LAG München
Az.: 3 Sa 280/09
Urteil vom 26.06.2009
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Passau vom 12.02.2009 – 2 Ca 308/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um von der Klägerin gegenüber der Beklagten begehrte Vergütung aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.
Die Klägerin bewarb sich aufgrund einer Stellenanzeige der Beklagten in der „…..“ auf die dort ausgeschriebene Stelle einer Assistentin für die Einkaufsleitung. Nach einem Vorstellungsgespräch und einer E-Mail-Korrespondenz kam es zu einem weiteren Vorstellungsgespräch und zu einem der Klägerin mit E-Mail vom 06.03.2008 von Seiten der Beklagten unterbreiteten Angebot für eine Tätigkeit als Filialbetreuerin mit dem Schwerpunkt Recruiting Personal und Personalbetreuung/Außendienst mit einem Gehalt in Höhe von 0,00 € brutto/Monat in den ersten sechs Monaten, wobei ab dem 7. Monat nach Ende der Probezeit Verhandlungen neu zugesichert wurden. Beginn der Beschäftigung sollte der 01.04.2008 sein. Als weiterer Termin für ein Gespräch über einen möglichen Vertrag und sonstige Punkte wurde der 14.03.2008 vorgeschlagen. Die Klägerin erwiderte mit E-Mail vom 06.03.2008, sie hoffe, dass das nicht das letzte Angebot der Beklagten sei, denn sie habe schon mit einem Anfangsgehalt von ca. 0,00 € brutto ohne Spesen gerechnet. Am 14.03.2008 kam es zu dem verabredeten Gespräch, das nicht einmal ¼ Stunde dauerte und auf Seiten der Beklagten von deren Personalleiterin geführt wurde. In einer E-Mail vom selben Tage, die um 8.12 Uhr an die Klägerin gesendet wurde – wie inzwischen unstreitig ist, nach dem genannten Gespräch -, erklärte die Personalleiterin:
„ … folgende Punkte haben wir heute nochmals besprochen und vereinbart:
1.) Gehalt in den ersten 6 Monaten (€ 0,00) + Spesen (Probezeit 6 Monate)
2.) Gehalt ab dem 7. Monat (€ 0,00)
3.) Eintritt 01.04.08
4.) Befristeter Vertrag 1 Jahr
5.) Nach Ablauf 1. Jahr neue Gehaltsverhandlungen“
Die Personalleiterin und die Klägerin vereinbarten bei dem Gespräch am 14.03.2008, dass am 31.03.2008 ein weiterer Termin stattfinden sollte, bei dem ein ausformulierter Arbeitsvertrag durch die Parteien schriftlich fixiert und unterzeichnet werden sollte. Ob an diesem Tage auch noch einmal über die Gehaltswünsche der Klägerin gesprochen werden sollte, ist streitig.
Am 31.03.2008 sagte die Beklagte dieses Gespräch – nach telefonischem Kontakt mit der Klägerin – per E-Mail ab mit der Begründung, obwohl sich die Klägerin heute doch noch dazu entschlossen habe, das geringere Angebot anzunehmen, habe sich die Beklagte bereits für die zweite Bewerberin für diesen Bereich entschieden.
Die Klägerin ist der Auffassung, bereits am 14.03.2008 sei zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag zustande gekommen mit dem in der E-Mail der Personalleiterin der Beklagten vom selben Tag als „besprochen und vereinbart“ wiedergegebenen Inhalt und über die im Angebot der Beklagten vom 06.03.2008 genannte Tätigkeit einer Filialbetreuerin. Somit sei über alle essentialia negotii eines Arbeitsvertrages zwischen den Parteien Einigkeit erzielt worden, wobei für die Beklagte deren Personalleiterin jedenfalls mit Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht gehandelt habe. Am 31.03.2008 sei über die schriftliche Fixierung des Vertrages hinaus kein Gespräch über dessen Inhalt geplant gewesen. In Ihrer Rückmail vom 31.03.2008 habe die Klägerin lediglich ihre Bereitschaft erklärt, auch zu einem Gehalt in Höhe von 0,00 € brutto die Tätigkeit zu übernehmen, um überhaupt zu einer schriftlichen Fixierung des Vertrages zu kommen.
