Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Oberlandesgericht stärkt Käuferrechte bei Lieferverzug und Täuschung
- Hintergrund: Ein Großauftrag für Schutzausrüstung
- Der Vertrag: Garantierte Lieferung und Gewinnbeteiligung
- Lieferverzug und Falschinformationen führen zum Streit
- Die Eskalation: Kurze Fristsetzung durch die Klägerin
- Der Rechtsstreit: Schadensersatzforderung vor Gericht
- Das Urteil des OLG Düsseldorf: Klägerin erhält Recht
- Bedeutung des Urteils für Betroffene
- Kosten und Vollstreckbarkeit
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Rechte habe ich als Käufer, wenn ein Lieferant die vereinbarte Lieferfrist nicht einhält?
- Was bedeutet es rechtlich, wenn der Verkäufer falsche Informationen über den Status einer Lieferung gibt?
- Wie setze ich dem Verkäufer rechtssicher eine angemessene Nachfrist zur Lieferung?
- Unter welchen Umständen kann ich vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn die Ware nicht geliefert wird?
- Welche Schadensersatzansprüche habe ich, wenn der Verkäufer nicht liefert und mir falsche Informationen gegeben hat?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Hinweise und Tipps
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 14 U 64/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Düsseldorf
- Datum: 15.01.2025
- Aktenzeichen: 14 U 64/23
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Partei (Klägerin), die Schadensersatz und die Rückgabe (Rückabtretung) einer Forderung verlangt.
- Beklagte: Eine Gesellschaft (die Beklagte), von der die Klägerin Schadensersatz fordert. Ursprünglich war auch ein Rechtsanwalt und Steuerberater, der Verwaltungsrat dieser Gesellschaft war, verklagt; dieser war jedoch im Berufungsverfahren nicht mehr direkt betroffen, außer bei der Kostenentscheidung.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Klägerin hatte einen Auftrag zur Lieferung von Schutzmasken und Schutzkitteln im Wert von über 23 Millionen Euro erhalten. Da sie diese nicht selbst herstellt, trat sie mit den Beklagten in Kontakt. Die Klägerin verklagte die Beklagte anschließend (im Wege einer Teilklage, d.h. sie forderte nur einen Teil ihres behaupteten Gesamtschadens) auf Schadensersatz und Rückgabe einer Forderung.
- Kern des Rechtsstreits: Anspruch der Klägerin gegen die beklagte Gesellschaft auf Schadensersatz und Rückgabe einer Forderung im Zusammenhang mit dem Liefergeschäft für Schutzausrüstung.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht änderte ein früheres Urteil des Landgerichts Düsseldorf ab. Es bestätigte teilweise ein noch älteres Urteil des Landgerichts dahingehend, dass die beklagte Gesellschaft verurteilt wird, an die Klägerin 25.000 Euro zuzüglich Zinsen zu zahlen.
- Folgen: Die beklagte Gesellschaft muss 25.000 Euro plus Zinsen an die Klägerin zahlen. Sie trägt auch fast die gesamten Kosten des Verfahrens beider Instanzen. Die Klägerin muss lediglich die Kosten tragen, die durch die ursprüngliche Klage gegen den nicht mehr im Fokus stehenden Rechtsanwalt und Steuerberater entstanden sind, sowie einen sehr geringen Teil (1%) der übrigen Kosten der ersten Instanz. Das Urteil kann sofort vollstreckt werden, wobei beide Seiten die Vollstreckung durch Hinterlegung einer Sicherheit abwenden können.
Der Fall vor Gericht
Oberlandesgericht stärkt Käuferrechte bei Lieferverzug und Täuschung

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat in einem aktuellen Urteil die Rechte von Käufern gestärkt, wenn Verkäufer vereinbarte Lieferfristen nicht einhalten und zudem falsche Angaben zur Lieferung machen. Das Gericht änderte eine Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf ab und verurteilte eine Verkäuferin zur Zahlung von Schadensersatz. Der Fall betraf die Lieferung von Schutzausrüstung in der Frühphase der Corona-Pandemie.
Hintergrund: Ein Großauftrag für Schutzausrüstung
Im April 2020 erhielt die Klägerin von einer zentralen Beschaffungsstelle den Zuschlag für die Lieferung von Schutzmasken und Schutzkitteln. Das Auftragsvolumen betrug beachtliche 23,4 Millionen Euro netto. Da die Klägerin die Produkte nicht selbst herstellte, suchte sie nach einem Lieferanten und kam mit den Beklagten in Kontakt. Einer der Beklagten war Verwaltungsrat der später verklagten Verkäuferfirma (Beklagte zu 2.).
Der Vertrag: Garantierte Lieferung und Gewinnbeteiligung
Ende April 2020 schlossen die Klägerin und die Beklagte zu 2. einen Kaufvertrag. Die Beklagte zu 2. verpflichtete sich, die im Zuschlag geforderten Mengen an Schutzmasken und -kitteln zu liefern. Entscheidend war die Garantie der Beklagten zu 2., die Qualitätsanforderungen und Lieferfristen des ursprünglichen Auftrags einzuhalten. Der Klägerin sollte ein Anteil von 1,9 Millionen Euro am Gesamtverkaufspreis zustehen.
Besondere Zahlungsvereinbarung
Als Teil des Vertrages trat die Klägerin ihren Anspruch auf den Kaufpreis gegen die ursprüngliche Beschaffungsstelle an Erfüllungs statt an die Beklagte zu 2. ab. Das bedeutet, die Beklagte zu 2. sollte ihr Geld direkt von der Endabnehmerin erhalten, sobald die Lieferung erfolgt war. Die Bedingungen des ursprünglichen Zuschlags sollten auch zwischen Klägerin und Beklagter zu 2. gelten.
Lieferverzug und Falschinformationen führen zum Streit
Die ursprünglich vereinbarte Lieferfrist (30. April 2020) wurde auf Wunsch der Endabnehmerin auf den 8. Mai 2020 verschoben. Die Beklagte zu 2. bestätigte diese Änderung. Dennoch erfolgte keine Lieferung bis zum neuen Termin. Stattdessen teilte die Beklagte zu 2. der Klägerin am 6. Mai 2020 schriftlich mit, dass die bereitgestellten Lieferzeitfenster („Slots“) nicht ausreichten und bereits ein erheblicher Teil der Ware angeliefert worden sei. Tatsächlich war jedoch keine Ware geliefert worden.
