, genau, gründlich, ordentlich, pflichtbewusst, sorgfältig, achtsam und sorgsam“.
24) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.
25) S. Klageerwiderungsschrift S. 3 [2.] (Bl. 66 GA).
26) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.
27) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.
28) S. Klageerwiderungsschrift S. 4 [vor 3.] (Bl. 67 GA).
29) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.
30) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.
31) S. Anlage B 2 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 72 GA).
32) S. Anlage B 3 zur Klageerwiderungsschrift (Bl. 73 GA).
33) S. Klageerwiderungsschrift S. 4 [3.] (Bl. 67 GA).
34) S. Klageerwiderungsschrift S. 5 (Bl. 68 GA).
35) S. Klageerwiderungsschrift a.a.O.
36) S. Schriftsatz vom 11.12.2012 S. 2 [2.] (Bl. 75 GA).
37) S. Schriftsatz vom 11.12.2012 a.a.O.
38) S. Schriftsatz vom 11.12.2012 S. 2 [2.] (Bl. 75 GA).
39) S. Schriftsatz vom 11.12.2012 S. 2 [2.] (Bl. 75 GA).
40) S. Schriftsatz vom 11.12.2012 S. 2 [2.] (Bl. 75 GA).
41) S. Schriftsatz vom 11.12.2012 S. 2 [2.] (Bl. 75 GA).
42) S. Schriftsatz vom 11.12.2012 S. 2 [2.] (Bl. 75 GA).
43) S. Schriftsatz vom 11.12.2012 S. 2 [2.] (Bl. 75 GA).
44) S. Schriftsatz vom 11.12.2012 S. 3 (Bl. 76 GA).
45) S. dazu bereits BAG 23.6.1960 – 5 AZR 560/58 – BAGE 9, 289 = AP § 73 HGB Nr. 1 = NJW 1960, 1973 [Leitsatz 1.]: „Das Zeugnis soll einerseits dem Arbeitnehmer als Unterlage für eine neue Bewerbung dienen, andererseits einen Dritten, der die Einstellung des Zeugnisinhabers erwägt, unterrichten“; ständige Rechtsprechung.
46) So schon Benno Mugdan (Hrg.), Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II. Band (1899), S. 917; s. aus neuerer Zeit auch BT-Drs. 14/8796 S. 25 [Zu § 109 GewO (Zeugnis)]: „Das Zeugnis ermöglicht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Nachweis über Art und Dauer ihrer bisherigen Tätigkeiten. Es dient ihnen als Bewerbungsunterlage und ist für ihr berufliches Fortkommen von großer Bedeutung“.
47) So bereits BGH 26.11.1963 – VI ZR 221/62 – AP § 826 BGB Nr. 10 = WM 1964, 89; s. im Anschluss etwa BAG 8.2.1972 – 1 AZR 189/71 – BAGE 24, 112 = AP § 630 BGB Nr. 7 = NJW 1972, 1214 [„juris“-Rn. 17]: „Bei der Wertung der Tragweite eines Zeugnisses gilt zunächst, dass dieses wahr sein muss, auch wenn es von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein und ihm das weitere Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren soll“; s. aus neuerer Zeit etwa BAG 3.3.1993 – 5 AZR 182/92 – AP § 630 BGB Nr. 20 = EzA § 630 BGB Nr. 17 = NZA 1993, 219 [1. – „juris“-Rn. 11]; 10.5.2005 – 9 AZR 261/04 – BAGE 114, 320 = AP § 630 BGB Nr. 30 = EzA § 109 GewO Nr. 3 = NZA 2005, 1237 [II.2 b. – „juris“-Rn. 18]; s. zu einer aktuelleren Formel aber auch BAG 12.8.2008 – 9 AZR 632/07 – BAGE 127, 232 = AP § 109 GewO Nr. 1 = EzA § 109 GewO Nr. 7 = NZA 2008, 1349 [A.II.2 a, bb. – „juris“-Rn. 19]: „Maßstab ist der eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers (Küttner/Reinecke Personalbuch 2008 Zeugnis Rn. 28)“; 15.11.2011 – 9 AZR 386/10 – EzA § 109 GewO Nr. 109 = NZA 2012, 448 = MDR 2012, 657 [A.II.1. – „juris“-Rn. 11]“.
