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Zustellung unter c/o-Adresse eine wirksame Ersatzzustellung?

Versäumnisurteil abgelehnt: Landgericht Nürnberg-Fürth weist Antrag zurück.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat einen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils zurückgewiesen, da die Klageschrift dem Beklagten nicht wirksam zugestellt werden konnte. Es sei nicht belegt, dass der Beklagte an der angegebenen Adresse wohnhaft sei, und die Klageschrift sei lediglich in den Briefkasten eingeworfen worden. Die Klägerin legte sofortige Beschwerde ein und argumentierte, die Zustellung sei wirksam erfolgt. Das Gericht hielt jedoch an seiner Entscheidung fest und verwies darauf, dass die Zustellung unter der angegebenen Adresse nicht ausreichend belegt sei.

Die sofortige Beschwerde wurde zwar als zulässig erachtet, blieb jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Erstgericht habe zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils zurückgewiesen, da die Klageschrift und die Verfügung zur Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens dem Beklagten nicht wirksam zugestellt worden seien.

Da der Beklagte zum Zeitpunkt der Zustellung unter der angegebenen Adresse möglicherweise nicht wohnhaft war, war die Zustellung nicht wirksam. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beklagte den Anschein erweckt hätte, an dieser Adresse eine Wohnung zu unterhalten. Schließlich habe die Klägerin nicht dargelegt, dass die Zustellung dem Beklagten tatsächlich zugegangen sei, sodass auch eine Heilung des Zustellungsmangels nach § 189 ZPO nicht eingetreten sei. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

OLG Nürnberg – Az.: 13 W 44/23 – Beschluss vom 20.02.2023

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15.11.2022, Az. 19 O 2576/22, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Zustellung unter c/o-Adresse eine wirksame Ersatzzustellung?
(Symbolfoto: Pheelings media/Shutterstock.com)

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Beschluss vom 15.11.2022 den Antrag der Klägerin auf Erlass eines Versäumnisurteils mit der Begründung zurückgewiesen, die Klageschrift habe dem Beklagten nicht wirksam zugestellt werden können. Es sei nicht belegt, dass der Beklagte an der angegebenen „c/o-Adresse“ tatsächlich wohnhaft sei; die Klageschrift sei ihm nicht persönlich dort ausgehändigt, sondern lediglich in den Briefkasten eingeworfen worden. Es bestehe daher ein Erlasshindernis nach § 335 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 ZPO.

Gegen diese den Klägervertretern am 17.11.2022 zugestellte Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 24.11.2022 beim Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, die mit Schriftsatz vom 14.12.2022 begründet wurde. Hierin wird im Wesentlichen ausgeführt, die Zustellung der Klageschrift sei wirksam erfolgt, sodass dem Antrag auf Erlass eines stattgebenden Versäumnisurteils im schriftlichen Verfahren gemäß § 331 Abs. 3 Satz 2 ZPO stattzugeben sei. Das Gericht selbst sei in seiner Verfügung vom 08.08.2022 davon ausgegangen, dass an der auf die PZU geschriebenen c/o-Adresse zugestellt werden könne. Andernfalls wäre das Gericht dazu verpflichtet gewesen, die Zustellung an die Adresse zu verweigern oder zumindest einen richterlichen Hinweis zu erteilen.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 16.12.2022 nicht abgeholfen und darauf verwiesen, dass die Anfrage des Gerichts vom 08.08.2022, ob unter der c/o-Anschrift in N. eine Zustellung versucht werden solle, erfolgt sei, um die Chance einer persönlichen Übergabe des zuzustellenden Dokuments zu nutzen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Die sofortige Beschwerde ist gegen den Beschluss, mit dem der Erlass des beantragten Versäumnisurteils zurückgewiesen wurde, gemäß § 336 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthaft. Die sofortige Beschwerde wurde auch innerhalb der Notfrist von zwei Wochen gemäß § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO beim Ausgangsgericht eingelegt.

2. Die sofortige Beschwerde erweist sich jedoch als unbegründet, weil das Erstgericht zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren gemäß § 331 Abs. 3 ZPO zurückgewiesen hat.

Die Auffassung des Landgerichts, dass die Klageschrift sowie die Verfügung zur Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens dem Beklagten nicht wirksam zugestellt worden seien, ist zutreffend, sodass der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gemäß § 335 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zurückzuweisen war.

