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Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers an unstreitigen Provisionsanspruch

LAG Mainz

Az: 6 Sa 588/11

Urteil vom 24.02.2012


Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach vom 04.08.2011 – 11 Ca 387/11 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

In dem Rechtsstreit geht es um die Frage, ob dem in Anspruch genommenen Arbeitgeber ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber einem unstreitigen Provisionsanspruch zusteht.

Der Kläger, der bis zum 31. Juli 2008 Inhaber des von der Beklagten übernommenen …………gewesen ist, wurde in der Zeit vom 01. August bis zum 15. Mai 2010 als Orthopädie-Schuhmachermeister auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages beschäftigt. Seine Vergütung setzte sich aus der monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 3.800,– €, sowie einer Provision von 1 % bezogen auf den Nettoumsatz der Filiale zusammen. Die Abrechnung der Provision erfolgte jeweils zum 30. Juni und 31. Dezember eines jeden Jahres. Der Provisionsanspruch betrug entsprechend einer Bestätigung der Wirtschaftsprüfungsgesellschatt-Steuerberatungsgesellschaft…………., vom 21. Oktober 2010 (Bl. 6 d. A.) unstreitig 3.885,97 €.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Bad Kreuznach vom 14. Juli 2009 wurden die Geschäftsräume der Beklagten in der Filiale durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt. Gegen den Kläger wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ihm wird zur Last gelegt, zum Nachteil der ….und anderen gesetzlichen Krankenkassen Schuhe und Einlagen als Maßanfertigung abgerechnet zu haben, obwohl es sich um Konfektionsschuhe und Konfektionseinlagen handeln soll. Das Ermittlungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Die nimmt den Kläger von dem Amtsgericht D für den Zeitraum 2007 und 2008 auf Zahlung in Höhe von 4.822,99 € in Anspruch.

Mit der am 06. Mai 2011 erhobenen Klage hat der Kläger den unstreitigen Provisionsanspruch verfolgt.

Der Kläger hat erstinstanzlich beanstandet, der Beklagten stünde kein Zurückbehaltungsrecht an der Provision zu. Die Mutmaßung der Beklagten, sie würde vielleicht irgendwanneinmal von Dritten in erheblicher Höhe in Anspruch genommen werden, sei durch nichts substantiiert. Ihr stünde auch kein fälliger Anspruch gegen ihn aus dem Arbeitsverhältnis zu, da ihr aufgrund des gegen ihn – den Kläger – geführten Ermittlungsverfahrens bisher kein Schaden entstanden sei.

Der Kläger hat demgemäß erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.885,97 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 30.11.2010 zu zahlen und über die gezahlte Vergütung ordnungsgemäße Abrechnung zu erteilen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich u. a. Klageabweisung beantragt und vorgetragen, es stünde zu erwarten, dass die Krankenkassen nicht nur beim Kläger, sondern auch bei ihr, bei der er beschäftigt gewesen sei, Regress nähmen. Es sei zu befürchten, dass sie zivilrechtlich durch die A und andere Geschädigte in die Verantwortung gezogen würde, da sie als Arbeitgeberin des Klägers unter Umständen auch im Falle ihrer Nichtkenntnis nach außen hin für strafrechtlich relevantes Verhalten des Klägers, welches zum Schaden bei einem Dritten geführt habe, haften müsse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 04.08.2011 – 11 Ca 387/11 – (Seite 2 – 5 = Bl. 43 – 46 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag entsprochen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, für die Kammer sei nicht erkennbar, dass ein fälliger Gegenanspruch bestünde. Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe nicht dargetan, aufgrund welcher Voraussetzungen ein Regressanspruch tatsächlich gegeben sein sollte. Nach den beigezogenen Strafakten ginge es um einen Abrechnungsbetrug seit 01.01.2004, mithin um einen Zeitraum, in welchem der Kläger das Sanitätshaus auch selbständig geführt habe. Es könne nicht festgestellt werden, dass dieser Zeitraum in die Phase hineinfalle, in welcher der Kläger bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen befänden sich in der Aufklärungsphase. Aus der Strafakte ergäbe sich, dass ein Sachverständigengutachten eingeholt werden soll. Auch nach § 242 BGB bestünde kein Leistungsverweigerungsrecht. Auch wenn es insoweit nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 273 BGB ankäme, müsse jedoch zumindest feststehen, dass grundsätzlich ein zivilrechtlicher Schadenersatzanspruch der von einem Abrechnungsbetrug betroffenen Krankenkasse gegen die Beklagte bestünde, weil er auf ein Verhalten des Klägers als Erfüllungsgehilfe zurückzuführen sei.

