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Zwischenfeststellungsklage setzt Zahlungsklage voraus

LG Aachen – Az.: 8 O 100/21 – Urteil vom 20.08.2021

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 163.310,44 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz aus EUR 10.834,43 seit dem 05.06.2020, aus weiteren EUR 18.561,44 seit dem 06.07.2020, aus weiteren EUR 3.349,36 seit dem 06.08.2020, aus weiteren EUR 18.561,44 seit dem 04.09.2020, aus weiteren EUR 18.561,44 seit dem 06.10.2020, aus weiteren EUR 18.567,49 seit dem 05.11.2020, aus weiteren EUR 18.567,49 seit dem 04.12.2020, aus weiteren EUR 18.567,49 seit dem 07.01.2021, aus weiteren EUR 18.567,49 seit dem 04.02.2021 und aus weiteren EUR 18.567,49 seit dem 04.03.2021 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossene Pachtvertrag vom 22.08.2016 über das Ladenlokal Mitte (Los 2) im Straßenverkehrsamt X-Straße, D-Str., 5. X.str., unverändert, ohne Recht der Beklagten zur Anpassung des vorbenannten Pachtvertrages, fortbesteht und das Pachtverhältnis unbeschadet bis zum 30.10.2021 andauert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von EUR 3.311,18 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.02.2021 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung rückständiger Pachtzinsen sowie Feststellung des unveränderten Fortbestehens des zwischen den Parteien geschlossenen Pachtvertrages in Anspruch.

Die Parteien sind durch einen Pachtvertrag vom 22.08.2016 über ein Ladenlokal mit einer Nutzfläche von 39,50 m² im Gebäude des Straßenverkehrsamtes in X-Straße verbunden. Dem Abschluss des Pachtvertrages ging eine öffentliche Ausschreibung voraus, bei der die Klägerin drei Ladenlokale für die Herstellung und den Vertrieb von Kfz-Kennzeichen in diesem Gebäude des Straßenverkehrsamtes ausschrieb. Die Beklagte beteiligte sich an dieser Ausschreibung und erhielt den Zuschlag für das Ladenlokal „Mitte Los 2“, sodass am 22.08.2016 mit Wirkung zum 01.11.2016 der vorgenannte Pachtvertrag geschlossen wurde.

Der monatliche Pachtzins beträgt gemäß § 4 des Pachtvertrages 18.259,00 Euro zuzüglich einer anfänglichen Nebenkostenpauschale i.H.v. 285,00 Euro. Gemäß § 5 Ziff. 1 Abs. 2 des Pachtvertrages erhöht sich die Nebenkostenpauschale ab dem 2. Pachtjahr um 2% jährlich. Bis zum Oktober 2020 betrug die monatliche Nebenkostenpauschale somit 302,44 Euro. Zum Monat November 2020 wurde die Nebenkostenpauschale auf 308,49 Euro angehoben. Die sich aus dem streitgegenständlichen Pachtvertrag ergebende Gesamtpacht beträgt damit – ungeachtet der Streitigkeiten der Parteien über den Fortbestand des Pachtvertrages – aktuell 18.567,49 Euro pro Monat. Gemäß § 6 des Pachtvertrages ist dieser Pachtzins spätestens am 3. Werktag eines jeden Monats im Voraus zu zahlen; nicht rechtzeitig gezahlte Pachtzinsen werden gemäß § 6 Ziff. 3 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verzinst. Wegen der weiteren Einzelheiten des Pachtvertrages wird auf die vorgelegte Vertragsurkunde (Anl. K1, Bl. 19 d. A.) verwiesen.

