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Verletzung durch einen Ziegenbock in der Hotelanlage! Haftet der Reiseveranstalter hierfür, wenn der Ziegenbock durch ein Loch in der hoteleigenen Mauer kam?

Landgericht Frankfurt am Main

Az.: 2/21 O 60/99

Verkündet am 22.10.1999


Die 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.09.1999 für Recht erkannt

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 2.500,00 abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Beklagten wird gestattet, die Sicherheitsleistung durch unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung eines Betrages in Höhe von 10.454,07 DM, Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen.

Der Ehemann der Klägerin hätte für sich, die Klägerin und dem gemeinsamen Sohn bei der Beklagten eine Reise nach Faro/Portugal fier. den Zeitraum 5.8.1998 bis 19.8.1998 gebucht. Der Reisepreis betrug inklusive Versicherungsschutz 6.168, — DM, Wegen der Einzelheiten wird auf die Reisebestätigung Bl. 17, 18 d.A. Bezug genommen.

Am 07.09.1999 nahm die Klägerin mit ihrer Familie das Abendessen im Restaurant des Hotels ein. Anschließend nahm sie mit ihrer Familie im Rahmen einer Veranstaltung mit einer Folkloregruppe an einer Polonaise teil, die auf der Terrasse der Hotelanlage stattfand.

Bei dieser Gelegenheit wurde die Klägerin von einem Ziegenbock, der zusammen mit mehreren anderen Ziegen plötzlich auf dem Hotelgelände auftauchte, angegriffen, an der linken Hüfte getroffen und durch die Luftgeschleudert.

Halter des Ziegenbocks ist ein Herr Antonio Tacerto, der die Ziegen bei einem am öffentlichen Strand ca. 700 m entfernt gelegenen Restaurant hält, die Ziegen befanden sich ansonsten auf einer eingezäunten Weide. Von dort gelangten die Tiere durch eine Öffnung in der das Hotel umgebenden Mauer auf das Hotelgelände.

Die Klägerin wurde mit einem Krankenwagen in ein Krankenhaus gebracht; dort stellten die Ärzte fest, dass sich Sie Klägerin das linke Bein ausgekugelt hatte und die Bänder im linken Knie eingerissen waren. Die Klägerin wurde angewiesen, mindestens 6 Wochen zu liegen und das Bein in keinster Weise zu bewegen oder anzuwinkeln. Die Klägerin befand sich vom 10.8.1998 bis 3.9.8.1998 in der Privatklinik St. Maria de Paro.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückzahlung des gesamten Reisepreises für sich und ihre Familie die Bezahlung von Telefonkosten sowie Taxifahrten, die Bezahlung von Übersetzungskosten der Krankenunterlagen in Portugal, einen 30%igen Anteil der von ihrer Krankenkasse nicht übernommenen Kosten für eine Bewegungsschiene sowie Erstattung von Auslagen, die Freunde, verwandte und Bekannte für Hilfe im Haushalt geleistet haben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung Bl. 9 d. A. Bezug genommen.

Darüber hinaus verlangt die Klägerin die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 13.000, — DM. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe nicht für ausreichenden Schutz vor deal Eindringen von Ziegen auf das Gelände.

In diesem Zusammenhang behauptet sie ferner, andere Hotelgäste hätten die Ziegen schon einmal auf dem Hotelgelände gesehen. Auch sei dem Hotelpersonal vor Ort der Umstand der „herumstreunenden Ziegen“ bekannt gewesen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.454,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2.2.1999 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem

2.2.1999 zu zahlen, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus dem Unfall vom 7.8.1999 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, bei dem Unfall vom 7.8.1998 habe sich das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin verwirklicht.

Die Beklagte behauptet, die Ziegen seien ansonsten angepflockt gewesen. Dass die Ziegen an diesem Abend in die Hotelanlage gelangten, stelle einen unvorhersehbaren Einzelfall dar.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst den beigefügten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises in Höhe eines Betrages von DM 6.1613,00 gemäß §§ 651 c, 551 d BGB sowie auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe eines Betrages von DM 4 .286, 67 gemäß 651 f Abs. 1 BGB zu.