48) S. dazu statt vieler BAG 29.7.1971 – 2 AZR 250/70 – AP § 630 BGB Nr. 6 = EzA § 630 BGB Nr. 1 = BB 1971, 1280 [II.]: „Ein Zeugnis im einzelnen zu formulieren, ist Sache des Arbeitgebers. Er ist in seiner Entscheidung darüber frei, welche positiven oder negativen Leistungen und Eigenschaften des Arbeitnehmers er hierin mehr hervorheben will als andere. Das Zeugnis darf nur nichts Falsches enthalten“; ebenso im Anschluss noch BAG 23.9.1992 – 5 AZR 573/91 – PersR 1993, 329 = EzA § 630 Nr. 16 [II.]; s. auch BAG 14.10.2003 – 9 AZR 12/03 – BAGE 108, 86 = AP § 630 BGB Nr. 28 = NZA 2004, 843 [III.3.]: „Dem Arbeitgeber ist damit gesetzlich nicht vorgegeben, welche Formulierungen er im Einzelnen verwendet“; 12.8.2008 (Fn. 47) [A.III.2 a, bb. – „juris“-Rn. 19]: „In diesem Rahmen ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Formulierung frei, solange das Zeugnis nichts Falsches enthält“; 15.11.2011 (Fn. 47) [A.II.1. – „juris“-Rn. 11]: „Es ist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, das Zeugnis im Einzelnen zu verfassen. Die Formulierung und Ausdrucksweise steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen“.
49) S. statt vieler schon BAG 23.6.1960 (Fn. 45) [4.] zur Befugnis der Gerichte, das Zeugnis „unter Umständen selbst … zu formulieren“: „Nur auf diese Weise wird ein Streit über den Inhalt des Zeugnisses abschließend im Erkenntnisverfahren entschieden“; ebenso BAG 24.3.1977 – 3 AZR 232/76 – AP § 630 BGB Nr. 13 [I.]: „unter Umständen“ Sache des Gerichts, das Zeugnis „selbst“ zu formulieren.
50) S. hierzu (hoffentlich) anschaulich bereits ArbG Berlin 7.3.2003 – 88 Ca 604/03 – AR-Blattei ES 1850 Nr. 45 (ferner: „Juris“) [4.]: „Was nun die Erfüllung dieser Verpflichtung anbelangt, so hat es das Gericht für geboten erachtet, die Beklagte nicht nur – abstrakt – zur Erteilung eines sprachlich in ihr pflichtgemäßes Ermessen gestellten Arbeitszeugnisses zu verurteilen, sondern ihr dazu – wie beantragt – auch Formulierungshilfe zu leisten: – a.) Das beruht im Ausgangspunkt auf dem nach Vorkorrespondenz und Prozessverlauf beharrlichen Unwillen der Beklagten, dem beruflichen Fortkommen der Klägerin nach der Beendigung des hiesigen Arbeitsverhältnisses durch Erteilung einer fairen Beurteilung auch nur im Ansatz gerecht zu werden. Die Beklagte sträubt sich so hartnäckig gegen die Einsicht in ihre Verpflichtung, der Klägerin das gewünschte ‚qualifizierte‘ Zeugnis zu erteilen, dass es in der Tat ‚zu viel verlangt‘ wäre, ihr gegen offenbar anhaltenden inneren Widerstand die Abfassung des wie erwähnt ‚wohlwollend‘ zu formulierenden Dokuments ohne konkrete Rezeptur abzuverlangen. Nicht zuletzt für solche Problemlagen hat die Rechtsordnung denn auch vorsorglich die Möglichkeit geschaffen, dem Arbeitgeber – ausnahmsweise und vor allem zur Vermeidung sonst unausweichlicher Folgestreitigkeiten – in Gestalt eines richterlich ausformulierten Zeugnistextes – an sich begreiflicherweise unerwünschte – ‚Vorschriften‘ zu machen“.