Die Eskalation: Kurze Fristsetzung durch die Klägerin
Nachdem die Lieferfrist am 8. Mai verstrichen war, wandte sich der Anwalt der Klägerin am 12. Mai 2020 an die Beklagten. Er wies auf den Lieferverzug hin und forderte unverzüglich Nachweise über die Vertragserfüllung sowie entsprechende Dokumentationen. Er setzte eine sehr kurze Frist bis zum nächsten Tag, 13. Mai 2020, 13:00 Uhr. Für den Fall des Fristablaufs kündigte er an, dass die Klägerin von einer Nichterfüllung des Vertrages ausgehen müsse.
Der Rechtsstreit: Schadensersatzforderung vor Gericht
Da die Beklagte zu 2. offenbar keine ausreichenden Nachweise erbrachte, zog die Klägerin vor Gericht. Sie machte zunächst im Wege einer Teilklage einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 25.000 Euro geltend. Zudem forderte sie die Rückabtretung des Kaufpreisanspruchs, den sie ursprünglich an die Beklagte zu 2. abgetreten hatte.
Entscheidung der Vorinstanz
Das Landgericht Düsseldorf hatte die Klage gegen die Beklagte zu 2. in einem früheren Urteil abgewiesen (das genaue Urteil vom 29.03.2023 wurde durch das OLG abgeändert). Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein. Ein früheres Teilversäumnisurteil vom 20.07.2022 spielte ebenfalls eine Rolle im Verfahrensverlauf.
Das Urteil des OLG Düsseldorf: Klägerin erhält Recht
Das OLG Düsseldorf gab der Berufung der Klägerin statt. Es änderte das Urteil des Landgerichts und verurteilte die Beklagte zu 2., an die Klägerin 25.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Das Gericht bestätigte damit im Ergebnis das frühere Teilversäumnisurteil, passte es aber entsprechend an.
Begründung des Gerichts: Vertrauensbruch durch Verkäuferin
Die Entscheidung des OLG basiert maßgeblich auf dem Verhalten der Beklagten zu 2. Diese hatte nicht nur die garantierte Lieferfrist nicht eingehalten, sondern durch ihre Falschinformation vom 6. Mai 2020 (angeblich erfolgte Teillieferung) das Vertrauen der Klägerin nachhaltig erschüttert. Das Gericht sah hierin erhebliche Zweifel an der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Verkäuferin begründet.
Rechtmäßigkeit der kurzen Fristsetzung
Unter diesen Umständen wertete das OLG die von der Klägerin gesetzte sehr kurze Frist zur Erklärung bzw. zum Nachweis der Lieferung als angemessen. Wenn ein Verkäufer eine garantierte Frist reißt und zudem falsche Angaben macht, muss er damit rechnen, dass der Käufer umgehend Klarheit verlangt. Die Untätigkeit der Beklagten zu 2. innerhalb dieser Frist berechtigte die Klägerin, weitere Schritte einzuleiten und Schadensersatz zu fordern.
Bedeutung des Urteils für Betroffene
Stärkung von Käuferrechten bei Lieferproblemen
Dieses Urteil ist eine wichtige Bestätigung für Käufer, insbesondere in geschäftskritischen Situationen. Wenn ein Lieferant vertragliche Zusagen, insbesondere Garantien bezüglich Lieferterminen, nicht einhält und zusätzlich durch Falschinformationen das Vertrauen zerstört, kann der Käufer unter Umständen sehr schnell handeln. Die Entscheidung zeigt, dass Gerichte bereit sind, auch sehr kurze Fristsetzungen zur Klärung als legitim anzusehen, wenn das Verhalten des Verkäufers dies rechtfertigt.
Signalwirkung für Verkäufer und Dienstleister
Für Verkäufer und Dienstleister unterstreicht das Urteil die enorme Bedeutung von Vertragstreue und transparenter Kommunikation. Garantierte Liefertermine sind bindend. Falsche Angaben über den Lieferstatus können schwerwiegende rechtliche Konsequenzen haben und dem Käufer das Recht geben, schnell vom Vertrag Abstand zu nehmen oder Schadensersatz zu verlangen. Ehrlichkeit und proaktives Management von Lieferproblemen sind essenziell, um das Vertrauen der Geschäftspartner nicht zu verlieren.
Relevanz im Wirtschaftsverkehr
Im allgemeinen Wirtschaftsverkehr bekräftigt das Urteil den Grundsatz, dass Vertrauen eine zentrale Rolle spielt. Vertragspartner müssen sich auf Zusagen verlassen können. Die bewusste Täuschung über Leistungshindernisse oder den Stand der Vertragserfüllung wird nicht toleriert und kann zur sofortigen Haftung führen. Dies gilt insbesondere bei zeitkritischen Aufträgen, wie der Lieferung von Schutzausrüstung während einer Pandemie.
Kosten und Vollstreckbarkeit
Die Kosten des Berufungsverfahrens muss vollständig die Beklagte zu 2. tragen. Auch die Kosten des ersten Rechtszugs fallen ganz überwiegend (zu 99 %) zu ihren Lasten. Das Urteil ist, wie auch das frühere Teilversäumnisurteil, vorläufig vollstreckbar. Das bedeutet, die Klägerin kann die Zahlung der 25.000 Euro nun durchsetzen, gegebenenfalls muss sie jedoch Sicherheit leisten.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass bei Nichtlieferung vertraglich vereinbarter Waren nach angemessener Fristsetzung ein wirksamer Rücktritt vom Vertrag möglich ist und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können. Die Dokumentation aller Kommunikation und das rechtzeitige Setzen klarer Fristen sind entscheidend, um die eigene Rechtsposition zu stärken. Für Unternehmer ist besonders beachtenswert, dass eine ausbleibende Reaktion auf berechtigte Anfragen nach Lieferstatus und Dokumentation die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen begünstigen kann, wie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 25.000 EUR zeigt.
Benötigen Sie Hilfe?
Bei Lieferproblemen und Unklarheiten rechtlich abgesichert
Wenn vereinbarte Liefertermine nicht eingehalten werden und zudem irreführende Angaben zum Status der Lieferung gemacht werden, stehen betroffene Unternehmen oft unter erheblichem Druck. Gerade in zeitkritischen Projekten ist es entscheidend, das eigene Risiko frühzeitig einzuschätzen und gegebenenfalls angemessen zu reagieren.
