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Zulässigkeit der Schadensschätzung nach § 287 ZPO

Wenn ein tonnenschwerer LKW nach einem Unfall stillsteht, rollt auch das Geschäft nicht mehr. Doch wie bemisst man für Transportunternehmen den entgangenen Gewinn – also die Einnahmen, die durch den Fahrzeugausfall unwiederbringlich verloren gehen? Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg gibt nun Aufschluss darüber, wie Gerichte diesen komplexen Schaden beziffern. Ein Fall, der tief in die wirtschaftlichen Folgen eines Blechschadens blicken lässt.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 13 U 4537/19 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG Nürnberg
  • Datum: 10.12.2020
  • Aktenzeichen: 13 U 4537/19
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Verkehrsrecht, Versicherungsrecht, Zivilrecht, Zivilprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Ein Unternehmen mit Lkw-Betrieb, das nach einem Verkehrsunfall entgangenen Gewinn geltend machte.
  • Beklagte: Die Versicherungsgesellschaft der unfallverursachenden Partei, die einen Großteil der Forderung ablehnte und Berufung einlegte.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Nach einem Verkehrsunfall war ein Lastkraftwagen der Klägerin über einen bestimmten Zeitraum nicht einsatzfähig, weshalb die Klägerin entgangenen Gewinn forderte.
  • Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war die Höhe des der Klägerin zustehenden entgangenen Gewinns, insbesondere die Zulässigkeit und Methodik der richterlichen Schadensschätzung sowie eine mögliche Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Klägerin.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Oberlandesgericht Nürnberg änderte das Urteil des Landgerichts teilweise ab und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 9.854,28 € nebst Zinsen an die Klägerin. Die Klage wurde im Übrigen abgewiesen und die weitergehende Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
  • Begründung: Das Gericht bejahte den Anspruch auf entgangenen Gewinn, da die richterliche Schadensschätzung nach § 287 ZPO zulässig und methodisch richtig war. Die Schätzung basierte auf konkreten Anhaltspunkten, wobei lediglich die Berechnung der ersparten Maut korrigiert wurde. Ein Verstoß der Klägerin gegen die Schadensminderungspflicht wurde verneint.
  • Folgen: Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 15% und die Beklagte zu 85%; die Kosten der ersten Instanz die Klägerin zu 35% und die Beklagte zu 65%. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Fall vor Gericht


Wenn der Laster steht: Wie Gerichte entgangenen Gewinn bei LKW-Ausfall berechnen

Ein Lastwagen, der in einen Unfall verwickelt wird und ausfällt – das ist für ein Transportunternehmen mehr als nur ein Blechschaden. Jeder Tag, an dem der LKW nicht rollt, bedeutet potenziell verlorene Einnahmen. Doch wie viel Geld kann ein Unternehmen als Entschädigung fordern, wenn es unverschuldet in so eine Lage gerät? Genau darum ging es in einem Fall vor dem Oberlandesgericht Nürnberg. Ein Unternehmen, dem ein Lastwagen gehört, forderte von der Versicherung des Unfallverursachers Ersatz für den Gewinn, der ihm durch den Ausfall des Fahrzeugs entgangen war. Das ist der sogenannte entgangene Gewinn: Geld, das das Unternehmen sehr wahrscheinlich verdient hätte, wenn der Laster einsatzfähig gewesen wäre.

Der Weg durch die Instanzen: Vom Unfall zur Gerichtsverhandlung

Älterer Mann mit verschränkten Armen vor beschädigtem, stillgelegtem LKW auf Landstraße
Tonnenschwerer LKW-Unfall, Stillstand & Schaden: Transportausfall und finanzielle Folgen für das Unternehmen. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Nach dem Unfall konnte der Lastwagen des Unternehmens für eine bestimmte Zeit nicht für Aufträge eingesetzt werden. Das Unternehmen berechnete den ihm dadurch entstandenen finanziellen Schaden und forderte diesen von der Versicherungsgesellschaft, bei der das unfallverursachende Fahrzeug versichert war. Die Versicherung war jedoch nicht bereit, den vollen Betrag zu zahlen.

Deshalb landete der Fall zunächst vor dem Landgericht Ansbach. Dieses Gericht ist eine sogenannte erste Instanz, also die erste gerichtliche Station, an der ein Fall verhandelt wird. Das Landgericht Ansbach sprach dem klagenden Unternehmen einen Betrag von 10.653 Euro als entgangenen Gewinn zu. Damit war die beklagte Versicherung aber nicht einverstanden. Sie akzeptierte lediglich einen Betrag von 5.200 Euro. Diese Summe ergab sich aus ihrer Rechnung von 200 Euro angenommenen Mietkosten pro Ausfalltag für 26 Ausfalltage. Um das Urteil des Landgerichts anzufechten, legte die Versicherung Berufung ein. Eine Berufung ist ein Rechtsmittel, mit dem eine Partei eines Rechtsstreits eine Überprüfung der Entscheidung der ersten Instanz durch ein höheres Gericht, hier das Oberlandesgericht Nürnberg, erreichen kann.

Die Knackpunkte vor Gericht: Wie viel Geld steht dem Unternehmen zu?

Vor dem Oberlandesgericht Nürnberg mussten nun also die Richter entscheiden, ob die Berechnung des Landgerichts korrekt war oder ob die Einwände der Versicherung berechtigt waren. Aber was genau waren die Streitpunkte?

Streitpunkt 1: Wie berechnet man entgangenen Gewinn richtig?

