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Zulässigkeit Teilurteil – Grundurteil muss auch über gestellten Feststellungsantrag entscheiden

OLG Frankfurt – Az.: 22 U 15/18 – Urteil vom 05.12.2019

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 8.12.2017 aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Verhandlung und Beweisaufnahme an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Gerichtsgebühren der Berufungsinstanz werden nicht erhoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Gegenstandswert für die Berufungsinstanz wird auf 88.862,42 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Schadensersatz wegen Mehrkosten aus Verzugsgründen und Feststellung weiterer Schäden in Anspruch, weil die Beklagte das von ihr zu erstellende Haus nicht bis zum 31.8.2015, wie vereinbart, fertiggestellt hat.

Die Kläger haben zum Nachweis des Verzugs verschiedene Privat-Sachverständigengutachten und Fotografien vorgelegt, deren genauer Inhalt und Zuordnung zwischen den Parteien streitig ist.

Die Kläger haben in der ersten Instanz bereits die Mehrkosten beziffert.

Das Landgericht hat ohne Beweisaufnahme der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Auf den Tatbestand wird hinsichtlich des Sach- und Streitstands erster Instanz und der dort gestellten Anträge Bezug genommen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass angesichts des Zustands des Hauses, wie aus den Privatgutachten und den Fotos ersichtlich, ein Verzug der Beklagten angesichts des fixen Fertigstellungstermins eindeutig sei. Lediglich die Höhe der Schadenspositionen sei streitig.

Hiergegen richtet sich die Beklagte mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der sie geltend macht, dass das Landgericht ihren Beweisanträgen und ihrem Vortrag nicht nachgekommen sei.

Sie sei nicht in Verzug gewesen. Die Fertigstellung des Gebäudes habe sich durch Schlechtwetterphasen verzögert. Außerdem hätten die Kläger die Rechnung vom 28.9.2015 nicht bezahlt, weshalb sie dazu berechtigt gewesen sei, weitere Arbeiten einzustellen. Im Übrigen habe es sich um geringfügige Mängel gehandelt, die bei der weiteren Bauausführung beseitigt worden wären und teilweise auch nach dem ersten Ortstermin beseitigt worden seien.

Soweit die Kläger sich auf unzulässige Elektroinstallationen beziehen würden, hätten sie diese direkt mit dem Elektroinstallateur vereinbart, die Beklagte sei darin nicht involviert gewesen. Aus der Baubeschreibung ergebe sich, dass der Keller innenseitig nicht verputzt werden sollte und auch keine Elektroinstallation vereinbart gewesen sei.

Die Beklagte rügt weiter, dass das Landgericht dem Feststellungsantrag insgesamt stattgegeben habe, obwohl auch insoweit entsprechende Mängel hätten festgestellt werden müssen.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und machen geltend, dass die Beklagte weder eine Zahlungsfrist für die Abschlagszahlung gesetzt noch die vereinbarte Vertragserfüllungsbürgschaft verlängert habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands zweiter Instanz wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und die Erörterung in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat vorläufig Erfolg.

Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO, soweit das Landgericht zu ihrem Nachteil entschieden hat.

1.

Das Landgericht hat über den geltend gemachten Feststellungsantrag nicht entschieden. Das führt zur Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen und stellt einen in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannten Fall eines unzulässigen Grund- und Teilurteils dar (BGH NJW 2009, 2814; NJW 2003, 2380; NJW 2001; 155; Musielak/Voit/Musielak, ZPO, 14. Aufl., § 304 Rn. 26; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 301 Rn. 7).

Ein Grundurteil kann danach nicht ergehen, wenn mit einer Leistungsklage auf bezifferten Schadensersatz zugleich ein Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz eines weitergehenden Schadens geltend gemacht wird. Denn über einen Feststellungsantrag kann nicht durch Grundurteil entschieden werden. Ergeht in dieser Konstellation nicht zugleich ein (Teil-) Endurteil über den Feststellungsantrag, sind einander widersprechende Entscheidungen zu besorgen, weil nicht absehbar ist, ob im weiteren Verfahren bei einer anstehenden Entscheidung über den Feststellungsantrag eine abweichende Beurteilung über den Haftungsgrund vorgenommen wird.

Der Senat kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass das Landgericht eine Entscheidung über den Feststellungsantrag treffen wollte. Der vom Landgericht verkündete Tenor seiner Entscheidung enthält dazu keine Aussage. Eine solche kann auch nicht darin gesehen werden, dass das Landgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat. Ein Grundurteil im Sinne von § 304 ZPO scheidet nämlich bei einem Feststellungsantrag seinem Wesen nach aus (BGH NJW-RR 1992, 531). Deshalb kann eine Entscheidung zum Grund einer Leistungsklage nicht als stattgebendes Urteil bezüglich des gleichzeitig gestellten Feststellungsantrags ausgelegt werden.

