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Unfallverursachung durch alkoholisierten Fahrer – Anscheinsbeweis

Alkohol am Steuer: Verkehrsunfall mit schwerwiegenden Folgen – OLG Frankfurt entscheidet

Verkehrsunfälle mit Personenschäden sind leider immer noch ein gesamtgesellschaftliches Problem. Alkohol am Steuer ist einer der Hauptrisikofaktoren, der schwerwiegende Folgen haben kann. Das Recht sieht für solche Fälle besonders strenge Regeln vor, um den Schutz der Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Jeder Fahrer trägt eine hohe Verantwortung, die eigene Fahrtüchtigkeit vor Fahrtantritt sorgfältig zu überprüfen. Nur so können Unfälle vermieden und Verletzungen von Unschuldigen verhindert werden. Im Folgenden wird ein Gerichtsurteil zu einem solchen Fall vorgestellt und analysiert.

[Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 26 U 11/23 >>>]

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Der Beklagte zu 1 war zum Unfallzeitpunkt mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,96 Promille alkoholisiert.
  • Das Gericht sah eine Mitverschuldung der Klägerin durch einen Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO, da sie den herannahenden Beklagten bei einem Blick hätte erkennen können.
  • Allerdings hätte der alkoholisierte Beklagte den Unfall durch eine Vollbremsung vermeiden können, weshalb ihm ein Verschulden zugerechnet wurde.
  • Das Gericht wertete die Unfallfolgen als so gravierend, dass ein Schmerzensgeld von 52.500 € (statt der vorinstanzlichen 35.000 €) angemessen ist.
  • Die Klägerin erhält insgesamt Schadenersatz in Höhe von 64.087,71 € (69% des Gesamtschadens), inklusive 52.500 € Schmerzensgeld.
  • Die Beklagten haften als Gesamtschuldner für 75% des materiellen und immateriellen Zukunftsschadens der Klägerin.

➜ Der Fall im Detail


Unfallverursachung durch alkoholisierten Fahrer

Das Gerichtsurteil des OLG Frankfurt betraf einen schwerwiegenden Verkehrsunfall, der durch einen alkoholisierten Fahrer verursacht wurde.

Rettungsdienst und Polizeiauto im Einsatz in Deutschland.
Ein alkoholisiertes Fahrer verursacht einen Verkehrsunfall, und das Gericht erkennt die Alkoholisierung als erhebliche Fahrlässigkeit an, die zu einer höheren Haftung führt. (Symbolfoto: Filmbildfabrik /Shutterstock.com)

Der Unfall ereignete sich in Stadt1 auf der Straße1, wo der Beklagte zu 1 mit einem Fahrzeug unterwegs war. Dieses Fahrzeug war bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert. Die Klägerin, eine Fußgängerin, wurde zusammen mit weiteren Personen beim Versuch, die Straße zu überqueren, verletzt. Der rechtliche Kern dieses Falles liegt in der Frage der Haftung und der Höhe der Entschädigung aufgrund der Alkoholisierung des Fahrers.

Juristische Auseinandersetzung und Beanspruchung von Schmerzensgeld

Der Vorfall führte zu einer juristischen Auseinandersetzung, in der die Klägerin von den Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld begehrte. Die rechtliche Herausforderung entstand durch den Anscheinsbeweis, dass der Einfluss von Alkohol beim Fahrer zu einem erhöhten Verschulden führt. Die Bestimmung des Schadens und des Zusammenhangs zur Alkoholisierung waren entscheidend für das Gerichtsurteil.

Gerichtsentscheidung zur Haftung und Schmerzensgeld

Das OLG Frankfurt entschied, dass der Fahrer und die Versicherung haften, und gab der Klage der Klägerin weitgehend statt. Die Beklagten wurden verurteilt, Schmerzensgeld in Höhe von 52.500 Euro sowie andere Schadensposten zu zahlen, was die schwere des Vergehens und die daraus resultierende Haftung unterstreicht. Kernpunkt der Entscheidung war die Feststellung, dass Alkohol am Steuer eine erhebliche Fahrlässigkeit darstellt, welche die rechtlichen Grundlagen des Anscheinsbeweises bedient.

Zukünftiger Schadensersatz ebenfalls zugesprochen

Das Gericht sah es zudem als erwiesen an, dass die Klägerin auch in Zukunft unter den Folgen des Unfalls leiden wird, was sich in der Entscheidung widerspiegelt, drei Viertel des materiellen und immateriellen Zukunftsschadens zu ersetzen. Diese Feststellung ist wesentlich, da sie nicht nur die unmittelbaren Folgen berücksichtigt, sondern auch langfristige Auswirkungen des Unfalls anerkennt.

Provisionelle Vollstreckbarkeit des Urteils

Das Urteil wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt, wobei die Beklagten und die Klägerin Sicherheiten für die Vollstreckung hinterlegen müssen. Dies unterstreicht die Ernsthaftigkeit und das Gewicht der Entscheidung, das Urteil sofort umzusetzen und die Rechte der Geschädigten zu schützen, während weitere rechtliche Schritte in Betracht gezogen werden könnten, da die Revision nicht zugelassen wurde.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was sind die rechtlichen Folgen, wenn man im alkoholisierten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht?

Bei einem Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss drohen in Deutschland zivilrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen. Zivilrechtlich kann der Unfallverursacher für den entstandenen Schaden haftbar gemacht werden. Dies umfasst Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers übernimmt in der Regel den Schaden des Unfallgegners, jedoch kann der Versicherer den Unfallverursacher in Regress nehmen und bis zu 5.000 Euro der bezahlten Schadensumme zurückfordern.

Strafrechtlich wird zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat unterschieden. Bei einem Blutalkoholgehalt von 0,5 bis 1,09 Promille liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, die mit einem Bußgeld von 500 bis 1.500 Euro, einem Fahrverbot von 1 bis 3 Monaten und 2 Punkten in Flensburg geahndet wird. Ab einem Blutalkoholgehalt von 1,1 Promille gilt das Fahren als Straftat, und es drohen eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, der Entzug der Fahrerlaubnis mit einer Sperrfrist von sechs Monaten bis fünf Jahren oder lebenslang sowie 3 Punkte in Flensburg.

Verursacht der alkoholisierte Fahrer einen Unfall, wird dies bereits ab einem Wert von 0,3 Promille als Straftat gewertet, wenn Anzeichen für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit vorliegen. In solchen Fällen drohen neben den bereits genannten Strafen auch Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren. Bei schweren Unfällen mit Todesfolge kann es zu Gefängnisstrafen ohne Bewährung kommen.

Für Fahranfänger und Fahrer unter 21 Jahren gilt die Null-Promille-Grenze. Ein Verstoß führt zur Teilnahme an einem Aufbauseminar sowie zur Verlängerung der Führerschein-Probezeit. Bei wiederholten Verstößen kann es zum Führerscheinentzug kommen.

Es ist zu beachten, dass auch Radfahrer ab einem Blutalkoholgehalt von 1,6 Promille als absolut fahruntüchtig gelten und strafrechtlich belangt werden können. Ab einem Wert von 0,3 Promille drohen auch hier Strafen, wenn auffälliges Fahrverhalten oder ein Unfall vorliegen.

Die Kaskoversicherung zahlt bei einem Unfall unter Alkoholeinfluss je nach Alkoholisierungsgrad nur einen Teil oder bei absoluter Fahruntüchtigkeit meist gar nicht. Darüber hinaus kann die Haftpflichtversicherung die Übernahme des Schadens verweigern, wenn der Fahrer grob fahrlässig gehandelt hat.

