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Zustandekommen eines außergerichtlichen Vergleichs durch E-Mail-Verkehr

OLG Frankfurt – Az.: 19 U 39/22 – Urteil vom 21.10.2022

Auf die Berufung des Beklagten zu 1) wird das am 20.01.2022 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main teilweise abgeändert und zur Klarstellung im Leistungsausspruch insgesamt neu gefasst, wie folgt:

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin Euro 5.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. September 2020 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Beklagten zu 1) und die Hilfsanschlussberufung der Klägerin werden zurückgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden aufgeteilt, wie folgt:

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten 2 hat die Klägerin zu tragen. Die übrigen Kosten haben die Beklagten zu 1) und die Klägerin zu je 50 % zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil im Umfang seiner Aufrechterhaltung sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Zusammenfassung

Maklerin klagt auf Erstattung von Aufwendungen aus einem Maklervertrag gegen Immobilienbesitzer. Die Klägerin und die Beklagten schlossen am 11. Januar 2019 einen Vertrag über einen Alleinauftrag für den Verkauf einer Immobilie. Am 15. März 2019 wurde der Vermittlungsauftrag für 18 Monate pausiert. Am 18. Juli 2020 teilte der Beklagte mit, dass die Immobilie auch während des Restjahres 2020 nicht verkauft werde. Die Klägerin bot ihm daraufhin eine reduzierte Aufwandpauschale in Höhe von 5.000,00 € an. Die Beklagten verweigerten die Zahlung. Das Landgericht gab der Klage teilweise statt, da der Beklagte zu 1) der Klägerin aus einem Vergleich eine Zahlung von 5.000 € schuldet. Der Anspruch auf Erstattung von vorgerichtlichen Anwaltskosten wurde ebenfalls bestätigt. Gegen das Urteil hat der Beklagte zu 1) Berufung eingelegt und die Klägerin hat Anschlussberufung gegen die Beklagte zu 2) sowie Hilfsanschlussberufung gegen die Beklagten hinsichtlich der Kostenentscheidung eingelegt.

Das Gericht hat entschieden, dass ein zwischen zwei Parteien am 23./24. Juli 2020 per E-Mail geschlossener Vergleich über 5.000 Euro rechtsverbindlich ist und nicht aufgrund einer Bedingung aufgehoben werden kann. Die Klage wurde vom Kläger eingereicht, der argumentierte, dass die Vereinbarung gültig und nicht von der Vermeidung eines Gerichtsverfahrens abhängig sei. Das Gericht akzeptierte diese Auslegung und stellte fest, dass der Zweck des Vergleichs darin bestand, einen ungewissen Rechtsstreit zu vermeiden, und dass die Parteien die Vereinbarung nicht geschlossen hätten, wenn sie geglaubt hätten, dass ein Gerichtsverfahren die Vereinbarung ungültig machen würde. Das Gericht argumentierte, dass beide Parteien ein Interesse an einer endgültigen Beilegung des Rechtsstreits hatten. Das Urteil hat Auswirkungen auf ähnliche Vereinbarungen, die im Wege der elektronischen Kommunikation getroffen werden können. Die Entscheidung des Gerichts beruhte auf der Auslegung einzelner Erklärungen und zeigt, wie solche Vereinbarungen im Lichte der Absichten beider Parteien ausgelegt werden. […]

Gründe

I.

Die Klägerin macht zuletzt Ansprüche aus einem außergerichtlichen Vergleich gegen die Beklagten als Gesamtschuldner geltend.

Die Klägerin ist Maklerin, die Beklagten sind Eigentümer einer Immobilie. Die Parteien schlossen am 11. Januar 2019 ein Vertrag über einen Alleinauftrag für den Verkauf der Immobilie der Beklagten (Anl. K5a – 5c, Anlagenband). Die vorformulierte Ziff. 6 des Maklervertrages regelte für den Fall, dass der Auftraggeber die Verkaufsabsicht aufgibt, dass dieser der Klägerin den konkreten Aufwand für diesen Auftrag zu erstatten hat. Bezüglich des Inhalts der Vereinbarung wird auf die Anl. K5a verwiesen, vgl. Anlagenband.

Am 15. März 2019 vereinbarten die Parteien per E-Mail, den Vermittlungsauftrag für 18 Monate pausieren zu lassen, vgl. Anlage K9, Anlagenband. Am 18. Juli 2020 teilte der Beklagte zu 1) der Klägerin telefonisch mit, wegen einer Erkrankung der Beklagten zu 2) die Immobilie auch während des Restjahres 2020 nicht verkaufen zu wollen. Daraufhin wandte sich die Klägerin mit E-Mail vom 23. Juli 2020 an den Beklagten zu 1) und bot ihm die Zahlung einer reduzierten Aufwandpauschale in Höhe von 5.000,00 € und deren vollständige Rückerstattung für den Fall der späteren Provisionserzielung an. Hinsichtlich des Wortlauts der E-Mail wird auf die Anlage K 10 verwiesen (Anlagenband). Der Beklagte zu 1) antwortete mit E-Mail vom 24. Juli 2020 (wegen des Inhalts wird auf Anlage K 11, Anlagenband, Bezug genommen). Die Klägerin übersandte dem Beklagten zu 1) mit E-Mail vom 28. Juli 2020 Grundrisse sowie eine Schnittzeichnung des Hauses und die Rechnung (Anlage K 12 und K 13, Anlagenband) sowie mit E-Mail vom 3. August 2020 eine abschließende Übersicht der Interessanten (Anlage K 14, Anlagenband). Die Beklagten verweigerten im Anschluss die Zahlung von 5.000,00 € an die Klägerin.