51) S. dazu statt vieler BAG 15.11.2011 (Fn. 47) [A.I. – „juris“-Rn. 9]: „Genügt das erteilte Zeugnis diesen Anforderungen nicht, kann der Arbeitnehmer die Berichtigung des Arbeitszeugnisses oder dessen Ergänzung verlangen (…)“; s. tendenziell abweichend anscheinend noch BAG 10.5.2005 (Fn. 47) [II.1. – „juris“-Rn. 14]: „Zutreffend ist der Antrag des Klägers auf die Erteilung eines neuen Zeugnisses gerichtet, da das Gesetz einen auf die Berichtigung des bereits erteilten Zeugnisses gerichteten Anspruch nicht kennt (…)“; 17.2.1988 – 5 AZR 638/87 – BAGE 57, 329 = AP § 630 BGB Nr. 17 = EzA § 630 BGB Nr. 12 = NZA 1988, 427 [I.1. – „juris“-Rn. 13]: „Der Kläger macht einen Anspruch auf Berichtigung eines ihm erteilten Zeugnisses geltend. Einen derartigen Anspruch kennt das Gesetz jedoch nicht. Wer Ergänzung oder Berichtigung eines ihm bereits ausgestellten Zeugnisses verlangt, macht damit einen Erfüllungsanspruch geltend, der dahingeht, ihm ein nach Form und Inhalt den gesetzlichen Vorschriften entsprechendes Zeugnis zu erteilen“.
52) S. Text oben, S. 2 Fn. 1.
53) S. dazu bereits anschaulich BAG 23.6.1960 (Fn. 45) [I.1.]: „Weil das Zeugnis als Mitteilung an Dritte bestimmt ist und wahr sein muss, darf es vor allem infolge des gewählten Ausdruckes oder der gewählten Satzstellung nicht zu Irrtümern oder Mehrdeutigkeiten bei Dritten führen; sollte Irrtümer oder Mehrdeutigkeiten können z.B. dann entstehen, wenn üblicherweise nach der Verkehrssitte aufgenommene Sätze ausgelassen werden; in solchen Fällen führt die Auslassung bei Dritten regelmäßig zu unberechtigten, unwahren und für den Arbeitnehmer negativen Schlüssen. Damit würden Sinn und Zweck des Zeugnisses hinfällig werden“; aus neuerer Zeit BAG 21.6.2005 – 9 AZR 352/04 – BAGE 115, 130 = AP § 630 BGB Nr. 31 = EzA § 109 GewO Nr. 4 = NZA 2006, 104 [II.2. – „juris“-Rn. 21]: „Weder Wortwahl noch Auslassungen dürfen dazu führen, dass bei Dritten, den Lesern des Zeugnisses, der Wahrheit nicht entsprechende Vorstellungen entstehen können“; 12.8.2008 (Fn. 47) [A.II.2 b, aa. – „juris“-Rn. 21]: „Weder Wortwahl noch Auslassungen dürfen dazu führen, dass bei Lesern des Zeugnisses der Wahrheit nicht entsprechende Vorstellungen entstehen können (…). Ein Zeugnis darf deshalb dort keine Auslassungen enthalten, wo der verständige Leser eine positive Hervorhebung erwartet“; 15.11.2011 (Fn. 47) [A.II.3 a. – „juris“-Rn. 15].
54) S. statt vieler etwa BAG 21.6.2005 (Fn. 53) [II.2. – „juris“-Rn. 21]: „Es kommt nicht darauf an, welche Vorstellungen der Zeugnisverfasser mit seiner Wortwahl verbindet, sondern auf die Sicht des Zeugnislesers“; 12.8.2008 (Fn. 47) [A.II.2 a, aa. – „juris“-Rn. 18]: „Abzustellen ist auf den objektiven Empfängerhorizont des Lesers des Zeugnisses. Es kommt nicht darauf an, welche Vorstellungen der Zeugnisverfasser mit seiner Wortwahl verbindet“; 15.11.2011 (Fn. 47) [A.II.3 a. – „juris“-Rn. 15]: „Maßgeblich ist allein der objektive Empfängerhorizont des Zeugnislesers“.
55) S. BAG 29.7.1971 (Fn. 48) [Leitsatz]: „Es liegt dem Arbeitgeber ob, das Zeugnis zu formulieren. Er ist frei bei seiner Entscheidung, welche Leistungen und Eigenschaften seines Arbeitnehmers er mehr hervorheben oder zurücktreten lassen will. Das Zeugnis muss nur wahr sein und darf auch dort keine Auslassungen enthalten, wo der Leser eine positive Hervorhebung erwartet (etwa Ehrlichkeit eines Kassierers)“; s. dazu auch noch unten, S. 12 Fn. 63.