Zukünftig könnte die EU-Verordnung zur Einführung einer Alkohol-Wegfahrsperre beitragen, die das Fahren unter Alkoholeinfluss verhindern soll. Ab dem 6. Juli 2024 müssen alle neu zugelassenen Fahrzeuge über eine entsprechende Schnittstelle verfügen.

Wann greift der Anscheinsbeweis bei alkoholbedingter Unfallverursachung?

Der Anscheinsbeweis bei alkoholbedingter Unfallverursachung greift in Situationen, in denen ein Fahrer unter Alkoholeinfluss steht und ein Unfall unter Umständen geschieht, die ein nüchterner Fahrer hätte vermeiden können. Dieser Beweis basiert auf der Annahme, dass die Trunkenheit ursächlich für den Unfall war, insbesondere wenn die Verkehrssituation von einem nüchternen Fahrer beherrschbar gewesen wäre.

Rechtliche Voraussetzungen des Anscheinsbeweises

Der Anscheinsbeweis setzt voraus, dass typische Geschehensabläufe vorliegen, die auf eine bestimmte Ursache schließen lassen. Im Kontext der Alkoholisierung bedeutet dies, dass bei einem Unfall mit einem alkoholisierten Fahrer vermutet wird, dass der Alkohol eine wesentliche Rolle bei der Unfallverursachung gespielt hat. Diese Vermutung tritt insbesondere dann in Kraft, wenn der Fahrer eine Blutalkoholkonzentration (BAK) aufweist, die typischerweise mit einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit einhergeht (z.B. ab 0,3 Promille, wenn zusätzlich Anzeichen von Fahrunsicherheit bestehen, oder ab 1,1 Promille, ab der absolute Fahruntüchtigkeit angenommen wird).

Auswirkungen des Anscheinsbeweises

Die Anwendung des Anscheinsbeweises führt dazu, dass die Beweislast umgekehrt wird. Der alkoholisierte Fahrer muss dann beweisen, dass der Unfall auch unter nüchternen Umständen unvermeidbar gewesen wäre oder dass der Alkohol nicht ursächlich für den Unfall war. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Unfall durch das Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers unausweichlich war, unabhängig vom Alkoholeinfluss des beschuldigten Fahrers.

In der Praxis bedeutet dies, dass der alkoholisierte Fahrer in der Regel eine höhere Haftungsquote trägt, es sei denn, er kann stichhaltige Gegenbeweise vorlegen. Gerichtsentscheidungen, wie die des OLG Frankfurt, zeigen, dass die Haftungsquote des alkoholisierten Fahrers oft erhöht wird, was zu erheblichen finanziellen und rechtlichen Konsequenzen führen kann.

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Welche Rolle spielt die Haftpflichtversicherung bei Unfällen mit alkoholisierten Fahrern?

Die Haftpflichtversicherung spielt eine zentrale Rolle bei Unfällen mit alkoholisierten Fahrern, indem sie primär die Schäden des Unfallopfers abdeckt, jedoch unter bestimmten Umständen Regressansprüche gegen den alkoholisierten Fahrer geltend machen kann.

Umfang der Deckung durch die Haftpflichtversicherung

Die Kfz-Haftpflichtversicherung ist dazu verpflichtet, die Schäden des Unfallopfers zu übernehmen, unabhängig davon, ob der Unfallverursacher alkoholisiert war. Dies schließt Personen-, Sach- und Vermögensschäden ein, die durch den Unfall entstanden sind. Die gesetzliche Mindestversicherungssumme in Deutschland beträgt 7,5 Millionen Euro für Personenschäden, bis zu 1,22 Millionen Euro für Sachschäden und 50.000 Euro für reine Vermögensschäden. Viele Versicherer bieten jedoch höhere Deckungssummen an.

Regressansprüche der Versicherung

Obwohl die Haftpflichtversicherung die Schäden des Unfallopfers deckt, kann sie unter bestimmten Bedingungen Regressansprüche gegen den alkoholisierten Fahrer erheben. Dies geschieht in der Regel, wenn der Fahrer grob fahrlässig gehandelt hat, wie es bei Alkoholisierung am Steuer der Fall ist. Die Regressansprüche sind jedoch auf maximal 5.000 Euro begrenzt, wenn der Fahrer alkoholisiert war. Diese Begrenzung gilt auch für andere grobe Fahrlässigkeiten, wie das Überfahren einer roten Ampel.

Besondere Regelungen und Ausnahmen

In Fällen, in denen der Fahrer eine Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,1 Promille aufweist, was als absolute Fahruntüchtigkeit gilt, kann die Versicherung die Leistung komplett verweigern oder erheblich kürzen. Dies hängt von den spezifischen Bedingungen des Versicherungsvertrags ab. Zudem kann die Versicherung die Leistung kürzen, wenn der Fahrer bei einem Alkoholgehalt zwischen 0,5 und 1,09 Promille fährt und zusätzliche alkoholbedingte Ausfallerscheinungen vorliegen.

Die Haftpflichtversicherung gewährleistet, dass das Unfallopfer nicht auf seinen Schäden sitzen bleibt, selbst wenn der Unfallverursacher alkoholisiert war. Gleichzeitig schützt sich die Versicherung durch das Recht auf Regress gegen grob fahrlässiges Verhalten des Versicherten, um die finanziellen Folgen von Alkoholunfällen zu minimieren. Dies stellt einen wichtigen Mechanismus dar, um die Verantwortlichkeit der Fahrer zu fördern und die Risiken von Alkohol am Steuer weiter zu reduzieren.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 7 StVG (Haftung des Halters): Dieser Paragraph regelt die Haftung des Fahrzeughalters für Schäden, die durch den Betrieb des Fahrzeugs verursacht werden. Im Kontext des Textes ist dies relevant, da die Klägerin Ansprüche gegen die zu 2. beklagte Haftpflichtversicherung des Fahrzeughalters geltend macht.
  • § 17 StVG (Gesamtschuldnerische Haftung): Dieser Paragraph normiert die gesamtschuldnerische Haftung von Halter und Fahrer gegenüber dem Geschädigten für Schäden aus dem Fahrzeugbetrieb. Im vorliegenden Fall wird dies relevant, da beide Beklagte als Gesamtschuldner zur Zahlung verurteilt werden.
  • § 18 StVG (Deckung durch Versicherungsvertrag): Die Haftung der Beklagten aus §§ 7, 17 StVG ist durch den Versicherungsvertrag bei der zu 2. Beklagten gedeckt. Dieser Paragraph stellt sicher, dass der Geschädigte direkt gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung vorgehen kann.
  • § 9 StVG, § 254 BGB (Mitverschulden): Das Gericht hat ein Mitverschulden der Klägerin nach diesen Normen angenommen, was zu einer Haftungsquote von 50% führte. Das Mitverschulden ergibt sich aus einem Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten beim Überqueren der Fahrbahn.
  • § 25 Abs. 3 StVO (Überqueren von Fahrbahnen): Diese Vorschrift regelt die Pflichten von Fußgängern beim Überqueren einer Fahrbahn. Das Gericht hat ein Mitverschulden der Klägerin darauf gestützt, dass sie gegen diese Norm verstoßen habe.
  • §§ 823 BGB, 115 VVG (Anspruchsgrundlage): Auf diesen Grundlagen beruhen die Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen der Klägerin gegen die Beklagten als verantwortliche Schädiger. § 115 VVG regelt die Direktansprüche gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer.
  • §§ 287, 288 ZPO (Vorläufige Vollstreckbarkeit): Diese Normen ermöglichen die vorläufige Vollstreckung des Urteils vor Rechtskraft, wenn Sicherheit geleistet wird. Dies ist für die Klägerin relevant, um zeitnah an die zugesprochenen Leistungen zu gelangen.


Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt – Az.: 26 U 11/23 – Urteil vom 25.01.2024

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 2. März 2023 – unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten sowie der weitergehenden Berufung der Klägerin – abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von € 52.500,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26. Oktober 201X zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 5.633,25 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Oktober 201X zu zahlen.

Darüber hinaus werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von € 1.954,46 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Oktober 201X zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin drei Viertel ihres materiellen und immateriellen Zukunftsschadens aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 20. Juli 201X gegen 20:04 Uhr auf der Straße1 in Stadt1 zu ersetzen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits im ersten und im zweiten Rechtszug haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu 69 % und die Klägerin zu 31 % zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt jeweils nachgelassen, die Zwangsvollstreckung seitens der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die entsprechende Partei vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall.

Der Unfall ereignete sich am 20. Juli 201X kurz nach 20:00 Uhr in Stadt1 auf der Straße1 (B…).

Der Beklagte zu 1 befuhr mit dem Fahrzeug Marke1 Typ1 mit dem amtlichen Kennzeichen … die Straße1 stadteinwärts. Das Fahrzeug ist bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert.

Die Klägerin war mit weiteren Personen als Fußgängerin unterwegs und wollte die Straße1 von rechts nach links (aus Fahrtrichtung des Beklagten zu 1 gesehen) überqueren.

Die Straße1 (B…) wird in diesem Bereich von der Straße Straße2 gekreuzt. Die Kreuzung ist mit einer Lichtzeichenanlage geregelt. Auch für die Fußgänger ist an der Stelle, an der die Klägerin die Straße1 überqueren wollte, eine Fußgängerampel vorhanden. Allerdings sieht die Ampelschaltung vor, dass um 20:00 Uhr zunächst die Lichtzeichenanlage für alle Fahrtrichtungen (und auch für die Fußgänger) für kurze Zeit auf Rot geschaltet und sodann ausgeschaltet wird, während für den Verkehr der Straße Straße2 noch gelbes Blinklicht gezeigt wird.

Die Klägerin stand mit der sie begleitenden Fußgängergruppe am Fahrbahnrand der Straße1. Die Fußgängerampel zeigte Rotlicht. Als die Ampel ausgeschaltet wurde, begann die Klägerin, die Straße1 zu überqueren und wurde, bevor sie noch die in der Mitte zwischen beiden Fahrbahnen befindliche Verkehrsinsel erreicht hatte, von dem Fahrzeug des Beklagten zu 1 erfasst und in die Höhe geschleudert.

Der Beklagte zu 1 war zum Unfallzeitpunkt mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,96 Promille alkoholisiert.

Die Klägerin erlitt diverse schwere Verletzungen. Auf den Inhalt des Arztberichts vom 17. August 201X der Klinik1 Stadt2 (BI. 22 f. d. A.) wird Bezug genommen.

Die Klägerin wurde bis zum 18. August 201X in der Klinik1 stationär behandelt. In der Zeit vom 26. September 201X bis zum 27. Oktober 201X befand sich die Klägerin in einer Anschlussheilbehandlung in der Klinik2 Stadt3. In der Zeit vom 13. März bis zum 20. März 201Y erfolgte eine weitere stationäre Behandlung der Klägerin in der Klinik1 zur operativen Metallentfernung.

Die Höhe des materiellen Schadens haben die Parteien – mit Ausnahme des Haushaltsführungsschadens – im zweiten Rechtszug unstreitig gestellt. Dieser beläuft sich – ohne den geltend gemachten Haushaltsführungsschaden – auf insgesamt € 6.991,00 und setzt sich zusammen aus:

1. Kosten für den Ersatz bzw. die Reinigung von beschädigter bzw. verschmutzter Kleidung in Höhe von € 270,00,

2. Kosten für die die Anschaffung einer neuen Brille in Höhe von € 382,60,

3. Kosten für die die Anschaffung eines Hörgeräts in Höhe von € 1.390,00,

4. Zuzahlungen für Medikamente, Krankentransporte, Krankengymnastik etc. von insgesamt € 1.070,65,

5. Fahrtkosten zum Arzt oder zur Krankengymnastik in Höhe von € 532,20,

6. Verdienstausfallschaden in Höhe € 2.670,50 und

7. Zuzahlungen von € 280,00 für die Rehabilitationsbehandlung sowie weitere Zuzahlungen in Höhe von € 395,36.

Wegen des Verkehrsunfalls erhob die Staatsanwaltschaft Stadt4 unter dem Aktenzeichen … Anklage gegen den Beklagten zu 1. Mit Urteil vom 5. November 2019 sprach das Amtsgericht Stadt1 den Beklagten zu 1 der fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte (Bl. 320 ff. der Akten …). Das Strafurteil des Amtsgerichts Stadt1 ist seit dem 13. November 2019 rechtskräftig.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe vor dem Überqueren der Fahrbahn nach links gesehen. Ein sich näherndes Fahrzeug sei nicht zu sehen gewesen. Erst daraufhin habe sie sich entschlossen, die Fahrbahn zu überqueren. Sie ist der Auffassung, der Beklagte zu 1 habe den Unfall allein verschuldet. Sie hat behauptet, der Beklagte zu 1 sei zunächst in seiner Sicht nach vorne durch die tiefstehende Sonne geblendet gewesen. Als er in die Kreuzung eingefahren sei und die schon auf der Fahrbahn befindliche Fußgängergruppe wahrgenommen habe, habe er sein Fahrzeug stark beschleunigt; ohne diese Beschleunigung hätte sie – so die Klägerin weiter – die Verkehrsinsel erreicht, ohne von dem Fahrzeug erfasst zu werden.

Sie hat die Ansicht vertreten, zum Ausgleich ihrer unfallbedingten Verletzungen sei ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens € 75.000,00 angemessen. Zudem stünde ihr ein Anspruch auf Ersatz eines Haushaltsführungsschadens in Höhe von € 4.080,00 für 34 Wochen im Zeitraum vom 18. August 201X bis zum April 201Y zu.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie € 11.121,34 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Klageschriftsatzes und Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von € 2.348,94 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. Oktober 201X zu zahlen, und

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin deren gesamten materiellen und immateriellen Zukunftsschaden aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 20. Juli 201X gegen 20:04 Uhr auf der Staße1 in Stadt1 zu ersetzen.

Die Beklagten haben erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, der Beklagte zu 1 habe sein Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig anhalten können. Der Unfall sei überwiegend dadurch verursacht worden, dass die Klägerin unter Missachtung des vorrangigen Fahrzeugverkehrs die Straße überquert habe. Auch ein nichtalkoholisierter Fahrer hätte den Unfall – so die Beklagten weiter – nicht vermeiden können.