Die Beklagte meint dagegen, es sei zu keiner Einigung der Parteien über alle Bedingungen der Zusammenarbeit gekommen. So sei nicht klar, für welche Tätigkeit die Klägerin habe eingestellt werden sollen. Auch über die Gehaltshöhe habe keine Einigung stattgefunden. Die E-Mail vom 14.03.2008 habe nur der Vertragsvorbereitung und nicht der Bestätigung eines bereits geschlossenen Vertrages gedient.
Das Arbeitsgericht Passau hat – nach Vernehmung der Personalleiterin der Beklagten als Zeugin – mit Endurteil vom 12.02.2009 – 2 Ca 308/08 -, auf das hinsichtlich des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, die Klage abgewiesen, weil am 14.03.2008 noch kein Arbeitsvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen sei. Entgegen der Wortwahl in der E-Mail der Personalleiterin vom 14.03.2008 sei an diesem Tage noch keine tatsächliche Übereinkunft über die Vergütungshöhe getroffen worden, da die Festlegung auf 0,00 € brutto zuzüglich Spesen nicht den damaligen Vorstellungen der Klägerin entsprochen hätten.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 10.03.2009 zugestellte Endurteil vom 12.02.2009 mit einem am 07.04.2009 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.
Sie beanstandet die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts und trägt vor, dieses sei einem Fehlschluss unterlegen, indem es ausgeführt habe, es ermangele sowohl an der Festlegung des Arbeitsbereichs als auch an der Konkretisierung der Vergütungshöhe der Klägerin, obwohl die Personalleiterin in ihrer Zeugenaussage selbst ausgeführt habe, es sei die Einsatzmöglichkeit der Klägerin als Filialbetreuerin nach Rücksprache mit ihrem Vorstand erwogen worden, wie sich dies auch in der E-Mail der Beklagten vom 06.03.2008 widerspiegle. Auch ergebe sich aus der E-Mail der Klägerin vom 06.03.2008, dass deren Gehaltsvorstellungen am 14.03.2008 entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts nicht über denjenigen der Beklagten gelegen habe, sondern darunter. Die Darstellung durch die Zeugin widerspreche ihrem eigenen E-Mail-Schriftverkehr in der Zeit vom 06.03. bis 14.03.2008. Die Vereinbarung eines weiteren Termins am 31.03.2008 spreche nicht gegen das Zustandekommen eines Vertrages bereits am 14.03.2008, weil dieser Termin nicht als Besprechungstermin, sondern als bloßer Unterzeichnungstermin der Vertragsurkunde habe stattfinden sollen.
Die Klägerin beantragt:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Passau, Kammer Deggendorf, wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.327,82 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.05.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt, den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils beitretend, ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 07.04.2009 und der Beklagten vom 05.05.2009 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 26.06.2009 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet.
Zwischen den Parteien ist weder am 14.03.2008 noch später ein Arbeitsvertrag zustande gekommen.
1. Dabei kann dahinstehen, ob sich die Parteien am 14.03.2008 inhaltlich über alle wesentlichen Vertragsbedingungen (essentialia negotii) eines Arbeitsvertrages geeinigt haben, wobei die Personalleiterin in sog. Anscheinsvollmacht gehandelt hätte. Hierfür spricht allerdings sehr viel; die Aussage der erstinstanzlich vernommenen Zeugin – deren Glaubwürdigkeit dahingestellt bleiben soll – erscheint demgegenüber sehr wenig glaubhaft. Denn es lässt sich mit dem Sprachverständnis selbst einer unterdurchschnittlich sprachkompetenten deutschsprachigen Person schlechterdings nicht vereinbaren, Gesprächsgegenstände, die – wie in der E-Mail vom 14.03.2008 – als „heute nochmals besprochen und vereinbart“ dargestellt werden, als „dasjenige, was sich die Klägerin vorgestellt hat“, zu bezeichnen.
