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Zivildienstleistender – BRD haftet für verursachte Schäden

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: ZR 131/01

Verkündet am: 14.11.2002

Vorinstanzen: OLG München – LG München l


Leitsatz:

Der Umstand, daß die Bundesrepublik für Schäden, die ein Zivildienstleistender in Ausübung seines Dienstes Dritten zufügt, nach Amtshaftungsgrundsätzen einzustehen hat, schließt eine vertragliche Haftung des Trägers einer als Beschäftigungsstelle anerkannten privatrechtlichen Einrichtung, die sich des Zivildienstleistenden zur Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten bedient hat, nicht aus.


In einem solchen Fall kann die Bundesrepublik den Geschädigten nicht auf die Vertragshaftung der Beschäftigungsstelle als anderweitige Ersatzmöglichkeit verweisen, sondern es besteht gegenüber dem Geschädigten eine gesamtschuldnerische Haftung.

Haben sowohl die Bundesrepublik nach Amtshaftungsgrundsätzen als auch der Träger der Beschäftigungsstelle auf vertraglicher Grundlage für ein Fehlverhalten des Zivildienstleistenden gegenüber dem Geschädigten einzustehen, enthalten die Vorschriften des Zivildienstgesetzes keine andere Bestimmung im Sinn des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, nach der einer von ihnen im Rahmen seiner Ausgleichungspflicht allein für den gesamten Schaden aufzukommen hat.

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2002 für Recht erkannt:

Die Revisionen der Parteien gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. Januar 2001 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsrechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die klagende Bundesrepublik und die Beklagte, Trägerin des Heilpädagogischen Centrums A. – einer anerkannten Beschäftigungsstelle i.S. von § 4 ZOG -, streiten über die Eintrittspflicht für ein Fehlverhalten eines dort eingesetzten Zivildienstleistenden.

Der geistig leicht behinderte und querschnittsgelähmte G. E. lebt aufgrund Wohn- und Betreuungsvertrages vom 19. November 1987 in einer Wohngruppe der Beklagten. Als er am 26. Oktober 1992 von der Behinderten-Werkstatt in das Wohnheim zurückkehrte, mußte er gebadet werden. Der ihn betreuende Zivildienstleistende ließ das Badewasser ein, versäumte es aber, kaltes Wasser zuzumischen. Ohne sich zuvor über die Temperatur des Badewassers zu vergewissern, hoben er und ein weiterer Zivildienstleistender Herrn E. in die Badewanne, wo dieser -weil er wegen seiner krankheitsbedingten Schmerzunempfindlichkeit die hohe Temperatur zunächst nicht bemerkte – erhebliche Verbrühungen überwiegend zweiten Grades erlitt. Die Kosten der langwierigen Behandlung wurden von der gesetzlichen Krankenversicherung des Herrn E. getragen, die im Jahr 1993 die Klägerin zur Erstattung aufforderte. Die Klägerin zahlte der Krankenkasse im Herbst 1995 nach Amtshaftungsgrundsätzen 377.034,25 DM.

Im anhängigen Verfahren vertritt die Klägerin die Auffassung, die Beklagte sei wegen Verletzung des Heimvertrages für den eingetretenen Schaden verantwortlich, wobei ihr das Verhalten des Zivildienstleistenden nach § 278 BGB zuzurechnen sei. Sie – die Klägerin – sei daher nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zur Schadensersatzleistung verpflichtet gewesen. Mit Schreiben vom 16. September 1999 hat sie ihre Leistung als für die Beklagte erbracht bestimmt und diese wegen ungerechtfertigter Bereicherung auf Erstattung in Anspruch genommen. Auf mögliche Rückforderungsansprüche gegen die Krankenkasse und den Geschädigten hat sie verzichtet. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat beide Parteien für schadensersatzpflichtig angesehen und der Klägerin einen Gesamtschuldnerausgleich in Höhe der Hälfte des verauslagten Betrages zugebilligt. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Revision die Erstattung des gesamten aufgewendeten Betrages, während die Revision der Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe:

Die Revisionen sind nicht begründet.