Im Zuge der Corona-Pandemie ergriff die Klägerin verschiedene Maßnahmen zum Zwecke des Infektionsschutzes, deren Art und Umfang zum Teil zwischen den Parteien streitig sind. Unstreitig war seit dem 19.03.2020 für Kunden des Straßenverkehrsamtes ein Einlass nur noch mit Termin möglich. Außerdem gab es im Zeitraum 23.03.2020 – 03.05.2020 einen Notbetrieb, während dessen immer nur eines der drei vorhandenen Schilderprägerlokale geöffnet war (Anl. K7, Bl. 55 d. A.). Insoweit kam es also auch bezüglich des Pachtobjektes der Beklagten zu kurzzeitigen Schließungen. Darüber hinaus richtete die Klägerin einen Sicherheitsdienst vor dem Gebäude ein, der den Zugang zum Gebäude kontrollierte. Weiterhin unstreitig ist in diesem Zusammenhang, dass der Sicherheitsdienst die Aufgabe hatte, sicherzustellen, dass die zulässige Anzahl von Personen, die sich gleichzeitig im Gebäude aufhalten durften, nicht überschritten wurde.

Mit Schreiben vom 14.05.2020 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass das Zulassungsgeschäft durch die Corona-Krise stark getroffen worden sei und die Zulassungszahlen stark zurückgegangen seien. Unstreitig gingen die Geschäftsvorfälle der Klägerin – jeweils im Vergleich zu dem entsprechenden Monat im Jahr 2019 – im April 2020 um 65%, im Mai 2020 um 50% und im Juni 2020 um 32% zurück. Unter Bezugnahme auf die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB begehrte die Beklagte vor diesem Hintergrund eine nachträgliche Anpassung des Pachtvertrages. Die Klägerin wies dieses Ansinnen der Beklagten mit Schreiben vom 29.05.2020 zurück.

Beginnend mit dem Monat Juni 2020 stellte die Beklagte sodann die Pachtzinszahlungen fast vollständig ein, wobei die Verrechnung der geleisteten Zahlungen zwischen den Parteien ebenfalls streitig ist. Die Differenz zu dem auf Grundlage der Vereinbarungen geschuldeten Pachtzinsen betrug am 10.03.2021, d. h. zum Zeitpunkt der Klageeinreichung, 163.310,44 Euro. Wegen der Einzelheiten des Pachtrückstandes wird auf den zur Akte gereichten „Kontoauszug Debitor“ (Anlage K 10, Bl. 77 d. A.) verwiesen. Diese Forderung macht die Klägerin vorliegend mit dem Klageantrag zu 1) geltend.

Mit Schreiben vom 14.07.2020 kündigte die Beklagte den Pachtvertrag zum 31.08.2020, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt (Anl. K6, Bl. 50 d. A.). Sie begründete die Kündigung damit, dass ein wirtschaftlicher Betrieb der Schilderprägerei perspektivisch aufgrund der Corona-Pandemie nicht mehr möglich sei. Die Klägerin widersprach dieser Kündigung mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 14.08.2020 (Anl. K7, Bl. 52 d. A.).

Die Klägerin behauptet, es habe durch die von ihr ergriffenen Corona-Schutzmaßnahmen kaum Beeinträchtigungen des Pachtobjekts der Beklagten gegeben. Die behaupteten Umsatzeinbußen auf Seiten der Beklagten seien daher rein konjunkturell bedingt und nicht auf Einschränkungen des Betriebs des Straßenverkehrsamtes bzw. der Zugänglichkeit des Pachtobjektes zurückzuführen. Das Pachtobjekt weise daher weder einen Mangel auf, noch sei die Beklagte zur Anpassung des Pachtvertrages oder gar zur Kündigung desselben berechtigt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 163.310,44 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz aus EUR 10.834,43 seit dem 04.06.2020, aus weiteren EUR 18.561,44 seit dem 06.07.2020, aus weiteren EUR 3.349,36 seit dem 06.08.2020, aus weiteren EUR 18.561,44 seit dem 04.09.2020, aus weiteren EUR 18.561,44 seit dem 06.10.2020, aus weiteren EUR 18.567,49 seit dem 05.11.2020, aus weiteren EUR 18.567,49 seit dem 04.12.2020, aus weiteren EUR 18.567,49 seit dem 06.01.2021, aus weiteren EUR 18.567,49 seit dem 04.02.2021 und aus weiteren EUR 18.567,49 seit dem 04.03.2021 zu zahlen;

