Faire Verbraucherverträge: Neues Sonderkündigungsrecht zur Kündigung von Laufzeitverträgen
Es ist in der gängigen Praxis nicht ungewöhnlich, dass Unternehmen ihre Kunden für einen möglichst langen Zeitraum an sich binden möchten. Die sogenannten Laufzeitverträge bieten Unternehmen die Chance, auf lange Sicht gesehen mit Einnahmen kalkulieren zu können. Diese Strategie verfolgen dabei sowohl Versicherungsgeber als auch Mobilfunkanbieter sowie Streamingdienstleister, sodass eine automatische Vertragsverlängerung eines auslaufenden Laufzeitvertrages bei einer unterlassenen Kündigung des Verbrauchers keine Seltenheit darstellt. Für den Verbraucher bringt dieser Umstand jedoch die Tatsache mit sich, dass der automatisch verlängerte Vertrag wieder für einen bestimmten Zeitraum finanziert werden muss. Der Gesetzgeber hat sich dieser Thematik jedoch mit dem „Faire-Verbraucherverträge-Gesetz“ angenommen und dadurch auch die Verbraucherrechte gestärkt.
Übersicht:
- Faire Verbraucherverträge: Neues Sonderkündigungsrecht zur Kündigung von Laufzeitverträgen
- Faire-Verbraucherverträge-Gesetz
- Der Sinn des Gesetzes
- Dies sind die wichtigsten Vertragsregeln für Laufzeitverträge
- Automatische Vertragsverlängerungen werden erschwert
- Kündigungsfristen werden verkürzt
- Der Kündigungsbutton auf der Webseite der Unternehmen
- Explizite Vertragsbestätigung bei sogenannten Telefonverträgen
- Noch nicht die ultima ratio erreicht
- Die Forderungen der Verbraucherschützer im Überblick
- Im Zweifel lieber prüfen lassen
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Faire-Verbraucherverträge-Gesetz
Die Idee des „Faire-Verbraucherverträge-Gesetz“ ist im Grunde genommen nicht gänzlich neu. Es wurden jedoch mit dem 01. März 2022 wichtige Änderungen endlich realisiert, sodass für Laufzeitverträge unter gewissen Umständen gänzlich neue Vertragsregelungen vorherrschen.
Der Sinn des Gesetzes
Streamingdienste, Mobilfunkverträge oder auch Versicherungen, die Liste der Verträge ist für einen Verbraucher mitunter recht lang. Mit diesen Verträgen gehen natürlich auch vertragsgemäß entsprechende monatliche Verpflichtungen einher, über welche ein Verbraucher schon einmal den Überblick verlieren kann. Jeder Vertrag ist natürlich mit einer gewissen Kündigungsfrist verbunden. Versäumt der Verbraucher diese Frist, so verlängert sich der Vertrag automatisch um den gleichen Vertragszeitraum. Auf diese Weise sind Verbraucher mitunter erheblich länger an die Verträge gebunden, als es eigentlich gewünscht wurde. Hier liegt genau der Sinn des „Faire-Verbraucherverträge-Gesetzes“, welches von der Bundesregierung ins Leben gerufen wurde. Verbraucher sollen durch dieses Gesetz besser vor den Praktiken der Anbieter geschützt werden und den Überblick über ihre Verträge letztlich nicht verlieren.
Das Gesetz nimmt sich explizit auch dem Vertragsabschluss im Internet vor und schreibt auch für die Anbieter einen sogenannten Kündigungsbutton auf der unternehmenseigenen Internetpräsenz vor. Auf diese Weise soll den Verbrauchern die Kündigung des Vertrages erleichtert werden.