Mit der Klage hat die Klägerin die Beklagten als Gesamtschuldner erstinstanzlich auf Aufwendungsersatz für die ihr nach ihrer Behauptung konkret angefallenen Aufwendungen in Höhe von 7.484,18 € zuzüglich Nebenforderungen in Anspruch genommen und zunächst die Rechtsauffassung vertreten, dass eine wirksame Vereinbarung über die Zahlung von lediglich 5.000 € zwischen den Parteien nicht zustandegekommen sei.

Das Landgericht hat der Klage mit dem am 20. Januar 2022 verkündeten Urteil, Az. 2-14 O 189/21 (Bl. 119-124 der Akte) gegen den Beklagten zu 1) teilweise, in Höhe von 5.000 € stattgegeben und diesen Beklagten zu 1) des weiteren zur Zahlung von Verzugszinsen seit dem 25. September 2020 sowie vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 413,90 € verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Klage gegen die Beklagte zu 2) unbegründet sei. Der Beklagte zu 1) habe bei der Annahme des Angebots der Klägerin vom 23.7.2020 ausdrücklich im eigenen Namen gehandelt und seine Ehefrau nicht mitverpflichtet. Die Beklagte zu 2) hafte auch nicht aus anderen Gründen. Gegen den Beklagten zu 1) stehe der Klägerin lediglich ein Anspruch auf Zahlung i.H.v. 5000 € aus einem entsprechenden Vergleich zu, den die Klägerin und der Beklagte zu 1) durch ihren Austausch von E-Mails am 23. und 24. Juli 2020 geschlossen hätten. Der Beklagte zu 1) habe in seiner Antwort E-Mail vom 24. Juli 2020 erklärt, dass es sich um eine faire Lösung für beide Seiten handele und er nach Übersendung einer Rechnung den Betrag in Höhe von 5.000 Euro bis zum 24. September 2020 begleichen werde. Ferner habe er die von ihm zur Erfüllung des Vergleichs geforderte Gegenleistung, die Pläne, entgegengenommen. Der Vergleich sei formlos möglich gewesen. Er scheitere auch nicht an den von der Klägerin formulierten Bedingungen. Zwar habe die Klägerin das Angebot unter die Bedingung der fristgemäßen Zahlung und auch unter die Bedingung gestellt, den Anspruch nicht gerichtlich geltend machen zu müssen. Auch habe die Klägerin die Bedingung, den Anspruch gerichtlich geltend machen zu müssen durch Klageerhebung herbeigeführt. Jedoch könne sie sich auf § 162 Abs. 1 BGB berufen. Denn es liege in der Natur der Sache eines außergerichtlichen Vergleichs das er, soweit er nicht freiwillig erfüllt wird, gerichtlich geltend gemacht werden müsse. Dies sei einem Vergleich immanent. Dies sei dann aber keine auflösende Bedingung, sondern eine Folge eines geschlossen, aber nicht erfüllten Vergleichs.

Der über 5.000 € hinausgehende Klageantrag sei unbegründet, weil die Klägerin ebenso wie der Beklagte zu 1) an die Abrede gebunden sei, wonach der Beklagte zu 1) lediglich 5.000 € zu zahlen habe. Weitere Zahlungsansprüche bestünden nicht, insbesondere nicht aus § 284 BGB bzw. auf Grundlage von Ziff. 6 des Alleinvertrages i. V. m. § 652 Abs. 2 BGB. Den Vergleich habe der Beklagte zu 1) auch nicht wirksam angefochten. Die von ihm behauptete erhebliche Drucksituation, in der sich der Beklagte bedroht gefühlte und deshalb veranlasst gesehen habe, der Regulierungsvereinbarung zuzustimmen, sei von den Beklagten nicht in einer Weise dargetan worden, dass die Voraussetzungen des §§ 123 BGB erfüllt gewesen seien. Daher könne dahinstehen ob die Erklärungen im Schreiben vom 2. November 2020, Anlage B 1, Bl. 41 der Akte, überhaupt als Anfechtung einer Willenserklärung im Sinne der §§ 119, 123 BGB zu werten sein. Dort sei lediglich gesagt worden, dass das Angebot vom 23. Juli 2020 nicht angenommen worden sei und dass der Beklagte zu 1) sich unter Druck gesetzt bzw. sogar bedroht gefühlt habe. Eine Anfechtung sei gerade nicht erklärt worden. Es könne auch dahinstehen, ob etwaige Anfechtungserklärungen in der Klageerwiderung vom 23. August 2021 und der Duplik vom 28. September 2021 binnen der Jahresfrist nach § 124 BGB vorgenommen worden sein.

Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ergebe sich aus §§ 280, 286 BGB. Das zweite vorgerichtliche Schreiben der Klägerin (vom 22.10.2020, Anlage K 17, Anlagenband) datiere jedenfalls aus einem Zeitraum, als sich der Beklagte zu 1) bereits in Verzug befunden habe.

