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Zwangsvollstreckung: Unzulässigkeitserklärung derselben aus gerichtlichem Vergleich

LAG Baden-Württemberg

Az: 15 Sa 148/05

Urteil vom 15.05.2006


In dem Rechtsstreit hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – 15. Kammer auf die mündliche Verhandlung vom 15.05.2006 für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 18. August 2005 – Az.: 35 Ca 6773/05 – wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:
Die Klägerin ist die vormalige Arbeitgeberin des Beklagten, welche die Unzulässigkeitserklärung der Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich erstrebt.

Die Parteien standen bis zum 31. Mai 2005 in einem Arbeitsverhältnis, dessen Grundlage der Anstellungsvertrag vom 15. April 1998 bildete. Das Bruttomonatsentgelt des Beklagten belief sich zuletzt auf 3.760,00 EUR. Unter den Ziffern 10. bis 12. des Arbeitsvertrages war bestimmt:

10. Die Firma setzt bei Erreichen eines Handelsbilanzgewinnes am Jahresende eine auch leistungsbezogene Erfolgsbeteiligung fest, deren Höhe variabel und maximal DM 8.400,– beträgt, im 1. Jahr Ihrer Anstellung anteilig.

11. Voraussetzungen für die volle Höhe der Ertragsbeteiligung sind Ihre guten persönlichen Leistungen und daß am Jahresende der Handelsbilanzgewinn vor Steuern mindestens in Höhe des Gesamtbetrages der Erfolgsbeteiligung erwirtschaftet werden konnte. Ist der Handelsbilanzgewinn vor Steuern nicht ausreichend, so verringert sich die Erfolgsbeteiligung entsprechend prozentual.

12. Sollte das Vertragsverhältnis während des Jahres von Ihnen oder von uns gekündigt werden, entfällt der Anspruch auf Auszahlung der Erfolgsbeteiligung des laufenden Jahres. Sollte das Vertragsverhältnis in der Zeit vom 01.01. – 31.03. des neuen Jahres von Ihnen oder von uns gekündigt werden, so entfällt der Anspruch auf Auszahlung der Erfolgsbeteiligung des Vorjahres. Bereits vergütete Abschläge für die Erfolgsbeteiligung sind zu erstatten.

Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 02. Februar 2005 zum 31. Mai 2005 aus betriebsbedingten Gründen. Zur Beilegung der vom Beklagten erhobenen Kündigungsschutzklage schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht einen für die Arbeitgeberin widerruflichen Vergleich folgenden Inhalts:

1. Die Parteien stellen außer Streit, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen auf die ordentliche, betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 02.02.2005 mit Ablauf des 31.05.2005 endet.

2. D. Bekl. verpflichtet sich, aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an d. Kläg. eine sofort vererbliche Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG i.V.m. § 3 Nr. 9 EStG in Höhe von 25.000,– EUR brutto zu bezahlen. Fälligkeit: 31.05.2005.

3. D. Bekl. verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf des 31.05.2005 ordnungsgemäß abzurechnen und die sich hieraus ergebende Nettobeträge an den Kläger auszuzahlen.

4. Damit sind alle beiderseitigen finanziellen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund diese entstanden sein mögen, erledigt.

5. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.

6. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

7. Der beklagten Partei bleibt vorbehalten, diesen Vergleich bis zum 14.03.2005 schriftlich zu widerrufen. Das den Widerruf enthaltende Schreiben müsste spätestens an diesem Tag bei Gericht vorliegen.“

Ein Widerruf des Vergleichs erfolgte nicht. Im Protokoll ist vermerkt: Es ist beabsichtigt den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit auf 14.795,40 EUR festzusetzen, den Vergleichsmehrwert auf 12.000,00 EUR.

Ein Antrag auf eine förmliche Festsetzung des Streitwerts wurde nicht gestellt.

Ausweislich der für den Monat Mai 2005 erstellten Verdienstabrechnung hat die Klägerin eine Rückrechnung eines Betrages in Höhe von 12.000,00 EUR vorgenommen. Dabei handelte es sich um die im Jahre 2004 ausbezahlte Erfolgsbeteiligung.

