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Zwangsverwaltung Hausgrundstück – Zahlung durch Drittschuldner mit schuldbefreiender Wirkung

OLG Stuttgart – Az.: 13 U 273/18 – Urteil vom 09.05.2019

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 29.11.2019 dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 6.680,46 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.08.2017 zu bezahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert der Berufung: 6.680,46 €

Gründe

Auf die zulässige Berufung war das Urteil abzuändern. Die von der Beklagten erbrachte Zahlung stellt keine schuldbefreiende Leistung der Miete für August 2017 im Sinne von § 362 BGB dar.

Zwar gilt im Rahmen der Zwangsverwaltung wie vom Landgericht angenommen § 1124 BGB (BGH, Urteil vom 09.06.2005 – IX ZR 160/04, BGHZ 163, 201 bis 209, juris Rn. 11 m.w.N.), nicht jedoch § 57 b ZVG und damit auch nicht § 566 c BGB, weil § 57 b ZVG nicht zu den nach § 146 Abs. 1 ZVG auf die Zwangsverwaltung anzuwendenden Vorschriften gehört (vgl. etwa Keller in Böttcher, ZVG, 6. Aufl. 2016, § 146 Rn. 26). Aus § 1124 Abs. 2 BGB ergibt sich jedoch nichts zu Gunsten der Beklagten, weil die schuldbefreiende Wirkung einer Leistung des Drittschuldners im Rahmen der Zwangsverwaltung davon abhängt, ob der Drittschuldner die Leistung an den Schuldner vor oder nach dem Zeitpunkt erbrachte, in welchem er Kenntnis von der Beschlagnahme aufgrund der Anordnung der Zwangsverwaltung erlangte (§§ 146 Abs. 1, 22 Abs. 2 S. 2 ZVG) und hier davon auszugehen ist, dass die Beklagte diese Kenntnis vor der Zahlung erlangte.

Zutreffend ging das Landgericht davon aus, dass die Beklagte diese Kenntnis am 31.07.2017 erlangte. Ebenso zutreffend ging das Landgericht davon aus, dass maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt nicht der Eintritt des Leistungserfolgs beim Gläubiger, sondern die Vornahme der Leistungshandlung durch den Drittschuldner ist und der Drittschuldner, wenn er in Unkenntnis der Beschlagnahme die zur Erfüllung notwendige Leistungshandlung vorgenommen hat, nach Kenntniserlangung grundsätzlich nicht verpflichtet ist, den Eintritt des Leistungserfolgs durch aktives Handeln zu verhindern (BGH, Urteil vom 27.10.1988 – IX ZR 27/88, BGHZ 105, 358 bis 362, juris Rn. 7 ff. m.w.N.). Gleichwohl ist aber entgegen der Annahme des Landgerichts davon auszugehen, dass der Beklagten die Beschlagnahme bekannt war, als sie die Zahlung an den Schuldner vornahm. Aufgrund des beiderseitigen Parteivortrags ist anzunehmen, dass die Zahlung am 01.08.2017 erfolgte. Bereits mit der Klage trug der Kläger unter Vorlage der Zahlungsliste der Beklagten (K 6) vor, die Zahlung der August-Miete sei am 01.08.2017 erfolgt. Hierauf ging die Beklagte nicht direkt ein, sondern trug auf S. 3 ihres Schriftsatzes vom 30.08.2018 nur allgemein vor: „Zu demjenigen Zeitpunkt, als eine solche Kenntnis der Beklagten vorlag, waren die Zahlungsanweisungen für die zahlreichen von der Beklagten betriebenen Filialen bereits intern an die Bank gegeben.“ Den die streitgegenständliche Zahlung betreffenden genauen Ablauf und den genauen Zeitpunkt der Erteilung des Überweisungsauftrags an die Bank ließ die Beklagte auch in ihren weiteren Schriftsätzen offen. Nachdem der Zugang einer Mitteilung über die Anordnung der Zwangsverwaltung wie der Zugang einer Abtretungsanzeige die Vermutung begründet, dass der Empfänger Kenntnis von ihr erlangt hat, hätte es der Beklagten oblegen, Umstände darzutun, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit ergibt, dass sie dennoch die maßgebliche positive Kenntnis von der Beschlagnahme bei der Vornahme der Leistungshandlung nicht hatte (BGH, Urteil vom 05.03.1997 – VIII ZR 118/96, BGHZ 135, 39 bis 48, juris Rn. 10 m.w.N.). Der Beklagten hätte es daher oblegen, konkret dazu vorzutragen, wann genau am 31.07.2017 ihre zuständigen Mitarbeiter Kenntnis von der Mitteilung des Klägers erlangten und wann genau der Auftrag für die Überweisung der August-Miete an die Bank erteilt wurde. Es geht um interne Vorgänge bei ihr, zu welchen der Kläger weiteren Vortrag nicht halten kann, sie aber ohne weiteres. Gegenteiliges hat sie nicht dargelegt.

Der Umstand, dass die monatliche Mietzahlung im Hause der Beklagten einen komplexeren Vorgang darstellt, weil sie ca. 1.800 Filialen betreibt, die zentral verwaltet werden, weswegen zur Sicherstellung der pünktlichen Mietzahlung die Abwicklung bereits einige Tage vor jedem Monatsersten in Angriff genommen wird, ändert nichts. Er berechtigt die Beklagte nicht dazu, Buchungsvorgänge wie eingeleitet abzuschließen und die Gläubigerstellung betreffende Änderungen nicht mehr zu berücksichtigen, solange der betreffende Überweisungsauftrag nicht an die Bank weitergeleitet wurde. Dass diese Auftragsweiterleitung vor Kenntniserlangung von der Zwangsverwaltung erfolgte, hat die Beklagte nicht konkret dargelegt, weswegen es nicht darauf ankommt, ob der Gläubigerschutz im Rahmen der Zwangsverwaltung ebenso stärker zu gewichten ist wie im Insolvenzverfahren, in welchem abweichend vom Regelfall, sofern nach der Eröffnung zur Erfüllung einer Verbindlichkeit an den Schuldner geleistet wurde, obwohl die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse zu erfüllen war, der Leistende nicht befreit wird, wenn er zu einer Zeit, als er den Leistungserfolg noch zu verhindern vermochte, von der Verfahrenseröffnung Kenntnis erlangt hat (BGH, Urteil vom 16.07.2009 – IX ZR 118/08, BGHZ 182, 85 bis 92). Die Beklagte hat schon den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis nicht ausreichend erschüttert, weswegen das landgerichtliche Urteil mit den sich aus § 288 BGB, §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO ergebenden Nebenfolgen abzuändern war.

Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

 

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