Gegen dieses der Klägerin am 26. Januar 2022 (Bl. 126 der Akte) und den Beklagten am 27. Januar 2022 (Bl. 128 der Akte) zugestellte Urteil hat der Beklagte zu 1) am 24. Februar 2022 Berufung eingelegt (Bl. 140 f. der Akte), die er eingehend am 25 März 2022 (Bl. 150 ff. der Akte) begründet hat. Auf die der Klägerin mit Verfügung vom 28. März 2022 zugestellte Berufungsbegründung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 25. April 2022, eingegangen am 26. April 2022 (Bl. 165 ff. der Akte), Anschlussberufung gegen die Beklagte zu 2) eingelegt (Antrag Ziff. 2) und Hilfsanschlussberufung gegen die Beklagten hinsichtlich der Kostenentscheidung (Antrag Ziff. 3).

Der Beklagte zu 1) macht Rechtsverletzungen durch das Landgericht im Sinne von § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO geltend. Das Landgericht habe fehlerhaft einen außergerichtlichen Vergleichsschluss angenommen. Es habe verkannt, dass es sich bei der beschriebenen vertraglichen Bedingung um eine so genannte Wollensbedingung gehandelt habe, auf welche § 162 Abs. 1 BGB dogmatisch keine Anwendung finde. Bei einer Wollensbedingung werde die Geltung des abgesprochenen Rechtsgeschäfts in den Willen einer Vertragspartei gestellt. Diese entscheide nach ihrem subjektiven Willen, ob sie den Eintritt der Bedingung herbeiführen wolle. So sei es auch im vorliegenden Fall gewesen. Durch die E-Mails hätten die Parteien lediglich die Grundlage der gegenseitigen Vereinbarung geschaffen. Ob diese auch eine für beide Seiten abschließende bindende Wirkung habe entfalten sollen, sei nach Auslegung der Erklärung in den eigenständigen Willensbereich des Berufungsklägers gestellt worden. Diesem habe es obliegen, binnen 2 Monaten zu bezahlen. Der Beklagte zu 1) habe mitgeteilt, er wolle unter der Bedingung leisten, dass er dies bis zum 24. September 2020 tue. Er habe sich zum Zeitpunkt des Versprechens noch nicht binden wollen. Dies sei entsprechend zu behandeln wie ein bedingter Kauf nach §§ 454, 455 BGB. Das Landgericht habe ferner übersehen, dass die von dem Beklagten zu 1) hilfsweise vorgebrachte Anfechtung nach § 123 BGB durchgreife. Es habe auch die von Amts wegen zu prüfenden Widerrufsrechte des Beklagten zu 1) nach §§ 355, 312 Buchst. c, 312 Buchst. d BGB außer acht gelassen. Gehe man von einem Vergleichsschluss aus, so handele es sich um ein Fernabsatzvertrag. Von einem Widerrufsrecht habe der Beklagte zu 1) entsprechend Anlage B1 auch Gebrauch gemacht. Das Landgericht habe den Beklagten zu 1) auch zu Unrecht zur Zahlung vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 413,90 € verurteilt.

Der Beklagte zu 1) beantragt, das am 20. Januar 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. 2-14 O 189/21) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten zu 1) zurückzuweisen.

Im Rahmen ihrer Anschlussberufung beantragt die Klägerin, das am 20. Januar 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. 2-14 O 189/21) abzuändern und die Beklagte zu 2) zu verurteilen, als Gesamtschuldnerin neben dem Beklagten zu 1) an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 5.000,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.09.2020 sowie vorgerichtliche Kosten i.H.v. 413,90 € zu zahlen.

Im Rahmen ihrer Hilfsanschlussberufung beantragt die Klägerin, das am 20. Januar 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. 2-14 O 189/21) abzuändern und die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main dahingehend zu ändern, wie es dem Umfang von Obsiegen und Unterliegen der Parteien entspricht.

Die Beklagten beantragen, die Anschlussberufung und Hilfsanschlussberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die angefochtene Entscheidung, soweit sie ihr günstig ist, und verfolgt im Rahmen ihrer Anschlussberufung ihr erstinstanzliches, auf Zahlung gerichtetes Begehren teilweise, und zwar in Bezug auf die Beklagte zu 2) und einen Zahlungsbetrag in Höhe von 5.000,00 EUR nebst Nebenforderung als Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 1), weiter. Die Kostenentscheidung des Landgerichts stellt sie zur Überprüfung durch das Berufungsgericht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des jeweiligen Parteivorbringens wird verwiesen auf die zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie hat in der Sache aber nur in geringem, aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (Abweisung der Klage im Hinblick auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten). Im Übrigen beruht die angefochtene Entscheidung, soweit sie mit der Berufung angegriffen worden ist, jedenfalls im Ergebnis nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Ferner hat der Beklagte zu 1) weder neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), noch konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen begründen könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

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Die Anschlussberufung gegen die Beklagte zu 2) ist unzulässig, da kein anschlussfähiges Hauptrechtsmittel vorliegt; auch als selbstständige Berufung ist sie unzulässig, da nicht fristgerecht eingelegt. Dies gilt auch für die Hilfsanschlussberufung, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2) richtet; soweit sie sich gegen den Beklagten zu 1) richtet, ist die Hilfsanschlussberufung zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 1) einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 5.000 € aus dem durch Austausch von E-Mails am 23./24.07.2020 wirksam geschlossenen Vergleich, § 779 Abs. 1 BGB.

a)

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Vergleich nicht aufgrund einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist.