Dem Vertreter des Beklagten wurde am 17. März 2005 eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs vom 21. Februar 2005 erteilt. Mit Schreiben vom 29. Juni 2005 beantragte dieser wegen einer Hauptforderung in Höhe von 12.000,00 EUR brutto beim Amtsgericht Stuttgart die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 21. Februar 2005.

Die Klägerin hat zur Begründung ihres Begehrens vorgetragen, sie habe das Arbeitsverhältnis der Parteien entsprechend dem gerichtlichen Vergleich ordnungsgemäß abgerechnet. Sie habe die vereinbarte Abfindung in der Verdienstabrechnung für den Monat Mai in voller Höhe ausgewiesen und als zu zahlenden Betrag in die Verdienstabrechnung eingestellt. In der Ziffer 12 in den Absätzen 2 und 3 des Arbeitsvertrages sei geregelt, die Erfolgsbeteiligung des Vorjahres sei zurückzuzahlen, falls das Arbeitsverhältnis im ersten Quartal des Kalenderjahres gekündigt werde. Da die Kündigung des Arbeitsverhältnisses am 02. Februar 2005 erfolgt sei, habe sie die dem Beklagten im Jahre 2004 als Erfolgsbeteiligung gezahlten 12.000,00 EUR in Abzug bringen dürfen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 21. Februar 2005 – Az.: 35 Ca 1015/05 – für unzulässig zu erklären.

Der Beklagte hat zur Begründung seines Klagabweisungsantrags geltend gemacht, eine Rückforderung der Erfolgsbeteiligung aus dem Jahre 2004 sei im Hinblick auf die in Ziffer 4 des gerichtlichen Vergleichs aufgenommene Erledigungsklausel ausgeschlossen. Die Rückforderungsklausel in der Ziffer 12 des Arbeitsvertrages, welche die Arbeitgeberin in zahlreichen Arbeitsverträgen mit anderen Arbeitnehmern ebenfalls verwende, stelle eine unzulässige Kündigungserschwerung dar, weil die Erfolgsbeteiligung mit 12.000,00 EUR mehr als drei Bruttomonatsgehälter ausmache. Eine Rückforderung komme ohnehin nur bei einer berechtigten Arbeitgeberkündigung in Betracht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch das am 18. August 2005 verkündete und am 15. November 2005 zugestellte Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine Aufrechnung der Klägerin mit einer Gegenforderung in Höhe von 12.000,00 EUR gegen die Forderung des Beklagten aus dem Vergleich scheitere jedenfalls daran, dass der Klägerin eine Gegenforderung nicht mehr zustehe. Ein zugunsten der Klägerin unterstellter Rückzahlungsanspruch gemäß Ziffer 12 des Arbeitsvertrages sei durch Abschluss des Prozessvergleichs erloschen. Zu den unter der Ziffer 4 des Vergleichs angeführten beiderseitigen finanziellen Ansprüchen zahlten auch die Ansprüche auf Rückzahlung der Erfolgsbeteiligung.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 14. Dezember 2005 erhobenen Berufung, die sie vor Ablauf der auf den fristgerechten Antrag verlängerten Frist zur Berufungsbegründung ausgeführt hat. Sie meint, die Zwangsvollstreckung sei unzulässig, da nicht nur die titulierte Abfindungssumme bezahlt, sondern das Arbeitsverhältnis auch ordnungsgemäß abgerechnet worden sei. Dem Zwangsvollstreckungsbegehren setzte sie den Einwand der Erfüllung entgegen, da die Abfindung als Zahlbetrag in der Gehaltsabrechnung 2005 ausgewiesen sei. Das Arbeitsgericht habe den Vergleich unzutreffend ausgelegt. Nach dem Wortlaut der Ziffer 4 des Vergleichs seien erst mit der ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses gem. Ziffer 3 des Vergleichs, welche insoweit eine aufschiebende Bedingung darstelle, alle beiderseitigen finanziellen Ansprüche erledigt. Mit der Ziffer 4 des Vergleichs sei eine Gesamterledigung angestrebt worden. Grundlage sei jedoch die ordnungsgemäße Abrechnung gemäß der Ziffer 3. Eine ordnungsgemäße Abrechnung könne sich nur nach den Vereinbarungen im Arbeitsvertrag und den gesetzlichen Pflichten richten. Erst mit der Abrechnung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Mai 2005 sollten somit nach den Regelungen des Vergleichs für den Folgezeitraum alle beiderseitigen finanziellen Ansprüche erledigt sein. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Auslegung den Unterschied zwischen einer Abrechnungspflicht einerseits und der für die Abrechnung heranzuziehenden Grundlagen andererseits verkannt. Die Rückzahlungsklausel sei durchaus zulässig.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 18. 08. 2005 – Az.: 35 Ca 6773/05 – abzuändern und die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 21. 02. 2005 – Az.: 35 Ca 1015/05 – für unzulässig zu erklären.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung als zutreffend. Die Ziffer 3 des Vergleichs beinhalte eine übliche Formulierung, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses noch andauere. Die streitig gebliebene Rückforderung der Erfolgsbeteiligung aus dem Vorjahr habe nicht offen bleiben sollen. Die Klägerin habe an der Rückforderung der Erfolgsbeteiligung bei Vergleichsabschluss auch nach außen hin erkennbar nicht mehr festgehalten. Bei der Rückforderung der Erfolgsbeteiligung aus dem Vorjahr gehe es von vornherein nicht um eine Auszahlung der sich aus der Abrechnung ergebenden Nettobeträge, sondern um einen angeblichen und bestrittenen Gegenanspruch der Arbeitgeberin. Die Verpflichtung zur Rückzahlung der Erfolgsbeteiligung stelle eine unzulässige Beschränkung des Kündigungsrechtes dar.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das ihre Klage abweisende Urteil ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. b ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den gesetzlichen Grenzwert. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt und vor Ablauf der auf den fristgerechten Antrag hin verlängerten Frist zur Berufungsbegründung ordnungsgemäß ausgeführt worden. Die somit gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO zulässige Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin wendet sich erfolglos gegen das durch das Arbeitsgericht gewonnene Auslegungsergebnis. Unabhängig davon steht der Klägerin ein Rückforderungsanspruch, selbst wenn ein solcher im Anstellungsvertrag geregelt sein sollte, hinsichtlich der für das Jahr 2004 geleisteten Erfolgsbeteiligung nicht zu. Die Regelungen unter Ziff. 12 des Arbeitsvertrages halten der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand.