Unabhängig davon, dass Vertragspartner oder Beklagten und Anspruchsinhaber bzgl. der geltend gemachten vertraglichen Ansprüche der die Reise buchende Ehemann, der Klägerin ist, mithin es au: der Aktivlegitimation der Klägerin fehlt, war die von der Beklagten als Reiseveranstalter zu erbringende Leistung nicht mit solchen Fehlern behaftet, die den Wert oder die Tauglichkeit der Reiseleistungen zu dem gewöhnlichen Nutzen aufheben oder mindern. Die von der Klägerin bemängelte Öffnung in der das Hotel umgebenden Mauer stellt keine einen Mängel begründende Abweichung der Ist- von. der Sollbeschaffenheit, mithin einen Fehler im Sinne der Vorschrift des § 651 a Abs. 1 BGB dar. Die in der Mauer vorhandene Öffnung stellt keine Beeinträchtigung der von der Beklagten geschuldeten Leistung, nämlich die Unterbringung in einem Hotel der gebuchten Klasse Car. Der Klägerin und ihrer Familie war es möglich, in dem Hotel die hoteltypischen Leistungen, wie. z.B. Unterkunft, Frühstück und Benutzung des Swimming-Pools, in Anspruch zu nehmen. Die vorhandene Hotelmauer- dient hauptsächlich der Begrenzung bzw. Begrenzung des Hotelgrundstücks von öffentlichem Gelände und der Abschirmung und des Sichtschutzes der Gäste, vor ‚Blicken und Belästigungen anderer Personen und muß deshalb nicht den Anspruch erfüllen, durchgehend zu sein. Die das Hotel umgebend Mauer ist demgemäß nicht als eine Schutz- bzw. Abwehreinrichtung zu sehen, denn auch das Reiseland Portugal ist als solches kein Land, in dem es gilt, Reisende vor landestypischen gefährlichen Tieren zu schützen. Darüber hinaus war zu berücksichtigen, dass erst des zufällige hinzutreten des Eindringens der Tiere und des Angriffs des Ziegenbocks zu der Verletzung und dem Krankenhausaufenthalt der Klägerin und damit zur Unterbrechung des Erholungsurlaubs der Familie der Klägerin führte. Bei selchen Störungen, die in der Sphäre des Reisenden liegen, endet die Einstandspflicht des Reiseveranstalters. Das gewöhnliche Unfallrisiko stellt das von dem Reisenden hinzunehmende allgemeine Lebensriskio dar. Zu einem lückenlosen Schutz vor der Eintreten jeglicher, dem allgemeinen Lebensrisiko entspringender Gefahren kann die Beklage. nicht verpflichtet sein. Diese sind in ihrer Gesamtheit für den Reiseveranstalter nicht ausreichend vorhersehbar. Dafür, dass sich bei der Klägerin das allgemeine Lebensrisiko insofern verwirklichte, als sie aufgrund des Angriffs des Ziegenbocks so unglücklich stürzte, dass; sie die folgenden Wochen im Krankenhaus verbringen mußte, hat die Beklagte nicht einzustehen.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten darüber hinaus kein Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes gemäß §§ 823, 847 BGB wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zu.

Nach Ansicht des Gerichts hat die Beklagte die ihr obliegender Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt. Zur Verkehrssicherungspflicht eines Reiseveranstalters gehört die Pflicht zur sorgfältigen Vorbereitung und Durchführung der Reise. Dazu gehört auch die sorgfältige Auswahl und Überwachung der Leistungsträger, auf Eignung und Zuverlässigkeit sowie die Kontrolle eines ausreichenden Sicherheitsstandards in einem

Hotel entsprechend den Umständen. Der Reiseveranstalter muß eine gewisse Prüfung des Sicherheitsstandards einer Anlage in baulicher und feuerpolizeilicher Hinsicht vornehmen, wenn er die Anlage unter Vertrag nimmt.