Die Versicherung kritisierte, dass die Schätzung des entgangenen Gewinns durch das Landgericht nicht nachvollziehbar sei. Sie meinte, die Grundlagen für die Schätzung seien teilweise nicht konkret genug benannt worden. Außerdem seien manchmal Kalendertage und manchmal Einsatztage als Berechnungsgrundlage verwendet worden, was zu Verwirrung führe. Die Versicherung hatte eigentlich erwartet, dass das Gericht einen Sachverständigen hinzuzieht. Ein Sachverständiger ist ein Experte auf einem bestimmten Gebiet – hier zum Beispiel ein Betriebswirt oder ein Gutachter für Fahrzeugkosten –, der dem Gericht hilft, komplizierte Fachfragen zu klären, indem er ein Gutachten erstellt, also eine fundierte schriftliche Stellungnahme.

Streitpunkt 2: Hätte das Unternehmen den Schaden kleiner halten müssen?

Ein weiterer wichtiger Punkt für die Versicherung war die Frage der sogenannten Schadensminderungspflicht. Das bedeutet, dass jeder, der einen Schaden erlitten hat, verpflichtet ist, diesen Schaden so gering wie möglich zu halten. Man darf also nicht einfach tatenlos zusehen, wie der Schaden immer größer wird. Die Versicherung warf hier mehrere Fragen auf: Warum hat das Unternehmen keinen Ersatz-LKW angemietet? Hätten nicht Aufträge auf die beiden anderen Lastwagen des Unternehmens verteilt werden können? Oder hätte der verunfallte LKW nicht zumindest an einzelnen Tagen doch noch eingesetzt werden können? Das Landgericht hatte sich zu diesen Fragen im ersten Urteil nicht geäußert.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg

Das Oberlandesgericht Nürnberg änderte das Urteil des Landgerichts Ansbach teilweise ab. Es entschied, dass die beklagte Versicherung dem klagenden Unternehmen insgesamt 9.854,28 Euro nebst Zinsen zahlen muss. Zinsen sind hier eine Art Entschädigung dafür, dass das Unternehmen das Geld nicht schon früher erhalten hat. Der Betrag, den das Oberlandesgericht zusprach, war also etwas niedriger als der vom Landgericht Ansbach festgelegte Betrag (10.653 Euro), aber deutlich höher als das, was die Versicherung zahlen wollte (5.200 Euro).

Die weitergehende Forderung des Unternehmens wurde abgewiesen. Auch die Berufung der Versicherung hatte nur teilweise Erfolg. Die Kosten des Gerichtsverfahrens mussten sich beide Parteien teilen, wobei die Versicherung den größeren Anteil tragen musste, da sie in der Hauptsache überwiegend verloren hatte. Das Urteil wurde zudem für vorläufig vollstreckbar erklärt. Das bedeutet, dass das klagende Unternehmen das Geld von der Versicherung bereits einfordern kann, auch wenn theoretisch noch weitere rechtliche Schritte möglich wären (die hier aber nicht zugelassen wurden).

Die Begründung des Gerichts: Warum so und nicht anders?

Aber wie kamen die Richter des Oberlandesgerichts zu dieser Entscheidung? Sie mussten sich genau mit den Argumenten beider Seiten auseinandersetzen. Der Anspruch des Unternehmens auf Ersatz des entgangenen Gewinns ergibt sich aus verschiedenen Gesetzen, insbesondere dem Straßenverkehrsgesetz (StVG), das die Haftung bei Verkehrsunfällen regelt, dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG), das die Pflichten der Versicherung festlegt, und dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), das in § 252 den Ersatz von entgangenem Gewinn vorsieht.

Zur Schätzung des entgangenen Gewinns: Wenn Millimeterarbeit zu teuer wird

Ein zentraler Punkt war die Frage, wie der entgangene Gewinn berechnet werden darf. Das Gericht erklärte, dass die Ermittlung von entgangenem Gewinn geradezu ein Musterbeispiel für eine Schadensschätzung sei. Hier kommt eine wichtige Regel der Zivilprozessordnung (ZPO) ins Spiel: der § 287 ZPO. Diese Vorschrift erlaubt es dem Gericht, die Höhe eines Schadens zu schätzen, wenn eine ganz genaue Berechnung sehr schwierig oder mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden wäre. Es geht darum, was mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Das Unternehmen muss dem Gericht also genügend Anhaltspunkte liefern, auf deren Basis eine Schätzung möglich ist.

Warum ist das so? Der Sinn des § 287 ZPO ist es, zu vermeiden, dass teure Beweisaufnahmen – wie eben ein umfangreiches Sachverständigengutachten – durchgeführt werden müssen, deren Kosten den Betrag, um den es bei der Schätzung vielleicht noch geht, deutlich übersteigen würden. Das Gericht hat dabei einen gewissen Spielraum, ob es ein Gutachten einholt oder selbst schätzt. Nur wenn es gar keine konkreten Anhaltspunkte für eine Schätzung gibt, darf der Richter nicht einfach schätzen.

Nach diesen Maßstäben, so das Oberlandesgericht, war die Schätzung des Landgerichts im Grunde richtig und nachvollziehbar. Das Landgericht hatte genügend konkrete Anhaltspunkte, insbesondere Abrechnungen für Frachtaufträge aus vergleichbaren Zeiträumen der Vor- und Folgejahre. Die Kritik der Versicherung, die Grundlagen seien unkonkret, traf laut Oberlandesgericht nicht zu.

Auch die Schätzung der ersparten Kosten (z.B. für Diesel oder Wartung, die ja nicht anfielen, weil der LKW stand) war für das Gericht transparent und konkret. Die Richter konnten nicht nachvollziehen, warum die Versicherung Probleme damit hatte, wie das Landgericht von wöchentlichen Beträgen auf tägliche Roherlöse kam. Die Werte für durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch und Wartungsaufwand waren realistisch und allgemein zugänglich, und die Versicherung hatte selbst keine besseren Zahlen vorgelegt.