II.

Die von der Klägerin gemäß §§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 795, 767 ZPO erhobene Vollstreckungsabwehrklage kann, wie das Arbeitsgericht zutreffend angenommen hat, keinen Erfolg haben.

1. Entgegen der Annahme der Klägerin hat das Arbeitsgericht die Auslegung des Vergleichs nicht unzutreffend vorgenommen.

a) Die Auslegung des materiell-rechtlichen Inhalts eines als Prozessvergleich zu Protokoll des Gerichts geschlossenen Vergleichs richtet sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB (vgl. BAG, Urteil vom 17. April 1970 – 1 AZR 302/69, AP Nr. 32 zu § 133 BGB; Urteil vom 15. September 2004 – 4 AZR 9/04, BAGE 112, 50 = AP Nr. 29 zu § 157 BGB). Somit sind auch bei der Auslegung des materiell-rechtlichen Inhalts eines Prozessvergleichs zunächst die Vorstellungen der Erklärenden zugrunde zu legen. Diese können nur insoweit Berücksichtigung finden, als sie in der Erklärung und nach dem Gesamtzusammenhang mit dem Abschluss des Vergleichs einen wahrnehmbaren Ausdruck gefunden haben. Dabei kann auch auf die Interessenlage der den Prozessvergleich abschließenden Parteien und die Zwecke der Vereinbarung abgestellt werden. Die Auslegung ist so vorzunehmen, wie dies Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern (vgl. für die Vertragsauslegung: BAG, Urteil vom 11. November 1987 – 4 AZR 339/87, BAGE 56, 326 [333] = AP Nr. 5 zu § 3 BAT; Urteil vom 21. Oktober 1992 – 4 AZR 28/92, AP Nr. 28 zu § 23 a BAT). Durch einen Prozessvergleich soll regelmäßig zumindest der Streit über den Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens insgesamt beigelegt werden (vgl. BAG, Urteil vom 07. Mai 1968 – 5 AZR 234/67, AP Nr. 14 zu § 794 ZPO; Urteil vom 23. August 1994 – 3 AZR 825/93, AP Nr. 3 zu § 3 BetrAVG).