Die Auslegung durch den Senat ergibt, dass entgegen der Auffassung des Beklagten zu 1) der Vergleich nicht unter einer Bedingung i. S. d. § 158 BGB geschlossen wurde.

Der Senat hat die maßgeblichen Erklärungen selbst auszulegen, denn auch nach der Reform des Rechtsmittelrechts hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Auslegung einer Individualvereinbarung gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO – auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen – in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob die Auslegung überzeugt. Hält das Berufungsgericht die erstinstanzliche Auslegung lediglich für eine zwar vertretbare, letztlich aber – bei Abwägung aller Gesichtspunkte – nicht für eine sachlich überzeugende Auslegung, so hat es selbst die Auslegung vorzunehmen, die es als Grundlage einer sachgerechten Entscheidung des Einzelfalles für geboten hält (BGH, Urteil vom 14. Juli 2004 – VIII ZR 164/03 -, BGHZ 160, 83-97 und juris Rz. 12ff m. w. N.). Der BGH lehnt mit dieser Entscheidung die Bindung des Berufungsgerichts an die tatrichterlichen Auslegungsergebnisse des Erstgerichts ab und hat insoweit ausdrücklich klargestellt, dass die Bestimmungen über die Berufung eine solche Einschränkung der Prüfungsbefugnis des Berufungsgerichts nicht enthalten. Aus der dem Berufungsgericht auch nach der Umgestaltung des Rechtsmittelrechts zugewiesenen Prüfungskompetenz hinsichtlich der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und aus den nach wie vor unterschiedlichen Funktionen von Berufung und Revision ergibt sich vielmehr, dass das Berufungsgericht nach den §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO die erstinstanzliche Auslegung einer Individualvereinbarung – auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen – in vollem Umfang darauf zu überprüfen hat, ob die Auslegung überzeugt. Hält das Berufungsgericht die erstinstanzliche Auslegung lediglich für eine zwar vertretbare, letztlich aber – bei Abwägung aller Gesichtspunkte – nicht für eine sachlich überzeugende Auslegung, so hat es selbst die Auslegung vorzunehmen, die es als Grundlage einer sachgerechten Entscheidung des Einzelfalles für geboten hält. Deshalb gehört es zur Aufgabe des Berufungsgerichts, die Auslegung einer Individualvereinbarung durch das erstinstanzliche Gericht in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob die Auslegung unter dem Gesichtspunkt der Einzelfallgerechtigkeit überzeugt.

Gemessen hieran ist eine verbindliche Einigung zustande gekommen, ohne dass der Beklagte zu 1) den Vergleich nach dessen Inhalt einseitig oder durch Nichtzahlung – oder Nichtzahlung binnen der Zahlungsfrist – zu Fall bringen konnte.

Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen. Bei seiner Willenserforschung hat der Tatrichter aber auch den mit der Absprache verfolgten Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können. Dabei sind empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (BGH Urt. v. 27.1.2010 – VIII ZR 58/09, BeckRS 2010, 9302 Rn. 33 m. w. N., zitiert über beck-online). Insbesondere ist der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung zu beachten (vgl. BGH, NJW 1994, 2228 (2229)).

Schon nach dem hiernach als Ausgangspunkt heranzuziehenden Wortlaut des Angebots der Klägerin überzeugt die Lesart nicht, dass der angebotene Vergleich unter der (auflösenden) Bedingung stehen sollte, dass zwischen den Parteien kein gerichtsförmiger Rechtsstreit geführt wird. Denn die Klägerin formulierte, dass „das Angebot“ nicht für den Fall gelte, dass der Anspruch gerichtlich geltend gemacht werden müsse (Anlage K10, Anlagenband). Somit stellte die Klägerin schon wörtlich ausschließlich das eigene Vertragsangebot und nicht – für den gedachten Fall der Annahme – auch den noch zu schließenden Vergleich unter den Vorbehalt, dass kein gerichtsförmiger Rechtsstreit ausgetragen werde. Im Übrigen ist in den ausgetauschten Willenserklärungen an keiner Stelle von einer „Bedingung“ die Rede.

