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Zugangsrecht eines Grundstückseigentümers zur öffentlichen Strasse

Bundesgerichtshof

Az: V ZR 106/07

Urteil vom 12.12.2008


Auf die Revision der Widerbeklagten wird das Schlussurteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. April 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Widerbeklagten verurteilt worden sind, es zu unterlassen, den im Nord-Westen vor dem Haus der Widerkläger verlaufenden Teil der W.straße in D. zum Gehen, zum Fahren und in sonstiger Weise zu benutzen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Widerkläger gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 28. Juni 2006 zurückgewiesen.

Wegen des zweiten Hilfsantrags der Widerkläger wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn, deren Wohnhäuser planerisch und erschließungsmäßig in Richtung einer Privatstraße ausgerichtet sind, die über den nordwestlichen Teil ihrer Grundstücke und eines weiteren Grundstücks zu einer öffentlichen Straße führt. Die Privatstraße gehört insoweit den jeweiligen Grundstückseigentümern, als sie auf deren Grundstücken verläuft. Im Südosten grenzen die Grundstücke der Parteien an eine städtische Fläche an, die mit einem befestigten Fuß- und Radweg sowie mit einem Grünstreifen versehen ist. An deren östlichem Ende befindet sich ein öffentlicher Parkplatz, der eine Ein- und Ausfahrt zu der öffentlichen Straße hat.

Die Widerkläger verlangen von den Widerbeklagten die Unterlassung der Benutzung des Teils der Privatstraße, der sich auf ihrem Grundstück befindet. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung haben die Widerkläger die Feststellung beantragt, dass die Widerbeklagten nicht berechtigt sind, den im Nord-Westen vor dem Haus der Widerkläger verlaufenden Teil der Privatstraße zum Gehen, Fahren oder in sonstiger Weise zu nutzen. Hilfsweise haben sie die Verurteilung der Widerbeklagten verlangt, es zu unterlassen, den im Nord-Westen vor dem Haus der Widerkläger verlaufenden Teil der Privatstraße zum Gehen, Fahren oder in sonstiger Weise zu nutzen. Weiter hilfsweise haben die Widerkläger die Verurteilung der Widerbeklagten zur Zahlung von 200 EUR pro Monat für die Benutzung ihres Teils der Privatstraße beantragt. Das Oberlandesgericht hat den Hauptantrag als unzulässig abgewiesen und dem ersten Hilfsantrag stattgegeben.

Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Widerkläger beantragen, wollen die Widerbeklagten die vollständige Zurückweisung der Berufung der Widerkläger gegen das erstinstanzliche Urteil erreichen.

Entscheidungsgründe:
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der erste Hilfsantrag nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB begründet; die Widerkläger müssten die Benutzung des ihnen gehörenden Teils der Privatstraße durch die Widerbeklagten nicht dulden. Eine Benutzungsdienstbarkeit sei nicht bestellt worden. Die Existenz einer altrechtlichen Dienstbarkeit, welche bestehen geblieben sei, hätten die Widerbeklagten nicht dargelegt. Aus dem Gesichtspunkt der unvordenklichen Verjährung lasse sich eine Benutzungsberechtigung der Widerbeklagten nicht herleiten. Soweit in der bisherigen Benutzung der Straße schuldrechtlich ein Leihverhältnis zu sehen sei, sei dieses spätestens mit der Erhebung der Widerklage gekündigt worden. Auch aus gesellschafts- oder gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ergebe sich keine Duldungspflicht der Widerkläger. An einem Notwegrecht der Widerbeklagten fehle es, weil sie die öffentliche Straße durch ihr Gartentor, welches an die städtische Fläche angrenze, erreichen könnten. Schließlich ergebe sich eine Duldungspflicht der Widerkläger nicht aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses, weil besondere Umstände, welche einen über die gesetzliche Regelung hinausgehenden billigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheinen ließen, weder vorgetragen noch ersichtlich seien.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis nicht stand.

