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Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten: Wer trägt die Kosten bei Fachwissen?

Ein Bauunternehmen forderte nach einem gerichtlichen Vergleich die Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten in Höhe von 8.631 Euro von der Gegenseite. Das Gericht verweigerte die Übernahme der Gutachtenkosten, weil der Bauspezialist bereits zu viel internes Fachwissen besaß.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 8 W 310/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Thüringer Oberlandesgericht Jena
  • Datum: 24.11.2025
  • Aktenzeichen: 8 W 310/25
  • Verfahren: Beschwerdeverfahren
  • Rechtsbereiche: Zivilprozessrecht, Kostenrecht, Baurecht

  • Das Problem: Nach der Beendigung eines Baurechtsstreits durch einen Vergleich stritten sich die Parteien über die Verteilung der Verfahrenskosten. Die Klägerin weigerte sich, die vom Beklagten geforderten Kosten für ein privates Sachverständigengutachten zu erstatten.
  • Die Rechtsfrage: Muss die Gegenseite die Kosten für ein privates Sachverständigengutachten bezahlen, wenn die Partei, die es in Auftrag gab, selbst über die notwendige Fachexpertise verfügt?
  • Die Antwort: Nein. Das Gericht entschied, dass die Gutachterkosten nicht erstattungsfähig sind. Der Beklagte verfügte über eigene Bauingenieure und brauchte das externe Gutachten zur Rechtsverteidigung nicht zwingend.
  • Die Bedeutung: Private Sachverständigenkosten werden nur dann als notwendig und erstattungsfähig angesehen, wenn der Partei die erforderliche Sachkunde fehlt. Eine fachkundige Partei darf die Kosten für externe Gutachten grundsätzlich nicht auf den Prozessgegner abwälzen.

Wer zahlt das Privatgutachten im Baustreit?

Wenn auf einer Baustelle der Zeitplan kippt, folgt oft der juristische Nachschlag. Genau das passierte in einem Verfahren vor dem Thüringer Oberlandesgericht (Beschluss vom 24.11.2025, Az. 8 W 310/25), bei dem es nicht mehr um Zement und Stahl ging, sondern um die Rechnung für einen privaten Sachverständigen. Der Fall verdeutlicht ein klassisches Dilemma im Zivilprozess: Eine Partei holt sich teure externe Expertise, um ihre Position zu stärken, gewinnt teilweise, und möchte diese Kosten dann vom Gegner erstattet haben.

Im konkreten Streitfall hatte eine Auftraggeberin gegen ein Bauunternehmen geklagt. Es ging um Schadensersatz wegen Verzögerungen beim Baubeginn und um Kündigungsvergütung. Der beklagte Bauunternehmer fackelte nicht lange und beauftragte nach Erhalt der Klage einen privaten Sachverständigen. Dieser sollte für stolze 8.631,67 Euro klären, ob die Bodenplatte überhaupt fristgerecht hätte fertiggestellt werden können und ob die gegnerischen Aufstellungen plausibel seien. Der Rechtsstreit endete schließlich friedlich mit einem Vergleich, bei dem die Klägerin 69 Prozent und der Beklagte 31 Prozent der Kosten tragen sollte. Doch als es an die Endabrechnung ging, entbrannte der Streit erneut: Darf der Bauunternehmer die über achttausend Euro für seinen Privatgutachter in die Kostenausgleichung einbringen, sodass die Klägerin den Großteil davon zahlen muss? Das Landgericht Erfurt hatte dies zunächst bejaht, doch das Thüringer Oberlandesgericht kassierte diese Entscheidung nun ein.

Wann sind Anwalts- und Gutachterkosten erstattungsfähig?

Um die Entscheidung des Senats zu verstehen, muss man tief in die Systematik der Zivilprozessordnung (ZPO) eintauchen. Das deutsche Recht folgt dem Grundsatz, dass der Verlierer die Kosten des Rechtsstreits trägt – oder bei einem Vergleich die Kosten entsprechend der vereinbarten Quote geteilt werden. Geregelt ist dies in § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Doch dieser Paragraph enthält eine entscheidende Einschränkung: Erstattungsfähig sind nur solche Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren.