Die konkrete Berechnung des Gerichts: Zahlen auf den Tisch

Eine kleine Korrektur nahm das Oberlandesgericht dann aber doch vor: bei den ersparten Kosten für die LKW-Maut. Das Landgericht hatte hier nur 15 Euro pro Werktag angesetzt. Die Abrechnungen der Auftraggeber zeigten aber, dass die Mautkosten deutlich höher lagen, nämlich bei etwa 45,70 Euro pro Tag. Das Oberlandesgericht berechnete diesen Posten neu, indem es den prozentualen Anteil der Maut an den Gesamtgutschriften aus einem Vergleichszeitraum heranzog (8,36%).

So kam das Oberlandesgericht auf folgende Rechnung für 26 Ausfalltage:

  • Roherlös (Einnahmen, die erzielt worden wären): 26 Werktage x 547,00 € = 14.222,00 €
  • Davon abzuziehen sind die ersparten Kosten:
    • Ersparte Maut (8,36% des Roherlöses): – 1.188,96 €
    • Ersparter Kraftstoff (26 Werktage x 106,00 €): – 2.756,00 €
    • Ersparte Wartung: – 422,76 €
  • Verbleibender entgangener Gewinn: 9.854,28 €

Das Gericht entschied auch, dass das Landgericht zu Recht auf ein teures Sachverständigengutachten verzichtet hatte. Die Kosten dafür hätten in keinem Verhältnis zu dem Betrag gestanden, um den das Ergebnis eines Gutachtens möglicherweise von der richterlichen Schätzung abgewichen wäre.

Schadensminderungspflicht: Wer muss was beweisen?

Und was war mit dem Vorwurf, das Unternehmen habe seine Schadensminderungspflicht verletzt? Hier stellten die Richter klar: Für eine solche Pflichtverletzung muss die Gegenseite, also die beklagte Versicherung, die Tatsachen vortragen und beweisen. Man spricht hier von der Darlegungs- und Beweislast. Die Versicherung hatte aber nur rhetorische Fragen gestellt („Warum kein Mietwagen?“) und keine konkreten Tatsachen oder Beweise dafür angeboten, dass das Unternehmen tatsächlich gegen seine Pflichten verstoßen hätte.

Selbst wenn man annehmen würde, dass das klagende Unternehmen eine sogenannte sekundäre Darlegungslast hätte – das bedeutet, es müsste bestimmte Dinge erklären, weil nur es darüber Bescheid wissen kann –, so hat es dieser Pflicht genügt. Das Unternehmen hatte nämlich konkret dargelegt, warum die Aufträge nicht mit den anderen beiden verfügbaren LKW erledigt werden konnten und warum ein passendes Mietfahrzeug nicht auf dem Markt zu bekommen war.

Die Aussage des Geschäftsführers des Unternehmens in der mündlichen Verhandlung, er „gehe davon aus“, dass er „mindestens 200,00 € Mietkosten hätte aufbringen müssen, um ein Ersatzfahrzeug zu bekommen“, sah das Gericht nicht als Widerspruch. Der Geschäftsführer hatte direkt danach erklärt: „Dies ist aber tatsächlich gar nicht möglich.“ Damit wollte er nach Ansicht des Gerichts nur sagen, dass solche Mietkosten allgemein üblich wären, dies aber hier keine Rolle spielte, da kein passendes Fahrzeug verfügbar war.

Was ist mit den Kosten des Verfahrens?

Die Entscheidung darüber, wer die Kosten des Rechtsstreits trägt, richtet sich danach, wer gewonnen und wer verloren hat. Da sowohl das klagende Unternehmen als auch die beklagte Versicherung jeweils nur zum Teil mit ihren Forderungen bzw. Einwänden durchgedrungen sind, wurden die Kosten entsprechend aufgeteilt. Dies ist in § 92 Absatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt.

Kein Fall für die obersten Richter: Warum die Revision nicht zugelassen wurde

Das Oberlandesgericht Nürnberg ließ keine Revision gegen sein Urteil zu. Die Revision ist ein weiteres Rechtsmittel, mit dem eine Entscheidung von einem noch höheren Gericht, dem Bundesgerichtshof, überprüft werden kann. Eine Revision ist aber nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, zum Beispiel wenn der Fall eine grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn es wichtig ist, das Recht fortzubilden oder eine einheitliche Rechtsprechung zu sichern. All das sahen die Richter hier nicht als gegeben an. Es ging um Fragen der richterlichen Schätzung des entgangenen Gewinns, und dabei folgte das Gericht der bereits bestehenden Rechtsprechung der höchsten Gerichte.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Oberlandesgericht Nürnberg bestätigte, dass Transportunternehmen bei einem unverschuldeten LKW-Ausfall Anspruch auf entgangenen Gewinn haben und dieser auch ohne kostspieliges Sachverständigengutachten richterlich geschätzt werden darf. Das Gericht berechnete dabei die wahrscheinlich erzielten Einnahmen minus der durch den Stillstand eingesparten Kosten (Kraftstoff, Maut, Wartung) und kam auf einen Betrag von knapp 10.000 Euro für 26 Ausfalltage. Wichtig ist, dass das geschädigte Unternehmen nicht verpflichtet ist, um jeden Preis ein Ersatzfahrzeug zu mieten, wenn nachweisbar kein geeignetes verfügbar war oder die anderen eigenen Fahrzeuge bereits ausgelastet waren. Diese Entscheidung stärkt die Position von Unternehmen bei Schadensersatzforderungen nach Verkehrsunfällen, da sie zeigt, dass auch ohne aufwendige Beweisverfahren angemessener Schadenersatz durchsetzbar ist.

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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie wird entgangener Gewinn überhaupt bestimmt, wenn ich ihn nicht genau beziffern kann?

