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Zutrittsrecht des Netzbetreibers zur Demontage von Stromzählern

AG Dippoldiswalde – Az.: 1 C 10/18 – Urteil vom 24.01.2020

1. Die Beklagte wird verurteilt, einem mit Ausweis versehenen Mitarbeiter oder Beauftragten der Klägerin den Zutritt zur Abnahmestelle … zum Zwecke der Demontage des Elt-Zähler Nr. … zu gewähren.

2. Die Beklagte wird verurteilt, einem mit Ausweis versehenen Mitarbeiter oder Beauftragten der Klägerin Zutritt zur Abnahmestelle … zum Zwecke der Demontage des Elt-Zähler Nr. … zu gewähren.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 1.400,00 EUR vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Zutritt zur Demontage zweier Stromzähler.

Die Klägerin ist Netzbetreiberin im Raum Dippoldiswalde. Die Beklagte ist Anschlussnehmerin zweier Verbrauchsstellen.

Im Objekt … befindet sich eine leerstehende Einheit mit dem Zähler …. Mit Schreiben vom 26.06.2017 meldete der Grundversorger, …, die Entnahmestelle ab und stellte einen Zählerausbau in Aussicht, weil seitens der Beklagten kein Liefervertrag abgeschlossen werde. Die Klägerin drohte mit Schreiben vom 04.08.2017 nochmals den Zählerausbau an und verwies darauf, dass keine Anmeldung eines anderen Lieferanten vorliege. Daraufhin erteilte die Beklagte der Klägerin mit Faxeingabe vom 05.09.2017 Hausverbot für das Grundstück.

Bezüglich des Objektes … drohte die Klägerin nach Abmeldung durch den Grundversorger mit Schreiben vom 08.01.2018 den Ausbau des dortigen Zählers mit der Nummer 96061225 an. Die Beklagte erteilte mit Faxschreiben vom 12.01.2018 ein Hausverbot.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage vom 05.01.2018, erweitert durch Schriftsatz vom 22.05.2018, den Zutritt zum Ausbau der Zähler.

Sie ist der Auffassung, dass ihr als Netzbetreiberin ein Anspruch auf Ausbau der Zähler zustehe. Insbesondere sei sie als Pächterin des Elektrizitätsverteilernetzes aktivlegitimiert und zur Entfernung der Zähler ermächtigt. Dies sei zum Betreiben des Netzes auch wirtschaftlich angezeigt, weil es aufgrund des nicht bestehenden Stromliefervertrages anderenfalls nicht möglich sei, anfallende Kosten für das Vorhalten des Stromzählers sowie für dessen Wartung abzurechnen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, einem mit Ausweis versehenen Mitarbeiter oder Beauftragten der Klägerin den Zutritt zur Abnahmestelle … zum Zwecke der Demontage des Elt-Zähler Nr. … zu gewähren, sowie die Beklagte zu verurteilen, einem mit Ausweis versehenen Mitarbeiter oder Beauftragten der Klägerin Zutritt zur Abnahmestelle … zum Zwecke der Demontage des Elt-Zähler Nr. … zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zutrittsrecht des Netzbetreibers zur Demontage von Stromzählern
(Symbolfoto: Von Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Sie ist der Auffassung, dass die Zähler nicht entfernt werden dürften. Dabei werde bereits die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten, weil ihr keinerlei Eigentumsrechte an den Zählern zustünden. Die Klägerin sei ein rechtlich unselbständiger Eigenbetrieb. Ungeachtet dessen dürfe ein Ausbau nicht erfolgen, weil es der Beklagten jederzeit möglich sein müsse, Strom zu beziehen. Zwar werde aufgrund des Leerstandes derzeit kein Strom benötigt. Im Falle eines Ausbaus der Zähler könne jedoch ohne Weiteres kein Strom mehr bezogen werden. Das verstoße gegen die Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes. Die Regelungen der Niederspannungsanschlussverordnung würden eine Entfernung von Zählern deshalb ebenso nicht vorsehen. Vertragliche Verstöße seien der Beklagten mangels Liefervertrages nicht vorzuwerfen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

I.

Sie ist zulässig. Insbesondere bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Parteifähigkeit der als GmbH firmierenden Klägerin. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist sie nicht als rechtlich unselbständiger Eigenbetrieb anzusehen. Darüber hinaus kann die Klägerin in zulässiger Weise einen Anspruch auf Zutritt sowie Ausbau bzw. Herausgabe der streitgegenständlichen Zähler klageweise auch im eigenen Namen geltend machen. Ausweislich ihres Vortrages hat sie als zur Herausgabe ermächtigte Pächterin ein hinreichendes Eigeninteresse an der Durchsetzung ihrer Klageforderungen.