Ein Umschlag mit einem dicken Stapel Euro-Geldscheinen wird über Baupläne hinweg zwischen zwei Anzugträgern auf einem Schreibtisch übergeben.
Thüringer OLG: Kosten für Privatgutachten sind im Prozess nicht automatisch erstattungsfähig. | Symbolbild: KI

Hier prallen zwei Interessen aufeinander. Einerseits soll jede Partei die besten Mittel nutzen dürfen, um ihr Recht zu bekommen. Andererseits gilt das sogenannte Kostenschonungsgebot im Zivilprozess. Das bedeutet, dass niemand den Gegner durch unnötige, luxuriöse Ausgaben finanziell bluten lassen darf. Die Rechtsprechung differenziert daher streng zwischen Gerichtsgutachten, die vom Richter angeordnet werden und immer zu den Verfahrenskosten zählen, und Privatgutachten, die eine Partei eigenmächtig in Auftrag gibt. Die Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten ist kein Automatismus, sondern eine Ausnahme. Sie greift meist nur dann, wenn eine Partei ohne fachliche Hilfe gar nicht in der Lage wäre, ihren Anspruch schlüssig zu begründen oder qualifiziert auf ein gegnerisches Gutachten zu erwidern.

Muss der Verlierer auch das Privatgutachten bezahlen?

Das Thüringer Oberlandesgericht musste prüfen, ob die Notwendigkeit privater Sachverständigenleistungen im konkreten Fall gegeben war. Die Richter nahmen die Situation des Bauunternehmers genau unter die Lupe und kamen zu einem klaren Ergebnis: Nein, diese Kosten waren nicht notwendig. Die Argumentation des Gerichts lässt sich in drei wesentlichen Schritten nachvollziehen, die für jeden, der Private Sachverständigenkosten im Bauprozess geltend machen will, lehrreich sind.

War das Gutachten für den Prozess überhaupt nötig?

Ein entscheidender Aspekt für das Gericht war der zeitliche Ablauf und der Inhalt der Schriftsätze. Der beklagte Bauunternehmer hatte das Gutachten zwar nach Klageeingang beauftragt, aber seine juristische Verteidigung stand bereits auf eigenen Beinen, bevor das Gutachten am 13.01.2025 überhaupt vorlag. Bereits in der Klageerwiderung vom September 2023 hatte der Beklagte umfassend dargelegt, warum er die Klage für unbegründet hielt. Das Gericht erkannte hier einen Widerspruch: Wenn man sich bereits detailliert und schlüssig verteidigen kann, wozu braucht man dann noch teure externe Hilfe? Ein Privatgutachten, das erst Monate nach der eigentlichen Verteidigungsschrift fertig wird, dient offensichtlich nicht dazu, den Prozessvortrag erst zu ermöglichen. Es war schlichtweg „on top“ – ein Luxus, den man sich leisten kann, den aber der Gegner nicht bezahlen muss.

Braucht eine Baufirma externe Hilfe?

Das wohl stärkste Argument des Oberlandesgerichts betrifft die Kostenerstattung für fachkundige Partei. Der Beklagte war keine Privatperson, die ein Haus baut und von Statik keine Ahnung hat. Es handelte sich um ein Bauunternehmen, das eine Vielzahl von eigenen Ingenieuren beschäftigt. Das tägliche Geschäft dieses Unternehmens ist die Abwicklung komplexer Bauvorhaben. Hier legte das Gericht die Messlatte extrem hoch. Wer selbst vom Fach ist, muss sein eigenes Wissen nutzen.