b) In dem vorausgegangenen Verfahren haben die Parteien über die Wirksamkeit der auf betriebsbedingte Gründe gestützten Kündigung der Klägerin vom 02. Februar zum 31. Mai 2005 gestritten. Diesen Streit haben die Parteien dadurch beigelegt, dass sie ausweislich des Wortlautes der Ziff. 1 des am 21. Februar 2005 abgeschlossenen Vergleichs die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die angegriffene Kündigung außer Streit gestellt haben. Im Hinblick darauf hat sich die Klägerin dieses Verfahrens zur Zahlung einer sofort vererblichen mit dem Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses fälligen Abfindung verpflichtet. Durch diese Regelungen unter den Ziff. 1 und 2 des Vergleichs war der dem Kündigungsschutzprozess zugrunde liegende Streit beigelegt. Dies ist unter Ziff. 5 des Prozessvergleichs ausdrücklich klargestellt worden. Der Abschluss des Vergleichs ist noch innerhalb des Laufs der Kündigungsfrist erfolgt. Aus diesem Grunde ist unter Ziff. 3 des Vergleichs die Verpflichtung der Arbeitgeberin aufgenommen worden, das Arbeitsverhältnis bis zu seiner rechtlichen Beendigung ordnungsgemäß abzurechnen und sich die hieraus ergebenden Nettobeträge an den Beklagten dieses Rechtsstreits auszubezahlen. Wenn im Anschluss daran unter Ziff. 4 des Vergleichs geregelt ist, „damit“ seien alle beiderseitigen finanziellen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund diese entstanden sein mögen, erledigt, und in der vorausgegangenen Ziffer kein Gegenanspruch der Arbeitgeberin aufgeführt ist, liegt es mehr als nahe, dass die Beklagte als Arbeitgeberin nicht irgendwelche Gegenforderungen mehr sollte erheben bzw. in die Abrechnungen einstellen können sollte. Wenn die Klägerin dieses Verfahrens einen vermeintlichen Rückzahlungsanspruch die Erfolgsbeteiligung des Vorjahres betreffend noch geltend machen wollte, hätte sie dies in den Wortlaut des Vergleichs aufnehmen lassen müssen. Nach der Feststellung im angefochtenen Urteil ist die Frage, ob der Klägerin dieses Verfahrens bezüglich der Erfolgsbeteiligung für das Jahr 2004 ein Rückforderungsanspruch zustehen könnte, im Kündigungsschutzverfahren kontrovers diskutiert worden. Wenn die Klägerin sich stillschweigend vorbehalten hat, die gemäß den Ziffern 2 und 3 des Prozessvergleichs auszuzahlenden Beträge um den vermeintlichen Rückforderungsanspruch zu kürzen, so handelte sie unredlich.

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c) Die Einwendungen der Klägerin gegen das vom Arbeitsgericht zutreffend gefundene Auslegungsergebnis greifen nicht durch. Nicht allein deswegen, weil der vereinbarte Abfindungsbetrag als Zahlbetrag in der Gehaltsabrechnung für den Monat Mai 2005 ausgewiesen worden ist, kann die Klägerin dem Zwangsvollstreckungsbegehren des Beklagten den Einwand der Erfüllung entgegensetzen. Der Abfindungsbetrag bildet nur einen Posten der Abrechnung, denn unabhängig davon, welcher Abrechnungsmodus zutreffend ist, hat die Klägerin in ihre Abrechnungen eine ihr nicht zustehende Gegenforderung eingestellt, so dass der Auszahlungsbetrag entsprechend geringer war. Ebenso wenig ergibt sich aus dem Wortlaut des Prozessvergleichs, erst mit der Abrechnung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Mai 2005 sollten für die Folgezeit alle beiderseitigen finanziellen Ansprüche der Parteien erledigt sein. Schon nach dem Wortlaut sollte das Arbeitsverhältnis nicht „zum 31. Mai 2005“ sondern „bis zum Ablauf des 31.05.2005“ ordnungsgemäß abgerechnet werden. Dies impliziert die monatlichen Abrechnungen bis zum Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses, denn angesichts des Datums des Vergleichsabschlusses waren jeweils die Monate Februar bis Mai 2005 noch abzurechnen.