II.

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin kann als Netzbetreiberin von der Beklagten den Zutritt zu deren Anschlussannahmestellen zum Zwecke des Ausbaus der dort installierten Zähler verlangen, vgl. § 985 BGB; § 21 NAV.

1. Dabei ergibt sich eine entsprechende Ermächtigung der Klägerin aus dem (auszugsweise vorgelegten) Pachtvertrag vom 24.04.2007, vgl. § 185 BGB.

a) Ausweislich der dortigen Vereinbarungen hat die damals als „…“ firmierende Klägerin das im Eigentum des damals noch als „…“ firmierenden Grundversorgers zum 01.01.2007 gepachtet, vgl. § 1 des Pachtvertrages. Im Rahmen dieser Pacht wird die Klägerin bei der Erfüllung ihrer Pachtpflichten im eigenen Namen und für eigene Rechnung tätig. Sie entscheidet gemäß § 2 Abs. 5 des Pachtvertrages selbständig über den Netzbetrieb, die Netzinstandhaltung sowie den Netzausbau. Entsprechende Entscheidungen, auch jene zur Anschlussunterbrechung und zum Ausbau eines Zählers, obliegen damit der Klägerin selbst.

b) Dieser Pachtvertrag hat ausweislich des Klägervortrages sowie unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen auch weiterhin Geltung. Denn insoweit ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, dass der Vertrag seit dem 01.01.2007 zunächst auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde. Gemäß § 17 Abs. 1 des Pachtvertrages verlängert sich die Laufzeit um jeweils fünf Jahre, sofern der Vertrag nicht fristgerecht gekündigt worden ist. Ausweislich des vorgelegten Geschäftsberichts bestand der Pachtvertrag auch im Jahr 2018 nach wie vor. Eine Beendigung oder Kündigung sei nach dem Vortrag der Klägerin nicht erfolgt. Die Beklagte vermochte eine für sie günstige Kündigung bzw. sonstige Beendigung dieses Pachtvertrages nicht hinreichend darzulegen.

2. Der Anspruch auf Ausbau bzw. Herausgabe der Stromzähler ergibt sich unmittelbar aus dem Eigentum, zu dessen Durchsetzung die Klägerin ermächtigt wurde, vgl. §§ 985; 185 BGB.

a) Die Stromzähler sind dabei Bestandteil des vorgehaltenen Anschlussnetzes und stehen vorliegend im Eigentum des Grundversorgers, namentlich der Verpächterin der Klägerin. Anders als dies die Beklagte meint, erlangt sie durch die bloße Herstellung des Anschlusses bzw. durch die Installation der Zähler an ihrer Anschlussstelle kein Eigentum an den Zählern. Dieses verbleibt grundsätzlich beim jeweiligen Betreiber der Messstellen und geht weder auf Kunden noch sonst auf die Kundenanlage über. Die Beklagte ist als Inhaberin über die unmittelbare Verfügungsgewalt vor Ort damit lediglich Besitzerin und insoweit passivlegitimiert.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten steht ihr ein dem Herausgabeanspruch entgegenstehendes Recht zum Besitz an den Zählern nicht zu, vgl. § 986 Abs. 1 BGB. Sie kann die Herausgabe der Zähler und insoweit deren Ausbau (derzeit) nicht verweigern.

aa) Ein solches Recht auf Besitz der Zähler ergibt sich vorliegend nicht aus einer vertraglichen Vereinbarung.

Insbesondere kam es zwischen den Parteien bislang zu keinem Abschluss eines Stromlieferungsvertrages, welcher die Installation der Zähler voraussetzen würde. Die Beklagte hat im Zuge des Verfahrens mehrfach klargestellt, dass aufgrund des derzeitigen Leerstandes kein Stromlieferungsvertrag gewünscht werde. Ein entsprechendes vertragliches Besitzrecht besteht insoweit auch nicht zur Eigentümerin selbst.

bb) Anders als dies die Beklagte meint, folgt ein solches Recht auch nicht aus Gesetz, insbesondere nicht aus den Regelungen des Energiewirtschaftsgesetztes.