Wenn Ihnen durch das Verschulden einer anderen Person ein finanzieller Schaden entstanden ist, der sich als entgangener Gewinn äußert, stellt sich oft die Frage, wie dieser beziffert werden kann. Ein entgangener Gewinn bedeutet, dass Sie einen Vorteil oder Ertrag nicht erzielen konnten, der Ihnen ohne das schädigende Ereignis mit hoher Wahrscheinlichkeit zugeflossen wäre. Da sich zukünftige Einnahmen selten punktgenau vorhersagen lassen, ist die präzise Bezifferung des entgangenen Gewinns oft eine Herausforderung. Das Gesetz erkennt diese Schwierigkeit an und bietet eine Lösung.

Schätzung durch das Gericht: Das Prinzip der Wahrscheinlichkeit

Für Fälle, in denen eine exakte Berechnung des Schadens, insbesondere des entgangenen Gewinns, nicht möglich oder unverhältnismäßig aufwendig ist, ermöglicht die Zivilprozessordnung (ZPO) dem Gericht, den Schaden zu schätzen. Die maßgebliche Vorschrift hierfür ist § 287 ZPO. Das bedeutet für Sie:

  • Das Gericht muss den Schaden nicht auf den Cent genau ermitteln.
  • Es ist ausreichend, dass das Gericht von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon überzeugt ist, dass ein Gewinn entstanden wäre und wie hoch dieser in etwa ausgefallen wäre.
  • Die Schätzung ist keine willkürliche Festlegung, sondern muss auf einer ausreichenden Grundlage und nachvollziehbaren Überlegungen basieren.

Welche Grundlagen sind wichtig für die Schätzung?

Auch wenn Sie den entgangenen Gewinn nicht auf Heller und Pfennig beweisen können, müssen Sie dem Gericht eine ausreichende Basis für die Schätzung liefern. Das Gericht greift dabei auf alle zur Verfügung stehenden Fakten und Indizien zurück. Dazu gehören beispielsweise:

  • Vergangene Einnahmen: Wenn Sie ähnliche Geschäfte in der Vergangenheit getätigt oder regelmäßige Einnahmen hatten, können diese als Anhaltspunkt dienen. Zum Beispiel: Wie viel Gewinn haben Sie üblicherweise mit vergleichbaren Aufträgen erzielt?
  • Konkrete Umstände des Einzelfalls: Gab es bereits konkrete Verhandlungen, Angebote oder Verträge, die durch das schädigende Ereignis geplatzt sind? Die Höhe des ursprünglich vereinbarten Preises oder der erwarteten Marge kann hier eine wichtige Rolle spielen.
  • Branchendaten und Marktüblichkeiten: Manchmal kann auch der übliche Gewinn in Ihrer Branche oder für vergleichbare Dienstleistungen/Produkte herangezogen werden.
  • Gutachten: In komplexeren Fällen kann ein Sachverständiger (Experte) beauftragt werden, um eine fundierte Schätzung abzugeben, basierend auf wirtschaftlichen Analysen und Prognosen.
  • Ihre Dokumentation: Auch wenn sie nicht perfekt ist, kann jede Art von Aufzeichnung – seien es Angebote, E-Mails, Kalendereinträge, Projektpläne oder interne Notizen – dazu beitragen, die Wahrscheinlichkeit und Höhe des entgangenen Gewinns zu untermauern.

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein selbstständiger Fotograf und ein wichtiges Hochzeitsengagement fällt wegen eines vom Verursacher verschuldeten technischen Defekts an Ihrer Kamera aus. Sie können vielleicht nicht genau beziffern, welche weiteren Aufträge sich aus diesem Event noch ergeben hätten, aber Sie können darlegen, welchen Gewinn Sie üblicherweise mit einer solchen Hochzeitsreportage erzielen. Auch wenn es keine Garantie für Folgeaufträge gab, kann das Gericht unter Umständen den direkten Gewinnverlust aus dem Hochzeitsauftrag und möglicherweise einen Teil der entgangenen Folgeaufträge schätzen, wenn Sie plausible Indizien vorlegen können.

Das Ziel ist immer, eine nachvollziehbare und realistische Annäherung an den tatsächlichen, aber nicht genau messbaren Schaden zu finden.


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Welche Informationen oder Unterlagen benötige ich, um meinen entgangenen Gewinn glaubhaft zu machen?

Entgangener Gewinn bedeutet den Gewinn, der Ihnen entgangen ist, weil ein bestimmtes Ereignis – zum Beispiel ein Schaden durch jemand anderen – verhindert hat, dass Sie diesen Gewinn erzielen konnten. Es geht darum, nicht nur den direkten Schaden zu ersetzen, sondern auch das, was Sie vermutlich eingenommen hätten, wenn alles seinen normalen Lauf genommen hätte. Um dies einem Gericht überzeugend darzulegen, benötigen Sie verschiedene Informationen und Unterlagen. Es ist dabei wichtig zu verstehen, dass es oft nicht um lückenlose Einzelnachweise geht, sondern darum, dem Gericht ausreichend Anhaltspunkte zu liefern, damit es eine realistische Schätzung vornehmen kann.

Finanzielle Unterlagen als Nachweis bisheriger Erfolge

Die Grundlage, um einen entgangenen Gewinn zu belegen, sind oft Ihre bisherigen finanziellen Erfolge. Diese zeigen dem Gericht, wie Ihr Geschäft oder Ihre Tätigkeit üblicherweise funktioniert hat und welche Gewinne Sie normalerweise erzielen.

Dazu können gehören:

  • Steuererklärungen und Steuerbescheide der letzten Jahre.
  • Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen (GuV) Ihres Unternehmens.
  • Kontoauszüge, die regelmäßige Einnahmen und Ausgaben zeigen.
  • Rechnungen und Quittungen für erbrachte Leistungen oder verkaufte Waren, um Ihre Umsätze und Kosten zu belegen.
  • Aufzeichnungen über Betriebsausgaben und -einnahmen, auch wenn Sie keine formelle Buchführung haben.

Diese Dokumente helfen dem Gericht zu sehen, wie Ihr Einkommen vor dem schädigenden Ereignis typischerweise ausgesehen hat.