Diese Auslegung wird durch den Zweck des Vergleichs bekräftigt. Der Vergleich hatte den Sinn, eine endgültige und klare Regelung zu treffen und eine zu diesem Zeitpunkt für möglich gehaltene gerichtliche Auseinandersetzung mit ungewissem Ausgang aufgrund der damals bestehenden, unklaren Umstände zu vermeiden. Der Hintergrund war, dass es unklar erschien, ob, und gegebenenfalls wann, die Beklagten in Bezug auf ihre Immobilie wieder verkaufsbereit sein würden. Dieser Zustand warf Fragen auf. Denn nach der zwischen den Parteien am 11.01.2019 geschlossenen Vereinbarung konnte die Klägerin Ersatz für ihre Aufwendungen nur auf einem von zwei Wegen erhalten. Entweder musste sie einen provisionspflichtigen Verkauf nachweisen. Alternativ mussten die Beklagten die Verkaufsabsicht „generell“ aufgeben oder einen Verkauf vertretbar unmöglich werden lassen. Da die Beklagten die Verkaufsbemühungen jedoch stattdessen „pausieren“ ließen, war ein Schwebezustand entstanden, dessen rechtliche Konsequenzen unklar waren. Diese Rechtsunsicherheit betraf die Frage, ob und ab welchem Zeitpunkt die Klägerin nach Ziff. 6 des Vertrages (Anlage K5a) Aufwendungsersatz würde verlangen können. Diese Ungewissheit bestand spiegelbildlich auch aus der Sicht der Beklagten. Diese wollten einen Rechtsstreit vermeiden. Soweit sie es damals für möglich erachteten, dass ihre Verkaufsabsicht künftig wiederaufleben könnte, hatten sie auch ein Interesse, die Leistungen der Klägerin weiter in Anspruch nehmen zu können, ohne über eine möglicherweise anfallende Verkäuferprovision hinaus weitere Zahlungen für Aufwendungen erbringen zu müssen. Zugleich wollten sie eine vorherige Inanspruchnahme auf Aufwendungsersatz in Höhe der von der Klägerin in den Raum gestellten 7.000,00 EUR abwenden bzw. eine solche Zahlung, falls unabweislich, so weit wie möglich reduzieren. Dabei entsprach es auch ihrem Interesse, sicherzustellen, dass eventuell gezahlter Aufwendungsersatz auf eine gegebenenfalls künftig anfallende Verkäuferprovision an die Klägerin angerechnet wird.

Keiner dieser Aspekte lässt erkennen, dass es in dem Interesse einer der Parteien gewesen wäre, einen Vergleich unter der undifferenzierten auflösenden Bedingung der Führung eines gerichtsförmigen Rechtsstreits zu schließen. Aus Sicht beider Parteien hätte eine solche Auslegung jeden Vorteil zunichtegemacht, den sie durch die Beilegung der Streitigkeit mittels des Vergleichs zu erreichen suchten. Alle offenen Rechtsfragen – und alle die Höhe der Forderungen und der Kosten betreffenden Risiken – wären in diesem Fall in der Schwebe geblieben. Die zu überwindende Rechtsunsicherheit wäre bestehen geblieben.

Der Zweck des Vergleichs aus Sicht der Klägerin (Vermeidung eines Rechtsstreits mit ungewissen Erfolgsaussichten; niedrigerer, sicherer Anspruch statt ungewisser, höherer Anspruch; baldige Zahlung mit kurzem Zahlungsziel und Teilverzicht statt ungewisser späterer Zahlung, die eventuell höher ausfallen könnte) wäre durch eine solche Auslegung in sein Gegenteil verkehrt. Dies trifft auch auf die Interessen des Beklagten zu 1) zu, der nur durch eine endgültige Streitbeilegung die Vorteile des Vergleichs aus seiner Sicht (Vermeidung eines Rechtsstreits mit ungewissen Erfolgsaussichten, Sicherung eines Teil-Nachlasses, Sicherstellung der Anrechenbarkeit auf die Provision bei späterem Wiederaufleben der Verkaufsabsicht) sichern konnte.

Diese Auslegung entspricht auch dem Grundsatz der beiderseitigen interessengerechten Auslegung. Eine andere Auslegung würde bedeuten, dass es beide Seiten grundsätzlich in der Hand hatten, den Vergleich durch Anstrengung oder Provokation eines Gerichtsverfahrens zur Auflösung zu bringen, wodurch der Zweck des Vergleichs, die endgültige Streitbeilegung, vollständig vereitelt wäre.

Zur Annahme einer Bedingung würde zudem die Feststellung von Zweifeln über das Eintreten des künftigen Ereignisses gehören, auf das abgestellt wird. Eine echte Bedingung setzt voraus, dass das künftige Ereignis sowohl objektiv als auch nach der Vorstellung des Erklärenden ungewiss ist (vgl. MüKoBGB/Westermann, 9. Aufl. 2021, BGB § 158 Rn. 10). Die hier nach Auffassung des Beklagten zu 1) vereinbarten Bedingungen sind jedoch solche, die den Parteien (oder nach seiner Auslegung dem Beklagten zu 1)) quasi willkürlich erlauben würden, den Wegfall des Vergleichs herbeizuführen. Hätten die Parteien eine solche Bedingung vereinbaren wollen, hätte die ausdrückliche Vereinbarung eines Widerrufsvorbehaltes nahegelegen. Ein entsprechender objektiver Erklärungsgehalt ist den Willenserklärungen der Parteien freilich nicht zu entnehmen.