2. Ob der vom Arbeitsgericht offensichtlich angenommene offene Einigungsmangel gem. § 154 Abs. 1 BGB vorliegt, kann jedoch deshalb dahingestellt bleiben, weil ein solcher Einigungsmangel jedenfalls gem. § 154 Abs. 2 BGB anzunehmen ist.
a) Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin haben die Parteien im Gespräch vom 14.03.2008 vereinbart, dass in einem weiteren Termin – am 31.03.2008 – der ausformulierte Arbeitsvertrag durch die beiden Parteien unterzeichnet und schriftlich fixiert werden sollte, nachdem die essentialia negotii bereits in der E-Mail vom 14.03.2008 zusammengefasst waren. D. h., dass beide Parteien beabsichtigten, dem Arbeitsvertrag eine besondere Form – hier: die Schriftform – zu geben. Es sollte somit nicht bei der stichpunktartigen Aufzählung in den E-Mails vom 06.03.2008 und vor allem 14.03.2008 bleiben. Vielmehr sollte das Besprochene in die Form eines ausgearbeiteten – und damit, wie anzunehmen ist, ausgefeilteren – Vertragstextes gebracht und in einer Vertragsurkunde festgehalten werden.
Dies kann, entsprechend der Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB, nur so verstanden werden, dass ein Vertrag erst mit Errichtung der privatschriftlichen Urkunde zustande kommen sollte. Als Beurkundung i. S. v. § 154 Abs. 2 BGB ist auch die Schriftform anzusehen (vgl. Palandt/Ellenberger, 68. Aufl., § 154 Rn. 4 mit Rsprnachw.).
b) Anhaltspunkte dafür, dass hier die genannte Zweifelsregel nicht anzuwenden wäre, dass also die Parteien trotz Vereinbarung einer schriftlichen Abfassung bereits mit der inhaltlichen Einigung auf die wesentlichen Vertragsbedingungen von einem erfolgten Vertragsschluss ausgingen, sind nicht ersichtlich. Dagegen spricht zum einen, dass am 14.03.2008 auf der Seite der Beklagten kein Organmitglied handelte, so dass es durchaus Sinn macht, von einem Vertragsschluss erst dann auszugehen, wenn ein in sich geschlossener Vertragstext von den nach Maßgabe der Organisation der Beklagten zuständigen Personen geprüft und „freigegeben“ werden konnte. Zum anderen spricht vor allem die lediglich stichwortartige und kursorische Zusammenfassung der wesentlichen Vertragsbedingungen in der E-Mail vom 14.03.2008 – die für sich genommen auch noch unvollständig ist, weil sie die geschuldete Tätigkeit nicht bezeichnet – dafür, dass die Parteien vom Vorliegen eines wirksamen Vertrages erst mit schriftlicher Beurkundung ausgingen. Gerade das Fehlen von Detailregelungen in Bezug auf die Art der geschuldeten Tätigkeit, die Einzelheiten der Vergütung und weitere Vertragsbedingungen, die üblicherweise in Arbeitsverträgen geregelt werden wie Gratifikationen oder Einmalzahlungen, Höhe des Jahresurlaubs, Kündigungsfristen etc. sprechen dagegen, dass die schriftliche Fixierung nur Beweiszwecken dienen sollte, was die Anwendung von § 154 Abs. 2 BGB ausschlösse.
3. Da es zum Abschluss eines schriftlichen Vertrages i. S. v. § 127 BGB i. V. m. § 126 BGB nicht kam, wurde zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis nicht begründet. Dies hat zur Folge, dass Vergütungsansprüche der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs gem. §§ 611, 615 Satz 1, 293 ff. BGB ausscheiden.
4. Andere Ansprüche sind im zweiten Rechtszug nicht mehr streitgegenständlich. Aus dem Vergleich der Berechnung der Annahmeverzugsforderung der Klägerin auf Seite 5 des Klageschriftsatzes vom 28.04.2008 und Seite 1 des Schriftsatzes vom 15.12.2008 mit dem Berufungsantrag Ziff. 1.) der Klägerin folgt, dass diese die ursprünglich erhobenen Ansprüche auf Vorstellungskosten nicht mehr geltend macht.
5. Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
6. Die Revision wird nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.