Nach Einholung eines schriftlichen unfallanalytischen Gutachtens des Sachverständigen C vom 6. Mai 2022, welches dieser in der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2023 mündlich erläutert hat (BI. 401-405 d. A.), hat das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 38.495,65 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Oktober 201X zu zahlen. Weiter hat es die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin für Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung € 1.450,96 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Oktober 201X zu zahlen. Schließlich hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin deren gesamten materiellen und immateriellen Zukunftsschaden aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 20. Juli 201X gegen 20:04 Uhr auf der Straße1 in Stadt1 zu 50 % zu ersetzen. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil vom 2. März 2023 wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Zur Begründung hat das Landgericht u. a. ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch aus den §§ 7, 17, 18 StVG, 115 VVG auf der Grundlage einer Haftungsquote von 50 % zu. Die Klägerin habe den Unfall nach § 9 StVG in Verbindung mit § 254 BGB durch einen Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO mitverschuldet. Bereits aufgrund der örtlichen Gegebenheiten dränge sich auf, dass die Klägerin den herannahenden Beklagten zu 1 bei einem Blick nach links hätte erkennen können. Nach Würdigung des Gutachtens und der mündlichen Angaben des Sachverständigen C sei davon auszugehen, dass der Abstand zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1 bei Beginn der Überquerung 25 bis 33 m betragen und der Beklagte zu 1 sich in der Sichtachse der Klägerin bei einem Blick nach links befunden habe. Auch wenn man eine höhere Annäherungsgeschwindigkeit des Beklagten zu 1 von 75 km/h unterstelle, ergebe sich eine Entfernung von ca. 45 m, was im Ergebnis nichts an der Erkennbarkeit ändere. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte zu 1 vor der Kollision nochmals beschleunigt habe, bestünden nicht. Schließlich sei unerheblich, ob der Beklagte zu 1 möglicherweise vorübergehend von einem dann auf die rechte Spur wechselnden Fahrzeug verdeckt gewesen sei, da dies für die Klägerin nicht Anlass zu der Annahme hätte sein dürfen, dass sie die Fahrbahn ungehindert überqueren könne. Denn dann hätte ihr bewusst sein müssen, dass sich hinter diesem anderen Fahrzeug ein weiteres Fahrzeug befinden könnte.

Eine Haftung der Beklagten sei durch das Verschulden der Klägerin nicht ausgeschlossen, da der Beklagte zu 1 den Unfall schuldhaft verursacht habe. Nach den vom Sachverständigen ermittelten Zeitpunkt der Reaktionsaufforderung hätte dieser den Unfall durch eine Vollbremsung vermeiden können.

Unter Berücksichtigung des Mitverschuldens der Klägerin hat das Landgericht unter Würdigung der Unfallfolgen ein Schmerzensgeld in Höhe von € 35.000,00 für angemessen gehalten.

Den geltend gemachten Haushaltsführungsschaden hat das Landgericht mit Verweis darauf als unbegründet erachtet, dass dieser angesichts des Vortrags der Klägerin, sie sei im betreffenden Zeitraum von einem Pflegedienst versorgt worden, nicht nachvollziehbar dargelegt sei. Im Übrigen seien Abzüge für die Zeiten stationären Aufenthalts zu machen.

Im Übrigen hat das Landgericht den materiellen Schadensersatzforderungen auf der Grundlage einer Haftungsquote von 50 % entsprochen.

Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung wird auf das angegriffene Urteil vom 2. März 2023 (Bl. 429 ff. d. A.) verwiesen.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 3. März 2023 (Bl. 439 d. A.) zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem hier am 23. März 2023 per beA eingegangenen Anwaltsschriftsatz vom selben Tag Berufung eingelegt (Bl. 456 ff. d. A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 5. Juni 2023 (Bl. 560 d. A.) mit Anwaltsschriftsatz vom 1. Juni 2023 begründet, der beim Senat noch am selben Tage eingegangen ist (Bl. 591 ff. d. A.).

Mit Anwaltsschriftsatz vom 3. April 2023 haben auch die Beklagten gegen das ihren Bevollmächtigten am 3. März 2023 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Der stellvertretende Vorsitzende des Senats hat die Berufungsbegründungsfrist für die Beklagten antragsgemäß bis zum 5. Juni 2023 verlängert (580 d. A.). Mit Anwaltsschriftsatz vom 30. Mai 2023, der beim Senat noch am selben Tage eingegangen ist, haben die Beklagten ihre Berufung begründet (Bl. 582 ff. d. A.).

Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihre erstinstanzlichen Rechtsschutzziele weiter.

Zur Begründung rügt die Klägerin u. a. die Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Landgericht getroffenen Feststellungen. Das Gutachten des Sachverständigen C weise mehrere Fehler auf, die das Landgericht nicht gewürdigt habe. Entgegen dessen Feststellungen sei der Beklagte zu 1 für die Klägerin nicht erkennbar gewesen. So sei mit Blick auf das im Strafverfahren eingeholte B-Gutachten des Sachverständigen A vom 14. November 201X von einer bis zu 5 km/h höheren Annäherungsgeschwindigkeit auszugehen. Auch sei der Sachverständige C unzutreffend von einer Gehgeschwindigkeit der Klägerin von 5-6 km/h ausgegangen. Mit Blick auf die Richtlinien für Lichtzeichenanlagen sei vielmehr von einer Gehgeschwindigkeit von 3,6 km/h auszugehen. Ferner habe die Klägerin eine Strecke von 6 m und nicht nur 3 m zur Kollisionsstelle zurückgelegt. Aus diesen Angaben errechne sich eine höhere Entfernung des Klägers von der Beklagten. Ferner rügt sie, dass das Landgericht die zum Unfallhergang angebotenen Zeugenbeweise nicht erhoben habe.

Zur Schadenshöhe ist die Klägerin der Ansicht, das Landgericht habe bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu Unrecht ein Mitverschulden der Klägerin berücksichtigt. Ferner sei aus der Streitwertfestsetzung zu schließen, dass das Landgericht eigentlich ein Schmerzensgeld in Höhe von € 75.000,00 für angemessen erachtet habe.

Hinsichtlich der materiellen Schäden hat die Klägerin überdies die Abweisung des geltend gemachten Haushaltsführungsschadens angegriffen. Auch während eines Krankenhausaufenthaltes fielen Haushaltsarbeiten an, da Hausstaub keine Rücksicht auf die Präsenz von Personen nehme. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum die partielle Tätigkeit eines Pflegedienstes im Haushalt der Klägerin Auswirkungen auf die Höhe der Haushaltsentschädigung haben solle, da eben eine abstrakte Berechnung vorzunehmen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung und -erwiderung der Klägerin wird auf die Anwaltsschriftsätze vom 1. Juni 2023 (Bl. 591 ff. d. A.) und vom 23. Juni 2023 (Bl. 615 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt, das am 2. März 2023 verkündeten Urteils des Landgerichts Gießen zum Aktenzeichen 5 O 526/20 teilweise abzuändern und

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus € 7.625,69 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26. Oktober 201X und über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von € 933,98 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26. Oktober 201X zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag in Höhe von € 35.000,00 hinaus ein weiteres in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26. Oktober 201X zu zahlen, und

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner über die erstinstanzlich zuerkannte Quote von 50 % hinaus verpflichtet sind, der Klägerin ihren gesamten materiellen und immateriellen Zukunftsschaden aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 20. Juli 201X gegen 20:04 Uhr auf der Straße1 in Stadt1 zu ersetzen.

Die Beklagten beantragen, unter Abänderung des am 2. März 2023 verkündeten Urteils des Landgerichts Gießen – Az.: 5 O 526/20 – die Klage abzuweisen.

Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter.

Zur Begründung rügen sie u. a., dass der Beklagte zu 1 gemäß dem im Straßenverkehr geltenden Vertrauensgrundsatz habe davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin die Straße nicht überqueren würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung und -erwiderung der Beklagten wird auf die Anwaltsschriftsätze vom 30. Mai 2023 (Bl. 582 ff. d. A.) und vom 26. Juli 2023 (Bl. 635 ff. d. A.) verwiesen.

Die beigezogenen Ermittlungsakten des Staatsanwaltschaft Stadt4 mit dem Aktenzeichen …waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

1. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Auf die zulässige Berufung der Klägerin hin ist hingegen das angegriffene Urteil des Landgerichts in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange abzuändern.

a. Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 1 aus den §§ 18 Abs. 1, 7 Abs. 1 StVG einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von € 52.500,00.

aa. Eine Haftung des Beklagten zu 1 ist nach § 18 Abs. 1 StVG dem Grunde nach gegeben. Der Beklagte zu 1 war Fahrer des Personenkraftwagens, bei dessen Betrieb die Klägerin geschädigt wurde. Der dem Beklagten zu 1 nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG obliegende Entlastungsnachweis hinsichtlich seines Verschuldens ist ihm nicht gelungen.