Nach alledem ist der letzte Satz des Angebots der Klägerin in ihrer E-Mail vom 23.07.2020 aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten nicht als Bedingung, sondern lediglich als Vorbehalt dahingehend auszulegen, dass die Klägerin nicht schon durch das Unterbreiten des Angebots endgültig auf den von ihr behaupteten höheren Anspruch auf Aufwendungsersatz in Höhe von 7.000 EUR verzichtete. Dies ist von dem Erklärungsgehalt gleichbedeutend mit dem bei Vergleichsangeboten häufig zu findenden Zusatz, dass „alle Rechte vorbehalten bleiben“. Für einen objektiven Dritten Empfänger dieses Angebots war eindeutig zu verstehen, dass die Klägerin damit nur zum Ausdruck bringen wollte, dass sie im Falle des Nichtzustandekommens eines Vergleichs keine Rechtseinbußen erleiden wollte und sich nicht auf die Geltendmachung von 5.000 € beschränken würde. Zudem sollte dieser Passus den Beklagten in besonderer Art und Weise vor Augen führen, dass sie für den Fall der Ablehnung des Vergleichsangebots mit einer gerichtlichen Inanspruchnahme zu rechnen hätten und dass sie in diesem Fall nicht länger von dem in dem Angebot in Aussicht gestellten Teilnachlass in Höhe von 2.000 EUR profitieren würden. Genauso hat der Beklagte zu 1) diesen Abschnitt im Übrigen auch verstanden. In seiner Antwort vom Folgetag, dem 24.07.2020, spricht er davon, dass die Klägerin „am Ende“ (des Angebots) „indirekt noch mit einem gerichtlichen Verfahren“ gedroht habe (Anlage K11, Anlagenband). Dies und nicht die Vereinbarung einer Bedingung war der Inhalt des fraglichen Abschnitts.

Die weitere Auslegung ergibt, dass auch die Einhaltung der 2-Monats-Frist für die Zahlung entgegen der Auffassung des Beklagten zu 1) nicht als Bedingung vereinbart wurde.

Auch dies folgt schon aus dem Wortlaut der ausgetauschten Willenserklärungen. Auch diesbezüglich ist nämlich im Schreiben der Klägerin davon die Rede, dass „das Angebot“ und nicht „der Vergleich“ eine fristgerechte Zahlung innerhalb von zwei Monaten voraussetzt. Auch hier verwendeten die Parteien nicht den Begriff der „Bedingung“.

Gegen die Vereinbarung einer Bedingung spricht auch hier die beiderseitige Interessenlage. Ein objektiver Dritter konnte die Erklärung der Klägerin bei vernünftiger Beurteilung der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nur so verstehen, dass es der Klägerin auf eine verhältnismäßig schnelle Zahlung innerhalb von 2 Monaten ankam und dass der Vergleich daher eine entsprechende Fälligkeitsregelung aufweisen sollte.

Dies folgt insbesondere auch daraus, dass die Zwei-Monats-Frist schon in dem vorletzten Absatz des Angebotsschreibens angesprochen war. Dort ist sie sprachlich eindeutig als zu vereinbarende Zahlungsfrist beschrieben. Von einer Bedingung, dass der Vergleich mangels fristgemäßer Zahlung unwirksam wird, ist dort ebenfalls nicht die Rede.

Es ist nicht erkennbar, dass die Interessenlage der Parteien von der üblichen Interessenlage bei Vereinbarung einer Zahlungsfrist abweicht. Sinn einer Zahlungsfrist ist es, die Fälligkeit der Forderung zu regeln. Erst die Fälligkeit erlaubt es dem Gläubiger, mit Aussicht auf Erfolg eine begründete Zahlungsklage anzustrengen. Zudem ist die Fälligkeit Voraussetzung für das In-Verzug-Setzen des Schuldners. Da der Verzug für diesen mit möglichen Nachteilen verbunden ist, setzt der Verzug einen Anreiz, die Schuld außergerichtlich zu erfüllen. Weitere Zielsetzungen hat eine Fälligkeitsabrede im Allgemeinen nicht. Auch vorliegend gibt die Interessenlage keinen Anlass anzunehmen, dass die 2-Monats-Frist aus einem sonstigen Grund vereinbart werden sollte. Insbesondere fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass der gesamte Vergleich mit der fristgerechten Zahlung stehen und fallen sollte. Dies kann im Einzelfall anders sein. So etwa, wenn ein ganz besonders gesteigertes Interesse einer Partei an einer pünktlichen Zahlung vorhanden ist. Etwa, weil sie aufgrund außergewöhnlicher Umstände nach Verstreichen der Zahlungsfrist – vergleichbar mit der Konstellation eines absoluten Fixgeschäfts – kein Interesse mehr an einer Zahlung hat (z. B. Vereinbarung, einen Hochzeitskuchen für die Hochzeitsfeier zu backen). Dafür, dass eine solche Ausnahmekonstellation vorlag, ist indes nichts ersichtlich.

b)

Der Vergleich ist auch nicht wirksam beendet worden.

Insbesondere ist der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich nicht durch eine Widerrufserklärung des Beklagten zu 1) erloschen. Ein Widerrufsrecht nach §§ 355 Abs. 1, 312g Abs. 1, 312b BGB stand dem Beklagten zu 1) nicht zu.

Nach § 355 Abs. 1 S. 1 BGB ist ein Verbraucher an seine auf Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn ihm durch Gesetz ein Widerrufsrecht eingeräumt worden ist und er seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Nach § 312 Abs. 1 BGB in der zwischen dem 01.07.2018 und dem 31.12.2021 geltenden Fassung – hinsichtlich Abs. 1 in der m. W. v. 13.6.2014 durch Gesetz vom 20.09.2013 (BGBl. I S. 3642) beschlossenen Fassung – sind die §§ 312 ff. BGB u. a. auf bestimmte außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbraucherverträge anwendbar, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Auf den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag sind die § 312 ff BGB in der bei Vergleichsschluss geltenden Fassung nicht anwendbar, weil keine entgeltliche Leistung vorliegt.