Unsere Kanzlei unterstützt Mandanten dabei, ihre vertraglichen Ansprüche präzise zu prüfen und zielführende Schritte einzuleiten. So lassen sich Haftungsrisiken reduzieren und die Durchsetzung berechtigter Ansprüche effektiv gestalten.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Rechte habe ich als Käufer, wenn ein Lieferant die vereinbarte Lieferfrist nicht einhält?
Wenn ein Lieferant die Ware nicht zum vereinbarten Zeitpunkt liefert, gerät er unter bestimmten Voraussetzungen in Lieferverzug. Das Gesetz gibt Ihnen als Käufer dann verschiedene Rechte. Welche Rechte Sie genau haben und wann Sie diese ausüben können, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Wann liegt ein Lieferverzug vor?
Ein Lieferverzug liegt grundsätzlich vor, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:
- Fälligkeit der Lieferung: Die Lieferung muss fällig sein. Das bedeutet, der Zeitpunkt, zu dem der Lieferant liefern muss, ist erreicht. Dieser Zeitpunkt kann vertraglich genau festgelegt sein (z.B. „Lieferung bis zum 15. Mai“) oder sich aus den Umständen ergeben. Ist kein fester Termin vereinbart, ist die Leistung in der Regel sofort fällig.
- Mahnung oder Entbehrlichkeit der Mahnung: Normalerweise müssen Sie den Lieferanten nach Fälligkeit mahnen, also eindeutig zur Lieferung auffordern. Erst durch die Mahnung tritt der Verzug ein.
- Ausnahme: Eine Mahnung ist nicht erforderlich, wenn für die Lieferung eine feste Frist nach dem Kalender bestimmt war (z.B. „Lieferung am 20. Juni“) oder wenn der Lieferant die Lieferung ernsthaft und endgültig verweigert. Auch in anderen gesetzlich geregelten Fällen kann eine Mahnung entbehrlich sein.
Hat der Lieferant den Verzug nicht zu vertreten (z.B. wegen unvorhersehbarer Ereignisse wie Naturkatastrophen, sogenannter höherer Gewalt), liegt rechtlich kein Lieferverzug vor. Der Lieferant muss aber beweisen, dass er die Verzögerung nicht verschuldet hat.
Welche Rechte haben Sie bei Lieferverzug?
Liegt ein Lieferverzug vor, haben Sie verschiedene Möglichkeiten:
- Weiterhin auf Lieferung bestehen: Sie können grundsätzlich weiterhin verlangen, dass der Lieferant die Ware liefert.
- Zusätzlich Schadensersatz wegen der Verzögerung fordern: Ist Ihnen durch die Verspätung ein nachweisbarer Schaden entstanden (z.B. Kosten für ein kurzfristig gemietetes Ersatzgerät), können Sie diesen Verzögerungsschaden zusätzlich zur Lieferung ersetzt verlangen. Voraussetzung ist, dass der Lieferant den Verzug zu vertreten hat.
- Eine Nachfrist setzen: Bevor Sie weitergehende Rechte wie Rücktritt oder Schadensersatz statt der Leistung geltend machen können, müssen Sie dem Lieferanten in der Regel eine angemessene Nachfrist zur Lieferung setzen. Das ist eine letzte Frist, innerhalb derer der Lieferant die Ware doch noch liefern kann. Wie lange „angemessen“ ist, hängt vom Einzelfall ab (z.B. Art der Ware).
- Nach erfolglosem Ablauf der Nachfrist: Rücktritt vom Vertrag: Liefert der Lieferant auch innerhalb der gesetzten Nachfrist nicht, können Sie vom Kaufvertrag zurücktreten.
- Folge des Rücktritts: Der Vertrag wird rückgängig gemacht. Haben Sie bereits gezahlt, erhalten Sie Ihr Geld zurück. Haben Sie die Ware (verspätet) doch noch erhalten, müssen Sie diese zurückgeben.
- Nach erfolglosem Ablauf der Nachfrist: Schadensersatz statt der Leistung fordern: Statt zurückzutreten, können Sie auch Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Das bedeutet, Sie bekommen die Ware nicht mehr, erhalten aber eine Entschädigung für den Schaden, der Ihnen dadurch entsteht, dass Sie die Ware endgültig nicht erhalten.
- Beispiel: Sie müssen die Ware woanders teurer einkaufen (Deckungskauf). Die Mehrkosten können Teil des Schadensersatzes sein. Voraussetzung ist auch hier, dass der Lieferant den Verzug zu vertreten hat und die Nachfrist erfolglos verstrichen ist.
Wichtig: Sie müssen sich entscheiden, ob Sie nach Fristablauf zurücktreten oder Schadensersatz statt der Leistung verlangen möchten. Beides zusammen geht nicht bezüglich derselben Ware. Schadensersatz wegen der Verzögerung (siehe Punkt 2) kann aber unter Umständen zusätzlich zum Rücktritt oder Schadensersatz statt der Leistung gefordert werden.
Wann ist keine Nachfrist nötig?
In bestimmten Ausnahmefällen können Sie sofort zurücktreten oder Schadensersatz statt der Leistung verlangen, ohne vorher eine Nachfrist setzen zu müssen:
- Wenn der Lieferant die Lieferung ernsthaft und endgültig verweigert.
- Wenn die Lieferung bis zu einem fest vereinbarten Termin erfolgen musste und Sie im Vertrag deutlich gemacht haben, dass Sie nach diesem Termin kein Interesse mehr an der Lieferung haben (sogenanntes Fixgeschäft, z.B. Lieferung der Hochzeitstorte genau am Hochzeitstag).
- Wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt oder Schadensersatz rechtfertigen.
Was müssen Sie beachten (Beweislast)?
Im Streitfall müssen Sie als Käufer in der Regel beweisen, dass ein Kaufvertrag geschlossen wurde, eine Lieferfrist vereinbart war (oder wann die Lieferung fällig war) und dass Sie eine (falls erforderliche) Mahnung und eine Nachfrist gesetzt haben.
Der Lieferant muss hingegen beweisen, dass er die Verzögerung nicht zu vertreten hat, wenn er sich darauf berufen möchte.
Was ist mit Falschinformationen zur Lieferung?