Gegen das der Beklagten am 23. September 2011 zugestellte Urteil richtet sich deren am 18. Oktober 2011 eingelegte und am 23. November 2011 begründete Berufung.

Die Beklagte bringt zweitinstanzlich vor, ihr müsse angesichts der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach wegen Abrechnungsbetrugs ausnahmsweise ein vorläufiges Zurückbehaltungsrecht, wie es ausnahmsweise vom BGH (NJW-RR 86, 543) anerkannt würde, zustehen. Sie, die Beklagte, müsse mit Regressforderungen rechnen.

Die Beklagte hat zweitinstanzlich beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 04.08.2011 – 11 Ca 387/11 – zugestellt am 23.09.2011, wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat Zurückweisung

der Berufung beantragt und erwidert, der Vortrag der Beklagten beruhe auf Spekulation. Die Entscheidung des BGH stelle auf den Sonderfall eines gesellschaftsrechtliche Ausgleichsanspruchs ab und sei nicht vergleichbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 23. November 2011 (Bl. 73 – 74 d. A.) hinsichtlich der Berufungsbeantwortung auf den Schriftsatz des Klägers vom 30. Dezember 2011 (Bl. 85 – 86 d. A.) und die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 24. Februar 2012 (Bl. 89 ff d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Rechtsmittel der Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft.

Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt, sowie begründet worden und damit insgesamt zulässig.

II. Das Arbeitsgericht ist in dem angefochtenen Judikat vom 04. August 2011 – 11 Ca 387/11 – zu Recht zur Auffassung gelangt, dass dem Kläger der – unstreitige – Provisionsanspruch in Höhe von 3.885,97 € brutto nebst Zinsen zusteht und hierüber Abrechnung zu erteilen ist.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den diesbezüglich begründenden Teil des angefochtenen Urteils Bezug, stellt dies ausdrücklich fest und sieht hier unter Übernahme der Entscheidungsgründe von einer wiederholenden Darstellung ab.

III. Soweit die Berufung die Auffassung vertritt, ihr müsse angesichts der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach wegen Abrechnungsbetrugs ausnahmsweise ein vorläufiges Rückbehaltungsrecht auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH (NJW RR 86, 543) zustehen, vermag dem die Berufungskammer nicht zu folgen. Für die aufschiebende Einrede eines Zurückbehaltungsrechts bedarf es eines vollwirksamen und fälligen Gegenanspruches (vgl. Palandt, 70. Aufl., § 273 BGB Rz. 7). Die von der Beklagten angeführte Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 18.10.1985 V ZR 82/84) hat ein vorläufiges Zurückbehaltungsrecht bei noch nicht fälliger Gegenforderung für den Sonderfall eines gesellschaftsrechtlichen Ausgleichsanspruchs, der schon mit hoher Wahrscheinlichkeit feststeht, anerkannt. Selbst wenn man eine fallübergreifende abstrakte Aussage aus der vorerwähnten Entscheidung ableiten könnte, würde dies zur Folge haben, dass vorliegend auch eine aktuell drohende Inanspruchnahme der Beklagten zivilprozessual nachvollziehbar dargetan werden müsste.

Nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer war lediglich festzustellen, dass die .. den Kläger selbst vor dem Amtsgericht D über 4.822,99 € für Ansprüche aus der Zeit vor der Festanstellung des Klägers bei der Beklagten verfolgt.

Weitergehende Feststellungen zu einer hohen Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme der Beklagten waren in der Berufungskammer mangels näheren Sachvortrages nicht möglich.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

V. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

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