OLG Brandenburg – Az.: 7 W 106/22 – Beschluss vom 16.11.2022
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 11. Oktober 2022 aufgehoben, soweit er den auf Seite 7 des Urteils des Landgerichts vom 2. August 2022 bezogenen Antrag der Klägerin (Nr. VII – falsch nummeriert als zweite Nr. VI – in der Antragsschrift vom 19. August 2022, S. 6 = Bl. 564) zurückweist.
Insoweit wird die Sache an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen.
Gründe
Die Klägerin verfolgt mit ihrer sofortigen Beschwerde einen Tatbestandsberichtigungsantrag weiter, den das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen hat, weil es sich bei dem von der Klägerin beanstandeten Passus nicht um eine Unrichtigkeit des Tatbestandes handele, sondern um eine nach Ansicht der Klägerin unzutreffende Einordnung des Vortrages in den Entscheidungsgründen (S. 4 BA = Bl. Bl. 574).
Die dagegen gerichtete Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Sie ist statthaft, weil § 320 III 4 ZPO zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutz dahin einschränkend auszulegen ist, dass mit der sofortigen Beschwerde beanstandet werden darf, das Gericht habe sich mit der Frage der Unrichtigkeit des Tatbestandes in der Sache nicht befasst, weil es sich aus unrichtig verstandenen Gründen an der Sachentscheidung gehindert gesehen habe (vgl. Zöller-Feskorn, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 320 Rdnr. 17; Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 320 Rdnr. 10). Zur Überprüfung durch das Beschwerdegericht kann daher auch die Entscheidung des Gerichts gestellt werden, eine beanstandete Formulierung im Urteil gehöre nicht zum Tatbestand und könne deshalb nicht nach § 320 ZPO berichtigt werden. Die so begründete Zurückweisung eines Berichtigungsantrages befasst sich nicht mit der nicht überprüfbaren Frage, ob der Tatbestand richtig oder unrichtig gefasst sei, sondern allein mit der Zuordnung des beanstandeten Wortlauts zum Tatbestand oder zu anderen Teilen des Urteils.
Die Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Teils des Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Landgericht, damit es die Entscheidung über den Berichtigungsantrag nachholen kann. Dem Beschwerdegericht ist diese Entscheidung – wie § 320 III 2 ZPO zu entnehmen ist – verwehrt.
Das Landgericht hätte auch über den auf Seite 7 des Urteils vom 2. August 2022 bezogenen Antrag der Klägerin (Nr. VII – falsch numeriert als zweite Nr. VI – in der Antragsschrift vom 19. August 2022, S. 6 = Bl. 564) in der Sache entscheiden müssen. Die formale Zuordnung des beanstandeten Wortlauts zu den Entscheidungsgründen steht der Sachentscheidung über den Tatbestandsberichtigungsantrag nicht entgegen. Was der Beweiskraft nach § 314 S. 1 ZPO zugänglich ist, kann nach § 320 ZPO berichtigt werden – gleichviel, an welcher Stelle des Urteils es niedergeschrieben ist. Die Tatbestandsberichtigung bezieht sich auf den Tatbestand im materiellen Sinne, nicht auf einen bestimmten formal abgegrenzten Teil des Urteils. Im Berichtigungsverfahren kann geprüft werden, ob der an irgendeiner Stelle des Urteils referierte Parteivortrag richtig wiedergegeben worden ist. Was als vorgetragen ausgewiesen ist, gilt als vorgetragen (§ 314 S. 1 ZPO), und es ist auf den Antrag nach § 320 ZPO zu prüfen, ob es zutreffend ausgewiesen ist. Was die Klägerin als „Langzeitkorrektur“ bezeichnet, ist Inhalt ihres Vortrags. Ob das im Urteil als Parteivortrag beschriebene Verständnis des Begriffes dem Vortrag der Klägerin entspricht oder ob das im Urteil referierte Begriffsverständnis vom Vortrag der Klägerin abweicht und ob es auf ein Begriffsverständnis für die Entscheidung ankommt oder ob es sich um eine nicht tragende, irrelevante Wiedergabe des Parteivortrages handelt, ist Gegenstand des Tatbestandes und im Verfahren nach § 320 ZPO vom Gericht, nicht vom Beschwerdegericht, zu überprüfen.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht.
Weiterführende Informationen
Was ist ein Tatbestandsberichtigungsantrag?
Ein Tatbestandsberichtigungsantrag ist ein Antrag auf Berichtigung des Tatbestands eines gerichtlichen Urteils. Gemäß §320 ZPO kann ein solcher Antrag gestellt werden, wenn im Urteil Tatsachen unrichtig oder unvollständig wiedergegeben wurden oder wenn es inhaltliche Widersprüche oder unklare Stellen gibt. Der Antrag muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des vollständigen Urteils gestellt werden. Ein Tatbestandsberichtigungsantrag kann jedoch nur gestellt werden, wenn die zu berichtigende Feststellung entscheidungserheblich war und damit Einfluss auf das Urteil hatte. Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme durch einen unanfechtbaren Beschluss. Bei der Entscheidung wirken nur die Richter mit, die beim Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so entscheidet bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden oder bei dessen Verhinderung die Stimme des ältesten Richters.