Wenn der Lieferant nicht nur zu spät liefert, sondern Ihnen zusätzlich bewusst oder fahrlässig falsche Informationen über den Lieferstatus, die Verfügbarkeit oder die Lieferzeit gegeben hat, kann dies unter Umständen weitere rechtliche Konsequenzen haben. Solche Falschinformationen können über den reinen Lieferverzug hinausgehen und möglicherweise separate Ansprüche begründen, etwa wenn Sie dadurch zu nachteiligen Entscheidungen verleitet wurden. Die Beurteilung hängt stark vom Einzelfall ab.
Was bedeutet es rechtlich, wenn der Verkäufer falsche Informationen über den Status einer Lieferung gibt?
Wenn ein Verkäufer Ihnen bewusst oder unbewusst falsche Auskünfte zum Stand Ihrer Lieferung gibt, kann das verschiedene rechtliche Folgen haben und Ihre Position als Käufer beeinflussen.
Erleichterung beim Nachweis eines Lieferverzugs
Falsche Informationen des Verkäufers können Ihnen helfen nachzuweisen, dass sich die Lieferung tatsächlich verzögert (juristisch: Lieferverzug). Wenn der Verkäufer zum Beispiel behauptet, die Ware sei bereits versendet, obwohl dies nachweislich nicht stimmt, ist das ein starkes Indiz dafür, dass er seine Lieferpflichten nicht rechtzeitig erfüllt. Wiederholte Falschaussagen können zudem zeigen, dass der Verkäufer die Lieferung nicht ernsthaft betreibt. Solche Informationen können wichtig sein, wenn Sie Rechte wegen des Lieferverzugs geltend machen möchten, wie zum Beispiel vom Vertrag zurückzutreten oder Schadensersatz zu fordern.
Möglichkeit der Vertragsanfechtung wegen Täuschung
Gibt der Verkäufer die falschen Informationen absichtlich und in dem Wissen, dass sie falsch sind, um Sie beispielsweise zum Warten zu bewegen oder davon abzuhalten, Ihre Rechte geltend zu machen, kann eine arglistige Täuschung vorliegen.
- Arglistige Täuschung bedeutet, dass der Verkäufer Sie bewusst belogen oder wichtige Tatsachen verschwiegen hat, um Sie zu einer bestimmten Handlung (oder Unterlassung) zu bewegen, die Sie bei Kenntnis der Wahrheit nicht vorgenommen hätten.
- Können Sie eine solche absichtliche Täuschung nachweisen, haben Sie das Recht, den Kaufvertrag anzufechten. Eine erfolgreiche Anfechtung führt dazu, dass der Vertrag von Anfang an als ungültig betrachtet wird. Sie müssten die Ware dann (falls schon erhalten) zurückgeben und würden Ihr Geld zurückerhalten.
- Wichtig ist hierbei: Sie müssen beweisen können, dass der Verkäufer tatsächlich absichtlich getäuscht hat. Ein einfacher Irrtum oder eine versehentlich falsche Auskunft des Verkäufers reichen für eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung in der Regel nicht aus.
Eigenständiger Anspruch auf Schadensersatz
Unabhängig von den Rechten bei Lieferverzug oder der Möglichkeit zur Anfechtung können falsche Informationen des Verkäufers auch einen eigenständigen Anspruch auf Schadensersatz begründen. Dies ist dann der Fall, wenn Ihnen durch die Falschinformation selbst ein konkreter finanzieller Schaden entstanden ist.
- Stellen Sie sich vor: Der Verkäufer teilt Ihnen einen verbindlichen, aber falschen Liefertermin mit. Sie nehmen sich extra Urlaub oder beauftragen Handwerker für diesen Tag, und durch die Falschinformation entstehen Ihnen unnötige Kosten.
- Diese Kosten, die direkt auf der falschen Auskunft beruhen, könnten Sie unter Umständen als Schadensersatz vom Verkäufer fordern. Dies setzt voraus, dass der Verkäufer die Falschinformation zumindest fahrlässig, also durch mangelnde Sorgfalt, verursacht hat.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass falsche Lieferinformationen des Verkäufers Ihre Rechtsposition in verschiedener Hinsicht stärken können: Sie können die Durchsetzung von Rechten wegen Lieferverzugs erleichtern, unter Umständen zur Anfechtung des gesamten Vertrages berechtigen und einen eigenen Anspruch auf Ersatz des durch die Falschinformation entstandenen Schadens begründen. Entscheidend sind dabei oft die Umstände des Einzelfalls, insbesondere ob die Falschinformation absichtlich oder nur versehentlich erfolgte und ob Ihnen dadurch ein Schaden entstanden ist.
Wie setze ich dem Verkäufer rechtssicher eine angemessene Nachfrist zur Lieferung?
Wenn der Verkäufer die gekaufte Ware nicht wie vereinbart liefert, ist das Setzen einer Nachfrist oft ein wichtiger Schritt, bevor Sie weitere Rechte geltend machen können, wie zum Beispiel vom Kaufvertrag zurückzutreten. Eine Nachfrist gibt dem Verkäufer eine letzte, klar definierte Chance, die Ware doch noch zu liefern.
Damit diese Fristsetzung wirksam ist, sollten Sie einige Punkte beachten:
Was gehört in eine Fristsetzung?
- Eindeutige Aufforderung zur Lieferung: Machen Sie unmissverständlich klar, dass Sie die Lieferung der gekauften Ware verlangen. Nennen Sie die Ware genau (z.B. „die am [Datum] bestellte blaue Couch, Modell XY“).
- Klare Fristbestimmung: Setzen Sie ein konkretes Enddatum (z.B. „bis spätestens zum TT.MM.JJJJ“) oder einen bestimmten Zeitraum (z.B. „innerhalb von 14 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens“). Vage Formulierungen wie „umgehend“ oder „so bald wie möglich“ sind in der Regel nicht ausreichend.
- Bezug zum ursprünglichen Vertrag: Erwähnen Sie kurz den Kaufvertrag oder die Bestellung, auf die sich die Lieferung bezieht.
Wie sollte die Fristsetzung erfolgen?
Obwohl das Gesetz oft keine spezielle Form vorschreibt, ist eine schriftliche Fristsetzung aus Beweisgründen dringend empfohlen. Sie können dies per E-Mail tun (mit Lesebestätigung, falls möglich) oder klassisch per Brief (idealerweise per Einschreiben mit Rückschein). So können Sie später nachweisen, dass und wann der Verkäufer Ihre Aufforderung erhalten hat.