2. Eine ordnungsgemäße Abrechnung kann nur dann nicht nur Zahlungen an den Arbeitnehmer sondern auch Gegenforderungen der Arbeitgeberin umfassen, wenn – wie bereits ausgeführt – ein vermeintlicher Gegenanspruch der Klägerin in den Wortlaut des Vergleichs aufgenommen worden wäre. Die erhobene Klage kann auch deswegen keinen Erfolg haben, weil der Klägerin ein Gegenanspruch ohnehin nicht zusteht. Selbst wenn sich die Klägerin nach dem Wortlaut des Anstellungsvertrages im Falle einer arbeitgeberseitigen Kündigung einen Rückzahlungsanspruch der für das Vorjahr bereits ausbezahlten „auch leis-tungsbezogenen Erfolgsbeteiligung“ hat vorbehalten wollen, steht ihr ein solcher Anspruch nicht zu. Die entsprechende Vertragsklausel hält einer Inhaltskontrolle nicht stand.

a) Nach dem Inhalt des Anstellungsvertrages vom 15. April 1998 sollte der Arbeitnehmer neben einem monatlichen Bruttogehalt eine Erfolgsbeteiligung erhalten, deren Voraussetzungen unter den Ziffern 10 und 11 des Vertrages geregelt sind. Satz 1 der Ziff. 12 des Anstellungsvertrages enthält eine Regelung für den Fall der Kündigung des Arbeitsverhältnisses und des Auszahlungsanspruchs der Erfolgsbeteiligung für das laufende Jahr. Der streitige Betrag in Höhe von EUR 12.000,00 kann nicht das Jahr der Kündigung – also das Jahr 2005 – betreffen, denn eine Erfolgsbeteiligung setzt nach Ziff. 10 des Anstellungsvertrages das Erreichen eines Handelsbilanzgewinns am Jahresende voraus. Da der Betrag von EUR 12.000,00 nach dem Vorbringen der Klägerin die Erfolgsbeteiligung des Vorjahres – also des Jahres 2004 – betrifft, kann ein Rückforderungsanspruch nicht auf Satz 1 der Ziff. 12 des Anstellungsvertrages gestützt werden.

Nach dem Wortlaut des Satzes 2 der Ziff. 12 des Anstellungsvertrages soll im Falle einer Kündigung im ersten Quartal des neuen Jahres „der Anspruch auf Auszahlung der Erfolgsbeteiligung des Vorjahres“ entfallen. Nicht ausdrücklich ist damit allerdings der Fall geregelt, dass die Auszahlung bereits erfolgt ist. Satz 2 der Ziff. 12 beinhaltet eine Erstattungspflicht „bereits vergüteter Abschläge“, erfasst also nicht die vollständige Auszahlung.

b) Unabhängig von dieser mangelnden Klarheit der Regelungen unter Ziff. 12 des Anstellungsvertrages steht der Klägerin ein Rückzahlungsanspruch der für die Leistungen des Vorjahres erbrachten Erfolgsbeteiligung nicht zu. Ein etwaiger im Anstellungsvertrag geregelter Rückzahlungsanspruch ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB und unterliegt somit der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB in der ab dem 01. Januar 2002 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138 ff.). Die Inhaltskontrolle hat zum Ergebnis, dass ein etwaiger Rückforderungsanspruch nicht besteht.

aa) Der Anwendung der §§ 305 ff. BGB steht nicht entgegen, dass der Anstellungsvertrag vom 15. April 1998 datiert und das Anstellungsverhältnis am 20. April 1998 begonnen hat. Das durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts geänderte Recht ist nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auf Dauerschuldverhältnisse und damit auf Arbeitsverhältnisse ab dem 01. Januar 2003 anzuwenden.

bb) Bei den Bestimmungen unter Ziff. 12 des Anstellungsvertrages handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Nach § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB jedoch nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