Man kann es sich vorstellen wie bei einem Automechaniker, der verklagt wird, weil er eine Reparatur schlecht ausgeführt haben soll. Dieser Mechaniker muss nicht erst einen anderen Meister bezahlen, um zu erklären, was er getan hat – er besitzt die Fachkunde selbst. Genau so sah es das Gericht beim Bauunternehmer. Die Tatsache, dass die bautechnischen Fragen „komplex“ waren, ließ das Gericht nicht gelten. Komplexität gehört zum Berufsrisiko und zur Kompetenz eines Fachunternehmens. Die interne Expertise hätte ausgereicht, um der Klage der Gegenseite substantiiert entgegenzutreten. Sich hier „dumm zu stellen“ und externe Hilfe zu holen, verstößt gegen die Pflicht, die Kosten niedrig zu halten.

Gilt hier der Grundsatz der Waffengleichheit?

Oft wird das Argument der „Waffengleichheit“ ins Feld geführt: Wenn der Gegner aufrüstet, muss ich das auch dürfen. Doch im vorliegenden Fall lief dieses Argument ins Leere. Zum Zeitpunkt der Beauftragung des Privatgutachters gab es auf der Gegenseite noch gar kein Experten-Gutachten. Weder hatte die Klägerin ein eigenes Privatgutachten vorgelegt, noch hatte das Gericht einen Sachverständigen bestellt. Es gab also kein fachliches Ungleichgewicht, das hätte ausgeglichen werden müssen. Der Bauunternehmer schoss quasi mit Kanonen auf Spatzen, beziehungsweise mit einem teuren Gutachten auf bloßen anwaltlichen Vortrag. Das Gericht stellte klar: Waffengleichheit bedeutet nicht, dass man präventiv teure Munition kaufen darf, solange der Gegner noch gar nicht gefeuert hat. Ohne einen Wissensvorsprung der Gegenseite gibt es keinen Grund, die Kosten der Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten auf den Gegner abzuwälzen.

Bekommen Fachleute ihre Gutachterkosten ersetzt?

Die Entscheidung des Thüringer Oberlandesgerichts sendet ein deutliches Signal an die Baubranche und alle spezialisierten Unternehmen. Wer über eigene Fachkunde verfügt, muss diese im Prozess auch nutzen und darf nicht reflexartig externe Gutachter auf Kosten der Gegenseite beauftragen. Die Notwendigkeit privater Sachverständigenleistungen wird bei fachkundigen Parteien äußerst restriktiv gehandhabt.

Das Ergebnis für den konkreten Fall ist finanziell spürbar: Der ursprüngliche Kostenfestsetzungsbeschluss wurde korrigiert. Statt der vom Landgericht angesetzten knapp 14.000 Euro muss die Klägerin nun lediglich 8.077,77 Euro (nebst Zinsen seit dem 27.06.2025 gem. § 247 BGB) an den Beklagten erstatten. Die Differenz – also die Kosten für das Privatgutachten – bleibt am Bauunternehmer hängen. Er hat zwar den Vergleich zu seinen Gunsten geschlossen, zahlt aber für seine „überflüssige“ Vorsichtsmaßnahme selbst. Für die Praxis bedeutet dies: Wer als Experte verklagt wird, sollte genau prüfen, ob ein Privatgutachten wirklich zur Rechtsverteidigung zwingend ist oder nur dem eigenen Komfort dient – denn im Zweifel bleibt man auf dieser Rechnung sitzen.

Die Urteilslogik

Der Zivilprozess verpflichtet die Parteien, unnötige Ausgaben strikt zu vermeiden, da der Gegner im Falle eines Erfolges nur die Kosten tragen muss, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zwingend notwendig sind.

  • Eigene Sachkunde bindet zur Kostenschonung: Fachkundige Parteien wie spezialisierte Bauunternehmen müssen zur Rechtsverteidigung primär ihre interne Expertise nutzen und dürfen externe Sachverständigenkosten nicht reflexartig auf die Gegenseite abwälzen.
  • Sachverständigenleistungen müssen den Prozessvortrag ermöglichen: Private Gutachten gelten nur dann als notwendig und erstattungsfähig, wenn sie die Partei überhaupt erst in die Lage versetzen, ihre Ansprüche schlüssig zu begründen oder qualifiziert auf gegnerischen Vortrag zu erwidern.
  • Keine Kostenerstattung für präventive Expertise: Eine Partei darf nicht präventiv teure Sachverständigenleistungen beauftragen; das Gericht erkennt Kosten nicht an, solange kein tatsächliches fachliches Ungleichgewicht oder Wissensvorsprung der Gegenseite vorliegt, der ausgeglichen werden müsste.