Entgeltlichkeit liegt vor, wenn der Verbraucher einen Preis in Geld zahlt, um eine Ware, Dienstleistung oder andere Leistung vom Unternehmer zu erhalten (MüKoBGB/Wendehorst, 8. Aufl. 2019, BGB § 312 Rn. 36, 37, zitiert über beckonline).

An der Entgeltlichkeit fehlt es bei einem nach Zustandekommen des Vertrages abgeschlossenen Vergleich gemäß § 779 Abs. 1 BGB jedenfalls dann, wenn dieser – wie hier – zur Streitbeilegung betreffend bereits erbrachter Leistungen die Zahlung einer pauschalen Summe für die Abgeltung dieser erbrachten Leistungen im Wege des gegenseitigen Nachgebens bei streitiger Sach- und Rechtslage zum Gegenstand hat (so im Ergebnis auch: BeckOGK/Busch, 1.6.2021, BGB § 312k Rn. 10; offenlassend, ob eine arbeitsrechtliche Beendigungsvereinbarung grundsätzlich oder nur bei Zahlung einer Abfindung eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat: BAG Entscheidung v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, BeckRS 2004, 40734, zitiert über beck-online). Bei dem hier geschlossenen Vergleich stand nicht eine Vereinbarung über entgeltlich zu erbringende Leistungen im Vordergrund, sondern die abschließende Beseitigung von Ungewissheiten über ein streitiges Rechtsverhältnis. Der vorliegende Vergleich sieht insbesondere nicht vor, dass die Klägerin für den Beklagten zu 1) künftig Leistungen zu erbringen hatte (in einem solchen Fall ein Widerrufsrecht bejahend: Seidenberg, NJW 2019, 1254), sondern sollte eine rechtssichere Regelung gerade auch für den von den Parteien für möglich erachteten Fall darstellen, dass der Beklagte zu 1) weitere Leistungen der Klägerin nicht mehr in Anspruch nimmt.

Dagegen überzeugt die Literaturmeinung nicht, die die „Zulässigkeit“ eines nachträglichen Vergleichs gemäß des § 312m Abs. 1 BGB n. F. (früher: § 312k Abs. 1 BGB) wohl allgemein an weiteren Voraussetzungen messen will. Nach dieser Auffassung soll erstens der Unternehmer seine vertraglichen Informationspflichten bereits erbracht haben, der Vergleich muss von beiderseitigem Nachgeben geprägt sein und drittens soll der Verbraucher keine ihm besonders günstige Verfahrensposition aufgeben dürfen, ohne dafür bei wertender Betrachtung ausreichend kompensiert zu werden (so ohne ausdrücklich nach dem Inhalt von Vergleichen differenzierend: BeckOK BGB/Maume, 62. Ed. 1.5.2022, BGB nF § 312m Rn. 5). Diese Auffassung berücksichtigt nicht, dass § 312m Abs. 1 BGB überhaupt nur auf Vereinbarungen anwendbar sind, die entgeltlich i. S. d. § 312 Abs. 1 BGB sind.

Des weiteren ist der Vergleich auch nicht wirksam angefochten worden, § 123 BGB. Der Beklagte zu 1) hat vorgetragen, sich unter Druck gesetzt bzw. sogar bedroht gefühlt zu haben. Eine nach § 123 Abs. 1 BGB erforderliche Widerrechtlichkeit der Drohung der Klägerin mit der gerichtlichen Geltendmachung von Aufwendungsersatzansprüchen ist jedoch nicht gegeben. Die Klägerin war berechtigt, die aus Ziff. 6 des Alleinauftrags entstehenden Aufwendungsersatzansprüche geltend zu machen. Dass die Klägerin den Beklagten zu 1) über das Bestehen von Ansprüchen getäuscht hat ist nicht dargelegt. Eine Widerrechtlichkeit folgt nicht schon daraus, dass der Beklagte zu 1) sich durch die E-Mail der Klägerin unter Druck gesetzt fühlte. Dadurch war seine freie Willensbildung hinsichtlich der Frage, ob er dem Angebot zustimmt oder – wie später erfolgt – sich gegen Ansprüche verteidigt, nicht erkennbar tatbestandsmäßig i. S. d. o. g. Norm eingeschränkt.

c)

Das Landgericht hat der Klägerin zutreffend Verzugszinsen seit dem 25.09.2020 zugesprochen, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

d)

Im Hinblick auf die Verurteilung des Beklagten zu 1) zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,90 € ist die Berufung begründet.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht zu, insbesondere nicht aus §§ 280, 286 BGB. Die Klägerin hat ihre späteren Prozessbevollmächtigten vor dem 25.09.2020 mit ihrer außergerichtlichen Vertretung beauftragt, vgl. Schreiben des späteren Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 17.09.2020 (Anlage K16, Anlagenband). Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Beklagte zu 1) mit der Zahlung des Betrags in Höhe von 5.000 € noch nicht in Verzug, da sich die Parteien auf den 24.09.2020 als Zahlungsfrist geeinigt hatten (s. o.).