§ 18 Abs. 1 StVG normiert eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast. Das unfallursächliche Verschulden des Fahrzeugführers wird hiernach widerlegbar vermutet, solange dem Fahrzeugführer nicht der Entlastungsbeweis des § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG gelingt. Letzteres ist nur dann der Fall, wenn feststeht, dass den Fahrzeugführer bezüglich sämtlicher in Betracht kommender Unfallursachen kein Verschulden trifft, d. h., es geht zu seinen Lasten, wenn der Sachverhalt ungeklärt bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.1974 – VI ZR 37/73 -, juris). Haftungsmaßstab für das Verschulden des Fahrzeugführers ist insoweit § 276 BGB, wonach fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Folglich hat der Fahrzeugführer nachzuweisen, dass er sich so verhalten hat, wie dies ein ordentlicher Kraftfahrzeugführer unter den gegebenen Umständen auch getan hätte. Anzulegen ist das Maß an Umsicht und Sorgfalt, das nach dem Urteil eines besonnenen und gewissenhaften Verkehrsteilnehmers zu fordern ist. Er muss nachweislich alles einem ordentlichen Durchschnittskraftfahrer Zumutbare getan haben, um den Unfall zu vermeiden (vgl. etwa Senat, Urteil vom 23.11.2023 – 26 U 61/22 -, juris; OLG Hamm, Urteil vom 10.03.2000 – 9 U 128/99 -, juris). Ein Kraftfahrzeugführer muss also ständig überlegend und mit gesammelter Aufmerksamkeit fahren, dabei die sich aus den Umständen ergebende Möglichkeit eines unrichtigen Verhaltens anderer berücksichtigen und auch in schwierigen Lagen richtig handeln. Andererseits darf nichts Unmögliches von ihm verlangt werden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 19.10.1955 – VI ZR 155/54 -, VRS 10, 12; Kaufmann, in: Geigel, Haftpflichtprozess, 29. Aufl. 2024, Kap. 25, Rdnr. 321).

Im Streitfall hat der Beklagte zu 1 gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, indem er es unterließ zu bremsen, obwohl er durch die die Fahrbahn betretende Klägerin und deren Begleiter hierzu gehalten war. Der Verschuldensvorwurf liegt hier – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht darin, dass der Unfall vermeidbar war. Vielmehr geht aus dem Gutachten C (S. 32 Ziff. 3.2) hervor, dass der Beklagte zu 1 vor der Kollision mit der Klägerin nicht gebremst hat.

Hinzu kommt, dass der Beklagte zu 1 im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt hat, obwohl er ganz erheblich alkoholisiert (Blutalkoholkonzentration von 0,96 Promille) war.

Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Landgericht in diesem Zusammenhang den Anwendungsbereich des Vertrauensgrundsatzes nicht verkannt. Vielmehr durfte der Beklagte zu 1 weder auf ein verkehrsgerechtes Verhalten der Klägerin vertrauen noch kann er sich im Streitfall überhaupt auf den Vertrauensgrundsatz berufen.

Nach dem im Straßenverkehr geltenden Vertrauensgrundsatz darf ein Verkehrsteilnehmer, der sich selbst regelgerecht verhält, grundsätzlich darauf vertrauen, dass andere Verkehrsteilnehmer ebenfalls die Verkehrsregeln einhalten (vgl. BGH, Urteil vom 25.03.2003 – VI ZR 161/02 -, NJW 2003, 1929, 1931; Urteil vom 04.04.2023 – VI ZR 11/21 -, NJW 2023, 2108; Urteil vom 12.12.2023 – VI ZR 77/23 -, juris). Hingegen ist dem Vertrauen des Kraftfahrers dann die Grundlage entzogen, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände Anlass für den Kraftfahrer besteht, am verkehrsgerechten Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers – etwa eines Fußgängers – zu zweifeln. Der Kraftfahrer ist dabei grundsätzlich auch bei breiteren Straßen verpflichtet, die gesamte Straßenfläche vor sich zu beobachten. Dementsprechend muss ein Kraftfahrer am Fahrbahnrand befindliche oder vor ihm die Fahrbahn überquerende Fußgänger im Auge behalten und in seiner Fahrweise erkennbaren Gefährdungen Rechnung tragen (vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2023 – VI ZR 11/21 -, NJW 2023, 2108, 2109).

Im Streitfall hatte der Beklagte zu 1 freie Sicht auf die Klägerin und konnte bei ordnungsgemäßer Beobachtung der gesamten Straßenfläche das Verhalten der Klägerin wahrnehmen. Da diese sich in einer nicht klar übersehbaren Gruppe aus fünf Personen an einer Überquerungshilfe für Fußgänger befand, hätte er dieser Gruppe besondere Aufmerksamkeit schenken müssen (vgl. zur nur eingeschränkten Geltung des Vertrauensgrundsatzes bei der Annäherung an eine nicht klar übersehbare Personengruppe, die sich zur Überquerung der Straße anschickt, Freymann, in: Geigel, Haftpflichtprozess, 29. Aufl. 2024, Kap. 27, Rdnr. 608). Insbesondere wäre es ihm möglich gewesen wahrzunehmen, wie die Klägerin und die Zeugen D sich in Bewegung setzten. Ab diesem Moment bestand ein eindeutiger, für den Beklagten zu 1 wahrnehmbarer Anhaltspunkt, dass die Klägerin sich nicht verkehrsgerecht verhalten würde, sondern die Straße1 unter Verstoß gegen ihre Pflicht aus § 25 Abs. 3 StVO, den Fahrzeugverkehr zu beachten, überqueren würde. Er durfte demnach nicht auf das verkehrsrichtige Verhalten der Klägerin vertrauen, sondern hätte sein Fahrverhalten auf die sich ihm darstellende Situation einstellen müssen.

Es kommt noch hinzu, dass sich der Beklagte zu 1 auch deswegen nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen darf, weil er sich selbst nicht verkehrsrichtig verhalten hat. Wie oben bereits erwähnt, setzt eine Berufung eines Verkehrsteilnehmers auf den Vertrauensgrundsatz voraus, dass sich der betreffende Verkehrsteilnehmer selbst regelgerecht verhält, also nicht eine zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer bestimmte Norm verletzt (vgl. dazu – neben den obigen Nachweisen – etwa noch BGH, Urteil vom 04.07.1957 – 4 StR 190/57 -, VRS 13, 255; Urteil vom 06.02.1958 – 4 StR 687/57 -, juris; Urteil vom 15.11.1966 – VI ZR 57/65 -, VersR 1967, 157; Urteil vom 08.09.1967 – 4 StR 81/67 -, VRS 33, 368, 370; Urteil vom 10.04.1968 – 4 StR 62/68 -, NJW 1968, 1532, 1533; Urteil vom 03.11.1970 – VI ZR 65/69 -, VersR 1971, 179; OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.12.1999 – 3 Ss 43/99 -, NStZ-RR 2000, 141, 143; Fischer, StGB, 71. Aufl. 2024, § 222, Rdnr. 14; Puppe, Jura 1998, 21, 23).

Das Führen eines Kraftfahrzeuges in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand ist als grober Verstoß gegen die Grundsätze der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt anzusehen (s. auch § 316 StGB, § 24a StVG). Es gehört zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.1985 – IVa ZR 128/83 -, NJW 1985, 2648; Urteil vom 22.02.1989 – IVa ZR 274/87 -, NJW 1989, 1612, 1613). Dieses Verbot besteht zuvörderst zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer. Wer angetrunken ein Kraftfahrzeug führt, handelt also grob pflichtwidrig (s. Kaufmann, in: Geigel, Haftpflichtprozess, 29. Aufl. 2024, Kap. 25, Rdnr. 331) und kann sich daher nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen (vgl. Puppe, Jura 1998, 21, 23; in diesem Sinne wohl auch BGH, Urteil vom 09.07.1968 – VI ZR 171/67 -, VersR 1968, 1093).