Gerichte legen die Messlatte für die Notwendigkeit privater Expertise besonders hoch, um dem im Zivilprozess geltenden Grundsatz der Kostenschonung Geltung zu verschaffen.


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Experten Kommentar

Wer im Baugeschäft oder in anderen spezialisierten Bereichen tätig ist, wird von den Gerichten in puncto Gutachterkosten nicht als ahnungsloser Laie behandelt. Das OLG Thüringen zieht hier eine klare rote Linie: Wer selbst vom Fach ist, muss seine internen Kapazitäten auch zur substanziierten Verteidigung nutzen. Ein Privatgutachten ist kein Freifahrtschein, um sich prophylaktisch gegen mögliche Gerichtsfragen abzusichern, solange der Gegner noch gar kein eigenes Gutachten vorgelegt hat. Solche teuren Berichte, die lediglich den eigenen Vortrag verfeinern, gelten vor Gericht als Luxusmaßnahme und deren Kosten bleiben konsequent beim auftraggebenden Fachbetrieb hängen.


Symbolbild für Rechtsfragen (FAQ): Allegorische Justitia mit Waage und Richterhammer.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wer trägt die Kosten für mein Privatgutachten, wenn ich den Rechtsstreit gewinne?

Der Gewinn eines Rechtsstreits bedeutet leider nicht automatisch, dass der Gegner alle Ihre Auslagen tragen muss. Die Kostenerstattung für Ihr Privatgutachten ist nicht garantiert. Gerichte prüfen streng nach § 91 Abs. 1 ZPO, ob die Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zwingend notwendig waren und nicht nur vorteilhaft oder nützlich. Dies ist die größte Hürde, die Sie überwinden müssen.

Die Regel verlangt, dass jede Partei die Prozesskosten so gering wie möglich hält. Dieses Kostenschonungsgebot soll verhindern, dass teure externe Experten nur zur Stärkung eines bereits schlüssigen Falles beauftragt werden. Konkret wird der Zeitpunkt der Beauftragung genau geprüft: War Ihr Prozessvortrag bereits detailliert und fundiert, bevor das Gutachten vorlag, gilt die externe Expertise als „on top“. Das Gutachten muss den Prozessvortrag erst ermöglichen, anstatt ihn nur nachträglich zu bestätigen.

Die Beweislast liegt dabei vollständig bei Ihnen als obsiegender Partei. Sie müssen aktiv nachweisen, dass Sie ohne die externe Expertise nicht in der Lage gewesen wären, Ihren Anspruch substantiiert vorzutragen oder zu verteidigen. Wenn Sie selbst über interne Fachkompetenz verfügen, legen Gerichte die Messlatte besonders hoch und erwarten die Nutzung dieses Wissens. Liegt kein solcher Nachweis der zwingenden Notwendigkeit vor, bleiben Sie auf den teuren Auslagen sitzen.

Dokumentieren Sie sofort vor der Beauftragung des Sachverständigen, welche komplexen Sachfragen Sie ohne dessen Hilfe nicht adäquat beantworten können, um die spätere Notwendigkeit gerichtsfest zu begründen.


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Kann ich als Baufirma oder Fachbetrieb meine Gutachterkosten vom Gegner fordern?

Als Bauunternehmen oder spezialisierter Fachbetrieb können Sie die Kosten für private Sachverständige in einem Rechtsstreit nur schwer vom Gegner zurückfordern. Gerichte wenden hier eine restriktive Handhabung an, wenn es um die Notwendigkeit privater Sachverständigenleistungen geht. Sie erwarten, dass Sie zunächst Ihre vorhandene, interne Fachkompetenz nutzen, anstatt sofort externe Experten zu beauftragen.