Belege für konkrete verlorene Geschäftsmöglichkeiten

Neben der allgemeinen Geschäftsentwicklung ist es entscheidend, konkrete entgangene Geschäfte oder Aufträge aufzuzeigen. Hierfür sind Dokumente nützlich, die beweisen, dass diese Geschäfte mit hoher Wahrscheinlichkeit zustande gekommen wären.

Relevant sind beispielsweise:

  • Angebote und Kostenvoranschläge, die Sie abgegeben haben und die wegen des Ereignisses nicht angenommen werden konnten.
  • Vertragsentwürfe oder Vorverträge, die kurz vor dem Abschluss standen.
  • Korrespondenz mit Kunden (E-Mails, Briefe), die das Interesse an Ihren Produkten oder Dienstleistungen belegen.
  • Bestellungen oder Auftragsbestätigungen, die storniert werden mussten.
  • Marketing- oder Projektpläne, die zeigen, wie neue Einnahmen generiert werden sollten.

Wenn Sie zum Beispiel nachweisen können, dass Sie in der Vergangenheit regelmäßig ähnliche Aufträge erhalten haben und auch dieses Mal die Chancen sehr gut standen, ist das ein starkes Indiz.

Marktdaten und Expertenmeinungen zur Zukunftsprognose

Da es um einen Gewinn geht, der in der Zukunft entgangen ist, sind auch Faktoren wichtig, die die Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen Erfolgs untermauern. Das kann schwieriger sein, aber auch hier gibt es hilfreiche Anhaltspunkte:

  • Marktanalysen oder Branchenberichte, die ein positives Wachstum oder eine hohe Nachfrage für Ihre Produkte oder Dienstleistungen aufzeigen.
  • Sachverständigengutachten, die die erwartete Entwicklung Ihres Unternehmens oder die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Geschäfts bewerten.
  • Vergleichsdaten von ähnlichen Unternehmen in Ihrer Branche, die erfolgreich waren.
  • Ihre eigene Geschäftsentwicklung vor dem schädigenden Ereignis, wenn diese einen Aufwärtstrend zeigte.

Die Bedeutung von „Anhaltspunkten“ und der gerichtlichen Schätzung

Ein Gericht kann bei der Bemessung des entgangenen Gewinns oft nicht auf exakte Zahlen zurückgreifen, da eine hundertprozentige Beweisführung unmöglich ist. Das Gesetz (speziell § 287 der Zivilprozessordnung) erlaubt dem Gericht daher, eine Schätzung vorzunehmen, wenn es sich um einen Schaden handelt, der nicht genau beziffert werden kann.

Für Sie bedeutet das: Es geht darum, dem Gericht möglichst viele und überzeugende „Anhaltspunkte“ zu liefern. Diese Anhaltspunkte sollten plausibel und widerspruchsfrei sein und eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür aufzeigen, dass Ihnen der Gewinn tatsächlich entgangen ist. Das Gericht wird dann unter Würdigung aller Umstände – also Ihrer vorgelegten Unterlagen und Erklärungen – eine realistische Höhe des entgangenen Gewinns festlegen. Je umfassender und schlüssiger Ihre Unterlagen sind, desto fundierter kann diese Schätzung erfolgen.


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Muss ich meinen Schaden aktiv minimieren, damit ich meinen entgangenen Gewinn geltend machen kann?

Ja, grundsätzlich sind Sie dazu verpflichtet, den Schaden, der Ihnen entstanden ist, so gering wie möglich zu halten. Diesen Grundsatz nennt man im deutschen Recht Schadensminderungspflicht. Er ist entscheidend, wenn Sie einen Anspruch auf Ersatz Ihres entgangenen Gewinns haben.

Was bedeutet Schadensminderungspflicht?

Die Schadensminderungspflicht besagt, dass Sie nach einem schädigenden Ereignis nicht tatenlos zusehen dürfen, wie sich der Schaden unnötig vergrößert. Vielmehr müssen Sie angemessene Maßnahmen ergreifen, um den Schaden zu begrenzen oder ganz zu vermeiden. Wenn Sie dies nicht tun und der Schaden sich dadurch vergrößert, kann die Gegenseite (zum Beispiel eine Versicherung) argumentieren, dass Sie für den Teil des Schadens, der hätte vermieden werden können, keine Entschädigung erhalten sollen. Dies ist besonders relevant für den entgangenen Gewinn, da dieser oft von Ihren eigenen Handlungen nach dem Schadenereignis abhängt.

Welche Maßnahmen sind denkbar?

Die Maßnahmen, die von Ihnen erwartet werden, hängen stark vom Einzelfall ab und müssen zumutbar sein. Es geht darum, dass Sie sich so verhalten, wie es ein vernünftiger Mensch in Ihrer Situation getan hätte, um den Schaden zu begrenzen.

Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Ihr Firmenwagen fällt durch einen Unfall aus und Sie können dadurch Aufträge nicht ausführen, was zu entgangenem Gewinn führt. Von Ihnen könnte erwartet werden:

  • Die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs, um die Lieferungen oder Kundenbesuche weiterhin durchführen zu können.
  • Die Umverteilung von Aufträgen an andere Mitarbeiter oder Partner, sofern dies möglich ist, um die Ausfallzeiten zu minimieren.
  • Die intensive Suche nach Ersatzteilen oder einer schnelleren Reparaturmöglichkeit, falls dies den Ausfall verkürzen kann.

Es wird von Ihnen nicht erwartet, dass Sie unverhältnismäßig hohe Kosten auf sich nehmen oder Risiken eingehen, die jenseits des Normalen liegen. Es geht um das Bemühen, den Schaden so gering wie möglich zu halten.

Wer muss beweisen, dass die Pflicht verletzt wurde?

