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Zwangsräumung Mietwohnung nach Hamburger Räumung

AG Hamburg-Blankenese, Az.: 542 M 12/18, Beschluss vom 05.04.2018

Auf die Erinnerung der Gläubigerin wird die Kostenrechnung vom 07.12.2017 – DR II – …./17 des Gerichtsvollziehers M. … mit Rechtskraft dieser Entscheidung aufgehoben, soweit sie Euro 184,65 übersteigt.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Gründe

Die Erinnerung der Gläubigerin ist gemäß § 766 Abs.2, letzte Alternative ZPO statthaft, zulässig und überwiegend begründet.

1.

Wenn der Gerichtsvollzieher nach „Preis“ und dem Branchenbuch den Fuhrunternehmer (Spediteur im Rechtssinne ist dieser nicht) aussuchen müsste, dann bedeutet dies, dass wohl i.d.R. keine qualifizierten Möbelpacker genommen werden dürften (zu teuer).

Deshalb kann der Gerichtsvollzieher von Arbeitszeugnissen oder Referenzkunden als Informationsquelle wohl nicht viel Positives erwarten. Allein auf die Äußerungen des Anbieters zu vertrauen, kann ihm als Verantwortlichem nicht angesonnen werden. Noch weniger ist ihm eine Testphase mit Billigarbeitern zumutbar. Der Gerichtsvollzieher ist auch nicht verpflichtet, den nach Ausschreibung oder Marktforschung den dann billigsten Fuhrunternehmer am Ort zu beauftragen.

Dies liefe darauf hinaus, dass der Gerichtsvollzieher mittelbar gezwungen wäre mit einem Fuhrunternehmen zusammenzuarbeiten, das andere Marktteilnehmer allenfalls aufgrund des niedrigen Stundensatzes akzeptieren, er selber aber niemals ausgewählt hätte. Außerdem wäre nicht gesichert, dass eine kontinuierliche Marktpräsenz des Umzugsunternehmens sowie ein ausreichendes Haftungskapital vorhanden sind. Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit des Unternehmens haben halt ihren (höheren) Preis.

Da der Gerichtsvollzieher bei einer Räumung nicht allgegenwärtig sein kann, ist es wichtig, dass ihm bei der Räumung eventuelle vorgefundene Wertsachen von den Mitarbeitern des Fuhrunternehmens tatsächlich ausgehändigt werden und nicht in den Taschen der Mitarbeiter verschwinden.

Ein regelmäßig mit Zwangsräumungen betrautes Fuhrunternehmen kann, auch wenn der Stundensatz höher liegt als bei der Konkurrenz, für den Räumungsgläubiger günstiger sein. Effizientes Arbeiten hilft Arbeitszeit einzusparen. Dies kommt allen Beteiligten auch finanziell zugute.

Außerdem muss sicher sein, dass das beauftragte Unternehmen die Räumung verlässlich durchführt, und zwar ohne Rücksicht auf den oft desolaten Zustand der Wohnung (inklusive »dreck- oder geruchsintensiver« Gegenstände).

Zwar scheidet eine persönliche Haftung des Gerichtsvollziehers bei hoheitlicher Tätigkeit aus. Nach herrschender Meinung ist nämlich Vertragspartner des vom Gerichtsvollzieher hinzugezogenen Fuhrunternehmens der Fiskus des betreffenden Bundeslandes (hier: FHH).

2.

Zur daraus resultierenden vergaberechtlichen Problematik vgl. Mohr DGVZ 2005, 161. Damit hat sich die FHH als Großauftraggeber offenbar noch nicht näher beschäftigt.

3.

Um die Räumungskosten nicht aus dem Ruder laufen zu lassen, empfiehlt sich die Hamburger Räumung.

Die Hamburger Räumung in zwei Akten hat den Vorteil, dass wirklich nur die notwendigen Hilfskräfte und Lkw-Kapazitäten angefordert werden und bei »Störungen der Räumungsvollstreckung« z.B. durch Drittgewahrsamsinhaber keinerlei Kosten für ein Fuhrunternehmen anfallen (nicht einmal Bereitstellungskosten).