Dies sind die wichtigsten Vertragsregeln für Laufzeitverträge
- automatische Vertragsverlängerungen werden erschwert
- Kündigungsfristen werden verkürzt
- der Kündigungsbutton auf der Webseite der Unternehmen
- explizite Vertragsbestätigung bei sogenannten Telefonverträgen
Automatische Vertragsverlängerungen werden erschwert
Natürlich weiß jedes Unternehmen die sogenannten Langzeitkunden sehr zu schätzen und legt die Unternehmensstrategie auch auf die dauerhafte Bindung des Kunden aus. Mit dem Faire-Verbrauerverträge-Gesetz wird dieser Praxis jedoch einen Riegel vorgeschoben, da überlange automatische Vertragsverlängerungen mit Klauseln, welche die Kunden an das Unternehmen binden, nicht mehr so ohne Weiteres für die Unternehmen möglich sind. Die sogenannte stillschweigende Vertragsverlängerung, welche bei zahlreichen Unternehmen ein fester Bestandteil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind, wird für die Unternehmen nur noch dann möglich, wenn eine Vertragsverlängerung auf unbestimmte Zeit in Verbindung mit einer einmonatigen Kündigungsfrist erfolgt. In derartigen Fällen erfolgt nach dem Ablauf von dem ersten Vertrag lediglich eine weitere Vertragsverlängerung und der Verbraucher kann mit einer einmonatigen Kündigungsfrist diesen Vertrag beenden.
Diese Regelung gilt lediglich für diejenigen Verträge, die nach dem 01.03.2022 geschlossen wurden. Für Verträge, die vor diesem Zeitraum abgeschlossen wurden, gilt auch weiterhin die Regelung der automatischen Vertragsverlängerung um ein weiteres Jahr mit einer entsprechenden gesetzlichen Kündigungsfrist. Für die sogenannten Telekommunikationsverträge greift jedoch das Datum des 01.12.2021. Verträge, die vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen wurden, unterliegen weiterhin der alten Regelung. Versicherungsverträge sind überdies von der neuen Regelung nicht betroffen.
Kündigungsfristen werden verkürzt
Bislang galt in Verbindung mit den sogenannten Verbraucherverträgen stets die gesetzliche Kündigungsfrist von drei Monaten. Versäumt ein Verbraucher diese Frist, so erfolgte eine automatische Vertragsverlängerung mit identischen Vertragsbedingungen. Die neue Regelung sieht jedoch vor, dass im Fall einer automatischen Vertragsverlängerung auch eine Kürzung der Kündigungsfrist auf einen Monat einhergeht. Hiervon sind jedoch Versicherungsverträge nicht betroffen.
In der gängigen Praxis ist es für Verbraucher sehr einfach, über die Internetpräsenz eines Unternehmens einen Verbrauchervertrag rechtlich wirksam abzuschließen. Im Fall einer Kündigung verhält es sich jedoch ein wenig anders, da bislang kaum ein Unternehmen eine Kündigung über die Internetpräsenz angeboten bzw. akzeptiert hat. Die Kündigung musste bislang daher stets auf dem altbekannten Weg per Post oder per E-Mail erfolgen. Durch das neue Gesetz werden Unternehmen jetzt jedoch dazu verpflichtet, auf der Internetpräsenz einen Kündigungsbutton anzubieten und dementsprechend auch die Kündigung eines Vertrages über die Internetpräsenz zu akzeptieren. In Verbindung mit dieser Regelung geht auch die Verpflichtung des Unternehmens einher, unmittelbar nach der erfolgten Kündigung eine Eingangsbestätigung der Kündigung an den Kunden zu verschicken. Dies kann sowohl per E-Mail als auch auf dem postalischen Weg erfolgen. Dem Unternehmen wird somit seitens des Gesetzgebers die Möglichkeit genommen zu behaupten, dass die Kündigung des Kunden bei dem Unternehmen nicht eingegangen ist.
Für die Einführung des Kündigungsbuttons haben die Unternehmen seitens des Gesetzgebers eine Frist erhalten. Bis zu dem 01.07.2022 muss die gesetzliche Vorgabe von den Unternehmen umgesetzt werden. Diese Regelung hat für sämtliche Verträge, die der Kunde bei dem Unternehmen abgeschlossen hat, Bestand. Eine Ausnahme wurde jedoch für diejenigen Unternehmen gemacht, welche Finanzdienstleistungen anbieten.