Der Klägerin steht ein Ausgleichsanspruch (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB) in Höhe der Hälfte des verauslagten Betrages zu. Im einzelnen gilt folgendes:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat die Bundesrepublik
für Schäden, die ein Zivildienstleistender in Ausübung seines Dienstes Dritten
zufügt, regelmäßig nach Amtshaftungsgrundsätzen einzustehen. Dies gilt auch
in Fällen, in denen die anerkannte Beschäftigungsstelle, in deren Dienst der
Schädiger tätig geworden ist, privatrechtlich organisiert ist und – von ihrer
Rechtsstellung als hoheitlich beliehener Einrichtung abgesehen – privatrechtli
che Aufgaben wahrnimmt (vgl. BGHZ 118, 304, 308 f; 146, 385, 386 f; Be
schluß vom 26. März 1997 – III ZR 295/96- NJW 1997, 2109 f; Urteil vom
11. Mai 2000 – III ZR 258/99- WM 2000, 1586). Diese Rechtsprechung wird
von den Revisionen nicht angegriffen. Auch die Klägerin, die vorgetragen hat,
sie habe sich im Hinblick auf das Senatsurteil BGHZ 118, 304 gegenüber der
Krankenkasse für ersatzpflichtig gehalten, stellt sie im Grundsatz nicht in Frage.

a) Die Revision der Beklagten möchte der zitierten Rechtsprechung,
insbesondere dem Senatsurteil BGHZ 118, 304, entnehmen, eine durch den
Zivildienstleistenden gemäß § 278 BGB vermittelte vertragliche Haftung komme für sie nicht in Betracht. Werde das Handeln des Zivildienstleistenden durch die hoheitliche Zielsetzung, die den gesamten Zivildienst präge, überlagert und bestimme diese das Verhältnis sowohl zwischen dem Zivildienstleistenden und seiner Beschäftigungsstelle als auch zwischen ihm und dem geschädigten Dritten, bleibe für eine Vertragshaftung der Beschäftigungsstelle kein Raum. Das ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung für ein Fehlverhalten des amtlich anerkannten Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr (BGHZ 49, 108).

b) Diesen Überlegungen ist – mit dem Berufungsgericht – nicht zu folgen.

aa) Das Bestehen einer vertraglichen Beziehung der Beklagten zu ihrem Heimbewohner kann nicht geleugnet werden. Im Rahmen dieses Vertrags war es Sache der Beklagten, ihren Heimbewohner entsprechend seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu betreuen. Für die insoweit notwendigen Dienstleistungen, die das Vertragsverhältnis hier entscheidend prägen, bediente sie sich ihres Personals, für dessen Verhalten sie im Rahmen der Vertragsbeziehung wie für eigenes Verschulden einzustehen hat (§ 278 Satz 1 BGB). Dabei lag es in ihrer eigenen Entscheidung, ob sie für die in Frage stehenden Dienste der Beschäftigungsstelle zugewiesene Zivildienstleistende oder sonstiges eigenes Personal einsetzte. Entschied sie sich für den Einsatz von Zivildienstleistenden, vermochte dies ihre vertraglichen Pflichten gegenüber ihrem Heimbewohner nicht zu verändern. Der Umstand, daß der Heimbewohner nach der Senatsrechtsprechung gegen fehlerhaftes Verhalten des Zivildienstleistenden durch Amtshaftungsansprüche gegen die Klägerin geschützt wird, vermag es nicht zu rechtfertigen, in seine vertraglichen Ansprüche in der Weise einzugreifen, daß sie beim Einsatz eines Zivildienstleistenden suspendiert oder zum Ruhen gebracht werden.

bb) Der Annahme, die Beklagte habe sich des Zivildienstleistenden als ihres Erfüllungsgehilfen bedient, steht die Einordnung seines Dienstes als Ausübung hoheitlicher Tätigkeit nicht entgegen. Für die Frage, ob sich der Schuldner einer anderen Person als Erfüllungsgehilfen bedient, kommt es darauf an, ob diese nach den tatsächlichen Umständen des Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung der ihm obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig geworden ist (vgl. BGHZ 98, 330, 334). So war es hier. Der Haftung des Schuldners liegt der Gedanke zugrunde, daß sein Geschäftskreis und damit sein eigener Risikobereich durch die Einschaltung einer solchen Hilfsperson erweitert wird (vgl. BGHZ 62, 119, 124). Demgegenüber ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, in welchen rechtlichen Beziehungen der Erfüllungsgehilfe zum Schuldner steht, ob er von seiner Einschaltung bei der Erfüllung einer Verbindlichkeit weiß und ob es andere Verpflichtungen gibt, in die er eingebunden ist. So ist zum Beispiel in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daß auch ein Notar im Rahmen betreuender Tätigkeit auf dem Gebiet vorsorgender Rechtspflege (§ 24 BNotO) Erfüllungsgehilfe sein kann (vgl. BGHZ 62, 119, 124 f; Senatsurteil BGHZ 123, 1, 13).