Unternehmen, die täglich komplexe Bauvorhaben abwickeln, gelten vor Gericht als fachkundige Parteien. Die Justiz legt die Messlatte für die Erstattungsfähigkeit externer Gutachten extrem hoch. Gerichte argumentieren, dass die Komplexität der Materie zum Berufsrisiko und zur Kernkompetenz des Unternehmens gehört. Sie müssen aktiv den Beweis führen, dass die strittige technische Frage Ihre eigene interne Fachkompetenz objektiv übersteigt.

Das Gericht wertet das schnelle Beiziehen externer Hilfe als Verstoß gegen das Kostenschonungsgebot. Es besteht der Verdacht, dass interne Expertise zur substantiierten Verteidigung ausgereicht hätte. Wer vorhandene interne Ressourcen wie Statiker oder Bauleiter ungenutzt lässt, riskiert die Ablehnung der Erstattung des Gutachtens. Eine einfache Berufung auf die Komplexität des Falles ist nicht ausreichend, um die Notwendigkeit privater Sachverständigenleistungen zu begründen.

Bevor Sie einen Gutachter beauftragen, dokumentieren Sie intern detailliert, warum selbst Ihre hochspezialisierten Angestellten die konkrete Sachfrage nicht abschließend und gerichtlich verwertbar klären konnten.


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Wann gilt ein Privatgutachten im Zivilprozess als „notwendige“ Prozesskosten?

Die Erstattung von Privatgutachtenkosten durch den Gegner ist eine strenge Ausnahme vom Regelfall. Ein Sachverständigengutachten gilt nur dann als notwendig, wenn es als sogenannte Präjudizialitätshilfe dient. Dies bedeutet, dass die Partei ohne die externe Expertise nicht in der Lage wäre, ihren Anspruch schlüssig und fundiert vorzutragen. Die Notwendigkeit muss objektiv und zwingend sein, nicht nur nützlich oder einfach vorteilhaft.

Die Gerichte legen großen Wert auf das Kostenschonungsgebot, um die finanziellen Lasten für den Gegner gering zu halten. Daher ist der Zeitpunkt der Beauftragung entscheidend: Das Gutachten muss so früh erfolgen, dass es den juristischen Prozessvortrag überhaupt erst ermöglicht. Wurde der Sachvortrag bereits detailliert und schlüssig formuliert, bevor das Gutachten vorlag, gilt es als nachträglicher „Luxus“. Die Notwendigkeit ist am höchsten, wenn Sie auf ein bereits vorliegendes, qualifiziertes Gutachten des Gegners reagieren müssen, um die Waffengleichheit wiederherzustellen.

Ebenso prüfen die Richter die interne Fachkunde der klagenden Partei. Die Notwendigkeit greift nur, wenn die strittigen Sachfragen objektiv die Kompetenz der Partei übersteigen und nicht durch interne Ressourcen geklärt werden können. Konkret: Wer vom Fach ist (etwa ein Bauunternehmen), muss sein eigenes Wissen nutzen, da Komplexität zum Berufsrisiko gehört. Die präventive Beauftragung eines Sachverständigen, solange der Gegner noch keine Expertenbeweise vorgelegt hat, wird regelmäßig als Verstoß gegen das Kostenschonungsgebot gewertet.

Dokumentieren Sie vor der Beauftragung präzise, welche spezifischen, fehlenden Informationen nur durch den externen Sachverständigen erlangt werden können, um die zwingende Notwendigkeit festzuhalten.


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Was tun, wenn das Gericht mein Privatgutachten als unnötig ablehnt und ich auf den Kosten sitzen bleibe?

Wenn das Gericht die Kosten für Ihr Privatgutachten im Kostenfestsetzungsbeschluss streicht, bleibt Ihnen wenig Zeit, um zu reagieren. Die einzige Möglichkeit, die verlorene Summe zurückzubekommen, ist die Einlegung der sofortigen Beschwerde. Dieses Rechtsmittel müssen Sie innerhalb einer knappen Frist nutzen, um die ablehnende Entscheidung anzufechten und die volle Erstattung zu fordern. Sie müssen detailliert darlegen, dass das Gutachten für die Ermöglichung Ihres Prozessvortrags unverzichtbar war.