56) S. hierzu statt vieler nur LAG Hamm 29.7.2005 – 4 Ta 594/04 – dbr 2006 Nr. 7 S. 40 [Kurzwiedergabe] (Volltext: „juris“) [Leitsatz]: „Arbeitnehmern, die regelmäßig mit Geld oder anderen Vermögenswerten umgegangen sind (wie z.B. Handlungsgehilfen, Kassierern, Laden- und Fahrverkäufern, Auslieferungsfahrern, Filialleitern, Außendienstmitarbeitern [wegen Spesenabrechnungen], Hotelpersonal, Hausgehilfinnen), können regelmäßig die Erwähnung der ‚Ehrlichkeit‘ im Arbeitszeugnis fordern, wenn branchenüblich davon ausgegangen wird, dass beim Fehlen des Wortes Zweifel an ihrer Ehrlichkeit bestehen, und wenn vom bisherigen Arbeitgeber keine Tatsachen vorgetragen werden, die gegen ein ehrliches Verhalten sprechen“.
57) S. statt vieler nur Franz Josef Düwell/Holger Dahl, Die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung im Arbeitszeugnis, NZA 2011, 958, 958 [V.]: „Der Arbeitgeber entscheidet dabei zwar allein darüber, welche Merkmale er stärker hervorheben will als andere. Er muss aber alle berufs-spezifischen Merkmale einbeziehen. Dies folgt aus § 109 II 2 GewO, wonach es unzulässig ist, ein Zeugnis mit geheimen Merkmalen oder unklaren Formulierungen zu versehen, durch die Arbeitnehmer anders beurteilt werden soll, als dies aus dem Zeugniswortlaut für ihn ersichtlich ist. Ein Zeugnis darf dort keine Auslassungen enthalten, wo der verständige Leser eine positive Hervorhebung erwartet. Anspruch auf ausdrückliche Bescheinigung bestimmter Merkmale hat der Arbeitnehmer, wenn dies in dessen Berufskreis üblich ist und das Fehlen einer entsprechenden Aussage im Arbeitszeugnis sein berufliches Fortkommen behindern könnte. Sofern Merkmale in besonderem Maße gefragt sind und deshalb der allgemeine Brauch besteht, diese im Zeugnis zu erwähnen, kann die Nichtgewährung (beredtes Schweigen) ein erkennbarer Hinweis für den Zeugnisleser sein. Typisches Beispiel einer derartigen unzulässigen Auslassung ist die fehlende Bescheinigung der Ehrlichkeit einer Kassiererin. Gleiches gilt für alle anderen Arbeitnehmer, die mit Geld oder anderen Vermögenswerten umgehen … „; Harald Oesterle, Anm. LAG Hamm [29.7.2005 – s. oben, Fn. 56; d.U.] jurisPR-ArbR 1/2006 Anm. 4 [C.]: „Anspruch auf ausdrückliche Bescheinigung der erwiesenen Ehrlichkeit hat damit der Arbeitnehmer, in dessen Berufskreis dies üblich ist und bei dem das Fehlen einer entsprechenden Aussage im Zeugnis sein berufliches Fortkommen behindern könnte (…). Klassisches Beispiel ist der Kassierer (…). Auch beim Kläger, der eine Tätigkeit als stellvertretender Filialleiter im Einzelhandel anstrebt, hat das LArbG diese Voraussetzung im Hinblick auf die vorgelegte Bescheinigung seines möglichen zukünftigen Arbeitgebers zu Recht als hinreichend dargelegt erachtet“.
58) S. insofern auch bereits ArbG Berlin 30.5.2012 (Fn. 17) – Zitat dort.
59) Text: „§ 362 Erlöschen durch Leistung.(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird“.
60) S. Text: „§ 242 Leistung nach Treu und Glauben. Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern“.