2. im Wege der Zwischenfeststellungsklage festzustellen, dass der zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossene Pachtvertrag vom 22.08.2016 über das Ladenlokal Mitte (Los 2) im Straßenverkehrsamt X-Straße, D-Str., X, unverändert, ohne Recht der Beklagten zur Anpassung des vorbenannten Pachtvertrages, fortbesteht und das Pachtverhältnis unbeschadet bis zum 30.10.2021 andauert;

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von EUR 3.311,18 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.02.2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe ausgehend von einem Jahresumsatz im streitgegenständlichen Objekt im Jahr 2019 von 290.359,00 Euro für 2020 einen Umsatz von 305.519,00 Euro geplant, tatsächlich jedoch nur einen Umsatz von 230.194,00 Euro erzielt. Weiterhin behauptet sie, diese Umsatzverluste seien auf die seitens der Klägerin angeordneten Corona-Schutzmaßnahmen zurückzuführen. So seien die Öffnungszeiten des Straßenverkehrsamtes beschränkt und Samstagstermine vollständig gestrichen worden. Außerdem verhindere der am Eingang postierte Sicherheitsdienst den Zugang für Kunden, die keine Fahrzeuge zulassen wollten, aber gleichwohl als Kunden für die Beklagte interessant seien. Bei Kunden, die Zutritt erhielten, verlange der Sicherheitsdienst, dass eine Mitarbeiterin der Beklagten das Ladenlokal schließe und den Kunden am Haupteingang in Empfang nehme. Die Beklagte behauptet weiter, viele Kunden würden die Kfz-Schilder während der Wartezeit vor dem Gebäude aufgrund der Zugangskontrollen bzw. beschränkten Zugangszahlen bei Konkurrenzunternehmen im Umfeld des Straßenverkehrsamtes zu günstigeren Preisen prägen lassen. Darüber hinaus behauptet die Beklagte, es sei beispielsweise bei den Straßenverkehrsämtern in Düren und Jülich eine Zulassung nach wie vor ohne Termin möglich und die Klägerin weise auf diese Ausweichmöglichkeiten auf Ihrer Homepage ausdrücklich hin. Von diesem Kundenrückgang sei vorwiegend das für die Beklagte allein interessante Privatkundengeschäft betroffen.

Weiterhin behauptet die Beklagte, sie habe keine Ersparnisse durch Kurzarbeitergeld gehabt und auch keine staatlichen Hilfen erhalten. Sie ist daher der Ansicht, dass die behaupteten Beschränkungen zu einem Mangel der Pachtsache bzw. hilfsweise zur Anwendbarkeit der Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) geführt hätten und sie daher zur Kündigung des Pachtvertrages berechtigt gewesen sei. Schließlich behauptet die Beklagte, die Klägerin habe im Klageantrag zu 1) die von ihr vorgenommenen Tilgungsbestimmungen ignoriert. Außerdem ist sie bezüglich des Klageantrags zu 2) der Ansicht, dieser sei unbegründet soweit er den Zeitraum bis März 2021 betreffe, weil es insoweit keiner Zwischenfeststellung bedürfe. Soweit der Feststellungsantrag in die Zukunft gerichtet sei, fehle es an einem Feststellungsinteresse, da die Klägerin insoweit auf künftige Leistung klagen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die von den Prozessbevollmächtigten der Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung vollumfänglich begründet.

I.