Wie lang muss die Frist sein (Angemessenheit)?
Die Länge der Nachfrist muss angemessen sein. Was angemessen ist, hängt vom Einzelfall ab:
- Art der Ware: Bei Standardartikeln, die der Verkäufer auf Lager hat oder schnell besorgen kann, genügt oft eine kürzere Frist (z.B. ein bis zwei Wochen). Bei individuell angefertigten Waren oder Artikeln mit langen üblichen Lieferzeiten muss die Frist entsprechend länger sein.
- Umstände: Berücksichtigen Sie auch die Gründe für die Verzögerung (sofern bekannt) und die üblichen Geschäftsgepflogenheiten in der Branche.
- Faustregel: Die Frist sollte dem Verkäufer realistisch die Möglichkeit geben, die Lieferung noch zu erbringen. Eine zu kurz bemessene Frist könnte unwirksam sein.
Was passiert, wenn die Fristsetzung nicht korrekt ist?
Ist die Fristsetzung fehlerhaft (z.B. die Frist ist unangemessen kurz), kann dies unterschiedliche Folgen haben:
- Sie könnte unwirksam sein. Das bedeutet, Sie müssten unter Umständen eine neue, korrekte Frist setzen, bevor Sie weitere Schritte einleiten können.
- Manchmal wird eine zu kurze Frist automatisch durch eine angemessene Frist ersetzt. Das schafft jedoch Rechtsunsicherheit, wann genau die Frist abläuft.
Eine formal korrekte und angemessene Nachfristsetzung ist wichtig, damit Sie Ihre Rechte im Falle einer Nichtlieferung sicher wahrnehmen können. Lässt der Verkäufer auch die gesetzte Nachfrist ergebnislos verstreichen, können Sie in der Regel weitere Rechte geltend machen, wie etwa vom Vertrag zurückzutreten oder unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz zu fordern.
Unter welchen Umständen kann ich vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn die Ware nicht geliefert wird?
Wenn Sie eine Ware bestellt haben und diese nicht geliefert wird, können Sie unter bestimmten Voraussetzungen vom Kaufvertrag zurücktreten. Das bedeutet, der Vertrag wird rückgängig gemacht, als hätte er nie bestanden.
Die wichtigste Voraussetzung: Eine Frist setzen
In den meisten Fällen müssen Sie dem Verkäufer zuerst eine angemessene Frist zur Lieferung setzen. Sie fordern den Verkäufer also auf, die Ware bis zu einem bestimmten Datum nachzuliefern.
- Was ist „angemessen“? Die Länge der Frist hängt von der Art der Ware und den Umständen ab. Bei einem vorrätigen Standardprodukt ist eine kürzere Frist (z.B. ein bis zwei Wochen) meist ausreichend. Bei einer Spezialanfertigung oder schwer lieferbaren Ware muss die Frist länger sein. Wichtig ist, dass die Frist dem Verkäufer eine realistische Chance gibt, die Lieferung doch noch zu erbringen.
- Erst wenn diese Frist erfolglos verstrichen ist, also der Verkäufer die Ware innerhalb der von Ihnen gesetzten Frist immer noch nicht geliefert hat, können Sie grundsätzlich den Rücktritt erklären.
Stellen Sie sich vor, Sie haben online ein Fahrrad bestellt, das laut Händler innerhalb von 5 Werktagen geliefert werden sollte. Nach 10 Werktagen ist es immer noch nicht da. Sie könnten dem Verkäufer nun schreiben und ihm eine letzte Frist von beispielsweise weiteren 7 Werktagen zur Lieferung setzen. Liefert er auch innerhalb dieser Nachfrist nicht, entsteht in der Regel das Recht zum Rücktritt.
Wann ist keine Fristsetzung nötig?
Es gibt wenige Ausnahmefälle, in denen Sie sofort zurücktreten können, ohne vorher eine Frist setzen zu müssen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn:
- Der Verkäufer die Lieferung klar und endgültig ablehnt (z.B. mitteilt, dass er gar nicht liefern wird).
- Ein ganz bestimmter Liefertermin vereinbart war, der für den Vertrag entscheidend war (z.B. Lieferung des Hochzeitskleids exakt am Tag vor der Hochzeit – ein sogenanntes „Fixgeschäft“). Wenn dieser Termin verstreicht, ist eine spätere Lieferung für Sie sinnlos.
- Besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der Interessen beider Seiten einen sofortigen Rücktritt rechtfertigen.
Der Normalfall bleibt jedoch: Sie müssen dem Verkäufer erst eine Chance zur Nachlieferung geben, indem Sie eine angemessene Frist setzen.
Wie erklären Sie den Rücktritt?
Der Rücktritt ist eine rechtliche Erklärung. Sie müssen dem Verkäufer mitteilen, dass Sie vom Vertrag zurücktreten. Eine bestimmte Form ist gesetzlich nicht vorgeschrieben (es geht also auch mündlich), aber aus Beweisgründen ist eine schriftliche Erklärung (z.B. per E-Mail oder Brief) dringend zu empfehlen. Formulieren Sie klar, dass Sie den Rücktritt erklären.
Was passiert nach dem Rücktritt?
Ein wirksamer Rücktritt führt dazu, dass der Kaufvertrag rückabgewickelt wird:
- Rückgabe der Leistungen: Beide Seiten müssen das zurückgeben, was sie bereits erhalten haben. Da die Ware nicht geliefert wurde, bedeutet das für Sie vor allem: Der Verkäufer muss Ihnen den bereits gezahlten Kaufpreis vollständig erstatten. Sie müssen im Gegenzug nichts zurückgeben, da Sie die Ware ja nicht erhalten haben.
- Möglicher Schadensersatz: Unabhängig vom Rücktritt können Sie unter Umständen zusätzlich Schadensersatz verlangen. Voraussetzung dafür ist in der Regel, dass dem Verkäufer die Nichtlieferung vorzuwerfen ist (juristisch: „Verschulden“) und Ihnen durch die Verzögerung ein finanzieller Schaden entstanden ist. Beispiele hierfür wären Mehrkosten, weil Sie die Ware nun eilig woanders teurer kaufen mussten, oder entgangene Einnahmen, wenn Sie die Ware gewerblich benötigt hätten. Ob ein Anspruch auf Schadensersatz besteht, hängt von den genauen Umständen des Einzelfalls ab.