1.
Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, das Berufungsgericht habe die Rechtskraft des in erster Instanz zugunsten der Widerbeklagten ergangenen Teil-Anerkenntnisurteils nicht beachtet, mit dem diesen erlaubt worden sei, zur Durchführung von Instandsetzungsarbeiten an der Grenzwand ihres Hauses das Grundstück der Widerkläger zu betreten. Denn zum einen wirkt diese Entscheidung nicht gegen die seinerzeit noch nicht an dem Rechtsstreit beteiligte Widerklägerin zu 1. Zum anderen hindert das Berufungsurteil die Widerbeklagten nicht, das Teil-Anerkenntnisurteil durchzusetzen. Dass sie den Teil der Straße, der auf dem Grundstück der Widerkläger verläuft, für die Durchführung von Instandhaltungsarbeiten benutzen müssen, haben sie nicht vorgetragen.

2.
Im Ergebnis ebenfalls erfolglos rügt die Revision, das Berufungsgericht habe seiner Verhandlung und Entscheidung weder nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die von dem Landgericht festgestellten Tatsachen zugrunde gelegt noch selbst nach §§ 525 Satz 1, 355, 398, 402 i.V.m. §§ 371, 144 ZPO erneute Feststellungen getroffen.

a)
Das Berufungsgericht musste die erstinstanzliche Augenscheinseinnahme nicht wiederholen; auch musste es den von dem Landgericht bestellten Sachverständigen nicht erneut anhören. Es hat nämlich insoweit keine von dem Landgericht abweichende Feststellungen getroffen, sondern aus den Feststellungen lediglich einen anderen rechtlichen Schluss gezogen.

b)
Die Aussage des in erster Instanz vernommenen Zeugen, die sich die Widerbeklagten zu Eigen gemacht haben, durfte das Berufungsgericht jedoch nicht – wie geschehen – abweichend von dem Landgericht würdigen, ohne die Widerbeklagten zuvor rechtzeitig auf die beabsichtigte Abweichung hingewiesen und gegebenenfalls den Zeugen erneut vernommen zu haben (vgl. BVerfG NJW 2003, 2524). Dieser Verfahrensverstoß wirkt sich jedoch nicht auf die angefochtene Entscheidung aus. Denn selbst wenn man die Aussage des Zeugen zu der Anlegung der Privatstraße in den Jahren 1936/1937 und deren spätere Benutzung in Übereinstimmung mit dem Landgericht dahingehend würdigt, dass die damaligen Grundstückseigentümer einen Gesellschaftsvertrag geschlossen haben, kann nicht festgestellt werden, dass die Widerkläger aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit zur Duldung der Benutzung des ihnen gehörenden Teils der Straße durch die Widerbeklagten verpflichtet sind. Denn weder haben diese vorgetragen noch ist ersichtlich, dass die Widerkläger bei dem Erwerb ihres Grundstücks im Jahr 1994 in eine etwaige Gesellschafterstellung ihres Rechtsvorgängers eingetreten sind. Darüber hilft die von dem Landgericht herangezogene Vorschrift des § 746 BGB nicht hinweg. Sie gilt nicht für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern nur für die Gemeinschaft nach Bruchteilen (§ 741 BGB). Diese ist hier jedoch nicht gegeben, weil die Privatstraße nicht ungeteilt den drei Grundstückseigentümern gemeinschaftlich zusteht. Aus einer Vereinbarung zwischen den Widerklägern und dem dritten Grundstückseigentümer über die Verteilung der für die Privatstraße anfallenden Unterhaltungskosten können die Widerbeklagten zu ihren Gunsten ebenfalls nichts herleiten.

3.

Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Widerbeklagten unter Verletzung von § 139 ZPO nicht darauf hingewiesen, dass es der rechtlichen Beurteilung des Landgerichts nicht folgen werde. Zwar darf eine in erster Instanz siegreiche Partei grundsätzlich darauf vertrauen, dass das Berufungsgericht ihr rechtzeitig einen Hinweis nach § 139 ZPO erteilt, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will (siehe nur BGH, Beschl. v. 15. Februar 2005, XI ZR 144/03, BGH-Report 2005, 936, 937 m.w.N.) und insbesondere aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (Senat, Urt. v. 21. Oktober 2005, V ZR 169/04, NJW-RR 2006, 235, 236). Aber dieser Grundsatz gilt nicht ausnahmslos; eine Hinweispflicht des Berufungsgerichts besteht nicht, wenn die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte in dem bisherigen Verfahren bereits erörtert wurden (Senat, aaO). So liegt es hier. Die möglichen Rechtsgrundlagen für ein Benutzungsrecht der Widerbeklagten und das Problem, ob eine ausreichende andere Zuwegung zu ihrem Grundstück besteht, waren nach dem Tatbestand des Berufungsurteils sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz die zentralen Fragen des Rechtsstreits und damit Gegenstand der mündlichen Verhandlungen.

