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Zwangsversteigerungsverfahren – einstweilige Einstellung

LG Hildesheim, Az.: 5 T 7/18, Beschluss vom 09.01.2018

Auf den Antrag des Schuldners vom 28. September 2017 wird das Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 30a ZVG bis zum 9. April 2018 einstweilen eingestellt, soweit es aus dem Anordnungsbeschluss vom 20. September 2017 betrieben wird.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.879,44 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die gemäß § 30b Abs. 3, 95 ZVG i. V. m. § 793 ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Das Amtsgericht hat den Antrag des Schuldners vom 28. September 2017 auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu Unrecht zurückgewiesen. Im Zeitpunkt der Nichtabhilfeentscheidung vom 28. Dezember 2017 lagen die Voraussetzungen einer einstweiligen Einstellung nach § 30a ZVG vor.

Zwangsversteigerungsverfahren - einstweilige Einstellung
Symbolfoto: Sangoiri/Bigstock

1. Der Beschwerdeführer kann die Beschwerde grds. ohne Einschränkung auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie auf ein neues Vorbringen stützen (§ 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Unerheblich ist, ob neue Tatsachen vor oder nach der angefochtenen Entscheidung entstanden sind und ob sie früher hätten vorgebracht werden können (BeckOK ZPO/Wulf, 26. Ed., § 571 Rn. 2; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, ZVG, 14. Aufl., § 95 Rn. 36). Das Beschwerdevorbringen ist mithin auch im Rahmen der Abhilfeentscheidung umfassend zu berücksichtigen (OLG Celle, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 4 W 212/12, BeckRS 2013, 01301). Daraus folgt, dass die von der Gläubigerin mit Schreiben vom 12. Dezember 2017 zugestandene Zahlung des weiteren Betrags von 5.759,80 € und der Umstand zu berücksichtigen sind, dass damit die offene Hauptforderung, die Gegenstand des Anordnungsbeschlusses vom 28. September 2017 ist, noch 86,55 € beträgt.

2. Nach § 30 a Abs. 1 ZVG ist das Verfahren auf Antrag des Schuldners einstweilen für die Dauer von höchstens sechs Monaten einzustellen, wenn Aussicht besteht, dass durch die Einstellung die Versteigerung vermieden wird, und wenn die Einstellung nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners sowie nach der Art der Schuld der Billigkeit entspricht. Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 30a Abs. 1 ZVG ist der Antrag des Schuldners jedoch gemäß § 30a Abs. 2 ZVG abzulehnen, wenn die einstweilige Einstellung dem betreibenden Gläubiger unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zuzumuten ist, insbesondere ihm einen unverhältnismäßigen Nachteil bringen würde, oder wenn mit Rücksicht auf die Beschaffenheit oder die sonstigen Verhältnisse des Grundstücks anzunehmen ist, dass die Versteigerung zu einem späteren Zeitpunkt einen wesentlich geringeren Erlös bringen würde.

Voraussetzung für eine einstweilige Einstellung ist also gemäß § 30 a Abs. 1 ZVG zunächst die Aussicht, dass durch die Einstellung die Versteigerung vermieden wird, nur dann kann eine dem Eigentumsschutz dienende Verfahrenseinstellung erfolgen. Erforderlich ist eine sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Prognose des Vollstreckungsgerichts, an welche strenge Anforderungen zu stellen sind, um den Rechtsanspruch des Gläubigers nicht leichtfertig zu beeinträchtigen (Dassler/Schiffhauer/Hintzen, a. a. O., § 30a Rn. 6).