Die Klage ist insgesamt zulässig. Die insoweit von der Beklagten erhobenen Einwände greifen nicht durch. Zunächst fehlt dem Klageantrag zu 2) nicht das erforderliche Feststellungsinteresse, weil auch die Möglichkeit zur Klage auf zukünftige Leistung besteht. Zwar wird diese Auffassung in der Literatur vereinzelt vertreten (so etwa Winkler ZMR 2008, 94), die herrschende Auffassung, der das Gericht folgt, geht jedoch davon aus, dass die prozessuale Möglichkeit zur Geltendmachung der zukünftigen Mieten bzw. Pachten gemäß § 259 ZPO ein Feststellungsinteresse nicht entfallen lässt (siehe etwa Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 259 Rn. 1; Both, in: Guhling/Günther, Gewerberaummiete, 2. Aufl. 2019, § 556 Rn. 139; so wohl – in einem obiter dictum – auch der BGH in seinem Urteil vom 03.07.2002 – XII ZR 234/99, NJW-RR 2002, 1377,1378).

Darüber hinaus steht der Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage auch nicht entgegen, dass die Klägerin vorrangig eine Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO hätte erheben müssen. Ein solcher Vorrang besteht nicht; vielmehr setzt die Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO gerade voraus, dass zusätzlich auch eine Zahlungsklage erhoben wird. Eine Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO käme hingegen (isoliert) dann in Betracht, wenn die Klägerin nicht gleichzeitig auch auf Zahlung klagen würde (BGH, Urteil vom 03.07.2002 – XII ZR 234/99, NJW-RR 2002, 1377).

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II.

Die Klage ist auch mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung vollumfänglich begründet.

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte der mit dem Klageantrag zu 1) geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 163.310,44 Euro gemäß § 581 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. dem streitgegenständlichen Pachtvertrag zu.

Dass die Beklagte im Vergleich zu den im Pachtvertrag vereinbarten Zahlungspflichten einen Rückstand in dieser Höhe hat auflaufen lassen, ist zwischen den Parteien unstreitig. Die gegen die Pachtzahlungsverpflichtung erhobenen Einwände der Beklagten greifen im Ergebnis nicht durch.

a) Die Beklagte ist weder gemäß §§ 581 Abs. 2, 536 Abs. 1 S. 1 BGB von der Verpflichtung zur Zahlung der Pacht befreit, noch ist die Pacht gemäß §§ 581 Abs. 2, 536 Abs. 1 S. 2 BGB gemindert.

aa) Soweit die Klägerin Beeinträchtigungen ihres Geschäftsbetriebs bzw. des vertragsgemäßen Gebrauchs des Pachtobjekts wegen unmittelbarer oder mittelbarer Auswirkungen behördlicher Corona-Schutzmaßnahmen geltend macht, fehlt es an einem Mangel der Pachtsache im Sinne des §§ 581 Abs. 2, 536 Abs. 1 BGB. Das Gericht folgt insoweit der bislang überwiegenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung, die selbst für den schwerwiegenderen Eingriff einer vollständigen Schließung einen Mangel der Miet- oder Pachtsache ablehnt. Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 24.02.2021 – 7 U 109/20, NZA 2021, 224 (Rn. 14 f.)) hat – auf das vorliegende Pachtverhältnis übertragbar – diesbezüglich beispielsweise Folgendes ausgeführt:

„Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht. Ein derartiger Mangel ist dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) getroffen werden können. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (sogenannte Umweltfehler) wie etwa Emissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt (BGH NJW 2013,680 = NZA 2013, 184 Rn. 8). Ergeben sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Mietverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsgemäßen Gebrauchs eines gewerblichen Mietobjekts, kann dies nachträglich einen Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB begründen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, den Zustand oder der Lage des Mietobjektes in Zusammenhang steht. Andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Mieters. Denn der Vermieter von Gewerberäumen ist gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB lediglich verpflichtet, den Mietgegenstand während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der den Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache trägt bei der Gewerberaummiete dagegen grundsätzlich der Mieter. Dazu gehört vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Mieters aufgrund eines nachträglich eintretenden Umstandes nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters. Dies gilt auch in Fällen, in denen es durch nachträgliche gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen zu einer Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs des Mieters kommt (vgl. BGH NZM 2011, 727 Rn. 9 – Pacht). Diese Rechtsprechung des BGH setzt im Gegensatz zu der von der Beklagten und dem LG München I (COVuR 2020, 868) herangezogenen Rechtsprechung des RG für die Annahme eines Mangels einen Objektbezug der Nutzungsbeeinträchtigung voraus. Einen solchen hält auch der Senat als Voraussetzung der Annahme eines Mangels des Mietobjekts für erforderlich. Durch die behördliche Nutzungseinschränkung ist das streitgegenständliche Mietobjekt daher nicht als mangelhaft i.S.d. § 536 BGB anzusehen. Es fehlt am Objektbezug der behördlichen Schließungsanordnungen, die eine Vielzahl an Gewerben, die nicht der Deckung mit Gütern des täglichen Bedarfs dienten, betrafen.“

Dieser Auffassung schließt sich das Gericht vollumfänglich an.

bb) Soweit die Klägerin vorträgt, unabhängig von Corona-Schutzmaßnahmen habe der Sicherheitsdienst der Beklagten den Zugang von Kunden verhindert, die ihr Fahrzeug nicht zulassen wollten, kommt hingegen grundsätzlich die Annahme eines Mangels der Pachtsache in Betracht. Selbiges gilt auch für das im nachgelassenen Schriftsatz vom 27.07.2021 behauptete Procedere hinsichtlich der Abholung von Kunden am Haupteingang. Allerdings hat die Beklagte die (isoliert) auf diesen Umstand entfallende Beeinträchtigung nicht substantiiert dargelegt. Dies mag auf dem Umstand beruhen, dass die Beklagte vor dem Hintergrund ihres Vortrags, dieser tatsächliche Punkt sei für die Entscheidungsfindung nur von untergeordneter Bedeutung (Bl. 192 d. A.) insoweit selbst nicht von einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung ausgeht. Jedenfalls genügt der Vortrag der Beklagten den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung eines Mangels bereits deshalb nicht, weil es weder Vortrag zur Intensität der Gebrauchsbeeinträchtigung gibt, noch dazu, in welchen Zeiträumen die Gebrauchsbeeinträchtigung aufgetreten ist. Minderungsansprüche der Beklagten scheiden daher auch insoweit aus.

b) Aufgrund des Fehlens eines Mangels der Pachtsache geht schließlich auch die seitens der Beklagten ausgesprochene Kündigung des Pachtvertrages ins Leere.

c) Die Pachtzahlungsverpflichtung der Beklagten ist vorliegend auch nicht nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB entfallen bzw. reduziert.

aa) Dabei geht das Gericht jedoch davon aus, dass im vorliegenden Fall grundsätzlich auf die Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage zurückgegriffen werden kann (vgl. zuletzt auch OLG Dresden, Urteil vom 24.02.2021 – 5 U 1782/20, NJ 2021, 170). Insoweit enthält Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB eine gesetzliche Vermutung, die gemäß Abs. 2 auch auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden ist. Wenn vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind, wird danach vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrages geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Es handelt sich dabei um eine Klarstellung und keine echte Rückwirkung, sodass diese Regelung auf den vorliegenden Rechtsstreit uneingeschränkte Anwendung findet (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 24.02. 2021 – 5 U 1782/20, NJ 2021, 170; M. Schultz, in: BeckOK Mietrecht, 24. Edition, Art. 240 § 7 EGBGB Rn. 4). Die Voraussetzungen dieser gesetzlichen Vermutung sind im vorliegenden Fall erfüllt; insbesondere stellt die unstreitige Beschränkung der Personenzahl eine erhebliche Einschränkung im Sinne dieses Artikels 240 § 7 Abs. 1 EGBGB da (vgl. BT-Drs. 19/25322, Seite 20, zitiert nach Siegmund, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Art. 240 § 7 EGBGB Rn. 24.

bb) Allerdings gewährt § 313 Abs. 1 BGB der Beklagten auf Rechtsfolgenseite, die von der Vermutungsregel des Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB unberührt bleibt (Lorenz, in: BeckOK BGB, 58. Edition, Art. 140 § 7 BGB Rn. 5), vorliegend keinen Anspruch auf vollständige oder teilweise Reduzierung der vertraglich vereinbarten Pacht.