Richtig ist allerdings, daß öffentlich-rechtliche Vorschriften, die die Tätigkeit einer Amtsperson regeln, ausdrücklich oder ihrem Inhalt nach ein Tätigwerden als Erfüllungsgehilfe ausschließen können. So hat der Bundesgerichtshof es nicht für möglich erachtet, den Notar bei Wahrnehmung seiner Urkundstätigkeit als Erfüllungsgehilfen einer Vertragsseite anzusehen, und ausgeführt, bei dieser stehe er als unparteiischer Betreuer (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO) zwischen den Beteiligten; er habe die berechtigten Belange aller Beteiligten in gleicher Weise zu wahren, ohne einem von ihnen stärker rechtlich zugeordnet werden zu können als dem anderen. Er werde insoweit nicht zur Erfüllung von Verbindlichkeiten der Beteiligten untereinander tätig, sondern ausschließlich zur Ausübung seiner eigenen Amtspflichten, deren ordnungsgemäße Erfüllung nicht zum Pflichtenkreis irgend eines anderen Beteiligten gehöre, sondern der Amtsperson als solcher vorbehalten sei (Urteil vom 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92- NJW 1993, 648, 652). Rechtsvorschriften dieser Art, die einer Hinzuziehung des Zivildienstleistenden als Erfüllungsgehilfen entgegenstünden, enthält das Zivildienstgesetz nicht. Es ist vielmehr auf ein Zusammenwirken zwischen dem Bundesamt und den Dienststellen, zu denen auch die anerkannten Beschäftigungsstellen gehören, angelegt. Dabei wird die Anerkennung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 ZOG für bestimmte Dienstpläne ausgesprochen; in diesem Rahmen hat die Beschäftigungsstelle, deren Leiter gegenüber dem Dienstleistenden die Stellung eines dienstlichen Vorgesetzten hat (§ 30 ZOG), über den konkreten Einsatz des Dienstleistenden zu befinden. Wenn der Zivildienstleistende unter solchen Umständen von seiner Beschäftigungsstelle für Aufgaben eingesetzt wird, die einerseits dem Allgemeinwohl – vorrangig im sozialen Bereich – dienen (§ 1 ZOG) und andererseits von der Beschäftigungsstelle weithin auf vertraglicher Grundlage erbracht werden, ergibt sich zwischen dem vom Zivildienst verfolgten öffentlich-rechtlichen Allgemeininteresse und dem Interesse der Beschäftigungsstelle an der Erfüllung ihrer durch privaten Vertrag festgelegten Aufgaben kein Konflikt, der es ausschließen müßte, den Dienstleistenden als Erfüllungsgehilfen der Beklagten anzusehen.

cc) Eine vertragliche Haftung der Beklagten kann auch nicht mit den Erwägungen verneint werden, die der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung wegen Amtspflichtverletzung des amtlich anerkannten Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr zugrunde liegen. Nach dieser Recht-sprechung wird der amtlich anerkannte Sachverständige bei seiner Gutachterund Prüfertätigkeit hoheitlich tätig (BGHZ49, 108, 111 f; Senatsurteil vom 2. November 2000 – III ZR 261/99 – WM 2001, 151, 152). In BGHZ 49, 108, 110 f wird damit zugleich eine rechtliche Betrachtung abgelehnt, die die Tätigkeit des Sachverständigen und seines Dienstherrn, des Technischen Überwachungsvereins, als privatrechtlich qualifiziert. Entscheidend für diese Beurteilung ist die enge und maßgebliche Verknüpfung der Tätigkeit des amtlich anerkannten Sachverständigen mit der dem Staat als hoheitliche Aufgabe obliegenden Überwachung des Kraftfahrzeugverkehrs. So hat der Senat auch die Nachprüfung der Lufttüchtigkeit eines Luftfahrtgeräts durch einen Luftfahrttechnischen Betrieb nach den Bestimmungen der Verordnung zur Prüfung von Luftfahrtgerät als hoheitlich angesehen und eine Abgrenzung zu werkvertraglichen Leistungen solcher Betriebe, die auch mit Reparaturarbeiten betraut sein können, vorgenommen (vgl. BGHZ 147, 169, 177).