So ergibt sich aus dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 EnWG zwar eine allgemeine Anschluss- und Nutzungsgewährungspflicht. Die mit dem Verteidigungsvorbringen der Beklagten bezweckte „unentgeltliche Bereithaltung“ der für den Strombezug erforderlichen Zähleranlage folgt hieraus jedoch nicht. Soweit die Beklagte diesbezüglich auf die Rechtsprechung des Kartellsenates des Bundesgerichtshofes verweist (Beschl. v. 12.11.2013 – EnVZ 11/13 -) verfängt dies nicht. Denn obwohl sich der Senat in seiner Entscheidung zu einer „diskriminierungsfreien und unentgeltlichen“ Zurverfügungstellung äußert, erfasst diese nicht den vorliegenden Fall, bei welchem die Beklagte gar keinen Stromlieferungsvertrag abgeschlossen hat. Es handelt sich um einen gänzlich anderen Sachverhalt.

Das Gericht sieht die hier vertretene Auffassung auch durch die Gesetzesbegründung zu § 18 EnWG bestätigt (BT-Drs. 15/3917 Seite 58). Dort hat der Gesetzgeber nämlich klargestellt, dass die dem Versorger obliegende allgemeine Anschlusspflicht (auch weiterhin) unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Zumutbarkeit stehen soll. Eine Unzumutbarkeit der Vorhaltung eines Anschlusses könne insbesondere dann vorliegen, wenn der Anschlussnehmer den Anschluss nicht länger zur Entnahme nutzen wolle. In diesem Fall bestehe zum Vorhalten des Anschlusses kein wirtschaftliches Äquivalent. Insoweit entspricht es auch nicht Sinn und Zweck der Vorschrift, einem absehbar nutzungsunwilligen Anschlussinhaber kostenintensive Anschlüsse bereitzuhalten. Genau das wäre jedoch das Ergebnis der Argumentation der Beklagten für den vorliegenden Fall.

Zwar hat die Beklagte beteuert, im Falle einer Vermietung der Objekte künftig wieder Strom beziehen zu wollen. Wann dies jedoch der Fall sein wird, ist weder von ihr vorgebracht noch von der Klägerin abzusehen. Es liegt vielmehr gänzlich in der Sphäre der Beklagten, ob sie überhaupt in absehbarer Zeit eine Vermietung der Objekte und insoweit einen erneuten Strombezug zulässt. Seit 2017 wurde über die gegenständlichen Anlagen kein Strom bezogen. Ein weiteres Abwarten ist der Klägerin unter Beachtung der von ihr vorgebrachten Kosten insoweit nicht zuzumuten.

cc) Unter Beachtung dieser Ausführungen besteht zur hiesigen Überzeugung auch keine sonstige generelle Pflicht zur unentgeltlichen Bereitstellung eines Stromzählers. Die Entfernung eines solchen bzw. sein Ausbau stellen vielmehr den (nicht zuletzt an die Rechtsprechung herangetragenen) Regelfall einer Anschlussunterbrechung dar, vgl. § 21 Satz 1; § 8 Abs. 1 Satz 3 NAV; § 19 StromGVV. Auch § 12 Abs. 4 NAV beschreibt für die Zeit nach Einstellung der Anschlussnutzung eine Duldungspflicht des Anschlussnehmers, nicht aber ein zwingendes Verbleiben des Stromzählers. Sollte die Beklagte in Zukunft wieder Strom beziehen wollen, dürfte sie vielmehr einen Anspruch auf Wiedereinbau haben.

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3. Ein entsprechender Zutritt zur Umsetzung des begehrten Ausbaus ist gemäß § 21 NAV zu gewähren. Soweit der Ausbau der Zähler als Zweck des Betretens rechtmäßig erfolgt, hat die Beklagte einen Zutritt zu dulden.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht aufgrund § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Bezüglich der zu leistenden Sicherheit legt das Gericht zu erwartende Kosten für einen Aus- und Wiedereinbau zuzüglich Nebenkosten von jeweils insgesamt 700,00 EUR pro Zähler zugrunde.

IV.

Entsprechendes gilt für die Streitwertfestsetzung, welche auf §§ 48 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG beruht. Der begehrte Ausbau der Zähler würde dazu führen, dass die Beklagte für eine erneute Stromversorgung neue Zähler einbauen lassen müsste. Das Gericht schätzt die dabei entstehenden Kosten mit je 500,00 EUR pro Zähler ein. Dies entspricht dem wirtschaftlichen Interesse des Klagebegehrens.

 

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