Explizite Vertragsbestätigung bei sogenannten Telefonverträgen
Mit dieser Regelung reagiert der Gesetzgeber auf den Umstand, dass es in der Vergangenheit zahlreiche Beschwerden im Zusammenhang mit den sogenannten Telefonverträgen gab. Zahlreiche Verbraucher haben sich an die Verbraucherzentralen gewandt und berichtet, dass ungewollt Verträge mit Unternehmen abgeschlossen wurden. Durch die neue Regelung gilt, dass Telefonverträge nicht mehr rechtlich wirksam abgeschlossen werden können. Es gilt ausdrücklich die Textform. Auf diese Weise erhält der Verbraucher die Gelegenheit, den Vertrag zunächst erst einmal inhaltlich ohne Druck zur Kenntnis zu nehmen und dann über den Abschluss des Vertrages zu entscheiden. Ein reines Telefonat mit einem Unternehmen an sich führt nicht mehr zu einem Vertragsabschluss.
Noch nicht die ultima ratio erreicht
Obgleich das neue Gesetz bereits sehr viele gute und sinnvolle Regelungen für den Verbraucher mit sich bringt, so ist es nicht gänzlich frei von Kritik. Es gibt seitens der Verbraucherschützer noch einige Forderungen, die in weitergehenden Verbesserungen umgesetzt werden sollen.
Die Forderungen der Verbraucherschützer im Überblick
- Maximallaufzeit bei Verträgen soll auf zwölf Monate begrenzt werden
- Einführung eines generellen Widerrufsrechts binnen 14 Tagen für sämtliche Verträge, die langfristig ausgelegt sind
Im Zusammenhang mit dem Faire-Verbraucherverträge-Gesetz muss zudem auch gesagt werden, dass dieses Gesetz für die verschiedenen Verträge auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft tritt. Dies dürfte in der gängigen Praxis wiederum einige Probleme mit sich bringen, sodass auch künftig weiterhin Verbraucherbeschwerden bei den Verbraucherzentralen eingehen werden. Fraglich ist auch, inwieweit die Unternehmen seitens des Gesetzgebers in puncto Einhaltung des Gesetzes kontrolliert werden können. Für den Verbraucher bedeutet dies, dass auch künftig sämtliche Verträge sehr genau im Hinblick auf den Vertragsinhalt geprüft werden sollten. Dies mag für gewisse Verbraucher ja durchaus möglich sein, es kann jedoch nicht von jedem Verbraucher erwartet werden. So manch ein Vertrag ist im Hinblick auf die Klauseln und Formulierungen so ausgelegt, dass ein gewisses juristisches Fachwissen erforderlich ist. Dieses juristische Fachwissen ist jedoch bei weitem nicht bei jedem Verbraucher vorhanden.
Im Zweifel lieber prüfen lassen
Wer als Verbraucher im Hinblick auf die eigenen abgeschlossenen Verträge Zweifel hegt, sollte diesbezüglich lieber einen erfahrenen Rechtsanwalt aufsuchen und den Vertrag entsprechend prüfen lassen. Es ist auch davon auszugehen, dass etliche Unternehmen die gesetzlichen Regelungen des Faire-Verbraucherverträge-Gesetzes nur sehr widerwillig umsetzen werden. Der Grund hierfür liegt in dem Umstand, dass es künftig schwerer werden wird, die Kunden an das Unternehmen zu binden. Genau dies ist jedoch der Sinn des Gesetzes. Sollte der Verbraucher Schwierigkeiten mit dem Unternehmen haben und aus einem Vertrag nicht so einfach herauskommen, ist ebenfalls der Gang zu einem Rechtsanwalt sehr dringend angezeigt.