AG Spandau – Az.: 31G M 157/20 – Beschluss vom 20.04.2020
Der Obergerichtsvollzieher wird angewiesen, den Räumungsauftrag vom 19. Februar 2020 – auch kostenrechtlich – als fortbestehend zu behandeln.
Gründe
I.
Auf den Räumungsauftrag vom vom 19. Februar 2020 hat der Obergerichtsvollzieher am 9. März 2020 Termin zur Durchführung der Zwangsvollstreckung auf den 8. April 2020 bestimmt. Am 24. März 2020 hat die Präsidentin des Amtsgerichts Spandau angeordnet, dass wegen der aktuellen Pandemie bis auf Weiteres Vollstreckungshandlungen, insbesondere Herausgabe- und Räumungsvollstreckungen – mit Ausnahme von eiligen, nicht aufschiebbaren Vollstreckungshandlungen – unterbleiben. Am selben Tag hat der Obergerichtsvollzieher den Termin mit Rücksicht auf diese Anordnung aufgehoben, den Auftrag „mangels Durchführbarkeit“ eingestellt und den Gläubigern Kosten in Höhe von € 42,51 in Rechnung gestellt. Hiergegen wenden sich die Gläubiger im Wege der Erinnerung.
II.
Der Vollstreckungsauftrag ist nicht als erledigt zu behandeln. Weder die Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher noch die Gerichtsvollzieherordnung (GVO) enthalten Vorschriften, wie der Gerichtsvollzieher im Falle einer die Zwangsvollstreckung einschränkenden dienstlichen Anordnung zu verfahren hat. § 27 Abs. 3 GVO regelt aber die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung durch gerichtliche Entscheidung. Dieser Tatbestand ist mit der hier in Rede stehenden dienstlichen Anordnung vergleichbar, so dass § 27 Abs. 3 GVO entsprechend anzuwenden ist.
Nach § 27 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 GVO darf der Gerichtsvollzieher den Auftrag (erst) dann als erledigt behandeln, wenn seit der Einstellung mehr als drei Monate verstrichen sind und nach seinem pflichtgemäßen Ermessen mit einer baldigen Entscheidung nicht zu rechnen ist. Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies:
Da die dienstliche Anordnung am 24. März 2020 erfolgte, kommt eine Behandlung des Auftrages als erledigt vor dem 24. Juni 2020 von vornherein nicht in Betracht. Bei dem sodann auszuübenden pflichtgemäßen Ermessen wird der Obergerichtsvollzieher zu berücksichtigen haben, dass eine Aussetzung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sich kaum auf einen unüberschaubaren Zeitraum wird erstrecken können. Selbst die Einschränkungen im allgemeinen gesellschaftlichen Zusammenleben durch die SARS-CoV-EindämmungsmaßnahmenVO vom 22. März 2020 sind bis zum Ablauf des 19. April 2020 befristet und laut deren § 18 Abs. 3 einer fortlaufenden Evaluierung unterworfen, so dass jederzeit mit schrittweisen Lockerungen gerechnet werden kann. Wegen des staatlichen Gewaltmonopols dürften für die Beschränkungen hoheitlicher Tätigkeit insbesondere der Gerichte und ihrer Organe zudem besonders enge Grenzen – auch in zeitlicher Hinsicht – zu ziehen sein. So wird denn auch bereits jetzt die Wiederaufnahme der Gerichtsverhandlungen ins Auge gefasst. Unabhängig davon wird der Obergerichtsvollzieher zu bedenken haben, dass die Vollstreckungshandlung mit zunehmendem Zeitablauf als eilig und unaufschiebbar im Sinne der dienstlichen Anordnung zu bewerten sein kann.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Auftrag auch kostenrechtlich nicht als durchgeführt im Sinne von § 3 Abs. 4 GvKostG anzusehen ist.