Die in der das Hotel umgebenden Mauer vorhandene Öffnung ist jedoch nicht als ausreichend anzusehen, einen Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten der Beklagten hinsichtlich der Eignung und Zuverlässigkeit des Hotels zu bejahen, Insofern ist. nach Ansicht des Gerichts eine vollständig geschlossene Mauer. nicht erforderlich, um einen gewissen Sicherheitsstandard der Gäste zu gewährleisten. Die Maueröffnung selbst stellt keine Gefahrenquelle für Hotelgäste dar.

Die Klägerin hat auch nicht dargetan, dass die Beklagte in Bezug auf das Eindringen der Ziegen Kenntnis von einem Gefahrenzustand, der Hotelanlage hatte, die die Beklagte turn Einschreiten hätte veranlassen müssen.

Allein das pauschale Vorbringen der Klägerin, andere Hotelgästen hätten die Ziegen schon einmal auf dem Hotelgelände gesehen, führt nicht dazu, dass die Beklagte von der Gefahrenquelle des Eindringens von Ziegen Kenntnis haben konnte und mußte. Zum einen hat die Klägerin nicht dargetan, dass neben den Ziegen auch der – gefährlichere – Ziegenbock in die Hotelanlage eingedrungen sein soll.; zum anderen ist nicht ersichtlich und substaniiert dargetan, dass es sich bei dem Eindringen der Ziegen und des Ziegenbocks um Wiederholungsfälle gehandelt hat. Ferner ist nicht ersichtlich und dargetan, dass andere Hotelgäste durch das Eindringen der Ziegen gefährdet wurden bzw. Angriffe der Tiere erfolgt sind

Die Beklagte war daher mangels Vorliegens einer ihr bekannten Gefahrenquelle nicht verpflichtet, für weitreichendere Sicherheitsmaßnahmen wie z.B. das Anbringen eines Tores in der Mauer, zu sorgen.

In diesem Zusammenhang ist weiter zu berücksichtigen, dass schon nach dem Vorbringen der Klägerin sich die Ziegen üblicherweise auf einer eingezäunten Weide befanden, so dass die Beklagte auch aus diesem Grunde nicht mit dem Eindringen der Tiere in die Hotelanlage rechnen mußte. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Ziegenbock selbst auch angepflockt war oder nicht.

Auch im Rahmen der der Beklagten vorgeworfenen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten muß vielmehr Berücksichtigung finden, dass sich hinsichtlich des Unfalles am 7.8.1998 das sogenannte allgemeine Lebensrisiko der Klägerin verwirklicht hat. Die hier vorliegende Situation ist, letztlich nicht anders zu beurteilen, als wenn die Klägerin in Deutschland in einem öffentlichen Lokal im Freien sitzt – welches üblicherweise auch nicht von Zäunen und Toren umgeben ist – und von einem nicht angeleinten Hund oder einer freilaufenden Katze verletzt wird.

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Die Klägerin kann gegenüber der Beklagten auch keinen Anspruch aus § 831 BGB herleiten. Die neben der eigenen Verkehrssicherungspflicht der Beklagten bestehende Verkehrssicherungspflicht des örtlichen Leistungsträgers führt zu keiner Haftung der Beklagten, da der Leistungsträger nicht Verrichtungsgehilfe des Veranstalters ist und somit letzterem eine Pflichtverletzung des Leistungsträgers im deliktischen Bereich über § 831 BGB nicht zurechenbar ist (BGH – NJW 1988, 1380). Davon abgesehen liegt auch keine Pflichtverletzung des Leistungsträgers vor, da die Hotelanlage nicht verkehrsunsicher war. Mit dem Unfall hat sich vielmehr, wie oben bei der Verneinung eines Reisemangels bereits ausgeführt, das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin verwirklicht.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 91 Abs.1 ZPO abzuweisen.

Eine Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Auf ihren Antrag hin war es der Beklagten zu gestatten, die Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft zu erbringen, § 108 Abs.1 ZPO.

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