Die Zustellung vom 16.08.2022 ist nicht wirksam erfolgt.

a) Es ist weder eine persönliche Übergabe an den Beklagten noch eine solche an einen Familienangehörigen oder Mitbewohner im Sinne von § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erfolgt. Ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 16.08.2022 wurde versucht, die Zustellung unter der Anschrift c/o K., K.straße, N., durch Übergabe zu bewirken; weil die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung nicht möglich war, sei das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt worden.

b) Dieser Einwurf in den Briefkasten stellt keine wirksame Ersatzzustellung im Sinne von §§ 180, 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO dar, weil nicht feststeht, dass der Beklagte unter der c/o-Anschrift (zu diesem Zeitpunkt) tatsächlich wohnhaft war.

aa) Der für die Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1, § 180 ZPO maßgebliche Begriff der Wohnung ist im Zustellungsrecht eigenständig zu bestimmen und hat Sinn und Zweck der Vorschriften der Ersatzzustellung Rechnung zu tragen (Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 178 Rn. 3). Der Zweck der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift ist dann erfüllt, wenn die Partei durch die angegebene Anschrift eindeutig identifiziert wird und an sie wirksam Zustellungen vorgenommen werden können (BGH, Urteil vom 06.04.2022 – VIII ZR 262/20; MDR 2022, 782, 783). Abzustellen ist auf die Umstände des Einzelfalles und den Sinn und Zweck der Ersatzzustellung (BeckOK ZPO/Dörndorfer, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 178 Rn. 3). Bei der vorliegend erfolgten Zustellung unter einer c/o-Anschrift ist umstritten, ob diese Adressangabe jedenfalls dann genügt, wenn sie einen ordnungsgemäßen Ablauf des gerichtlichen Verfahrens sicherstellt (so: BGH, a. a. O.) oder für eine ordnungsgemäße Klageerhebung grundsätzlich nicht ausreicht (so: OLG Frankfurt, Urteil vom 15.05.2014 – 16 U 4/14 -; Anders/Gehle/Anders, 81. Aufl. 2023, ZPO § 253 Rn. 24).

bb) Dies kann jedoch vorliegend dahinstehen, weil jedenfalls nicht feststellbar ist, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Zustellung unter der angegebenen c/o-Anschrift überhaupt wohnhaft war.

Wohnung sind die Räume, in denen der Adressat wenn auch nur vorübergehend tatsächlich lebt und insbesondere schläft (Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 178, Rn. 4).

Vorliegend beruht die Zustellung unter der c/o-Anschrift auf einem handschriftlichen Vermerk auf der im Zusammenhang mit dem Zustellungsversuch vom 06.07.2022 in Rücklauf gekommenen Postzustellungsurkunde. Dieser beinhaltet keinerlei Aussage dazu, welche Tatsachen dem Vermerk zugrundeliegen und ob der Beklagte unter dieser Anschrift tatsächlich auch beim Zustellungsversuch vom 16.08.2022 (noch) wohnhaft war. § 180 ZPO sieht jedoch nicht vor, dem Empfänger das Risiko der Wirksamkeit zweifelhafter Ersatzzustellungen aufzuerlegen (vgl. BGH, Beschluss vom 22.10.2009 – IX ZB 248/08 -).

Es ist auch nicht feststellbar, dass der Beklagte nach außen den Anschein aufrechterhalten hätte, dass er an diesem Ort eine Wohnung unterhält, und er sich diese deshalb bei der Zustellung zurechnen lassen müsste. Dem Zustellungsadressaten kann es nämlich nur dann versagt werden, sich auf die Unwirksamkeit der Ersatzzustellung zu berufen, wenn er diesen Anschein zumindest insofern zielgerichtet herbeigeführt hat (OLG Dresden Hinweisbeschluss vom 26.10.2020 – 4 U 1563/20, BeckRS 2020, 37503 Rn. 10, beck-online).

Schließlich hat der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger (Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 189 Rn. 14) schon nicht dargelegt, dass die Zustellung dem Beklagten tatsächlich zugegangen ist, sodass auch eine Heilung des Zustellungsmangels nach § 189 ZPO nicht eingetreten ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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