Die Beweislast dafür, dass Sie Ihre Schadensminderungspflicht verletzt haben, liegt bei der Gegenseite. Das bedeutet: Wenn die Versicherung oder der Verursacher des Schadens behauptet, Sie hätten den Schaden nicht ausreichend minimiert, muss diese Partei beweisen, dass Sie trotz zumutbarer Maßnahmen den Schaden hätten kleiner halten können. Für Sie bedeutet das, dass Sie in der Regel nicht beweisen müssen, dass Sie alles getan haben. Es ist Sache der Gegenseite darzulegen, was Sie unterlassen haben und welche konkreten positiven Auswirkungen diese Maßnahme gehabt hätte. Trotzdem ist es für Sie von Vorteil, wenn Sie Ihre Bemühungen zur Schadensminderung dokumentieren können.


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Wann wird ein Gutachten benötigt, um den entgangenen Gewinn zu beweisen, und wann kann das Gericht auch ohne Gutachten schätzen?

Die richterliche Schätzung nach § 287 Zivilprozessordnung

Der Nachweis eines entgangenen Gewinns ist oft eine Herausforderung, da es sich um Einnahmen handelt, die nie erzielt wurden. Das deutsche Recht kennt hierfür eine spezielle Regelung: § 287 der Zivilprozessordnung (ZPO). Dieser Paragraph ermöglicht es dem Gericht, die genaue Höhe eines Schadens – wie den entgangenen Gewinn – zu schätzen, wenn ein exakter Beweis schwierig oder unmöglich ist.

Für Sie bedeutet das: Das Gericht muss den entgangenen Gewinn nicht auf den Cent genau ermitteln. Es darf eine realistische Einschätzung vornehmen. Doch diese Schätzung darf nicht willkürlich sein. Das Gericht benötigt immer eine ausreichende Grundlage („Anknüpfungstatsachen“) für seine Schätzung. Dies können zum Beispiel frühere Geschäftszahlen, Marktanalysen, branchenübliche Gewinne oder Aussagen von Zeugen sein.

Wann das Gericht ohne ein Gutachten schätzen kann

Ein Gericht kann den entgangenen Gewinn oft auch ohne die Beauftragung eines Sachverständigen schätzen. Dies ist typischerweise der Fall, wenn:

  • Ausreichende Anhaltspunkte im Prozess vorhanden sind: Wenn bereits detaillierte Geschäftsbücher, frühere Auftragsdaten, Vergleichsangebote oder andere konkrete Fakten vorliegen, die eine glaubwürdige Schätzung ermöglichen. Das Gericht kann dann diese vorhandenen Informationen nutzen, um den Schaden zu überschlagen.
  • Die Berechnung vergleichsweise einfach ist: Wenn die Höhe des entgangenen Gewinns aus wenigen, nachvollziehbaren Zahlen abgeleitet werden kann und keine komplexen betriebswirtschaftlichen Analysen erforderlich sind.
  • Die Kosten eines Gutachtens unverhältnismäßig wären: Insbesondere bei geringeren Streitwerten oder überschaubaren Gewinnverlusten kann es sein, dass die Kosten für ein umfangreiches Sachverständigengutachten in keinem angemessenen Verhältnis zum potenziellen entgangenen Gewinn stünden. In solchen Situationen wird das Gericht eher auf eine Schätzung basierend auf den vorhandenen Daten zurückgreifen. Stellen Sie sich vor, es geht um den entgangenen Gewinn aus einem einzelnen, kleinen Auftrag – hier wäre ein aufwendiges Gutachten oft nicht wirtschaftlich.

Wann ein Gutachten notwendig oder sehr sinnvoll ist

Ein Sachverständigengutachten wird in der Regel dann notwendig oder zumindest sehr sinnvoll, wenn der Fall besonders komplex ist oder die vorhandenen Informationen für eine sichere Schätzung nicht ausreichen:

  • Komplexe betriebswirtschaftliche Zusammenhänge: Wenn der entgangene Gewinn durch viele unterschiedliche Faktoren beeinflusst wird, die spezielle Fachkenntnisse erfordern. Dies können komplizierte Marktanalysen, Prognosen zukünftiger Entwicklungen, die Bewertung spezieller Produktionsabläufe oder komplexe Preismodelle sein. Ein Richter hat selten die spezialisierte Expertise, um solche Zusammenhänge eigenständig zu beurteilen. Ein Sachverständiger kann hierbei helfen, die genaue Höhe des Schadens fundiert zu ermitteln.
  • Mangelnde oder widersprüchliche Grundlagen: Wenn die Parteien selbst keine ausreichenden oder nur sehr vage Anhaltspunkte für die Berechnung des entgangenen Gewinns liefern können oder die vorliegenden Informationen unklar oder widersprüchlich sind. Ein neutrales Expertenurteil kann dann eine verlässliche Basis für die gerichtliche Entscheidung schaffen.
  • Hoher Streitwert: Je höher der potenziell entgangene Gewinn ist, desto genauer und nachvollziehbarer muss die Berechnung in der Regel sein. Bei großen Summen wird das Gericht selten eine Schätzung ohne eine fundierte, externe Expertenmeinung vornehmen wollen, um eine gerechte und gut begründete Entscheidung zu gewährleisten. Für Sie bedeutet das: Bei größeren Verlusten ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass das Gericht ein Gutachten anordnet, um eine solide Grundlage für die Entscheidung zu haben.

Das Gericht hat einen Ermessensspielraum bei der Entscheidung, ob es schätzt oder ein Gutachten anordnet. Es berücksichtigt dabei immer, welche Informationen zur Verfügung stehen, wie komplex der Fall ist und welche Bedeutung der entgangene Gewinn im Gesamtstreit hat. Die Qualität der Informationen, die Sie dem Gericht vorlegen, spielt dabei eine wichtige Rolle.


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Welche Kosten werden bei der Berechnung des entgangenen Gewinns abgezogen?