Im Unterschied zu diesen Fällen betreffen Einsatz und Tätigkeit von Zivildienstleistenden Verrichtungen, bei denen es zwar um Aufgaben im allgemeinen und darum auch öffentlichen Interesse geht, die aber vorwiegend und herkömmlich mit den Mitteln des Privatrechts umgesetzt werden. Läßt sich eine gemeinnützige privatrechtliche Organisation als Beschäftigungsstelle anerkennen, wird sie nicht in dem Sinne zur hoheitlichen Einrichtung, daß auch sie nur noch im Wege „hoheitlicher Verwaltung“ mit öffentlich-rechtlichen Mitteln ihre Aufgaben erfüllt. Daß die Tätigkeit des Zivildienstleistenden, auch soweit er in die vertragliche Aufgabenerfüllung seiner Beschäftigungsstelle eingebunden ist, als hoheitlich zu qualifizieren ist, beruht auf der gesetzlich ausgestalteten Organisation des Zivildienstes für anerkannte Kriegsdienstverweigerer, die auch haftungsrechtlich dem öffentlichen Dienstverhältnis eines Soldaten gleichzustellen ist (vgl. BGHZ 118, 304, 307 ff). Das verändert aber den rechtlichen Charakter der von der Beschäftigungsstelle ausgeübten Tätigkeiten nicht.

Im übrigen ist es auch in sonstigen Bereichen nicht ungewöhnlich, daß ein Verhalten, das Amtshaftungsansprüche auslösen kann, auch nach anderen Bestimmungen zu einer Haftung führt. Dies gilt etwa für die Halterhaftung der Beschäftigungsstelle, wenn ein Zivildienstleistender einen Unfall im Straßenverkehr verursacht (vgl. Senatsurteil BGHZ 146, 385, 387), und ist selbst im deliktischen Bereich nicht ausgeschlossen, wenn sich die Amtspflichtverletzung zugleich als unerlaubte Handlung innerhalb des bürgerlich-rechtlichen Geschäftskreises des öffentlichen Dienstherrn darstellt (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1983 – III ZR 16/82 – VersR 1983, 639, 640).

3. Hat hiernach die Beklagte nach vertraglichen Grundsätzen für den Schaden ihres Heimbewohners einzutreten, kommt es für die Revision der Klägerin entscheidend darauf an, ob sie den Geschädigten hierauf als anderweitige Ersatzmöglichkeit verweisen kann (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese Frage hat das Berufungsgericht, das ohne Rechtsfehler ein fahrlässiges Verhalten des Zivildienstleistenden zugrunde gelegt hat, im Ergebnis zutreffend verneint.

a) Allerdings rechtfertigt seine Begründung die Nichtanwendung der Subsidiaritätsklausel nicht. Das Berufungsgericht will der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entnehmen, das Haftungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB gelte nur für deliktische Ansprüche. Es sei dann nicht anwendbar, wenn neben die Amtshaftung selbständig ein anderer Rechtsgrund für die Haftung trete. Diese Beurteilung übersieht, daß es in den vom Berufungsgericht angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs jeweils um Fallgestaltungen ging, in denen die öffentliche Hand außer nach §839 BGB auch aus einem anderen Rechtsgrund zu haften hatte, etwa als Geschäftsführer ohne Auftrag nach §§ 677, 680 BGB (vgl. BGHZ 63, 167, 171 f mit umfangreichen weiteren Nachweisen zu Fällen der Anspruchskonkurrenz) oder in Arzthaftungssachen aus Vertrag (BGH, Urteil vom 28. Juni 1988 – VI ZR 288/87 – NJW 1988, 2946, insoweit in BGHZ 105, 45 nicht abgedruckt). Demgegenüber geht es hier um die für die Anwendung der Subsidiaritätsklausel an sich typische Konstellation, daß der Verletzte wegen des bei ihm eingetretenen Schadens einen anderen als die öffentliche Hand auf Ersatz in Anspruch nehmen kann. Daß insoweit auch vertragliche Ansprüche eine anderweitige Ersatzmöglichkeit darstellen können, ist ständige Rechtsprechung (vgl. Senatsurteil vom 9. Juli 1992 – III ZR 119/91 – NVwZ 1993, 602, 603 zur Inanspruchnahme des Architekten; Senatsurteil BGHZ 121, 65, 71 f zur Inanspruchnahme des Verkäufers eines Altlastengrundstücks).