Die z.T. gegen diese Räumungsvariante erhobenen Bedenken (unseriös sind die entstellenden Zitate bei Schuschke, Kostensenkungsmodelle bei der Zwangsräumung NZM 2005, 681, 682 l. Sp. unten; von einer verbreiteten Übung in Hamburg, persönliche Sachen als »Sperrmüll« zu deklarieren, ist nirgendwo die Rede gewesen) sind bisher weder überzeugend dargelegt noch in der Praxis geeignet gewesen, die Hamburger Räumung als rechtswidrig darzustellen (a.A. nur Maierhofer, S. 42 für den Fall des in zu [!] eigenständiger Weise tätigen Fuhrunternehmers). Es handelt sich vielmehr schlicht hierbei um eine zeitlich gestreckte Räumung, die als »minus« ggü. der gesetzlich vorgesehenen Räumung in einem Zuge vom Gläubiger beantragt werden muss, und den Schuldner in keiner Weise benachteiligt (Riecke, Hamburger Grundeigentum 1998, 216-218, und Hamburger Grundeigentum 2000, S. 6 ff.). In Hamburg sagt man schlicht »dat löpt« (zur Bewertung im Einzelnen Riecke DGVZ 2005, 81-91).

ABER: Ohne entsprechenden Zusatz im Auftrag an den Gerichtsvollzieher muss der Räumungsgläubiger davon ausgehen, dass der Gerichtsvollzieher eine Räumung uno actu durchführen wird.

4.

Die eigentlichen Kosten der Zwangsräumung (zu Richtpreisen vgl. Riecke FS Blank, S. 571 Fn. 40), also die Kosten für die Entfernung des Mieters und seiner Habe aus der Wohnung, sind notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung, für die der Vermieter als Auftraggeber gem. § 3 GVKostG, dem Gerichtsvollzieher haftet.

Die Kosten für den Transport und die Verwahrung des Räumungsgutes gem. § 885 Abs. 3 ZPO sind ebenfalls Kosten der Zwangsvollstreckung, für die ungeachtet des Wortlautes der Vorschrift »auf Kosten des Schuldners« grds. auch der Vermieter dem Gerichtsvollzieher haftet (allg. Meinung; OLG Karlsruhe, Rpfleger 1974, 408 ff.).

Der Gläubiger haftet aufgrund des dem Gerichtsvollzieher erteilten Räumungsauftrages über die durch die eigentliche Räumung hinausgehenden Kosten auch für die durch den Abtransport und die Einlagerung entstandenen Lagerkosten und zwar neben dem Schuldner.

5.

Der Gerichtsvollzieher muss sich auch nicht auf Preislisten in anderen Bundesländern verweisen lassen. Eine Bezugnahme auf Kostenübersichten ist nicht ausreichend, da die erforderlichen Kosten immer nur für das konkrete Räumungsobjekt festgestellt werden können.

Die Ermittlung der angemessenen Kosten anhand der Vorauszahlungsbeträge plus Sicherheitszuschlag genügt aber nicht den Anforderungen an ein schlüssiges Vertragskonzept mit dem Fuhrunternehmer.

6.

Der BGH (Urt. v. 28.11.2007, VIII ZR 243/06, ZMR 2008, 195) sieht – etwa im Mietrecht – bereits in der Eingehung der Verpflichtung, die zu den unwirtschaftlichen Ausgaben führt, die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht. Der Schadensersatzanspruch ist auf Freistellung von den unwirtschaftlichen Kosten gerichtet (OLG Düsseldorf ZMR 2014, 31).