Welche Schadensersatzansprüche habe ich, wenn der Verkäufer nicht liefert und mir falsche Informationen gegeben hat?
Wenn ein Verkäufer seine vertraglichen Pflichten verletzt, indem er beispielsweise nicht wie vereinbart liefert oder Ihnen nachweislich falsche Informationen über die Ware oder die Lieferung gegeben hat, können Ihnen unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatzansprüche zustehen. Ziel des Schadensersatzes ist es, Sie finanziell so zu stellen, als hätte der Verkäufer seine Pflichten ordnungsgemäß erfüllt.
Pflichtverletzungen durch den Verkäufer
Zwei Hauptpflichtverletzungen stehen hier im Raum:
- Nichtlieferung (Lieferverzug): Der Verkäufer liefert die Ware nicht zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb einer angemessenen Frist nach Vertragsschluss. Oft ist eine Mahnung erforderlich, damit der Verkäufer offiziell in Verzug gerät, es sei denn, ein fester Liefertermin war vereinbart oder der Verkäufer hat die Lieferung ernsthaft und endgültig verweigert.
- Falsche Informationen: Der Verkäufer hat Ihnen bewusst oder fahrlässig falsche Angaben gemacht, zum Beispiel über die Lieferzeit, die Verfügbarkeit, bestimmte Eigenschaften oder die Herkunft der Ware. Diese Falschinformation hat Sie möglicherweise zum Kauf bewogen oder dazu geführt, dass Sie bestimmte Planungen getroffen haben, die nun hinfällig sind.
Für beide Pflichtverletzungen gilt: Der Verkäufer muss die Pflichtverletzung grundsätzlich zu vertreten haben. Das bedeutet, er muss dafür verantwortlich sein, meist weil er vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Bei Lieferverzug wird ein Verschulden des Verkäufers oft gesetzlich vermutet.
Welche Arten von Schadensersatz gibt es?
Je nachdem, welche Nachteile Ihnen durch die Nichtlieferung und/oder die Falschinformationen entstanden sind, kommen verschiedene Arten von Schadensersatz in Betracht:
- Schadensersatz statt der Leistung: Diesen können Sie verlangen, wenn Sie an der (verspäteten) Lieferung des ursprünglichen Verkäufers kein Interesse mehr haben. Voraussetzung ist meist, dass Sie dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Lieferung gesetzt haben. Typische Beispiele sind:
- Kosten für einen Deckungskauf: Wenn Sie die gleiche oder eine vergleichbare Ware woanders teurer kaufen mussten, können Sie die Preisdifferenz als Schaden geltend machen.
- Beispielrechnung: Mehrkosten Deckungskauf = Preis der Ersatzware – Ursprünglicher Preis beim ersten Verkäufer
- Entgangener Gewinn: Wenn Sie die Ware beispielsweise weiterverkaufen wollten und Ihnen dieser Gewinn nun entgangen ist, weil die Lieferung ausblieb.
- Kosten für einen Deckungskauf: Wenn Sie die gleiche oder eine vergleichbare Ware woanders teurer kaufen mussten, können Sie die Preisdifferenz als Schaden geltend machen.
- Schadensersatz neben der Leistung (Verzögerungsschaden): Diesen können Sie zusätzlich zur (eventuell verspätet erfolgten) Lieferung oder auch anstelle der Leistung verlangen. Er deckt Schäden ab, die allein durch die Verzögerung oder die Falschinformation entstanden sind. Beispiele hierfür sind:
- Zusätzliche Aufwendungen: Kosten für ein gemietetes Ersatzgerät, weil das gekaufte nicht rechtzeitig kam.
- Vergebliche Aufwendungen: Kosten, die Sie im Vertrauen auf die korrekte Lieferung oder die richtigen Informationen getätigt haben und die nun nutzlos sind (z.B. Kosten für die Planung eines Einbaus zum ursprünglichen Liefertermin).
- Zinsen: Bei Zahlungsverzug des Verkäufers (selten, eher bei Geldschulden relevant) oder als pauschaler Schadensersatz bei Verzug.
Was müssen Sie beachten?
- Nachweis des Schadens (Beweislast): Sie müssen nachweisen können, dass Ihnen ein konkreter finanzieller Schaden entstanden ist und wie hoch dieser ist. Bewahren Sie daher alle relevanten Belege auf (z.B. Rechnungen für einen Deckungskauf, Korrespondenz mit dem Verkäufer, Nachweise über entgangenen Gewinn). Sie müssen auch darlegen, dass der Schaden direkt durch die Pflichtverletzung (Nichtlieferung, Falschinformation) des Verkäufers verursacht wurde.
- Schadensminderungspflicht: Sie sind verpflichtet, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Das bedeutet zum Beispiel, dass Sie sich bei einem Deckungskauf um ein angemessenes und nicht überteuertes Ersatzangebot bemühen müssen. Wenn Sie diese Pflicht verletzen, kann Ihr Anspruch auf Schadensersatz gekürzt werden.
- Fristsetzung: Für den Schadensersatz statt der Leistung ist es oft notwendig, dem Verkäufer zuerst eine angemessene Frist zur Lieferung zu setzen. Erst wenn diese Frist erfolglos abläuft, können Sie diesen Anspruch geltend machen. Ausnahmen bestehen, wenn eine Fristsetzung entbehrlich ist (z.B. bei endgültiger Verweigerung der Lieferung durch den Verkäufer).
Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen hängt immer von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Inhalt des Vertrages, der Art der Pflichtverletzung und dem nachweisbaren Schaden.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Schadensersatz
Schadensersatz ist der Ausgleich für einen Schaden, der einer Person durch das rechtswidrige Verhalten einer anderen Person entstanden ist. Im Vertragsrecht bedeutet dies meist, dass derjenige, der seine Vertragspflichten verletzt (hier die Verkäuferin durch Nichtlieferung), dem anderen Teil (der Käuferin) den finanziellen Nachteil ersetzen muss, der dadurch entstanden ist. Ziel ist es, den Geschädigten wirtschaftlich so zu stellen, als wäre der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden (vgl. §§ 280 ff. Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Im konkreten Fall macht die Klägerin den Schaden geltend, der ihr durch die Nichterfüllung des Liefervertrags entstanden ist, zunächst einen Teilbetrag von 25.000 Euro.