b) Die besonderen rechtlichen Beziehungen zwischen der Klägerin, die in bundeseigener Verwaltung das Gesetz über den Zivildienst ausführt, und den anerkannten Beschäftigungsstellen, die sie bei dieser Aufgabe unterstützen, schließen es jedoch aus, den Geschädigten im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Ersatzansprüche gegen die Beschäftigungsstelle zu verweisen.

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aa) Unter dem Gesichtspunkt der vermögensrechtlichen Einheit der öffentlichen Hand ist §839 Abs. 1 Satz 2 BGB dann allgemein unanwendbar, wenn sich ein aus dem gleichen Sachverhalt ergebender Ersatzanspruch gegen eine andere Stelle der öffentlichen Hand richtet. Dieser Rechtsprechung liegt die Überlegung zugrunde, eine Verweisungsmöglichkeit der aus dem Ge-sichtspunkt der Amtshaftung in Anspruch genommenen Körperschaft auf die aus anderen Gründen haftende Körperschaft würde weder eine Entlastung der öffentlichen Hand zur Folge haben, noch würde es dem inneren Verhältnis der beiden beteiligten öffentlich-rechtlichen Körperschaften zueinander und zu dem die Haftung auslösenden Ereignis entsprechen, wenn diejenige Körperschaft, die durch eine unerlaubte Handlung ihres Beamten die Haftung der anderen Körperschaft erst begründet habe, den Geschädigten an die andere Körperschaft sollte verweisen dürfen, die der Haftung ferner steht als die verweisende Körperschaft (vgl. BGHZ -GSZ- 13, 88, 104f; Senatsurteile BGHZ 49, 267, 275; 62, 394, 397; 63, 319, 327).

bb) Diese Überlegungen lassen sich zwar nicht in vollem Umfang auf das Verhältnis der öffentlichen Hand zu einer privatrechtlich organisierten Beschäftigungsstelle übertragen. Denn die öffentliche Hand wäre bei einer Anwendung der Subsidiaritätsklausel entlastet. Man könnte sich auch auf den Standpunkt stellen, die Beschäftigungsstelle, die über den konkreten Einsatz des Zivildienstleistenden befindet, stehe aus diesem Grund der Haftung näher. Bei einer wertenden Betrachtung steht die gemeinsame Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe jedoch so im Vordergrund, daß eine Verweisungsmöglichkeit dem im Zivildienstgesetz angelegten Zusammenwirken des Bundesamtes und der Beschäftigungsstelle nicht entsprechen würde.

(1) Nach §3 Satz 1 ZOG kann der Zivildienst in einer dafür anerkannten Beschäftigungsstelle oder in einer Zivildienstgruppe geleistet werden. Als anerkannte Beschäftigungsstellen kommen gleichermaßen öffentlich-rechtliche Körperschaften, Anstalten und Stiftungen wie auch privatrechtliche Einrichtungen in Betracht. Im Umfang der Beleihung unterscheiden sich die juristischen Personen des Privatrechts bei ihrer Tätigkeit als anerkannte Beschäftigungsstellen weder hinsichtlich ihrer Rechtsmacht noch hinsichtlich ihrer Pflichtenbindung im Verhältnis zum Dienstleistenden und seinem Dienstherrn von einer als Beschäftigungsstelle in Anspruch genommenen Behörde (vgl. Senatsurteil BGHZ 87, 253, 255 f). Der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des Innenverhältnisses zwischen Beschäftigungsstelle und Zivildienstleistenden entspricht der Charakter der Rechtsbeziehungen zu geschädigten Dritten. Die hoheitliche Zielsetzung kennzeichnet auch das Handeln des Dienstleistenden im konkreten zivildienstlichen Einsatz; seine Tätigkeit bleibt auch im privatrechtlichen Bereich Dienst im Interesse des Allgemeinwohls und Erfüllung der ihm vom Bundesamt für den Zivildienst übertragenen Aufgaben (vgl. BGHZ 118, 304, 308 f).

