Bundesgerichtshof
Az: AnwZ (Brfg) 15/14
Beschluss vom 22.05.2014
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13. Dezember 2013 wird abgelehnt.
Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 25.000 € festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Ihre Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
Der nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin der Sache nach geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO) liegen nicht vor. Es bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils noch ist dem Anwaltsgerichtshof ein entscheidungserheblicher Verfahrensfehler unterlaufen.
1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 16. April 2007 – AnwZ (B) 6/06, ZVI 2007, 619 Rn. 5; vom 29. Juni 2011 – AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 4 und vom 21. März 2013 – AnwZ (Brfg) 53/12 juris Rn. 4). Der Vermögensverfall wird gesetzlich vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 882b ZPO) eingetragen ist. Hierbei ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Widerrufs infolge des ab 1. September 2009 geltenden Verfahrensrechts auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens – hier Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 1. Juli 2013 -abzustellen; danach eingetretene Entwicklungen bleiben der Beurteilung in einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011, aaO Rn. 9 ff.; vom 28. Oktober 2011- AnwZ (Brfg) 20/11, NZI 2012, 106 Rn. 7 und vom 14. November 2013 – AnwZ (Brfg) 65/13, juris Rn. 5).
a) Der Anwaltsgerichtshof, auf dessen Begründung der Senat ergänzend Bezug nimmt, hat zutreffend dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO am 1. Juli 2013 vorgelegen haben. Die Klägerin hat im Zuge einer Zwangsvollstreckung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in B. (4 ) beim Amtsgericht S. am 22. Februar 2013 die eidesstattliche Versicherung abgegeben und ist seither im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Diesen Umstand kann die Klägerin nicht dadurch entkräften, dass sie es als „sittenwidrig“ rügt, wenn „unter Kollegen“ die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verlangt werde, obwohl das Versorgungswerk wisse, dass bei ihr nichts zu holen sei. Das Versorgungswerk hat insoweit lediglich von den ihm gesetzlich zustehenden Rechten als Gläubiger Gebrauch gemacht.
Die aus der Eintragung im Schuldnerverzeichnis resultierende Vermutung des Vermögensverfalls hat die Klägerin nicht widerlegt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Beschlüsse vom 4. April 2012 – AnwZ (Brfg) 1/12, juris Rn. 3; vom 9. Juli 2013 – AnwZ (Brfg) 22/13, juris Rn. 4; vom 14. November 2013, aaO Rn. 4 und vom 18. November 2013 – AnwZ (Brfg) 63/13, juris Rn. 4) muss ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, zur Widerlegung der Vermutung ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und dartun, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind. Dies hat die Klägerin, obwohl sie bereits die Beklagte hierzu aufgefordert hatte, nicht getan. Im Übrigen bestätigt der eigene Vortrag der Klägerin den Vermögensverfall, denn sie hat eingeräumt, nicht einmal zur Zahlung der monatlichen Mindestbeiträge beim Versorgungswerk in der Lage zu sein. Soweit die Klägerin in ihrer Zulassungsbegründung vom 15. März 2014 angegeben hat, sie sei aufgrund ihrer schlechten Gesundheit insbesondere im letzten Jahr nicht dazu gekommen, ihre finanziellen Angelegenheiten zu regeln, spielt dies keine Rolle. Der Vermögensverfall muss nicht verschuldet sein (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 21. Juni 1999 – AnwZ (B) 88/98, BRAK-Mitt. 1999, 270, 271 und vom 9. Juli 2013 – AnwZ (Brfg) 25/13, juris Rn. 3). Im Übrigen ist die Klägerin nicht erst seit dem letzten Jahr, sondern bereits seit Januar 2011 dem Versorgungswerk gegenüber mit den monatlichen Beiträgen in Rückstand.
b) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2004 – AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511; vom 31. Mai 2010 – AnwZ (B) 54/09, juris Rn. 6 und vom 24. Mai 2013 – AnwZ (Brfg) 15/13, juris Rn. 5). Hierfür trägt der Rechtsanwalt die Feststellungslast (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2010 – AnwZ (B) 67/08, BRAK-Mitt. 2010, 129 Rn. 11; vom 5. September 2012 – AnwZ (Brfg) 26/12, NJW-RR 2013, 175 Rn. 5 und vom 24. Mai 2013, aaO). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die „Eidesstattliche Versicherung“ der Klägerin, „nie wieder über Fremdgelder meiner Mandantschaften auf meinem Konto zu verfügen wollen + werden“, ist nicht geeignet, eine solche Ausnahme zu begründen. Die Klägerin ist als Einzelanwältin tätig und kann von daher nicht daraufhin überwacht werden, ob sie selbst auferlegte Beschränkungen hinsichtlich der Annahme von Fremdgeld einhält (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 31. Mai 2010, aaO Rn. 8; vom 15. März 2012 – AnwZ (Brfg) 55/11, juris Rn. 10; vom 14. November 2013, aaO Rn. 6 und vom 18. Januar 2014 – AnwZ (Brfg) 53/13, juris Rn. 6).
c) Die gesetzliche Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO steht auch im Einklang mit Art. 3, 12 GG und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 9. Juli 2013, aaO Rn. 6 und vom 11. Februar 2014 – AnwZ (Brfg) 79/13, juris Rn. 3; siehe auch BVerfG, NJW 2005, 3057 zur Parallelregelung in § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO). Die Rüge der Klägerin, es sei diskriminierend, den Anwaltsberuf wegen Armut zu verlieren, greift insoweit nicht durch.
2. Zu Unrecht beanstandet die Klägerin, dass der Anwaltsgerichtshof das Verfahren durch Urteil abgeschlossen habe, statt den Ausgang des von ihr zwischenzeitlich eingeleiteten sozialgerichtlichen Verfahrens abzuwarten, in dem die Klägerin von den Sozialkassen die Übernahme der rückständigen und laufenden Beiträge beim Versorgungswerk erstreiten möchte. Auf dieses Verfahren kommt es bereits deshalb nicht an, da maßgeblich – siehe oben II 1 – der 1. Juli 2013 ist und Entwicklungen danach der Beurteilung in einem etwaigen Wiederzulassungsverfahren vorbehalten sind. Gleiches gilt auch insoweit, als die Klägerin gegenüber dem Anwaltsgerichtshof das Ruhen des Verfahrens zusätzlich auch deshalb beantragt hat, weil sie sich einer „REHA zu burn out“ unterziehen wolle, von der sich die Klägerin eine Stabilisierung ihrer persönlichen und dann auch finanziellen Verhältnisse erhoffe.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 2 BRAO.