Die Beklagte hat insoweit nicht dargelegt, dass ihr das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Dabei stellt der Gesetzgeber darauf ab, dass im Rahmen der Zumutbarkeit zu prüfen ist, wie erheblich die Umsätze zurückgegangen sind, und auch, ob der Mieter öffentliche oder sonstige Zuschüsse erhalten hat, mit denen er die Umsatzausfälle infolge staatlicher Beschränkung jedenfalls teilweise kompensieren kann, und ob er Aufwendungen erspart hat (z.B. wegen Kurzarbeitergelds oder weggefallenem Wareneinkaufs). Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls; § 313 BGB gewährt keine Überkompensation (OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.02.2021 – 7 U 109/20, NZM 2021, 224, 225 (Rn. 19 f.)).

Die bislang ergangene obergerichtliche Rechtsprechung stellt insoweit hohe Anforderungen an die Annahme einer Unzumutbarkeit im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB (siehe etwa OLG München, Hinweis vom 17.02.2021 – 32 U 6358/20, NZM 2021, 226, 230 (Rn. 37 ff.); OLG Karlsruhe, Urteil vom 24. 2. 2021 – 7 U 109/20, NZM 2021, 224, 226 (Rn. 24)). Zu Recht wird dabei betont, dass der Anspruch des Mieters/Pächters nicht allein vom Rückgang des Umsatzes ohne Ansehen der wirtschaftlichen Situation des Mieters abhängt und auch nicht allein das Äquivalenzverhältnis des konkreten Vertrages zu beurteilen wäre. Vielmehr muss die Anwendbarkeit unter Berücksichtigung der Wertungen des Gesetzgebers auf diejenigen Ausnahmefälle beschränkt sein, in denen die Pachtzahlung für den Pächter aus wirtschaftlichen Gründen untragbar ist (vgl. (OLG München, Hinweis vom 17.02.2021 – 32 U 6358/20, NZM 2021, 226, 230 (Rn. 37 ff.)). Dass ein solcher Ausnahmefall vorliegend gegeben ist, hat die Beklagte nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass sie ausgehend von einem Jahresumsatz in X-Straße im Jahr 2019 von 290.359,00 Euro für 2020 305.519,00 Euro geplant und nur 230.194,00 Euro erzielt habe (Bl. 94.N). Dies entspricht einem Rückgang gegenüber dem erzielten Umsatz im Jahr 2019 von 20,27%. Im Übrigen befasst sich der Vortrag der Beklagten vorwiegend mit der Darlegung des Rückgangs der Geschäftsvorfälle bzw. der Zulassungszahlen auf Seiten der Klägerin. Für die Anwendbarkeit des § 313 Abs. 1 BGB kommt es jedoch auf die Geschäftsvorfälle der Klägerin – wenngleich diese auch Einfluss auf die Ertragslage der Beklagten im streitgegenständlichen Objekt haben – nicht entscheidend an. Erforderlich ist vielmehr, dass in Person der Beklagten ein Ausnahmefall vorliegt, der es aufgrund der besonderen wirtschaftlichen Situation der Beklagten erforderlich macht, die Pacht im Einzelfall anzupassen oder zu stunden (vgl. OLG München, Hinweis vom 17.02.2021 – 32 U 6358/20, NZM 2021, 226, 230 (Rn. 42)). Das OLG München hat das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls selbst bei vorgetragenen Umsatzeinbußen von 47,68% bzw. 78,56% im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahresmonaten in seinem Hinweis vom 17.02.2021 (32 U 6358/20, NZM 2021, 226, 230 (Rn. 37 ff.) verneint.

Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte nicht dargelegt, dass ihr ein Festhalten am unveränderten Vertrag im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB nicht zugemutet werden kann.

2. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt die Begründetheit der mit dem Klageantrag zu 2) erhobenen Zwischenfeststellungsklage. Das aus dem Tenor ersichtliche Vertragsende 30.10.2021, das vom Feststellungsbegehren der Klägerin umfasst ist, ergibt sich aus § 2 des streitgegenständlichen Pachtvertrages (Anl. K1, Bl. 20 d. A.).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Feststellungsklage auch nicht deshalb teilweise unbegründet, weil die Klägerin ihre Zahlungsklage auf den Zeitraum bis einschließlich März 2021 erstreckt hat. Es ist nicht ersichtlich, weshalb sich aus dem Tenor, dass der Pachtvertrag unverändert fortbesteht, eine Feststellung für die Vergangenheit ergeben sollte, die zu Unbegründetheit des Klageantrags führen würde.

III.

Aus dem Gesichtspunkt des Verzuges sind seitens der Beklagten auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu erstatten. Den höheren Streitwert erklärt die Klägerin schlüssig mit den zum damaligen Zeitpunkt (höheren) rückständigen Pachtzinsen (Bl. 17 d. A.).

IV.

Der Zinsantrag ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges (§ 6 Ziff. 3 des Pachtvertrages) ebenfalls überwiegend begründet.

1. Die seitens der Beklagten erhobenen Einwände hinsichtlich der Verrechnung von Zahlungen greifen im Ergebnis nicht durch. Zwar ist der Mieter – offenbar entgegen der Auffassung der Klägerin, die auf das Erfordernis einer Vereinbarung verweist – grundsätzlich gemäß § 366 Abs. 1 BGB berechtigt, Tilgungsbestimmungen zu treffen (Mehle, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, § 543 Rn. 201). Allerdings trifft den Schuldner, d. h. vorliegend die Beklagte, die Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf die behaupteten Tilgungsbestimmungen (vgl. BGH, Urteil vom 30.03.1993 – XI ZR 95/92, NJW-RR 1993, 1015; Looschelders, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, § 366 Rn. 85). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Beklagten nicht. Die Beklagte trägt lediglich vor, sie habe mit Schreiben vom 14.07.2020 (Anl. K6, Bl. 50 d. A.) mitgeteilt, für welchen Monat sie was zahle und damit eine Tilgungsbestimmung vorgenommen, die die Klägerin beim Klageantrag zu 1) ignoriert habe (Bl. 94.J d. A.). Weitergehender schriftsätzlicher Vortrag hierzu fehlt. Selbst wenn man jedoch das vorgelegte Schreiben ergänzend heranzieht, so ergibt sich daraus nicht im Einzelnen, inwieweit die Verrechnung seitens der Klägerin fehlerhaft sein soll. Das Schreiben enthält vielmehr eine Mitteilung darüber, welche Zahlungen geleistet werden bzw. wurden. Eine substantiierte Auseinandersetzung mit dem Zinsantrag der Klägerin enthält dieses Schreiben jedoch nicht und konnte es aufgrund der zeitlichen Reihenfolge auch noch nicht enthalten.

Darüber hinaus stammt das Schreiben vom 14.07.2020 und verhält sich zum Teil zu bereits gezahlten Mieten für zurückliegende Monate. Insoweit ist eine rückwirkende Tilgungsbestimmung ohnehin unwirksam (Looschelders, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, § 366 Rn. 58)

2. In geringem Umfang war der Zinsantrag abzuweisen. Aufgrund des Feiertags am 01.06.2020 (Pfingstmontag) sowie am 01.01.2021 ist die Klageforderung für diese beiden Monate analog § 187 Abs. 1 BGB erst jeweils einen Tag später zu verzinsen als beantragt.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 163.310,44 Euro

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