(2) Der besonderen rechtlichen Ausgestaltung des Zivildienstes – ungeachtet seiner konkreten Durchführung im Einzelfall – hat der Senat in verschiedenen rechtlichen Zusammenhängen Rechnung getragen. So hat er der Beschäftigungsstelle bei Schäden, die ihr der Zivildienstleistende an ihren Einrichtungen zufügt, Amtshaftungsansprüche gegen den Bund hauptsächlich mit dem Argument versagt, es gehe hier um die Erfüllung einer beiden gemeinsam gestellten Aufgabe, bei der die Beschäftigungsstelle nachgeordnet mit der Dienstherrin des Zivildienstleistenden zusammenwirke (vgl. BGHZ 87, 253, 257). Für die Außenhaftung hat der Senat angenommen, auch die bei isolierter Betrachtung dem Privatrecht zuzuordnenden Tätigkeiten würden aufgrund ihrer Einbettung in das Zivildienstverhältnis durch die hoheitliche Zielsetzung überlagert, die dem Handeln des Dienstleistenden bei der Erfüllung seiner besonderen öffentlich-rechtlichen Pflichten immanent sei (vgl. BGHZ 118, 304, 308 f). In einem Fall, in dem der Zivildienstleistende seinen Dienst in einer öffentlichrechtlichen Körperschaft versah, hat der Senat gleichfalls entschieden, daß der Bund für Amtspflichtverletzungen eines Zivildienstleistenden zu haften habe. Er hat dabei darauf hingewiesen, bei Beschäftigungsstellen in öffentlichrechtlicher Trägerschaft sei der Bezug zur Ausübung eines öffentlichen Amtes noch enger (Urteil vom 11. Mai 2000 – III ZR 258/99 – WM 2000, 1586). Auch wenn ein öffentlich-rechtlicher Träger als Haftungssubjekt von Amtshaftungsansprüchen grundsätzlich in Betracht komme, sei dem Dienstleistenden letztendlich durch den Bund der Aufgabenbereich anvertraut, innerhalb dessen er seine Pflichten verletzt habe. Der öffentlich-rechtliche Träger führe aufgrund der Anerkennung seiner Einrichtung den Zivildienst als staatliche Verwaltungsaufgabe durch und sei insofern – ähnlich einer nachgeordneten Behörde -selbst in die Zivildienstverwaltung des Bundes eingegliedert. Der konkrete Einsatz eines Zivildienstleistenden falle trotz der vorhandenen eigenen Entscheidungskompetenz und Weisungsbefugnis der Beschäftigungsstelle letzten Endes in den Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Bundes (Senatsurteil vom 11. Mai 2000 aaO S. 1587). Schließlich hat der Senat angenommen, daß mit der Anerkennung einer privatrechtlich organisierten Beschäftigungsstelle zwischen dem Bund und dem Träger der Einrichtung ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis begründet wird, dem besondere Grundsätze für die Haftungsverteilung entnommen werden können (vgl. BGHZ 135, 341 ff; s. hierzu auch BVerwGE 106, 272), die -wie im folgenden auszuführen sein wird -hier jedoch nicht einschlägig sind.

(3) Mit diesen Grundsätzen stünde es nicht in Einklang, wenn der Bund in Fällen, in denen eine vertragliche Haftung einer privatrechtlichen Beschäftigungsstelle in Betracht kommt, den Geschädigten im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB auf diese Ansprüche verweisen könnte, während eine solche Verweisungsmöglichkeit auf Ansprüche gegen eine Beschäftigungsstelle in öffentlicher Trägerschaft unter dem Gesichtspunkt der vermögensrechtlichen Einheit der öffentlichen Hand ausgeschlossen wäre. Eine unterschiedliche Behandlung privater und öffentlicher Beschäftigungsstellen wäre schon unter allgemeinen Gesichtspunkten der Gleichbehandlung nur schwer verständlich. Unvereinbar ist sie jedoch mit der Gleichwertigkeit der Ausgestaltung des Zivildienstes in allen seinen Facetten, die dem Bund die Möglichkeit gibt, durch allgemeine oder Einzelweisungen die Tätigkeit der Beschäftigungsstellen zu steuern, wobei die Einrichtungen bei der Zuweisung von Zivildienstleistenden nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 ZOG nur in begrenztem Umfang auf deren Auswahl Einfluß nehmen können (vgl. Senatsurteil vom 11. Mai 2000 – III ZR 258/99- WM 2000, 1586, 1587f). Auch die Kostenregelungen in § 6 ZOG, die die hier in Rede stehenden Haftungsansprüche nicht unmittelbar erfassen, verdeutlichen das erhebliche Interesse des Bundes, mit Hilfe der Beschäftigungsstellen seinen Aufgaben in der Organisation des Zivildienstes nachzukommen.