61) S. wie hier prägnant LAG Hamm 29.7.2005 (Fn. 56) [II.2.3. – „juris“-Rn. 40]: „Im Rahmen der Zeugniserteilung muss sich der Arbeitgeber – entgegen den Befürchtungen der Beklagtenseite – nicht mit tiefgründige Fragen der Ethik befassen oder gar weltanschauliche Wertungen vornehmen, denn der sog. Ehrlichkeitsvermerk bedeutet in der Zeugnissprache – wie die Klägerseite zutreffend ausgeführt hat – nicht mehr und nicht weniger, als dass der mit Gelddingen betraute Arbeitnehmer sich (auch insoweit) nichts hat zuschulden kommen lassen. Trifft dies zu, hat der Arbeitgeber ihm die Ehrlichkeit auch expressis verbis zu bescheinigen. Die Erwägungen des Arbeitsgerichts, die Textpassage in dem erteilten Zeugnis, mit [der] dem Kläger ein stets einwandfreies Verhalten gegenüber Vorgesetzten bescheinigt werde, beinhalte zugleich auch, dass er sich auch sonst nichts habe zu Schulden kommen lassen, schlägt fehl; es handelt sich insoweit um einen anderen Beurteilungsparameter. Gleiches gilt für die weitere Begründung des Arbeitsgerichts, die Erklärung im Zeugnis, das Bedienen der Kasse zur vollen Zufriedenheit erfüllt zu haben, beinhalte – zumindest unter Einbeziehung des erwähnten uneingeschränkt stets einwandfreien Verhaltens – auch ein ‚ehrliches Verhalten‘ des Klägers bei der Kassenführung; hier werden Leistungsbeurteilung und Verhaltensbeurteilung miteinander verquickt“.
62) S. nochmals LAG Hamm 29.7.2005 (Fn. 56) [II.2.3. – „juris“-Rn. 40]: „Ohne einen solchen Vermerk besteht für Arbeitnehmer, den[en] Geld oder sonstige Vermögenswerte anvertraut sind, praktisch keine Chance für eine Anstellung im Einzelhandel, insbesondere nicht in gehobenen Positionen vom stellvertretenden Filialleiter aufwärts“.
63) S. dazu auch BAG 8.2.1972 (Fn. 47) [„juris“-Rn. 19]: „Wenn die Klägerin dem Beklagten Ehrlichkeit bescheinigt, dann bringt sie mit dieser Beurteilung zum Ausdruck, dass sie ihm kein vorsätzliches untreues Verhalten irgendwelcher Art vorwirft; mit dem Wort gewissenhaft bestätigt sie ihm, dass er sich in jeder Hinsicht entsprechend den einem Arbeitnehmer, hier einem Filialleiter, gegenüber seinem Arbeitgeber obliegenden Sorgfaltspflichten verhalten hat“; soweit in BAG 29.7.1971 (Fn. 48) [II. – „juris“- Rn. 11] davon die Rede ist, dass „bei einem ehrlichen Kassierer nicht der Hinweis auf seine Zuverlässigkeit fehlen“ dürfe, enthält das, wie auch der Leitsatz der Entscheidung zeigt (s. oben, Fn. 55), keinen Freibrief für sprachliche Beliebigkeit.
64) Anders möglicherweise der Arbeitgeber im Falle LAG Köln 30.7.1999 – 11 Sa 425/99 – NZA-RR 2000, 189 = LAGE § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 11, der sich nach den Ergebnissen mehrerer „Testkäufe“ und darauf gestützten Unterschlagungsverdachts mit fristloser Kündigung vom 1.9.1998 nicht gehindert sah, der Mitarbeiterin gleichwohl im Zeugnis gleichen Datums (1.9.1998) Ehrlichkeit zu bescheinigen, dies später im Rechtsstreit allerdings als Versehen verstanden sehen wollte.
65) S. dazu nochmals LAG Hamm 29.7.2005 (Fn. 56) [II.3. – „juris“-Rn. 40] – Zitat oben, Fn. 62.
66) S. den Zusammenhang aus Zwecken des Zeugnisses (S. 8 [I.1.]) und den hiervon geprägten Auslassungsverboten (S. 10-11 [3.]).
67) S. dazu statt vieler BAG 12.5.2010 – 2 AZR 587/08 – AP § 15 KSchG 1969 Nr. 67 = NZA-RR 2011, 15 = EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 67 [II.6 b, aa. – Rn. 27]: „Eine Verdachtskündigung kommt aber nur in Betracht, wenn gewichtige, auf objektive Tatsachen gestützte Verdachtsmomente vorliegen … . Ein dringender Verdacht liegt nur vor, wenn bei kritischer Prüfung eine auf Beweistatsachen (Indizien) gestützte große Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Pflichtverletzung gerade dieses Arbeitnehmers besteht“; 25.11.2010 – 2 AZR 801/09 – AP § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9 [B.I.1. – Rn. 16]: „starke Verdachtsmomente“; s. auch Folgefußnote.
68) S. – anscheinend weitergehend – auch LAG Köln 29.7.2005 (Fn. 64) [„juris“-Rn. 16]: „Die Beklagte hat nicht wegen einer strafbaren Handlung gekündigt, sondern wegen eines dahin zielenden Verdachts. Nach der im Rechtsstaat geltenden Unschuldsvermutung ist kein Arbeitgeber berechtigt, seinem Arbeitnehmer vor Dritten einer Täterschaft zu bezichtigen, nur weil er einen entsprechenden Verdacht hegt. Hätte die Beklagte den Ehrlichkeitsvermerk unterlassen, hätte dies im Zeugnis einer Kassiererin eine negative Aussage durch beredtes Schweigen bedeutet. In einem Zeugnisberichtigungsprozess wäre die Beklagte in Beweisnot geraten, weil sie nicht Unehrlichkeit, sondern nur Umstände für einen Verdacht beweisen kann“.
69) S. statt vieler BVerfG 15.12.2008 – 1 BvR 347/08 – BVerfGK 14, 507 (Volltext „juris“) [II.1 a. – „juris“-Rn. 12]: „Dabei sind an die Darlegung und Qualität der schwerwiegenden Verdachtsmomente besonders strenge Anforderungen zu stellen, weil bei einer Verdachtskündigung immer die Gefahr besteht, dass in ‚Unschuldiger‘ betroffen ist. Der notwendige, schwerwiegende Tatverdacht muss sich aus den Umständen ergeben beziehungsweise objektiv durch Tatsachen begründet sein. Er muss ferner dringend sein, das heißt bei einer kritischen Prüfung muss eine auf Beweisanzeichen (Indizien) gestützte große Wahrscheinlichkeit für die erhebliche Pflichtverletzung (Tat) des Arbeitnehmers bestehen. Bloße auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus“.
70) S. den eindrucksvollen Stoßseufzer des 460 vor Christus geborenen Thukydides in seiner „Geschichte des Peloponnesischen Krieges“, Bd. 1, S. 22 (hier zitiert nach Wolfgang Linsenmeier ArbuR 2000, 336 [5.] unter Berufung auf Peter Häberle, Wahrheitsprobleme im Verfassungsstaat [1995], S. 39): „Es kostet Mühe, die Wahrheit herauszufinden, weil die Augenzeugen in ihren Berichten über dieselben Tatsachen nicht übereinstimmen, sondern so sprechen wie ein jeder dieser oder jener seiner Partei günstig gesonnen oder seiner Erinnerung mächtig war“; s. markant auch Peter Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach u.a., ZPO, 61. Auflage (2003), Rn. 6 vor § 373, der den Ausschluss des Zeugenbeweises oberhalb gewisser Streitwertgrenzen (u.a.) in Frankreich „ein Denkmal der Menschenkunde“ nennt (das Prädikat taucht bereits in den noch von Adolf Baumbach betreuten Auflagen auf: in der 10. Auflage [1935] als „überlegene Gesetzeskunst“, seitdem wie hier zitiert; s. zum Prozessrecht in Spanien und Griechenland auch den Hinweis bei Guido Kirchhoff MDR 1999, 1473, 1474 Fn. 6; s. des weiteren schon Adolf Wach, JW 1918, 797: „Vor allem sollte der Zeugenbeweis, dieser nach Kenntnis jedes Erfahrenen schlechteste Beweis, nach Kräften ausgeschaltet werden“.