Die sofortige Beschwerde ist das korrekte Rechtsmittel gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss, sofern der streitige Betrag 600 Euro übersteigt. Bei der Begründung konzentrieren Sie sich nicht auf den Inhalt oder die Richtigkeit des Gutachtens. Entscheidend ist ausschließlich der Zeitpunkt und die prozessuale Notwendigkeit der Beauftragung. Sie müssen nachweisen, dass Sie ohne diese externe Expertise nicht in der Lage gewesen wären, Ihren Anspruch schlüssig oder qualifiziert vorzutragen.

Vermeiden Sie es, nur zu argumentieren, das Gutachten habe Ihre Position im Prozess gestärkt oder einen Vergleich positiv beeinflusst. Gerichte sehen solche Gutachten oft als „on top“ und damit als nicht notwendig an. Das Oberlandesgericht prüft, ob das Gutachten die erste substanziierte Prozessschrift überhaupt erst ermöglichte. Wenn die Argumentation der Notwendigkeit vor der höheren Instanz nicht standhält, bleibt die gestrichene Differenz endgültig am Auftraggeber hängen.

Prüfen Sie sofort den Tag der Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses, da die Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde in der Regel nur zwei Wochen beträgt.


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Wie kann ich vorab prüfen, ob meine Gutachterkosten im späteren Prozess erstattet werden?

Die Erstattung Ihrer Gutachterkosten hängt von drei kritischen juristischen Hürden ab, die Sie vor der Beauftragung klären müssen. Konkret müssen Sie die Voraussetzungen der prozessualen Notwendigkeit und der Waffengleichheit erfüllen. Prüfen Sie, ob das Gutachten zeitlich zwingend notwendig ist, um Ihren Prozessvortrag überhaupt erst schlüssig zu ermöglichen.

Der wichtigste Faktor ist das Timing. Beauftragen Sie den Sachverständigen so früh, dass dessen Erkenntnisse die Grundlage für Ihre erste substantielle Klage oder Erwiderung bilden. Erfolgt das Gutachten erst, nachdem Ihr Anwalt die Klageschrift bereits detailliert formuliert hat, gilt es als unnötige „Aufrüstung“. Gerichte lehnen diese Kosten dann ab, wie das Thüringer OLG im Fall des Bauunternehmers entschied. Beauftragen Sie einen Gutachter nur zur Wiederherstellung der Waffengleichheit, wenn der Gegner bereits ein qualifiziertes Gutachten vorgelegt hat, das ein fachliches Ungleichgewicht erzeugt.

Gerichte bewerten zudem Ihre interne Fachkunde. Sind Sie selbst ein Fachbetrieb, müssen Sie dezidiert festlegen, welche spezifischen Sachfragen Ihre vorhandene Kompetenz objektiv übersteigen. Die reine Komplexität der Materie genügt nicht als Begründung für externe Hilfe. Ein Beispiel: Ihre Ingenieure können die strittigen Berechnungen mangels spezialisierter Messtechnik nicht abschließend klären. Dieses Argument hilft, die Ablehnungsgründe des Oberlandesgerichts zu vermeiden.

Erstellen Sie deshalb mit Ihrem Anwalt einen Strategievermerk, der vorab explizit festhält, wie das Gutachten die drei OLG-Hürden (Timing, Fachkunde, Waffengleichheit) überwinden soll.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Juristisches Glossar: Symbolbild der Justitia mit Waage und Richterhammer.

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Kostenausgleichung

Die Kostenausgleichung beschreibt das Verfahren, in dem die gesamten Verfahrenskosten nach der Beendigung eines Rechtsstreits – oft durch einen Vergleich – proportional unter den Parteien aufgeteilt werden.
Dieses Vorgehen stellt sicher, dass jede Partei entsprechend ihrem Obsiegen oder Unterliegen im Prozess (oder der vereinbarten Quote im Vergleich) ihren gerechten Anteil an den Gesamtkosten trägt.
Beispiel: Obwohl der Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet wurde, entbrannte zwischen den Parteien erneut Streit darüber, welche Positionen der Privatgutachterkosten in die abschließende Kostenausgleichung einfließen durften.