Dafür enthält das landgerichtliche Urteil auch unter Berücksichtigung der zur Beurteilung ergänzend heranzuziehenden Entscheidungsgründe keine ausreichenden Anhaltspunkte. Diese könnten allenfalls darin gesehen werden, dass das Landgericht Ausführungen zur Zulässigkeit des Feststellungsantrages im Hinblick auf das zu verlangende Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO und zur Klagehäufung gemacht hat. Gleichwohl enthalten die Entscheidungsgründe im Rahmen der angestellten Begründetheitsprüfung keinerlei Ausführungen zu dem gestellten Feststellungsantrag. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Landgericht dem Feststellungsantrag ganz oder teilweise stattgeben und nicht nur eine hinsichtlich des Feststellungsantrages nicht mögliche Entscheidung zum Grund der Klage einschließlich des Feststellungsantrages treffen wollte (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 14. März 2017 – 24 U 46/16 -, Rn. 28 – 30, juris).

Dass bzgl. des Feststellungsantrages wiederum ein Teilendurteil vorliegen sollte, ist ebenso wenig ersichtlich. Dagegen spricht bereits die Überschrift des Ersturteils. Von einem (Teil-)Endurteil ist darin keine Rede. Dagegen spricht weiterhin auch der Wortlaut des Tenors, welcher die bei einem Feststellungsurteil übliche Formulierung: „Es wird festgestellt, dass…“ vermissen lässt.

Indem das Erstgericht über die Leistungsanträge per Grundurteil entschieden hat, eine Entscheidung über den Feststellungsantrag aber noch aussteht, besteht die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen.

Richtigerweise hätte das Landgericht nur ein Teil-End- und Teil-Grundurteil erlassen dürfen, mit welchem über die Leistungsanträge in Form eines Teilgrundurteils und über den Feststellungsantrag abschließend, in Form eines Teilendurteils, zu entscheiden gewesen wäre (OLG München 12.1.18 – 10 U 1616/17 -).

2.

Die Aufhebung des Ersturteils und Zurückverweisung stellt bei unzulässigen Teilurteilen i.S.d. § 538 II 1 Nr. 7 ZPO den Regelfall dar (vgl. auch Heßler in Zöller, § 538, Rdnr. 55 m.w.N.). Zwar hat die Beklagte hilfsweise die Aufhebung beantragt. Dieses Antrages hätte es aber gem. § 538 II 3 ZPO im hier vorliegenden Falle des § 538 II 1 Nr. 7 ZPO nicht bedurft.

3.

Es kann deshalb nicht in der Sache entschieden werden.

Der Senat gibt aber folgende Hinweise: Das Landgericht durfte zwar nicht ohne förmliche Beweisaufnahme feststellen, dass Verzug der Beklagten hinsichtlich der Fertigstellung vorlag. Das Landgericht hätte sich insoweit mit der Frage der Abschlagsrechnung und auch der Schlechtwetter-Verzögerung und dem weiteren Vortrag der Beklagten auseinandersetzen müssen, um ein Verschulden der Beklagten bejahen zu können. Auch war der Umfang der Mängel und ihre Verantwortlichkeit zwischen den Parteien streitig und hätte bereits für die Feststellung dem Grunde nach aufgeklärt werden müssen.

Allerdings kann bereits auf der Basis des unstreitigen Vortrags der Parteien vorliegend angenommen werden, dass die Kündigung der Kläger aller Voraussicht nach berechtigt gewesen sein dürfte.

In der gesamten Akte und dem Vortrag der Parteien findet sich bisher kein Schriftstück der Beklagten, in dem diese eine Verzögerung des Baus wegen Schlechtwettertagen oder fehlender Mitwirkung der Kläger geltend macht. Die Abschlagsrechnung hinsichtlich der Fenster enthält ebenfalls keinen weiteren Inhalt dergestalt, dass die Durchführung der Arbeiten von der Bezahlung abhängig gemacht wurde.

Die Beklagte hat sich auch nicht gegen die Mahnungen und Fristsetzungen der Kläger, die immerhin über 4 Monate gingen, gewandt und hat insoweit auch keine Einreden erhoben. Sie ist auch auf das Angebot der Kläger zur Vertragsaufhebung nicht eingegangen.

Deshalb erscheint dem Senat, vorbehaltlich einer weitergehenden Aufklärung durch Beweisaufnahme, die Kündigung als berechtigt, da weder zum 31.8.2015 noch zum Zeitpunkt der Kündigung eine Fertigstellung des Gebäudes im Sinne des Bauvertrags (schlüsselfertig ohne Wand- und Bodenbeläge) vorlag. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich auch aus den vorgelegten Fotografien. Dabei kommt es nicht darauf an, welche Arbeiten von der Beklagten im Einzelnen geschuldet wurden, da auch nach ihrer Darstellung jedenfalls die von ihr geschuldeten Arbeiten nicht vollständig erbracht worden waren.

Der Senat weist nur vorsorglich darauf hin, dass nach der Baubeschreibung für den Keller kein Innenputz und auch keine Elektro-Verkabelung vorgesehen war.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Des Ausspruches einer Abwendungsbefugnis bedarf es nicht, da das Urteil des Senats keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Die Gerichtskosten der Berufungsinstanz sind gemäß § 21 GKG nicht zu erheben, da sie bei richtiger Sachbehandlung nicht angefallen wären.

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