4.

Erfolglos rügt die Revision ebenfalls, das Berufungsgericht habe entgegen § 279 Abs. 3 ZPO das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht mit den Parteien erörtert. Dies verkennt, dass die genannte Vorschrift ausschließlich das Prozessgericht verpflichtet, vor dem die Beweisaufnahme erfolgt ist oder welches sie angeordnet hat (§ 285 ZPO). Unterbleibt die Erörterung in der ersten Instanz, worauf es hier mangels Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht allenfalls ankommt, kann das auf entsprechende Rüge zur Aufhebung des Urteils durch das Berufungsgericht führen. So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Die Widerbeklagten haben keine entsprechende Rüge in der Berufungsinstanz aufgezeigt und demgemäß keinen damit im Zusammenhang stehenden Verfahrensfehler des Berufungsgerichts beanstandet.

5.
Ohne Erfolg wendet die Revision auch ein, dass das Berufungsgericht das Bestehen einer altrechtlichen Dienstbarkeit zugunsten der Widerbeklagten verneint hat. Denn wenn die Häuser der Parteien – nach dem Vortrag der Widerbeklagten – in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts gebaut worden sind, fehlt es an dem für das Entstehen einer Dienstbarkeit durch Ersitzung vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. Januar 1900 nach dem damals maßgeblichen Preußischen Allgemeinen Landrecht notwendigen Erfordernis der wenigstens 30 Jahre langen und ununterbrochen ausgeübten Inanspruchnahme des Rechts (ALR Teil I Titel 9 § 625 i.V.m. ALR Teil I Titel 22 §§ 13, 14).

6.
Die Beanstandung der Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht eine Widmung der Privatstraße aufgrund unvordenklicher Verjährung verneint, bleibt ebenfalls erfolglos.

a)
Die unvordenkliche Verjährung liefert den Beweis für eine in früherer Zeit von der zuständigen Obrigkeit ausdrücklich oder stillschweigend erteilte Verleihung. Dafür ist es erforderlich, dass der als Recht beanspruchte Zustand in einem Zeitraum von 40 Jahren als Recht besessen worden ist und dass weitere 40 Jahre vorher keine Erinnerung an einen anderen Zustand seit Menschengedenken bestand (Senat, BGHZ 16, 234, 238 m.w.N.).

b)
Danach ist hier keine Widmung der Privatstraße für den Gemeingebrauch kraft unvordenklicher Verjährung gegeben. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der 40-Jahre-Zeiträume ist das Inkrafttreten des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahr 1962. Davon geht auch die Revision aus. Somit begann der erste Zeitraum im Jahr 1882 zu laufen. Dass damals die Fläche, auf der heute die Privatstraße verläuft, als Zuwegung zu den Grundstücken der Parteien diente, kann jedoch nicht festgestellt werden. Denn die Widerbeklagten gehen selbst davon aus, dass eine entsprechende Nutzung erst mit der Errichtung der Häuser in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts begann.

7.
Ebenfalls erfolglos macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe fehlerhaft den Widerbeklagten deren Recht nach § 24 NachbG NRW aberkannt, den im Eigentum der Widerkläger stehenden Straßenabschnitt zur Durchführung von Bau- und Instandsetzungsarbeiten zu benutzen. Um diese Art der Benutzung geht es hier nicht. Das sogenannte Hammerschlag- und Leiterrecht kann dem Nachbarn auch nicht im Voraus zuerkannt, sondern muss von diesem im Einzelfall geltend gemacht werden. Soweit es um die von den Widerbeklagten beabsichtigten Maßnahmen an ihrer Grenzwand geht, streitet für sie das Anerkenntnisurteil vom 13. Oktober 2004. Dass sie für diese Maßnahmen auch den den Widerklägern gehörenden Straßenabschnitt benutzen müssen, haben die Widerbeklagten nicht vorgetragen.