Beispiel: Wenn ein Handwerker einen vereinbarten Reparaturtermin platzen lässt und Sie deshalb einen wichtigen Folgetermin verpassen, für den Kosten anfallen, können diese Kosten als Schadensersatz vom Handwerker gefordert werden.
Garantie (im Sinne einer garantierten Lieferfrist)
Eine Garantie im Vertragsrecht ist eine besonders verbindliche Zusage einer Partei, für einen bestimmten Umstand oder Erfolg einzustehen – hier für die Einhaltung der Lieferfrist. Anders als bei einer normalen Vertragspflicht haftet der Garantiegeber oft verschuldensunabhängig, also auch dann, wenn ihn kein direktes Verschulden am Nichteintritt des Erfolgs trifft. Im Text war die Garantie der Verkäuferin bezüglich der Lieferfrist entscheidend, da ihr Bruch zusammen mit den Falschinformationen das Vertrauen der Klägerin zerstörte und die spätere kurze Fristsetzung rechtfertigte.
Beispiel: Ein Elektronikhersteller garantiert die Funktionstüchtigkeit eines Fernsehers für 3 Jahre. Geht der Fernseher nach 2 Jahren ohne Zutun des Käufers kaputt, muss der Hersteller aufgrund der Garantie leisten (z. B. Reparatur), unabhängig davon, ob ihn ein Produktionsfehler trifft, den er hätte vermeiden können.
an Erfüllungs statt (Abtretung)
Eine Leistung „an Erfüllungs statt“ (§ 364 Abs. 1 BGB) liegt vor, wenn ein Gläubiger anstelle der eigentlich geschuldeten Leistung eine andere Leistung annimmt und dadurch die ursprüngliche Schuld erlischt. Es wird also etwas anderes zur Schuldtilgung akzeptiert als das, was ursprünglich vereinbart war. Im Text trat die Klägerin (Schuldnerin des Kaufpreises gegenüber der Beklagten) ihre eigene Forderung auf Kaufpreiszahlung gegen die Beschaffungsstelle (Dritter) an die Beklagte (Gläubigerin des Kaufpreises von der Klägerin) ab. Mit dieser Abtretung galt die Zahlungspflicht der Klägerin gegenüber der Beklagten als erfüllt.
Beispiel: Herr Müller schuldet Frau Schmidt 500 Euro. Statt das Geld zu zahlen, einigen sie sich darauf, dass Herr Müller Frau Schmidt sein altes Moped überlässt. Nimmt Frau Schmidt das Moped an, ist die Geldschuld durch die Hingabe des Mopeds „an Erfüllungs statt“ getilgt.
Lieferverzug
Lieferverzug tritt ein, wenn ein Schuldner (hier die Verkäuferin) eine fällige Leistung (die Lieferung der Schutzausrüstung) trotz Möglichkeit nicht rechtzeitig erbringt (§ 286 BGB). Voraussetzung ist in der Regel eine Mahnung durch den Gläubiger nach Fälligkeit oder – wie hier im Fall – dass für die Lieferung eine feste Frist nach dem Kalender bestimmt war (zuerst 30. April, dann 8. Mai). Gerät der Schuldner in Verzug, kann der Gläubiger (die Käuferin) unter weiteren Voraussetzungen, insbesondere nach Setzen einer Nachfrist, Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten.
Beispiel: Sie bestellen online Kleidung mit einem zugesicherten Lieferdatum. Trifft die Ware eine Woche nach diesem Datum immer noch nicht ein, befindet sich der Händler im Lieferverzug.
Fristsetzung
Die Fristsetzung ist die Aufforderung des Gläubigers an den säumigen Schuldner, die geschuldete Leistung innerhalb einer bestimmten, angemessenen Nachfrist doch noch zu erbringen. Sie ist eine zentrale Voraussetzung, um nach Ablauf der Frist bestimmte Rechte geltend machen zu können, insbesondere den Schadensersatz statt der Leistung (§ 281 BGB) oder den Rücktritt vom Vertrag (§ 323 BGB). Im Fall setzte die Klägerin der Beklagten eine sehr kurze Frist zur Lieferung bzw. zum Nachweis darüber; das Gericht hielt diese Kürze aufgrund der Umstände (Garantiebruch, Täuschung) für angemessen.
Beispiel: Ein Maler sollte Ihre Wohnung bis zum 15. des Monats streichen, ist aber nicht fertig geworden. Sie setzen ihm schriftlich eine Nachfrist bis zum 20. des Monats, um die Arbeiten abzuschließen. Verstreicht auch diese Frist ungenutzt, können Sie ggf. Schadensersatz fordern oder einen anderen Maler beauftragen.
vorläufig vollstreckbar
„Vorläufig vollstreckbar“ bedeutet, dass ein Gerichtsurteil sofort durchgesetzt werden kann, auch wenn es noch nicht rechtskräftig ist (d. h. theoretisch noch mit Rechtsmitteln angefochten werden könnte). Die gewinnende Partei (hier die Klägerin) kann also bereits die Zwangsvollstreckung einleiten, um z. B. die zugesprochene Geldsumme (25.000 Euro) einzutreiben (geregelt in §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO). Oft muss die vollstreckende Partei dafür eine Sicherheit leisten, um die gegnerische Partei für den Fall abzusichern, dass das Urteil später doch noch abgeändert wird.
Beispiel: Sie gewinnen einen Prozess um eine Geldforderung. Das Urteil lautet „vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung“. Sie können sofort den Gerichtsvollzieher beauftragen, das Geld einzutreiben, müssen aber zuvor den vom Gericht festgelegten Sicherheitsbetrag (z. B. durch Bankbürgschaft) hinterlegen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Kaufvertrag (§ 433 BGB): Ein Kaufvertrag verpflichtet den Verkäufer zur Übergabe der Ware und den Käufer zur Zahlung des Kaufpreises. Ein Vertrag kommt durch übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2. wurde ein Kaufvertrag über Schutzmasken und Schutzkittel geschlossen, der die Grundlage für die gegenseitigen Pflichten bildet.
- Vertragsverletzung / Leistungsstörung (§ 280 Abs. 1 BGB): Wenn eine Vertragspartei ihre Pflichten aus dem Vertrag nicht erfüllt, liegt eine Vertragsverletzung vor. Dies kann z.B. Nichtleistung oder verspätete Leistung sein und berechtigt die andere Partei zu Schadensersatz. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagte zu 2. hat die vereinbarten Schutzmasken und Schutzkittel nicht fristgerecht geliefert, was eine Vertragsverletzung darstellt und den Schadensersatzanspruch der Klägerin begründet.