Wenn ein Schaden entsteht und dadurch Gewinne verloren gehen, spricht man von entgangenem Gewinn. Dieser wird juristisch als Teil des Schadensersatzes betrachtet. Um den entgangenen Gewinn realistisch zu berechnen, zieht man von den potenziellen Einnahmen oder dem potenziellen Umsatz jene Kosten ab, die durch den Ausfall der Geschäftstätigkeit oder des Vorhabens nicht angefallen sind.

Dies ist wichtig, um zu verhindern, dass die geschädigte Person durch den Schadensersatz bessergestellt wird, als sie ohne den Schaden gewesen wäre. Der Schadensersatz soll den Zustand wiederherstellen, der ohne das schädigende Ereignis bestanden hätte. Man spricht hier auch von der Differenzhypothese: Es wird verglichen, wie sich Ihr Vermögen ohne den Schaden entwickelt hätte und wie es sich tatsächlich entwickelt hat. Die Differenz ist der Schaden.

Die grundlegende Formel zur Ermittlung des entgangenen Gewinns lautet somit:

Entgangener Gewinn = Potenzieller Umsatz oder potenzielle Einnahmen − ersparte Kosten

Welche Kosten können als „ersparte Kosten“ abgezogen werden?

Ersparte Kosten sind variable Aufwendungen, die direkt mit der Erzielung des entgangenen Gewinns verbunden gewesen wären, nun aber nicht mehr anfallen. Es sind also Ausgaben, die Sie sich durch den Ausfall der Tätigkeit gespart haben.

Hier einige Beispiele für typische ersparte Kosten:

  • Einkauf von Waren oder Material: Wenn ein Händler aufgrund eines Schadens Produkte nicht verkaufen konnte, hat er auch keine Ware dafür einkaufen müssen. Die Kosten für diesen Einkauf wären erspart.
  • Variable Transportkosten: Ein Spediteur, dessen LKW beschädigt wurde und der daher einen Auftrag nicht ausführen konnte, spart Treibstoff, Mautgebühren und den Verschleiß des Fahrzeugs für diese Fahrt.
  • Provisionszahlungen: Ein Vertriebsmitarbeiter, der aufgrund eines Problems keinen Abschluss erzielen konnte, muss demnach auch keine Provision an einen Untervermittler zahlen.
  • Löhne für temporär beschäftigtes Personal: Wenn für den entgangenen Auftrag zusätzliche, nur für diesen Zweck eingestellte Arbeitskräfte vorgesehen waren, deren Lohn nun nicht anfällt.
  • Spezifische Betriebskosten: Stromkosten für eine Maschine, die wegen eines Schadens stillsteht, wenn der Stromverbrauch direkt an deren Betrieb gekoppelt ist.
  • Marketing- und Werbekosten: Ausgaben, die spezifisch für die Akquise oder Durchführung des entgangenen Geschäfts vorgesehen waren und nun nicht mehr benötigt werden.

Wichtig zu beachten: Feste Kosten, die unabhängig vom Umsatz oder der Geschäftstätigkeit anfallen (z.B. Miete, Gehälter festangestellter Mitarbeiter, Versicherungsprämien), werden in der Regel nicht abgezogen, da sie trotz des Ausfalls weiterlaufen. Es werden nur die Kosten berücksichtigt, die tatsächlich aufgrund des Schadensereignisses nicht angefallen sind.

Dieses Vorgehen stellt sicher, dass der Schadensersatz fair und nachvollziehbar berechnet wird und die geschädigte Person genau den finanziellen Verlust ersetzt bekommt, den sie tatsächlich erlitten hat.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Juristisches Glossar: Symbolbild der Justitia mit Waage und Richterhammer.

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Entgangener Gewinn

Entgangener Gewinn bezeichnet den finanziellen Vorteil, den ein Unternehmen oder eine Person höchstwahrscheinlich gehabt hätte, wenn ein schädigendes Ereignis – etwa ein Unfall – nicht eingetreten wäre. Er umfasst also den Gewinn, der durch den Ausfall von Einnahmequellen verloren geht. Juristisch ist der entgangene Gewinn Teil des Schadensersatzes und wird oft nach der Differenzhypothese berechnet: Man vergleicht den hypothetischen Gewinn ohne Schaden mit der tatsächlichen Situation. Dabei müssen auch die ersparten Kosten berücksichtigt werden, um eine Überkompensation zu vermeiden (vgl. § 252 BGB).

Beispiel: Fällt aufgrund eines Unfalls ein LKW aus, kann das Unternehmen nicht liefern und erzielt daher keinen Umsatz – den entgangenen Gewinn kann es als Schaden geltend machen.


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Schadensminderungspflicht

Die Schadensminderungspflicht verlangt von dem Geschädigten, nach einem Schadenereignis alles Zumutbare zu unternehmen, um den Schaden gering zu halten. Das bedeutet konkret: Man darf nicht einfach abwarten und den Schaden weiter wachsen lassen, sondern muss beispielsweise versuchen, Ersatz zu beschaffen oder Aufträge umzudisponieren. Die Pflicht ist im BGB grundlegend verankert und spielt vor allem beim Schadensersatz eine Rolle. Verletzt der Geschädigte diese Pflicht, kann die Entschädigung entsprechend gekürzt werden.

Beispiel: Wenn ein Firmen-LKW ausfällt, sollte das Unternehmen prüfen, ob ein Mietwagen möglich ist, um Aufträge weiterhin ausführen zu können.