Das bedeutet, dass auch der Gerichtsvollzieher nicht berechtigt ist, die unnötigen Kosten dem Gläubiger in seiner Kostenrechnung nach § 13 GvKostG zu belasten. Tut er dies gleichwohl, ist die Kostenrechnung fehlerhaft. Die zu monierende Handlung liegt bereits in der Eingehung der Verpflichtung gegenüber dem Fuhrunternehmer, die zu den erhöhten Ausgaben führt. Hinzukommt, dass eine rechnerische Prüfung durch den Gerichtsvollzieher hier zwar behauptet wird, jedoch nicht ansatzweise erkennbar ist.

Auch der Bezirksrevisor konnte nur mutmaßen, ob Ziffer 38 der Preisliste des Fuhrunternehmers für eine „versuchte Räumung“ evtl. nur bei der Hamburger Räumung (s.o.) gelten sollte (warum?).

In jedem Fall ist der Gerichtsvollzieher zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit verpflichtet ist, entweder eine Art Ausschreibung durchzuführen oder zumindest 3 oder mehr Vergleichsangebote einzuholen. Dies ist schon empfehlenswert, weil er durch die Vorlage der „Ausschreibungsunterlagen“ die Einhaltung der berufsüblichen Sorgfalt dokumentieren kann.

Blankettaufträge oder Aufträge aufgrund unklarer Artikel- oder Preislisten darf der Gerichtsvollzieher nicht erteilen.

7.

Der Gläubiger muss nur Umstände darlegen, die den regionalen Gegebenheiten und den besonderen Gegebenheiten des Räumungsobjekts (Größe, Lage etc) Rechnung tragen; Angebote von Anbietern aus anderen Ländern genügen in der Regel nicht (s.o.).

Behauptet der Gläubiger, dass andere Anbieter/Fuhrunternehmer billiger gewesen sind, muss z. B. er diese nennen und deren Preise benennen; dann obliegt es dem Gerichtsvollzieher darzutun, dass Gründe vorlagen, den Vertrag mit dem ausgewählten Anbieter/Fuhrunternehmer zu schließen.

Für darüber hinausgehende Beträge muss der Gerichtsvollzieher besondere Gründe dartun und beweisen, z.B. besondere Vorzüge des Vertragspartners, wie langjährige bewährte Zusammenarbeit, Betriebsgröße des Vertragspartners und örtliche Verhältnisse, besondere Kompetenz und Zuverlässigkeit des Vertragspartners. Je höher die Überschreitung der üblichen Preise ist, umso gewichtiger müssen die Gründe für die getroffene Auswahl sein.

Es bedarf hier einer betragsmäßigen Deckelung der Kosten und/oder einer Einholung von Vergleichsangeboten anderer Fuhrunternehmen, weil keine feste Vergütungsordnung wie bei Anwälten (VV-RVG) besteht.

Um von der Wirtschaftlichkeit und Angemessenheit des Fuhrlohns ausgehen zu dürfen, ist es in der Regel erforderlich, Alternativ- oder Konkurrenzangebote einzuholen. Vergleichsangebote sind die Tatsachengrundlage für die Auswahlentscheidung des Gerichtsvollziehers.

Lediglich wenn ein seit Jahrzehnten unbeanstandet für hiesige Gerichtsvollzieher tätiges Fuhrunternehmen erneut beauftragt werden soll, bedarf es keiner aktualisierten Vergleichsangebote – zumindest dann nicht, wenn die Firma zusagt, dass keine Mehrkosten entstehen.

8.

Berechtigt sind hier nur folgende Kosten:

KV 602 nicht erl. KV 240-243 32, —

KV 604 nicht erl. KV 200 ff. 15, —

KV 709 Arbeitshilfen i.V.m. Artikelliste

Nr.38 des Fuhrunternehmers 125, —

KV 711 Wegepauschale (Zone 1) 3,25

KV 716 Auslagenpauschale 20% von 47,- Euro

9,40

insgesamt Euro 184,65

9.

Verfahrenskosten können weder dem Fiskus noch dem Gerichtsvollzieher auferlegt werden.

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