- Verzug (§ 286 BGB): Verzug tritt ein, wenn der Schuldner eine fällige Leistung nicht erbringt und eine Mahnung erhalten hat oder der Leistungszeitpunkt kalendermäßig bestimmt ist. Im Verzug haftet der Schuldner für den Verzugsschaden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagte zu 2. geriet in Verzug, da der Liefertermin vereinbart und überschritten wurde und sie die Ware nicht lieferte, was ihre Haftung für den entstandenen Schaden weiter untermauert.
- Schadensersatz statt der Leistung (§ 281 BGB): Unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere nach erfolglosem Ablauf einer angemessenen Frist zur Leistung, kann der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn die Leistung nicht erbracht wurde. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da die Beklagte zu 2. trotz Fristsetzung nicht lieferte, kann die Klägerin Schadensersatz statt der Leistung fordern, um den Schaden aus der Nichterfüllung des Vertrages ersetzt zu bekommen.
Hinweise und Tipps
Praxistipps für Unternehmen als Käufer von Waren bei Lieferproblemen
Sie haben als Unternehmen Waren bestellt und verlassen sich auf zugesagte Liefertermine? Doch der Lieferant hält sich nicht an die Absprachen, liefert gar nicht oder täuscht Sie sogar über den Lieferstatus? Solche Situationen können erhebliche wirtschaftliche Schäden verursachen, wie ein aktueller Fall vor dem OLG Düsseldorf zeigt.
Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.
Tipp 1: Lieferverträge und Kommunikation sorgfältig dokumentieren
Halten Sie alle Vereinbarungen schriftlich fest: Bestellungen, Auftragsbestätigungen mit Lieferterminen und Spezifikationen der Ware. Bewahren Sie sämtliche Korrespondenz mit dem Lieferanten auf, insbesondere E-Mails oder Briefe bezüglich Lieferverzögerungen oder Problemen.
⚠️ ACHTUNG: Ohne klare schriftliche Vereinbarungen und Nachweise über die Kommunikation ist es oft schwierig, Ihre Rechte bei Nichterfüllung durchzusetzen. Mündliche Absprachen sind schwer beweisbar.
Tipp 2: Bei Lieferverzug klare Nachfrist setzen
Wenn der vereinbarte Liefertermin überschritten wird, setzen Sie dem Lieferanten schriftlich eine angemessene Nachfrist zur Lieferung. Kündigen Sie gleichzeitig an, welche Konsequenzen Sie nach fruchtlosem Ablauf der Frist ziehen werden (z. B. Rücktritt vom Vertrag, Schadensersatz statt der Leistung).
⚠️ ACHTUNG: Das Setzen einer Nachfrist ist oft eine rechtliche Voraussetzung, um Schadensersatzansprüche geltend machen oder vom Vertrag zurücktreten zu können. Ausnahmen bestehen nur in bestimmten Fällen (z. B. wenn der Lieferant die Leistung endgültig verweigert oder ein Fixgeschäft vereinbart war).
Tipp 3: Auf Falschinformationen des Lieferanten reagieren
Wenn Sie den Verdacht haben, dass der Lieferant Sie über den Status der Lieferung täuscht (wie im geschilderten Fall), fordern Sie konkrete Nachweise an (z. B. Versandbestätigungen, Tracking-Nummern). Dokumentieren Sie die Falschaussagen und Ihre Nachfragen genau.
⚠️ ACHTUNG: Bewusste Täuschung durch den Lieferanten kann weitreichende rechtliche Folgen haben, bis hin zur Anfechtung des Vertrages oder besonderen Schadensersatzansprüchen. Der Nachweis obliegt jedoch Ihnen als Käufer.
Tipp 4: Entstandenen Schaden genau beziffern und nachweisen
Wenn Ihnen durch die Nichtlieferung oder verspätete Lieferung ein Schaden entsteht, müssen Sie diesen konkret berechnen und belegen können. Sammeln Sie alle relevanten Belege.
Beispiel: Sie mussten die ausgefallene Ware teurer bei einem anderen Lieferanten beschaffen (Deckungskauf). Die Mehrkosten sind Teil Ihres Schadens. Auch entgangener Gewinn, weil Sie eigene Lieferverpflichtungen nicht erfüllen konnten, kann einen Schaden darstellen.
⚠️ ACHTUNG: Ohne nachvollziehbare Berechnung und Belege ist die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen kaum möglich. Pauschale Forderungen werden in der Regel nicht anerkannt.
Tipp 5: Rechtliche Schritte frühzeitig prüfen lassen
Wenn der Lieferant trotz Nachfristsetzung nicht liefert oder Schadensersatz verweigert, sollten Sie zeitnah anwaltlichen Rat einholen. Ein spezialisierter Anwalt kann prüfen, welche Ansprüche (Lieferung, Schadensersatz, Rücktritt) Ihnen zustehen und wie diese am besten durchgesetzt werden können – notfalls auch gerichtlich.
Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Achten Sie besonders auf Klauseln zu Lieferterminen in Verträgen: Handelt es sich um feste, garantierte Termine („Fixgeschäft“) oder um voraussichtliche Angaben? Dies hat erhebliche Auswirkungen auf Ihre Rechte bei Verzug. Auch die genaue Dokumentation von Falschaussagen des Lieferanten ist entscheidend, da dies über reine Nichterfüllung hinausgeht und z. B. Betrugsrelevanz haben kann. Die Verjährung von Ansprüchen ist ebenfalls zu beachten.
✅ Checkliste: Probleme mit Warenlieferungen
- Liefervertrag und Korrespondenz vollständig dokumentiert?
- Liefertermin klar vereinbart und überschritten?
- Schriftliche Nachfrist mit klarer Fristsetzung und Androhung von Konsequenzen erfolgt?
- Eventuelle Falschaussagen des Lieferanten dokumentiert?
- Entstandener Schaden (z. B. Mehrkosten, entgangener Gewinn) konkret beziffert und belegbar?
- Bei anhaltenden Problemen: Frühzeitig Rechtsberatung eingeholt?
Das vorliegende Urteil
OLG Düsseldorf – Az.: 14 U 64/23 – Urteil vom 15.01.2025
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz