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Zeugnisverweigerungsrecht eines Seelsorgers / Geistlichen

LG Kieln Az.: 1 S 58/11, Zwischenurteil vom 25.11.2011

Der Zeuge ist zur Verweigerung des Zeugnisses über den Inhalt des Telefongesprächs mit der Beklagten Ende August 2007 berechtigt.

Der Kläger hat die Kosten des Zwischenstreits zu tragen.

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. § 313 a ZPO abgesehen.

Nachdem der Kläger im Beweisaufnahmetermin das Zeugnisverweigerungsrecht in Abrede gestellt hat, war hierüber durch Zwischenurteil zu entscheiden (§ 387 ZPO).

Dem Zeugen steht das Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu. Nach dieser Vorschrift sind Geistliche in Ansehung desjenigen, was ihnen bei der Ausübung der Seelsorge anvertraut ist, zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt.

Der Zeuge ist ein Geistlicher. Geistliche sind Religionsdiener, die in einer Religionsgesellschaft die Funktionen der Seelsorge als Amt verrichten (Stein/Jonas-Berger, ZPO, 22. Aufl. 2006, § 383 Rn. 29), ohne dass es darauf ankommt, ob sie haupt- oder ehrenamtlich tätig sind oder welche Ausbildung sie genossen haben. Das trifft auf den Zeugen zu. Er ist Ältester einer Versammlung (Gemeinde) der Zeugen Jehovas, welche – unabhängig von einer Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts – eine Religionsgemeinschaft sind (BVerfG NJW 2001, 429). Als solcher ist der Zeuge – wie auch der Kläger einräumt – seelsorgerisch tätig, weil ihm im Rahmen seiner Tätigkeit in vertraulichen Gesprächen Informationen anvertraut werden. Dass ihm daneben auch andere Tätigkeiten zugewiesen sind, ist unerheblich.

Zeugnisverweigerungsrecht eines Seelsorgers / Geistlichen
Symbolfoto: www.BillionPhotos.com/Bigstock

Das Telefonat zwischen der Beklagten und dem Zeugen ist ein seelsorgerisches Gespräch. Unstreitig sind dabei vertrauliche Dinge, nämlich die Frage eines sexuellen Missbrauchs der Beklagten durch den Kläger, besprochen worden. Der Einwand des Klägers, der Zeuge habe keine seelsorgerischen Ziele verfolgt, weil er nach den Angaben der Beklagten bei ihr angerufen habe, um dem Kläger ungebührliches Verhalten nachweisen zu können, greift nicht durch. Der Inhalt des Gesprächs ist gerade streitig. Der Kläger selbst trägt vor, die Beklagte habe beim Zeugen angerufen, um ihm von dem sexuellen Missbrauch zu berichten.

Der Zeuge hat das Telefonat mit der Beklagten in seiner Eigenschaft als Ältester geführt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Telefongespräch vom privaten Telefon des Zeugen oder von einem anderen Telefon geführt worden ist. Die Seelsorge hängt nicht davon ab, wo sie ausgeübt wird; das seelsorgerische Gespräch kann auch an Freizeitorten oder zufällig stattfinden (Wieczorek/Schütze-Arhens, ZPO, 3. Aufl. 2010, § 383 Rn. 35). Aus diesem Grund ist es auch unerheblich, ob die Beklagte zu der vom Zeugen geführten Versammlung gehörte. Das Zeugnisverweigerungsrecht beschränkt sich nicht auf seelsorgerische Gespräche mit Personen, für die der Geistliche nach den Gesetzen der Religionsgemeinschaft örtlich zuständig ist. Entscheidend ist vielmehr, ob der einzelne Gläubige darauf vertrauen konnte, dass die mitgeteilte Tatsache von dem betreffenden Geistlichen geheim gehalten werden würde (Stein/Jonas-Berger, § 383 Rn. 30). Das ist hier der Fall. Zwar war der Beklagten klar, dass der Zeuge den Kläger mit der Frage des sexuellen Missbrauchs konfrontieren würde. Das hindert die Geheimhaltung gegenüber anderen Personen aber nicht.

Unerheblich ist, ob die Beklagte den Zeugen von der Schweigepflicht entbunden hat. § 383 Abs. 2 ZPO, wonach das Zeugnisverweigerungsrecht nicht besteht, wenn der Zeuge von der Schweigepflicht entbunden worden ist, steht dem nicht entgegen. Insoweit ist nämlich Art. 9 des Reichskonkordats vom 20.7.1933 (RGBl. II 679), wonach Geistliche nicht um Auskünfte angehalten werden können, die ihnen bei Ausübung der Seelsorge anvertraut worden sind, die speziellere Vorschrift. Sie gilt unmittelbar zwar nur für katholische Geistliche, ist aber auch auf Geistliche anderer Religionsgemeinschaften entsprechend anzuwenden, weil Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG eine Ungleichbehandlung wegen der Religionszugehörigkeit ausschließt (Wieczorek/Schütze-Ahrens, § 385 Rn. 42; Stein/Jonas-Berger, § 385 Rn. 11 f.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

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