LG Köln – Az.: 31 O 133/11 – Urteil vom 09.06.2011
Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 11.03.2011 wird aufgehoben und der Antrag vom 07.03.2011 zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens insgesamt trägt die Antragstellerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Beide Parteien vertreiben über das Internet Druckerzubehör, vor allem Tintenpatronen, Lasertoner und Refill-Systeme. Schwerpunkt liegt im Vertrieb von Druckerpatronen, die mit den Druckern bekannter Hersteller kompatibel, aber preisgünstiger als diese sind. Die Antragsgegnerin warb auf ihrer Internetseite mit den Ergebnissen von verschiedenen Testberichten, die sie allerdings verkürzt wiedergab. Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin wegen wettbewerbsrechtlicher Verstöße am 17.02.2011 ab und forderte sie unter Fristsetzung bis zum 25.02.2011 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Ab dem 22.02.2011 warb die Antragsgegnerin mit 33 % Sonderrabatt, gültig bis zum 27.02.2011, für bestimmte Produkte, wobei der tatsächlich gewährte Rabatt bei einigen dieser Produkte lediglich knapp 20 % betrug.
Die Kammer hat auf Antrag der Antragstellerin vom 07.03.2011 am 11.03.2011 eine einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen, wobei die Wirksamkeit von der Zustellung der Anlagen EV 3, 5, 7, 10 und 13 der Klageschrift abhängig gemacht worden ist. Die einstweilige Verfügung ist der Antragstellerin am 15.03.2011 zugestellt worden. Am 21.03.2011 hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin die Verfügung per Post zugestellt. Dabei hat sie die Anlagen EV 3, 5, 7, 10 und 13 in einfacher Kopie beigelegt. Mit Schriftsatz vom 01.04.2011, eingegangen am 07.04.2011, hat die Antragsgegnerin Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt und diesen begründet.
Die Antragstellerin meint, die Verfügung sei wirksam vollzogen worden. Die Beglaubigung der der Antragsgegnerin zugestellten Anlagen sei keine Voraussetzung der Wirksamkeit der Zustellung. Bloße Anlagen im Sinne des § 133 ZPO müssten nicht beglaubigt werden. Im Übrigen sei auch bei Annahme eines Zustellungsmangels eine Heilung im Sinne des § 189 ZPO erfolgt.
Die Antragstellerin beantragt, die einstweilige Verfügung vom 11.03.2011 zu bestätigen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die einstweilige Verfügung vom 11.03.2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 7. März 2011 zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, eine wirksame Zustellung liege nicht vor, da eine Beglaubigung der Anlagen hierfür Voraussetzung sei.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der zulässige Widerspruch ist begründet.
Die einstweilige Verfügung ist nicht im Sinne von §§ 936, 928, 929 Abs. 2 ZPO innerhalb der Vollziehungsfrist vollzogen worden. Die Frist begann gemäß § 221 ZPO i.V.m. § 222 ZPO, 187 Abs. 2 S. 1 BGB am 16.03.2011 zu laufen und endete nach § 188 Abs. 2 BGB am 15.04.2011. In diesem Zeitraum wurde der Antragsgegnerin die einstweilige Verfügung durch die Antragstellerin unter Beifügung der Anlagen zugestellt. Die Zustellung war aber deshalb nicht wirksam, weil die beigefügten Anlagen nicht beglaubigt waren. Eine solche Beglaubigung ist zur Wirksamkeit der Zustellung jedenfalls dann erforderlich, wenn die Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung von der Zustellung der Anlagen abhängig gemacht wird (Berneke in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Auflage 2009, § 57, Rn. 36).
Denn in einem solchen Fall kann der Inhalt der einstweiligen Verfügung und damit auch der Inhalt des tenorierten Unterlassungsgebots von der Gegenseite nur erkannt werden, wenn auch Kenntnis von den Anlagen genommen werden kann. Dabei kann die Übereinstimmung der zugestellten Anlagen mit den beim Gericht vorgelegten Anlagen nur sichergestellt werden, indem diese Anlagen beglaubigt werden. Die Gegenpartei muss sich darauf verlassen können, dass ihr diejenigen Anlagen zugehen, die auch das Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt und in den Tenor einbezogen hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Übereinstimmung der der Gegenpartei zugestellten Anlagen mit den mit der Antragsschrift dem Gericht vorgelegten Anlagen allein in der Hand der Partei des Antragstellers liegt, weil dieser die Zustellung direkt an die Gegenpartei bewirken lässt, ohne dass das Gericht in die Zustellung involviert ist.
Soweit die Antragsgegnerin sich unter Bezugnahme auf §§ 922 Abs. 2, 192 Abs. 2 S. 2 ZPO darauf beruft, den Anforderungen an die Beglaubigung sei durch Beglaubigung durch den Gerichtsvollzieher des zugestellten Schriftstücks insgesamt Genüge getan, verfängt dies nicht. Wie dargestellt, führt der Gerichtsvollzieher nur die Zustellung eines Dokumentes durch, das ihm vom Antragsteller mit den erforderlichen Abschriften übergeben wird. Der Gerichtsvollzieher hat nicht die Möglichkeit, durch Beglaubigung des gesamten Dokuments zu bescheinigen, dass die ihm übergebenen Anlagen mit denjenigen übereinstimmen, auf die das Gericht bei der Abfassung seines Beschlusses Bezug genommen hat. Im Unterschied zur Beglaubigung der Abschriften, die von § 192 Abs. 2 S. 2 ZPO erfasst ist, ist ihm ein Abgleich mit der Urschrift nicht möglich.
Aus dem gleichen Grund lässt sich auch aus § 133 ZPO nicht herleiten, dass eine Beglaubigung nicht erforderlich ist. Diese Norm bezieht sich nur auf Anlagen zu Schriftsätzen der Rechtsanwälte selber, die zunächst an das Gericht gesandt und dann der Gegenpartei zugestellt werden, aber nicht Bestandteil eines Tenors einer gerichtlichen Entscheidung sind.
An der aufgezeigten Rechtslage ändert es auch nichts, dass die Beglaubigung der Anlagen im Beschluss der Kammer vom 11.03.2011 nicht ausdrücklich angeordnet wurde. Deren Notwendigkeit ergibt sich bereits aus der Gesetzessystematik und den oben dargestellten Risiken bei Unterbleiben der Beglaubigung.
Eine Heilung im Sinne des § 189 ZPO ist nicht eingetreten. Zwar ist die fehlende Beglaubigung eines Schriftstücks grundsätzlich ein Fall eines Zustellungsmangels, der nach § 189 ZPO geheilt werden kann. Dies kann aber auf den vorliegenden Fall deshalb nicht zutreffen, weil andernfalls die fehlende Beglaubigung der Anlagen einen Mangel darstellen würde, der stets nach § 189 ZPO geheilt ist: Läge bei Zustellung der Anlagen ohne Beglaubigungsvermerk Übereinstimmung mit der Urschrift vor, wäre auch eine Heilung nach diesem Ansatz immer zu bejahen. Dies ist aber nicht zu vereinbaren mit der Funktion der Beglaubigung der Anlagen im vorliegenden Fall, die vor allem dem Schuldnerschutz dient. Der Schuldner muss sich darauf verlassen können, dass ihm der Beschluss mit den richtigen Anlagen zugestellt wird. Denn die Umsetzung einer einstweiligen Verfügung kann für ihn große wirtschaftliche Konsequenzen haben, er muss daher sicher sein können, dass ihm der Tenor der Entscheidung so mitgeteilt wird, wie das Gericht ihn erlassen hat.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1, 2 ZPO.
Streitwert: EUR 65.000,00.