Soweit das Urteil des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 2. Mai 1961 in dem Verfahren VI ZR 181/60 (VersR 1961, 620) im gegenteiligen Sinne verstanden werden könnte, vermag dem der erkennende Einzelrichter aus den genannten Gründen nicht zu folgen. Die Entscheidung steht auch in einem offensichtlichen Widerspruch zu dem in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vorher und nachher immer wieder betonten Grundsatz, dass der Vertrauensgrundsatz nur dem Verkehrsteilnehmer zur Seite steht, der sich nicht selbst über die im Straßenverkehr geltenden Regeln hinwegsetzt.

bb. Die Klägerin muss sich jedoch gem. § 9 StVG in Verbindung mit § 254 Abs. 1 BGB ein Mitverschulden in Höhe von 25 % anrechnen lassen.

Die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Schadensersatzes hängt von den Umständen ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Schadensabwägung nach § 254 BGB sind nur unstreitige oder bewiesene Umstände zu berücksichtigen und auch nur solche, die für die Entstehung des Schadens ursächlich geworden sind. Für diese Abwägung ist von Bedeutung, ob und in welchem Maße die Klägerin ein Schuldvorwurf hinsichtlich der Verursachung des Unfalls trifft.

Die Darlegungs- und Beweislast für Umstände, nach denen ein Verschulden der Geschädigten an der Schadensentstehung mitgewirkt hat, trifft den Fahrer.

Ein Mitverschulden ist grundsätzlich gegeben, wenn einem Verkehrsteilnehmer ein verkehrswidriges Verhalten vorzuwerfen ist, insbesondere die Nichtbeachtung von Vorschriften. Hier hatte die Klägerin die allgemeinen Sorgfaltspflichten aus § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO zu beachten, da die Fußgängerampel, an der sie die Straße überquerte, ausgeschaltet war. Eine Fußgängerin muss sich vor dem Betreten der Fahrbahn vergewissern, dass sich kein Fahrzeug nähert. Sie hat zuerst nach links, dann nach rechts zu blicken. Letzteres ist jedoch dann nicht erforderlich, wenn eine Etappenüberquerung in Betracht kommt (vgl. Freymann, in: Geigel, Haftpflichtprozess, 29. Aufl. 2024, Kap. 27, Rdnr. 605). Bei der Straße1 handelt es sich um eine breite Straße, die an der Stelle, an der die Klägerin sie überquerte, eine Verkehrsinsel aufweist. Es kam also eine Etappenüberquerung in Betracht, so dass die Klägerin lediglich gehalten war, vor der Überquerung nach links zu schauen, ob sich ein Fahrzeug nähert. Eine Verletzung dieser Pflicht ist im Streitfall gegeben, da der Beklagte zu 1 für die Klägerin, als sie zum Überqueren der Straße ansetzte, erkennbar war.

Soweit die Klägerin im zweiten Rechtszug mit einem Zitat aus der Klageschrift vorträgt, sie habe sich vor Betreten der Fahrbahn nach rechts umgesehen (Bl. 601 d. A.), handelt es sich offensichtlich um ein Schreibversehen. Insofern hatte die Klägerin im ersten Rechtszug mit Anwaltsschriftsatz vom 4. Mai 2021 bereits klarstellen lassen, dass sie behaupte, sich nach links umgesehen zu haben (Bl. 196 d. A.). Maßgeblich für ein Mitverschulden der Klägerin ist, ob bei diesem Blick nach links der sich in seinem Fahrzeug nähernde Beklagte zu 1 für sie erkennbar war.

Der erkennende Einzelrichter ist insoweit gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Feststellung des Landgerichts gebunden, dass die Klägerin die Fahrbahn überquert hat, obwohl das herannahende Fahrzeug des Beklagten zu 1 für sie erkennbar war. Es sind keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen.

Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinne sind alle objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2018 – VII ZR 170/17 -, NJW-RR 2018, 651, 652; Beschluss vom 04.09.2019 – VII ZR 69/17 -, NJW-RR 2019, 1343). Derartige konkrete Anhaltspunkte können sich unter anderem aus dem Vortrag der Parteien (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2018 – VII ZR 170/17 -, NJW-RR 2018, 651, 652), vorbehaltlich der Anwendung von Präklusionsvorschriften auch aus dem Vortrag der Parteien in der Berufungsinstanz (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2018 – VII ZR 170/17 -, NJW-RR 2018, 651, 652; BVerfGK, Beschluss vom 15.12.2008 – 1 BvR 1404/04 -, BeckRS 2009, 30487; Senat, Urteil vom 11.11.2022 – 26 U 71/21 -, NJOZ 2023, 450, 451) ergeben. Zweifel im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2018 – VII ZR 170/17 -, NJW-RR 2018, 651, 652; Beschluss vom 04.09.2019 – VII ZR 69/17 -, NJW-RR 2019, 1343; Senat, Urteil vom 11.11.2022 – 26 U 71/21 -, NJOZ 2023, 450, 451).

Im Streitfall besteht keine „gewisse Wahrscheinlichkeit“, dass eine erneute Feststellung zu einem anderen Ergebnis führt.

Der Sachverständige C hat nämlich in seinem Gutachten überzeugend und nachvollziehbar dargelegt, dass der Beklagte zu 1 für die Klägerin wahrnehmbar gewesen ist (S. 32 ff. d. Gutachtens). Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten und der vom Sachverständigen angegebenen Entfernung des Beklagten zu 1 zum Zeitpunkt des Beginns der Überquerung der Straße ist auch nach der Überzeugung des erkennenden Einzelrichters davon auszugehen, dass die Klägerin bei gehöriger Beobachtung des Verkehrs mit einem Blick nach links den Beklagten zu 1 hätte wahrnehmen können. Aus Bild 3 auf S. 33 des Sachverständigengutachtens ist ersichtlich, dass mindestens bis zu einer Entfernung von 50 m freie Sicht auf den herannahenden Beklagten zu 1 bestanden hat. Aus Bild 10 der Fotoanlage „Unfallstelle“ des im Ermittlungsverfahren angefertigten B-Gutachtens des Sachverständigen A vom 14. November 201X (Akten der Staatsanwaltschaft Stadt4 zu dem Aktenzeichen …, Sonderband, Fotoanlage „Unfallstelle“ S. 5) ist zudem ersichtlich, dass die Straße1 auch in dem Bereich jenseits der in der vorgenannten Aufnahme im Gutachten des Sachverständigen C eingezeichneten 50 m-Markierung über eine längere Strecke in gerader Linie verläuft und deutlich über eine Entfernung von 50 m vom Standpunkt der Klägerin frei einsehbar war. Die Erkennbarkeit war bei einer vom Sachverständigen berechneten Entfernung des Beklagten zu 1 von 25 bis 35 m ohne Weiteres gegeben. Selbst wenn man – wie es auch das Landgericht getan hat – eine erstinstanzlich behauptete Annäherungsgeschwindigkeit des Beklagten zu 1 von 75 km/h zugrunde legte, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei geschätzt, dass die Entfernung in diesem Fall ca. 45 m betragen hätte. Auch dann wäre der Beklagte zu 1, wie die Luftaufnahme Bild 3 auf S. 33 des Gutachtens des Sachverständigen C zeigt, für die Klägerin erkennbar gewesen.