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Kostenfestsetzungsbeschluss

Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist die gerichtliche Entscheidung, die nach Abschluss eines Rechtsstreits verbindlich festlegt, welche Partei in welcher Höhe die Kosten des Gegners zu tragen hat.
Mit diesem Beschluss wird die genaue Summe der zu erstattenden Anwalts- und Gerichtskosten berechnet und tituliert, um die finanzielle Abwicklung zwischen den Prozessparteien zu klären.
Beispiel: Das Landgericht Erfurt hatte im ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluss die vollen Privatgutachterkosten zugunsten des Bauunternehmers berücksichtigt, eine Entscheidung, die das Thüringer OLG später korrigierte.

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Kostenschonungsgebot

Juristen nennen das Kostenschonungsgebot die gesetzliche Pflicht jeder Partei im Zivilprozess, die Kosten für die Rechtsverfolgung so niedrig und gering wie möglich zu halten, um den Gegner nicht unnötig finanziell zu belasten.
Das Gesetz will damit verhindern, dass eine Partei luxuriöse oder überflüssige Ausgaben tätigt, die zwar die eigene Position stärken, aber finanziell vom Gegner getragen werden müssten.
Beispiel: Da der Bauunternehmer bereits über interne Fachkenntnis verfügte, sah das Oberlandesgericht die Beauftragung des teuren externen Gutachters als Verstoß gegen das gesetzliche Kostenschonungsgebot an.

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Privatgutachterkosten

Bei Privatgutachterkosten handelt es sich um die Kosten für Sachverständige, die eine Prozesspartei selbst beauftragt, um ihre Klage oder Verteidigung mit fachlicher Expertise zu untermauern, anstatt auf ein gerichtlich angeordnetes Gutachten zu warten.
Die Erstattungsfähigkeit dieser Ausgaben ist streng reglementiert und wird von den Gerichten nur dann bejaht, wenn die externe Hilfe zur prozessualen Notwendigkeit der Rechtsverfolgung zwingend erforderlich war.
Beispiel: Der Bauunternehmer musste die Privatgutachterkosten in Höhe von 8.631,67 Euro letztendlich selbst tragen, weil das Gericht die Notwendigkeit der eigenmächtig eingeholten externen Expertise verneinte.

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Prozessuale Notwendigkeit

Prozessuale Notwendigkeit ist der zwingende Maßstab nach § 91 ZPO, der festlegt, dass nur Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zwingend erforderlich waren, vom Gegner erstattet werden müssen.
Diese Anforderung sorgt dafür, dass nur substanzielle und unverzichtbare Auslagen in die Kostenausgleichung aufgenommen werden dürfen. Das Gesetz unterscheidet hier klar zwischen nützlichen und absolut notwendigen Schritten.
Beispiel: Das Thüringer Oberlandesgericht verneinte die prozessuale Notwendigkeit des Privatgutachtens, weil der Bauunternehmer seinen detaillierten Klagevortrag bereits vor dessen Fertigstellung schlüssig dargelegt hatte.

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Waffengleichheit

Das Prinzip der Waffengleichheit beschreibt die Notwendigkeit, einen gerechten Ausgleich von Wissens- oder Beweisvorteilen zwischen den Prozessparteien zu schaffen, um faire Verfahrensbedingungen zu gewährleisten.
Dieser Grundsatz kann es einer Partei erlauben, auch teure Expertenleistungen auf Kosten des Gegners zu beauftragen, wenn der Gegner bereits durch eigene Gutachten einen erheblichen fachlichen Vorsprung aufgebaut hat.
Beispiel: Das Argument der Waffengleichheit scheiterte im vorliegenden Fall, weil die Klägerin zum Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen noch kein eigenes Gutachten vorgelegt hatte, das ein fachliches Ungleichgewicht erzeugt hätte.

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Das vorliegende Urteil


OLG Jena – Az.: 8 W 310/25 – Beschluss vom 24.11.2025


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