71) Mit „strukturell“ sind Phänomene gemeint, die aus regelmäßig unbewussten Kräften erwachsen und im menschlichen Gedächtnis – subjektiv unbemerkte – Veränderungen auszulösen pflegen; dadurch kann den Erinnerungsbildern selbst gutwilligster Auskunftspersonen allein schon im Zeitablauf und (weit) mehr noch unter dem Einfluss von „Kommunikation“ über Erlebtes mit Dritten derart viel „zustoßen“, dass der Zeugenbeweis im praktischen Gebrauch – im krassen Gegensatz zum Ansehen, das ihm in der richterlichen Praxis zuweilen entgegen gebracht wird – nahezu wertlos erscheint; s. zum Problem höchst eindrucksvoll nur Beate Lakotta, im „SPIEGEL“ Nr. 52/2001 S. 174, 175: „Jeder Abruf verändert … die alte Erinnerung – eine Tatsache, die maßgeblich dazu beiträgt, dass Zeugenaussagen oft unzuverlässig sind; hochinstruktiv und im gleichen Sinne der Neurophysiologe Wolf Singer, Wahrnehmen, Erinnern, Vergessen, in: M. Kerner (Hrg.), Eine Welt – eine Geschichte?, 43. Deutscher Historikertag in Aachen (2000), S. 18 ff. – hier zitiert nach dem Manuskript des Originalbeitrages – S. 16 ff.: „Und so nimmt nicht wunder, dass beim Erinnern nur schwer zu trennen ist, welche Inhalte und vor allem welche Bezüge zwischen denselben bereits im Zuge des Wahrnehmungsaktes abgespeichert wurden und welche erst beim Auslesen und Rekonstruieren definiert oder gar hinzugefügt wurden. Auch hier ist das Problem, wie schon bei der Wahrnehmung, dass dem Erinnernden selbst meist nicht erkennbar ist, was von dem, was ihm als Erinnerung erscheint, tatsächlich wahrgenommen oder erst im Zuge des Rekonstruktionsprozesses hinzugefügt, umgeordnet und neu gedeutet wurde. – Wie nahe Erinnerung erneuter Wahrnehmung kommt, zeigen jüngste neurobiologische Entdeckungen auf beunruhigende Weise. … Es bedeutet …, dass Engramme nach wiederholtem Erinnern gar nicht mehr identisch sind mit denen, die vom ersten Lernprozess hinterlassen wurden. Es sind die neuen Spuren, die bei der Testung, also beim Erinnern, erneut geschrieben wurden. Dies hat weitreichende Konsequenzen für die Beurteilung der Authentizität von Erinnerungen“.
72) S. BVerfG 30.4.2003 – 2 BvR 2045/02 – NJW 2003, 2444 [B.I.1 b], wo unter Bezugnahme auf einschlägige empirische Untersuchungen (u.a.: Stephan Barton [Hrg.], Redlich aber falsch – Die Fragwürdigkeit des Zeugenbeweises [1995]) die Rede von der „Erkenntnis der Unzuverlässigkeit des Zeugenbeweises generell“ ist.
73) S. dazu das ebenso beherzigenswerte wie markante Diktum bei Rolf Bender, Der Irrtum ist der größte Feind der Wahrheitsfindung vor Gericht, Strafverteidiger 1982, 484 [I.1.]: „Nirgends ist das Wort Lüge so verpönt wie vor Gericht, Jeder psychologisch Geschulte ahnt den Grund und jeder erfahrene Richter sollte den Grund kennen: Nirgends wird so viel gelogen, wie vor Gericht. Trotzdem beruhen die meisten unzuverlässigen Aussagen nicht auf vorsätzlicher Lüge; sie sind vielmehr Folge eines Irrtums“.
74) S. auch insofern weiterführend Rolf Bender, Die „lebendige Erinnerung“ und der „gewordene Sachverhalt“ in der Zeugenaussage, Strafverteidiger 1984, 127, 128-130 [II.]: „Wie aus ‚Gedächtnisstützen‘ angebliche Erinnerungen werden“, und S. 130-131 [III.]: „Wie sich ‚eigene lebendige Erinnerung‘ von dem aus ‚Erinnerungshilfen hervorgegangenen Sachverhalt‘ unterscheiden lässt“.
75) S. Text: „§ 308 Bindung an die Parteianträge.(1) … (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen“.
76) S. Text: „§ 91 Grundsatz und Umfang der Kostentragungspflicht.(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen … „.
77) S. Text: „§ 61 Inhalt des Urteils.(1) Den Wert des Streitgegenstandes setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest“.