8.

Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch dagegen, dass das Berufungsgericht ein Notwegrecht der Widerbeklagten nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB fehlerhaft verneint hat. Die Verbindung ihres Grundstücks mit der öffentlichen Straße über den auf der angrenzenden städtischen Fläche verlaufenden Rad- und Fußweg genügt nämlich nicht den Anforderungen an eine zur ordnungsmäßigen Grundstücksnutzung notwendigen Verbindung.

a)
Allerdings begründet der von der Revision hervorgehobene Gesichtspunkt, dass das Grundstück der Widerbeklagten spätestens seit den Jahren 1936/1937 über die Privatstraße – auch mit Lastkraftwagen – angefahren werde, keine Duldungspflicht der Widerkläger. Die langjährige Grundstücksnutzung in einer von dem Nachbarn ermöglichten bestimmten Art und Weise bildet keine Grundlage für die Ordnungsmäßigkeit der Benutzung des verbindungslosen Grundstücks i.S. von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn diese beurteilt sich allein nach objektiven Gesichtspunkten und nicht nach persönlichen Bedürfnissen des Grundstückseigentümers (Senat, Urt. v. 26. Mai 1978, V ZR 72/77, WM 1978, 1293, 1294).

b)
Auch der Umstand, dass sich auf dem Grundstück der Widerbeklagten drei Garagen befinden, begründet für sich allein kein Notwegrecht. Dieser Zustand ist wiederum die Folge der persönlichen Bedürfnisse der Widerkläger.

Objektiv ist das Abstellen von Kraftfahrzeugen in den Garagen für die ordnungsmäßige Benutzung des Wohngrundstücks nicht notwendig (a.A. OLG Frankfurt a.M. ZfIR 2000, 124, 126 zu einer WEG-Anlage mit Tiefgaragen- und Stellplätzen).

c)
Nichts anderes ergibt sich – entgegen der Ansicht der Revision – aus dem Urteil des Senats vom 15. April 1964 (V ZR 134/62, NJW 1964, 1321). Zwar ist dort ausgeführt, dass den Maßstab für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Grundstücksbenutzung die Bedürfnisse einer praktischen Wirtschaft bilden, wobei es jeweils auf die Benutzungsart und Größe des Grundstücks, seine Umgebung und die sonstigen Umstände des Einzelfalls ankommt; dies steht jedoch unter dem Obersatz, dass es sich nach objektiven Gesichtspunkten bestimmt, ob eine Grundstücksbenutzung ordnungsmäßig ist (Senat, Urt. v. 15. April 1964, V ZR 134/62, NJW 1964, 1321, 1322).

d)

Auch die Überlegung, dass das Befahren der Privatstraße durch die Widerbeklagten im Einzelfall notwendig sein könne, z.B. bei Baumaßnahmen auf ihrem Grundstück oder bei Transporten schwerer Güter, führt nicht zu einem Notwegrecht. In solchen Fällen käme unter den Voraussetzungen des § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ein zeitlich befristeter Duldungsanspruch in Betracht.

e)

Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft das Vorhandensein einer zur ordnungsmäßigen Benutzung des Grundstücks der Widerbeklagten notwendigen Verbindung mit einem öffentlichen Weg (§ 917 Abs. 1 Satz 1 BGB) bejaht.

aa)

Zuzugeben ist allerdings, dass dem Grundstück die Verbindung mit einem öffentlichen Weg nicht völlig fehlt. Denn es grenzt an seiner südöstlichen Gartenseite an die städtische Fläche, über die ein öffentlicher Fuß- und Radweg verläuft; über diesen ist ein öffentlicher Parkplatz zu erreichen, welcher eine Ein- und Ausfahrt zu der öffentlichen Straße hat. Das steht einem Duldungsanspruch der Widerbeklagten jedoch nicht von vornherein entgegen. Denn er kommt auch in Betracht, wenn eine vorhandene Verbindung für die ordnungsmäßige Benutzung des Grundstücks nicht ausreicht (Senat, Urt. v. 11. Juni 1954, V ZR 20/53, NJW 1954, 1321).