Die Schätzung des Landgerichts ist auch rechnerisch richtig. Die Annäherungszeit zwischen dem Betreten der Fahrbahn und der Kollision, die das Landgericht aufgrund des Gutachtens C (S. 32 Ziff. 3.2) zugrunde zu legen hatte, betrug 1,79 s bis 2,16 s. Unterstellt man eine Geschwindigkeit des Beklagten zu 1 von 75 km/h, legte dieser 20,8333 m/s zurück. In der Annäherungszeit von 2,16 s legte er somit 44,999928 m zurück, was mit der Schätzung des Landgerichts auf ca. 45 m korrespondiert. Das Landgericht war daher auch nicht gehalten, das von der Klägerin beantragte Ergänzungsgutachten zu der Frage einzuholen, ob sich die Bewertung des Sachverständigen in Bezug auf die Vermeidbarkeit für die Klägerin ändert, wenn er eine von dem Beklagten zu 1 in Annäherung gefahrene Geschwindigkeit von 70 bis 75 km/h zu Grunde legt und die Existenz eines vor dem Beklagten zu 1 fahrenden Fahrzeugs, das dann später nach rechts abgebogen ist, unterstellt.

Auch der Einwand der Klägerin, der Beklagte zu 1 sei durch ein vor ihm fahrendes und dann auf die rechte Fahrbahn wechselndes Fahrzeug verdeckt und daher nicht wahrnehmbar gewesen, ist nicht stichhaltig. Wäre ein solches Fahrzeug in einer Weise vor dem Beklagten zu 1 gefahren, dass es diesen verdeckt hätte, so hätte zumindest dieses Fahrzeug denknotwendig von der Klägerin und den sie begleitenden Zeugen wahrgenommen werden müssen. Dies ist indes schon nicht vorgetragen; auch in den Aussagen der Zeugen im Strafverfahren finden sich keine dahingehenden Anhaltspunkte. Im Übrigen ist diese Behauptung auch nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn man als wahr unterstellt, dass ein Fahrzeug vorübergehend vor dem Beklagten zu 1 fuhr, als die Klägerin die Straße überqueren wollte, hätte die Klägerin bei Wahrnehmung des Fahrzeugs nicht die Straße überqueren dürfen. Vielmehr hätte sie das Verkehrsgeschehen weiter beobachten müssen und hätte nicht die Fahrbahn betreten dürfen. Vielmehr hätte sie sicherstellen müssen, dass sich hinter dem – angeblich – wahrgenommenen Fahrzeug kein weiteres Fahrzeug befinde, dem Vorfahrt zu gewähren wäre.

Auch soweit die Klägerin im zweiten Rechtszug erstmals eine geringere Überquerungsgeschwindigkeit der Fußgänger von 3,6 km/h und eine zurückzulegende Distanz von 6 m und eine daraus resultierende längere Annäherungszeit und größere Distanz des Beklagten zu 1 behauptet, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.

Zunächst ist nicht ersichtlich, weshalb der Berechnung nunmehr eine Strecke vom Startpunkt zum Kollisionspunkt von 6 m zugrunde zu legen sein sollte, während der Sachverständige eine Distanz von 3 m berechnet hat.

Überdies ist es mehr als zweifelhaft, ob der Verweis auf die in den Richtlinien für Lichtzeichenanlagen zu Grunde gelegte Gehgeschwindigkeit von 3,6 km/h für den Streitfall Relevanz besitzt, da derartige Richtlinien zuvörderst den Schutz besonders langsamer Fußgängerinnen und Fußgänger (Kleinkinder, ältere Menschen mit Rollatoren etc.) bezwecken und daher zu Recht sehr geringe Gehgeschwindigkeiten ansetzen.

Doch selbst wenn man die nunmehr im zweiten Rechtszug erstmals vorgetragene Gehgeschwindigkeit der Klägerin von 3,6 km/h (= 1 m/s) und eine nunmehr vorgetragene Annäherungsgeschwindigkeit des Beklagten zu 1 von 55 km/h (= 15,2778 m/s) als wahr unterstellt, folgt daraus kein abweichendes Ergebnis für die Erkennbarkeit. Legt man mit dem Sachverständigen C – mangels anderweitiger Anhaltspunkte – eine Wegstrecke von 3 m zugrunde, so ergibt sich bei einer Gehgeschwindigkeit von 1 m/s eine Annäherungsdauer von 3 s. In dieser Zeit legte der Beklagte zu 1 bei einer Geschwindigkeit von 15,2778 m/s eine Strecke von 45,8334 m zurück. Auch in einer Entfernung von 45,8334 m war der Beklagte zu 1 für die Klägerin indes ohne weiteres erkennbar.

Im Übrigen hat der Sachverständige C bei seiner Anhörung angegeben, er könne eine Kollisionsgeschwindigkeit von 70 km/h ausschließen (Bl. 402 d. A.). Gleichzeitig hat er angegeben, dass eine Abbremsung vor oder während der Kollision unwahrscheinlich sei (Gutachten S. 32, Abs. 1), woraus wiederum zu schließen ist, dass die Annäherungsgeschwindigkeit der Kollisionsgeschwindigkeit entsprach.

Soweit die Klägerin rügt, das Landgericht habe die von ihr zum Unfallhergang benannten Zeugen zu Unrecht nicht vernommen, vermag dies keinen Verfahrensfehler in der Form einer Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör zu begründen. Die Zeugen waren nicht zu vernehmen, da sie unter den gegebenen Umständen schon kein geeignetes Mittel zum Beweis der Erkennbarkeit des Beklagten zu 1 waren. So kann beispielsweise der Zeuge D allenfalls bekunden, ob er sich vor Betreten der Straße umgesehen und dabei den Beklagten zu 1 wahrgenommen hat. Ob die Klägerin bei pflichtgemäßer Beobachtung des Straßenverkehrs den Beklagten zu 1 hätten erkennen können, was hier allein maßgeblich ist, lässt sich mit der Einvernahme des Zeugen hingegen weder beweisen noch falsifizieren. Bei einem Indizienbeweis darf das Gericht von einer beantragten Beweiserhebung absehen, wenn die unter Beweis gestellte Hilfstatsache für den Nachweis der Haupttatsache nach seiner Überzeugung nicht ausreicht (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11.03.2010 – V ZR 165/09 -, juris). So liegt es hier.

Nach alledem steht zur Überzeugung des erkennenden Einzelrichters fest, dass der Beklagte zu 1 für die Klägerin unmittelbar vor Betreten der Fahrbahn erkennbar war, so dass ihr ein Mitverschulden wegen Verstoßes gegen § 25 Abs. 3 StVO anzulasten ist. Bei verkehrsrichtigem Verhalten wäre der Unfall auch für sie vermeidbar gewesen. Die Abwägung der vorgenannten Verursachungs- und Verschuldensanteile des Beklagten zu 1 einerseits und der Klägerin andererseits gem. § 9 StVG, § 254 BGB führt nach der Überzeugung des erkennenden Einzelrichters zu einer Mitverschuldensquote der Klägerin von 25 % und damit zu einer Haftungsquote des Beklagten zu 1 im Umfang von 75 %. Der Beklagte zu 1 hat nämlich die entscheidende Ursache für den Unfall gesetzt. Dieser hatte sich bei einer durch Alkoholgenuss ganz erheblich eingeschränkten Fahrtüchtigkeit an das Steuer seines Wagens gesetzt und war auf der Fahrbahn in die Fußgängergruppe hineingefahren, die von ihm rechtzeitig hätte wahrgenommen werden können. Wer sich wie der Beklagte zu 1 unter Alkoholeinwirkung ans Steuer setzt und alkoholbedingt offenbar in hohem Maße unaufmerksam ist, schafft damit eine Gefahr, neben der das Fehlverhalten der Klägerin ein deutlich geringeres Gewicht besitzt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist in diesem Zusammenhang die erhebliche Alkoholisierung des Beklagten zu 1 von rechtlicher Bedeutung. Der erkennende Einzelrichter muss im Streitfall nämlich davon ausgehen, dass dem Beklagten zu 1 der Verkehrsverstoß – das Unterlassen einer Bremsung und das daraus resultierende Hineinfahren in die Fußgängergruppe – deswegen unterlief, weil er in dem beschriebenen Umfang alkoholisiert war.