Dabei sind folgende Grundsätze zu beachten:

Die Einstellungsvoraussetzungen des § 30a ZVG sind wegen der Selbständigkeit der von mehreren Gläubigern betriebenen Einzelverfahren für jedes eingeleitete Verfahren gesondert festzustellen. Bei der Prüfung, ob die Versteigerung durch die Einstellung des Verfahrens voraussichtlich vermieden werden kann, ist deshalb auch nur auf die Versteigerung auf Antrag des Gläubigers abzustellen, dessen Verfahren eingestellt werden soll (BGH, Beschluss vom 19. Februar 2009 – V ZB 118/08, juris Rn. 11). Einstellungserfordernis ist hingegen nicht, dass jede Zwangsvollstreckung für die Zukunft überhaupt ausgeschlossen ist (Stöber, ZVG, 21. Aufl., § 30a Rn. 3.2.; Dassler/Schiffhauer/Hintzen, a. a. O., § 30a Rn. 6). Aufgrund der erfolgten Zahlungen sind nur noch ein Restbetrag von 86,55 € und ggf. die Kosten der dinglichen Rechtsverfolgung in Bezug auf den Anordnungsbeschluss offen. Es ist daher sicher zu erwarten, dass der Schuldner diesen Restbetrag innerhalb einer Frist bis zum 9. April 2018 ausgleichen wird. Überwiegende Interessen des Gläubigers sind nicht dargetan, so dass die Einstellung auch der Billigkeit entspricht.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Selbständigkeit der Einzelverfahren nichts daran ändert, dass Ziel einer Einstellung nach § 30a ZVG die Vermeidung jeglicher Zwangsverwertung des Eigentums des Schuldners ist. Soweit nach den konkreten Umständen davon auszugehen ist, dass das Grundstück des Schuldners im Rahmen eines der Einzelverfahren ohnehin versteigert werden wird, kann der Schutzzweck der §§ 30a ff. ZVG nicht zum Tragen kommen (BGH, Beschluss vom 19. Februar 2009, a. a. O., juris Rn. 11). Zwar hat das Amtsgericht den weiteren Einstellungsantrag des Schuldners vom 23. November 2017 wegen des Beitrittsbeschlusses vom 30. Oktober 2017 mit Beschluss vom 28. Dezember 2017 zurückgewiesen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass in Bezug auf einen Gläubiger ausgesprochene Verfahrenseinstellung auf den Fortgang des von weiteren Gläubigern betriebenen Verfahrens keinen Einfluss hat (Riedel in Keller, Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht, 1. Aufl., D. Grundzüge des Zwangsversteigerungsverfahrens, Rn. 387). Daraus folgt, dass bei der hier zu treffenden Prognose allein darauf abzustellen ist, dass der Gläubiger in dem Einzelfall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit befriedigt wird, ohne dass die grundsätzliche Frage nach Wahrscheinlichkeit der Sanierungsfähigkeit an sich zu berücksichtigen ist. Dies ist jedenfalls bei einer geringfügigen Restforderung von unter 100 € der Fall, wenn der Schuldner in der Lage war, nach Beginn des Zwangsversteigerungsverfahrens eine Gesamtforderung von rd. 40.000 € bis auf den Restbetrag innerhalb von wenigen Wochen auszugleichen.

3. Die Frist für die Einstellung, die höchstens 6 Monate beträgt, war vorliegend bis zum 9. April 2018 zu bemessen. Um den Einstellungszweck zu erreichen, mithin die vollständige Befriedigung der Gläubigerin herbeizuführen, wäre angesichts der nunmehr verbliebenen geringfügigen Restforderung ein längerer Aufschub für den Schuldner nicht angemessen.

II.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen bei einer sofortigen Beschwerde nicht an, wenn diese Erfolg hat (vgl. Nr. 2121 KV-GKG). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Schuldners kommt nicht in Betracht, weil sich die Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen (BGH, Beschluss vom 21. September 2006 – V ZB 76/06, juris Rn. 12).

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 ZPO nicht vorliegen.Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 GKG, 3 ZPO. Die Kammer hat ihn mit 1/10 des Betrages der Hauptforderung der Gläubigerin, welche der angeordneten Zwangsversteigerung zugrunde liegt, bemessen (vgl. LG Dortmund, Beschluss vom 2. Juli 2014 – 9 T 383/13, juris Rn. 6).

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