bb)

Das ist hier der Fall. Es ist nämlich weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das Grundstück der Widerbeklagten über die städtische Fläche mit Kraftfahrzeugen erreicht werden kann. Diese Erreichbarkeit ist jedoch bei einem Wohngrundstück in der Regel notwendig. Beispielsweise sei auf die Versorgung mit Energie (Öllieferung) und die Entsorgung von Müll hingewiesen. Ebenfalls zur ordnungsmäßigen Benutzung gehört die Möglichkeit, sein Wohngrundstück mit dem eigenen Kraftfahrzeug anfahren zu können. Das gilt jedenfalls dann, wenn es – wie hier – nicht lediglich um das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück, sondern um dessen Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen geht. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt grundlegend von dem, welcher der Entscheidung des Senats vom 9. November 1979 (BGHZ 75, 315) zugrunde lag, auf die sich das Berufungsgericht für seine Auffassung auch gestützt hat. Dort grenzte das Grundstück nämlich an eine öffentliche Straße; es konnte mit Kraftfahrzeugen angefahren werden, die wegen der baulichen Gegebenheiten mangels Zufahrtmöglichkeit lediglich nicht auf dem Grundstück abgestellt werden konnten. Hier können die Widerbeklagten ihr Grundstück jedoch nicht über die an die Gartenseite angrenzende städtische Fläche mit Kraftfahrzeugen erreichen, sondern ausschließlich über die Privatstraße. Die vorhandene Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Weg lässt es nur zu, es zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen. Dieser Zustand beeinträchtigt die Grundstücksnutzung in einem nicht mehr hinnehmbaren Maß; denn er verhindert die Befriedigung von Grundbedürfnissen der Bewohner wie z.B. die problemlose Anlieferung von Gegenständen des täglichen Lebensbedarfs sowie die sichere Erreichbarkeit des Grundstücks. Das steht der ordnungsmäßigen Benutzung als Wohngrundstück entgegen (vgl. PWW/Lemke, BGB, 3. Aufl. § 917 Rdn. 7).

9.

Die Widerbeklagten können nicht verlangen, dass ihnen die Benutzung des den Widerklägern gehörenden Straßenabschnitts entschädigungslos gestattet wird. Vielmehr müssen sie zum einen die Kosten der Unterhaltung dieses Straßenteils anteilig tragen (PWW/Lemke, aaO, § 917 Rdn. 21); denn zur Unterhaltung des Notwegs ist der Duldungspflichtige grundsätzlich nicht verpflichtet (BGH, Urt. v. 6. April 1995, III ZR 27/94, WM 1995, 1195, 1198). Zum anderen müssen die Widerbeklagten an die Widerkläger nach § 917 Abs. 2 BGB eine Geldrente zahlen. Diesen Anspruch haben die Widerkläger mit ihrem zweiten Hilfsantrag geltend gemacht.

Der von dem Prozessbevollmächtigten der Widerkläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unter Hinweis auf das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. März 1981 (MDR 1981, 932) angesprochene Gesichtspunkt der Verwirkung des Duldungsanspruchs der Widerbeklagten kommt nicht zum Tragen. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen getroffen, dass sie sich aus nicht zu billigenden Gründen generell geweigert haben, sich an den Unterhaltungskosten zu beteiligen.

Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), soweit es zum Nachteil der Widerbeklagten ergangen ist. Hinsichtlich des ersten Hilfsantrags ist die Sache zur Endentscheidung reif, so dass der Senat selbst zu entscheiden hat (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das führt insoweit zur Zurückweisung der Berufung der Widerkläger. Im Übrigen ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es über den zweiten Hilfsantrag befinden kann, indem es die von den Widerbeklagten geschuldete Rentenhöhe ermittelt (siehe dazu Senat, BGHZ 113, 32 ).

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