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Sachverständiger und Gutachten

Ein Sachverständiger ist ein Experte mit spezieller Fachkenntnis (z.B. Betriebswirt oder Fahrzeugexperte), der dem Gericht bei komplexen fachlichen Fragen hilft. Er erstellt ein Gutachten, also eine ausführliche, schriftliche Bewertung mit Meinungen und Berechnungen, die dem Gericht als Entscheidungsgrundlage dienen soll. In Schadensfällen wie der Berechnung des entgangenen Gewinns kann ein Gutachten helfen, eine sachgerechte Bewertung vorzunehmen, insbesondere wenn die Umstände kompliziert sind oder es an klaren Zahlen mangelt. Das Gericht hat aber das Ermessen, ob es ein Gutachten einholt oder selbst schätzt (§ 287 ZPO).

Beispiel: Bei strittigen Fragen zu den Fahrzeugkosten kann ein Gutachter genau ausrechnen, wie hoch die Kostenersparnis während der Ausfallzeit ist.


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§ 287 Zivilprozessordnung (ZPO) – Schätzung des Schadens

§ 287 ZPO erlaubt dem Gericht, einen Schaden zu schätzen, wenn eine genaue Ermittlung schwierig oder unmöglich ist und der Aufwand zur Beweisführung unverhältnismäßig hoch wäre. Dabei muss die Schätzung auf zuverlässigen Anhaltspunkten beruhen und nachvollziehbar sein; willkürliche Festsetzungen sind unzulässig. Gerade bei entgangenem Gewinn, der ohnehin auf Prognosen und Wahrscheinlichkeiten basiert, ist diese Vorschrift oft angewendet. Das Gericht kann auch ohne Sachverständigengutachten schätzen, wenn genügend konkrete Daten vorliegen.

Beispiel: Liegen frühere Geschäftszahlen oder Auftragsvergleiche vor, kann das Gericht den entgangenen Gewinn anhand dieser Informationen schätzen, ohne ein teures Gutachten einzuholen.


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Darlegungs- und Beweislast

Darlegungs- und Beweislast beschreibt die Verpflichtung der Prozessparteien, bestimmte Tatsachen vorzutragen (darlegen) und notfalls vor Gericht zu beweisen. Wer eine Behauptung aufstellt, muss dafür auch Beweise vorlegen. Im Schadensersatzverfahren liegt die Darlegungs- und Beweislast oft beim Anspruchsteller für die Entstehung und Höhe des Schadens. Allerdings muss die Gegenseite etwaigen Einwendungen, wie die Verletzung der Schadensminderungspflicht, darlegen und beweisen. Falls es um schwierige Beweisfragen geht, kann auch eine sogenannte sekundäre Darlegungslast entstehen, wonach die Partei, die besondere Kenntnis hat, zu bestimmten Tatsachen Auskunft geben muss.

Beispiel: Die Versicherung muss beweisen, dass das Unternehmen hätte einen Ersatz-LKW mieten können, um den Schaden kleiner zu halten, wenn sie diese Pflichtverletzung geltend macht.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 287 Zivilprozessordnung (ZPO): Diese Vorschrift erlaubt es dem Gericht, die Höhe eines Schadens zu schätzen, wenn eine genaue Ermittlung schwierig oder unverhältnismäßig kostspielig ist. Dabei muss das Gericht auf konkrete Anhaltspunkte zurückgreifen und eine realistische, nachvollziehbare Schätzung vornehmen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Oberlandesgericht stützte seine Berechnung des entgangenen Gewinns auf § 287 ZPO und bestätigte die Schätzung des Landgerichts als sachgerecht und nachvollziehbar, weil konkrete Daten vorhanden waren und ein Gutachten nicht zwingend nötig war.
  • § 252 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Regelt den Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns, der als Schadenersatz verlangt werden kann, wenn ein schuldhaft verursachter Schaden zu einem Verlust an erwarteten Einnahmen führt. Der Entschädigungsanspruch umfasst den Gewinn, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erzielt worden wäre. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das klagende Unternehmen berief sich auf § 252 BGB, um den Ersatz seines durch den LKW-Ausfall entgangenen Gewinns geltend zu machen.
  • Schadensminderungspflicht (Grundsatz aus §§ 254, 249 BGB): Verlangt vom Geschädigten, den Schaden möglichst gering zu halten, etwa durch Einsatz von Ersatzmitteln. Kommt der Geschädigte dieser Pflicht nicht nach, kann dies zu einer Kürzung des Ersatzanspruchs führen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung behauptete, das Unternehmen habe den Schaden nicht ausreichend gemindert, etwa durch einen Miet-LKW, doch diese Vorwürfe konnten nicht hinreichend bewiesen werden, sodass die Schadensminderungspflicht eine Minderung des Anspruchs nicht rechtfertigte.
  • Darlegungs- und Beweislastprinzip: Jede Partei muss die Tatsachen vortragen und beweisen, die ihre Anspruchs- oder Einwendungstheorie stützen. Bei der Schadensminderungspflicht liegt die Beweislast für eine Pflichtverletzung bei der Versicherung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung konnte keine konkreten Beweise für eine Verletzung der Schadensminderungspflicht vorlegen, daher blieben ihre Einwände erfolglos.
  • § 92 Absatz 2 Zivilprozessordnung (ZPO): Bestimmt die Teilung der Kosten des Rechtsstreits, wenn beide Parteien teilweise obsiegen oder unterliegen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da weder das Unternehmen noch die Versicherung vollständig Recht bekamen, wurden die Gerichtskosten geteilt, wobei die Versicherung den größeren Anteil tragen musste.
  • Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und Straßenverkehrsgesetz (StVG): Diese Regelungen betreffen die Haftung bei Verkehrsunfällen und die Verpflichtung der Versicherung, Schäden des Geschädigten zu ersetzen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Ersatzanspruch des Unternehmens richtete sich gegen die Versicherung des Unfallverursachers gemäß StVG und VVG; die Versicherung war verpflichtet, den dem Unternehmen entstandenen Schaden angemessen zu ersetzen.

Das vorliegende Urteil


OLG Nürnberg – Az.: 13 U 4537/19 – Endurteil vom 10.12.2020


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