Das vorherige Schreiben der späteren Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 15.09.2020 (Anlage K15, Anlagenband) begründete keine endgültige Erfüllungsverweigerung i. S. d. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB.

An eine endgültige Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen. Eine Erfüllungsverweigerung liegt nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen (BGH, Urteil vom 01.07.2015, Az. VIII ZR 226/14, zitiert über juris). Entscheidend sind die konkreten Umstände des Einzelfalls. Das gesamte Verhalten des Schuldners ist dabei zu würdigen. Bloße Meinungsverschiedenheiten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sind noch nicht ausreichend. Das bloße Bestreiten lässt für sich allein genommen noch nicht den Schluss auf eine endgültige Verweigerung zu; es müssen vielmehr weitere Umstände hinzukommen, die im Einzelfall das Bestreiten sogleich als eine endgültige Verweigerung erscheinen lassen (BGH, a.a.O.). Vorliegend hat der spätere Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine Zahlung nicht rundherum abgelehnt, sondern die Bereitschaft zur Zahlung eines konkreten Aufwendungsersatzes bekundet. Zwar hat er die Zahlung des Vergleichsbetrags in Höhe von 5.000 € abgelehnt. Jedoch hat er dies nicht auf eine Art und Weise begründet, die eine endgültige Verweigerung begründet, weil er zu der Grundlage der konkreten Forderung nicht Stellung genommen hat. Er hat insbesondere keine ausdrücklichen Ausführungen dazu gemacht, dass der Vergleich unwirksam sei. Das Schreiben ist als Versuch anzusehen, die Höhe des zu zahlenden Betrages zu verringern.

Ob bei dem zweiten Schreiben des späteren Prozessbevollmächtigten der Klägerin Verzug vorlag, worauf das Landgericht abgestellt hat, ist nicht maßgeblich. Da die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu diesem Zeitpunkt bereits angefallen waren, ist der Verzug des Beklagten zu 1) für den Anfall der Kosten nicht ursächlich geworden.

2.

Die „Anschlussberufung“ der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) ist als solche unzulässig. Es fehlt insoweit an einem anschließungsfähigen Hauptrechtsmittel der Beklagten zu 2), da nur der Beklagte zu 1) ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Landgericht Frankfurt am Main vom 20.01.2022 eingelegt hat.

Bei einfachen Streitgenossen kann sich die Anschlussberufung nur gegen diejenigen richten, die Berufung eingelegt haben (BGH Urt. v. 13.7.1956 – VI ZR 284/54, BeckRS 1956, 31200052, zitiert über beck-online; MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 524 Rn. 25, 26). Vorliegend konnte Anschlussberufungsbeklagter daher nur der der Beklagte zu 1) als Berufungskläger sein.

Die Anschlussberufung der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) ist auch unzulässig, soweit sie als selbstständige Berufung behandelt wird. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main wurde der Klägerin am 26.01.2022 zugestellt. Die Berufungserwiderung, in der die „Anschlussberufung“ erhoben wurde, ging am 26.04.2022 ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Monatsfrist des § 517 ZPO abgelaufen.

3.

Die Hilfsanschlussberufung der Klägerin ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2) (s. o.), und zulässig aber unbegründet, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 1) richtet.

Die ohnehin von Amts wegen zu überprüfende Kostenentscheidung des Landgerichts ist zutreffend.

Es wird auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 22.06.2022, S. 4 – 6, Bl. 191 ff. d. A., verwiesen sowie hinsichtlich der anzuwenden Rechtsgrundsätze auf die nachfolgenden Ausführungen zur Kostenentscheidung.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. In zweiter Instanz kam es aufgrund der eigenständigen Berufung des Beklagten zu 1) und der Anschlussberufung der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) zu unterschiedlichen Prozessbeteiligungen der Beklagten im Verhältnis zum Kläger. Dem wurde durch eine Aufteilung der gerichtlichen Kosten zwischen dem Kläger und den Beklagten sowie einer aufgespaltenen Betrachtung der außergerichtlichen Kosten, die das jeweils unterschiedliche Obsiegen/Unterliegen in den Zweierrelationen berücksichtigt, in Anlehnung an die sog. B. Formel unter Berücksichtigung fiktiver Streitwerte Rechnung getragen (vgl. OLG München, Urteil vom 27. November 2018 – 28 U 617/18 Bau -, Rn. 140, juris; OLG Hamm, Urteil vom 01. April 2020 – 30 U 33/19 -, juris; OLG München, Urteil vom 16. September 2016 – 10 U 4737/15 -, juris). Die unterschiedlichen Quoten für die erste und zweite Instanz beruhen darauf, dass in zweiter Instanz nur noch der Anspruch aus dem Vergleich in Höhe von 5.000 EUR anhängig war und nicht mehr der darüberhinausgehende Anspruch auf konkreten Aufwendungsersatz. Der Beklagte zu 1) ist im Hinblick auf ihre Berufung in der Hauptsache vollständig unterlegen und die Klägerin im Hinblick auf die Anschlussberufung (fiktiver Streitwert je: 5.000,00 €).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

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