4. Tritt hiernach neben die Amtshaftung der Klägerin die vertragliche Haftung der Beklagten als Träger der Beschäftigungsstelle, haften beide, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, dem Geschädigten nach § 421 BGB als Gesamtschuldner. Dabei sind sie, was ihre Ausgleichungspflicht untereinander angeht, zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB).

a) Die Revision der Beklagten will eine andere Bestimmung zu ihren Gunsten daraus herleiten, daß ihre Beschäftigungsstelle dem Dienstherrn des Zivildienstleistenden nachgeordnet sei. Diese Überlegung gilt indes nur für die Einordnung in die Verwaltungshierarchie, während es hier um die prinzipielle Gleichrangigkeit der Amtshaftung mit der vertraglichen Haftung der Beklagten geht. Vertragliche Pflichten oblagen nur der Beklagten. Es war ihre Entscheidung, ob sie zur Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten einen Zivildienstleistenden einsetzte. Für diesen Bereich kann sie daher unter dem Blickwinkel ihrer Vertragshaftung keine vorrangige Pflicht der Klägerin einfordern.

b) Aus dem Gesichtspunkt des zwischen dem Träger der Beschäftigungsstelle und dem Bund aufgrund der Beleihung bestehenden verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses ergibt sich gleichfalls keine anderweitige Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB. Daß die Parteien in diesem Rahmen ihre interne Verantwortung überhaupt geregelt hätten, ist nicht vorgetragen. Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Beschäftigungsstelle ihre Pflichten aus dem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis in bezug auf Überwachung und Anleitung des Zivildienstleistenden in haftungsbegründender Weise gegenüber der Klägerin vernachlässigt hätte. Ferner geben die Vorschriften des Zivildienstgesetzes, insbesondere die Kostenregelung des § 6, keinen Aufschluß darüber, wie Schadensersatzansprüche der hier geltend gemachten Art zwischen dem Bund und den Beschäftigungsstellen verteilt werden sollen. Die Überlegung, die Beschäftigungsstelle, die die Vorteile des Zivildienstes genieße, müsse auch die damit verbundenen Nachteile und Risiken in Kauf nehmen, zumal sie durch ihre Weisungsbefugnis (§ 30 ZOG) und die Ausgestaltung des Einweisungsdienstes (§ 25b ZOG) Wesentliches zur Schadensbegrenzung tun könne, greift in ihrem allgemeinen Ausgangspunkt zu kurz. Ihr ist der Senat bereits in seinem Urteil vom 11. Mai 2000 (III ZR 258/99 – WM 2000, 1586, 1587) nicht gefolgt, in dem er weder Gesichtspunkte sachgerechter Risikoverteilung noch Billigkeitsgründe gesehen hat, die Haftung für Pflichtverletzungen eines Zivildienstleistenden auf seine (öffentlich-rechtliche) Beschäftigungsstelle zu verlagern. Im Rahmen einer „anderen Bestimmung“ im Sinne des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, soweit sie sich auf die Vorschriften des Zivildienstgesetzes gründet, kann in bezug auf privatrechtlich organisierte Beschäftigungsstellen nichts anderes gelten. Schließlich ist eine Alleinverantwortlichkeit der Klägerin auch nicht aus der Zuweisung des Zivildienstleistenden an die Beschäftigungsstelle zu folgern. Denn hiermit würde übersehen, daß die Beschäftigungsstelle über den konkreten Einsatz des Dienstleistenden befindet und selbständig entscheidet, welcher Person sie sich zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten bedient.

c) Nach allem ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, daß die Beklagte der Klägerin die Hälfte der für den Schaden aufgewendeten Beträge auszugleichen hat.

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