Nach dem von der Klägerin nicht bestrittenen Vorbringen des Beklagten verwendet die Klägerin die Rückforderungsklausel in zahlreichen Verträgen auch mit anderen Arbeitnehmern. Anhaltspunkte dafür, dass die Vertragsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB „ausgehandelt“ worden ist, sind weder ersichtlich noch behauptet worden. Eine Vertragsbedingung ist nur ausgehandelt im Sinne des Gesetzes, wenn der Verwender die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (vgl. BAG, Urteil vom 27. Juli 2005 – 7 AZR 486/04, AP Nr. 6 zu § 307 BGB). Die Klägerin hat sich auf den Einwand des Beklagten, die Rückforderungsklausel finde in zahlreichen Arbeitsverträgen anderer Arbeitnehmer Verwendung, nur dahin eingelassen, die Klausel sei zulässig. Sie hat nicht vorgetragen, vor oder bei Vertragsschluss ernsthaft zu einer Änderung der Abrede unter Ziff. 12 des Anstellungsvertrages bereit gewesen zu sein und dies gegenüber dem Beklagten bekundet zu haben. Dem steht auch das Verhalten des in der Berufungsverhandlung für die Klägerin auftretenden Bereichsvorstandes entgegen. Aus seinem Beharren auf die sich aus der vertraglichen Regelung vermeintlich ergebende Rückzahlungsverpflichtung kann nicht geschlossen werden, die Klägerin hätte die Vertragsklausel ernsthaft zur Disposition gestellt.

cc) Ob eine Verletzung des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB deswegen ausscheidet, weil die Rückzahlungsklausel keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB) darstellt, kann dahinstehen. Die im Anstellungsvertrag geregelte Erfolgsbeteiligung gehört zum vertraglich geschuldeten Arbeitsentgelt. Es handelt sich dabei nicht um eine vom unmittelbaren Gegenleistungsbezug unabhängige Sonderzahlung, denn die Erfolgsbeteiligung hat nach der Ziff. 10 des Anstellungsvertrages auch einen Leistungsbezug. Somit könnte eine Abweichung von der Rechtsvorschrift des § 611 Abs. 1 BGB vorliegen, wonach der Arbeitnehmer zur Leistung der versprochenen Dienste und der Arbeitgeber zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet ist. Ein Rückforderungsanspruch bezüglich der vereinbarten Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung steht dem entgegen.

Der Inhaltskontrolle unterliegen aber auch andere Bestimmungen und können somit nach § 307 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sein. Vorliegend ist die Regelung, worauf die Klägerin ihren vermeintlichen Rückforderungsanspruch stützt, unwirksam, weil dadurch der Beklagte als Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird. Nach der Vertragsklausel unter Ziff. 10 des Anstellungsvertrages ist die Erfolgsbeteiligung zumindest auch leistungsbezogen. Somit soll ein Arbeitnehmer, obwohl er die von ihm geschuldete Leistung erbracht hat, selbst im Falle einer vom Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen erklärten Kündigung dieses zumindest auch leistungsbezogene, bereits erhaltene Entgelt zurückzahlen. Dadurch wird der Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt, denn er hat die geschuldete Leistung erbracht und die Arbeitgeberin will gleichwohl einen Teil der geschuldeten Gegenleistung zurückfordern.

3. Da somit eine etwaige Rückzahlungsklausel, welche die „auch leistungsbezogene Erfolgs-beteiligung“ des Vorjahres betrifft, unwirksam ist, hat dies ihren ersatzlosen Wegfall bei Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrages im Übrigen zur Folge (§ 306 Abs. 1 und 2 BGB). Der Klägerin steht somit unabhängig davon, wie der Prozessvergleich auszulegen ist, ein Gegenanspruch nicht zu. Da die Klägerin ausweislich ihrer verschiedenen Abrechnungen die dem Beklagten nach den Regelungen im Prozessvergleich zustehenden Ansprüche um einen Rückforderungsbetrag in Höhe von EUR 12.000,00 gekürzt hat, ist die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 21. Februar 2005 nicht unzulässig.

III.

1. Die Kosten des somit unbegründeten Rechtsmittels hat die Klägerin gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

2. Ein Rechtsmittel ist gegen dieses Berufungsurteil nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht selbstständig durch den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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