Es spricht nämlich ein Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit der Trunkenheit (im Sinne einer absoluten oder relativen Fahruntüchtigkeit) für einen Unfall, wenn dieser sich in einer Verkehrslage und unter Umständen ereignet, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können (vgl. BGH, Urteil vom 24.10.1955 – II ZR 345/53 -, BGHZ 18, 311, 318 f.; Urteil vom 30.10.1985 – IVa ZR 10/84 -, NJW-RR 1986, 323, 324; Urteil vom 10.01.1995 – VI ZR 247/94 -, NJW 1995, 1029, 1030; OLG Saarbrücken, Urteil vom 29.06.2017 – 4 U 62/16 -, r + s 2018, 154, 156; Burmann, in: ders./Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl. 2022, § 287, Rdnr. 16; Kaufmann, in: Geigel, Haftpflichtprozess, 29. Aufl. 2024, Kap. 25, Rdnr. 331). So liegt es hier. Gerade angesichts der freien Sicht für den Beklagten zu 1 unterliegt es keinem Zweifel, dass ein nüchterner Fahrer die Gruppe um die Klägerin wahrgenommen und rechtzeitig gebremst hätte.

Diesen Anscheinsbeweis zu Lasten des Beklagten zu 1 haben die Beklagten nicht zu entkräften vermocht.

cc. Auf dieser Grundlage hat die Klägerin gegen den Beklagten zu 1 zunächst einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von € 52.500,00.

Die Klägerin kann nach § 253 Abs. 2 BGB eine billige Entschädigung in Geld verlangen.

Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgelds sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei geht es nicht um eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falls, sondern um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. Dabei ist in erster Linie die Höhe und das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen; hier liegt das Schwergewicht. Auf der Grundlage dieser Gesamtbetrachtung ist eine einheitliche Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild festzusetzen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13.10.1992 – VI ZR 201/91 -, NJW 1993, 781, 782 f.; Urteil vom 15.02.2022 – VI ZR 937/20 -, NJW 2022, 1953, 1954; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.03.2017 – 8 U 228/11 -, juris; Senat, Urteil vom 11.11.2022 – 26 U 71/21 -, NJOZ 2023, 450, 452).

Die unfallbedingten Verletzungen und Dauerschäden der Klägerin sowie ihre unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit begründen – wie vom Landgericht zutreffend erkannt und begründet – ein Schmerzensgeld in Höhe von € 70.000,00.

Es liegen – entgegen der in der Klageschrift und in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Einzelrichter von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin vertretenen Ansicht – keine Gründe dafür vor, das Schmerzensgeld wegen einer zögerlichen Regulierung durch die Beklagte zu 2 zu erhöhen. Ein Schmerzensgeld ist wegen einer zögerlichen Regulierung erst dann anzuheben, wenn ein böswilliges oder prozesswidriges verzögertes Regulierungsverhalten der Versicherung zu weiteren psychischen Beeinträchtigungen der Geschädigten führt, was von dieser darzulegen ist (in diesem Sinne etwa BGH, Urteil vom 19.01.1960 – VI ZR 60/59 -, VersR 1960, 401; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.09.2007 – 8 U 127/03 -, juris; Urteil vom 01.06.2010 – 8 U 126/09 -, juris; Urteil vom 23.09.2015 – 8 U 88/14 -, Entscheidungsumdruck, S. 16; Urteil vom 31.01.2017 – 8 U 155/16 -, juris; Schellenberg, VersR 2006, 878 ff.).

Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Da auch der Klägerin ein Verkehrsverstoß zur Last fällt (s. o.), erscheint es nicht böswillig, dass die Beklagten die oben wiedergegebene Rechtsansicht zur maßgeblichen Verursachung des Unfalls durch die Klägerin vertreten haben. Überdies hat die Klägerin auch nicht zu etwaigen weiteren psychischen Beeinträchtigungen infolge des Regulierungsverhaltens der Beklagten zu 2 vorgetragen.

Der genannte Schmerzensgeldbetrag in Höhe von € 70.000,00 ist um den Mitverschuldensanteil der Klägerin in Höhe von 25 % zu kürzen, so dass der Beklagte zu 1 zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von € 52.500,00 zu verurteilen ist.

b. Darüber hinaus hat die Klägerin gegen den Beklagten zu 1 einen Anspruch auf Ersatz materieller Schäden in Höhe von € 5.633,25.

aa. Zum einen steht der Klägerin gegen den Beklagten zu 1 ein Anspruch auf Ausgleich des Haushaltsführungsschadens in Höhe von € 390,00 unter dem Gesichtspunkt der vermehrten Bedürfnisse im Sinne des § 843 Abs. 1 Fall 2 BGB zu. Dieser setzt sich aus einem Betrag in Höhe von € 375,00 für den Zeitraum vom 18. August bis zum 25. September 201X (5 Wochen) sowie aus einem weiteren Betrag in Höhe von € 15,00 für den Zeitraum des stationären Aufenthalts der Klägerin vom 26. September 201X bis zum 27. Oktober 201X (4 Wochen) in der Klinik2 Stadt3 zusammen.

Die Berechnung des Haushaltsführungsschadens ist auf Grundlage der Schätzung des Aufwands für eine fiktive Hilfskraft gem. § 287 ZPO möglich.

Die Geschädigte muss grundsätzlich die für die Schätzung nötigen Anknüpfungsgrundlagen vortragen. Dies hat sie hier mit der Angabe der Wohnungs- und Haushaltsgröße und des nachvollziehbaren Stundenaufwands von 10 Stunden wöchentlich getan. Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht der Umstand, dass die Klägerin zeitweise einen Pflegedienst in Anspruch genommen hat, im Streitfall dem Zuerkennen eines Haushaltsführungsschadens nicht von vornherein entgegen. Zwischen den Parteien ist nämlich unstreitig, dass der Pflegedienst der Klägerin bei der Körperpflege und dem Ankleiden behilflich war, da die Beklagten dem entsprechenden Vortrag der Klägerin auf S. 15 der Klageschrift nicht entgegengetreten sind (§ 138 Abs. 3 ZPO). Vor diesem Hintergrund muss der erkennende Einzelrichter davon ausgehen, dass der Pflegedienst nicht auch noch zusätzlich den Haushalt der Klägerin geführt hat.

Allerdings kann während eines stationären Aufenthalts ein Haushaltsführungsschaden nicht in voller Höhe verlangt werden. In einem 1-Personen-Haushalt beträgt die Minderung der Haushaltsführung zwar 100 % während eines stationären Klinik- oder Reha-Aufenthalts, als Haushaltsführungsschaden ist indes lediglich der sog. Erhaltungsaufwand als Haushaltsführungsschaden anzusetzen (vgl. Senat, Urteil vom 23.11.2023 – 26 U 61/22 -, juris; OLG Nürnberg, Urteil vom 23.12.2015 – 12 U 1263/14 -, NJW-RR 2016, 593, 596; Gräfenstein/Strunk, NZV 2020, 176, 180). Der Erhaltungsaufwand umfasst üblicherweise Tätigkeiten wie beispielsweise Blumen gießen, Briefkasten leeren usw. Die Klägerin hat insofern nicht vorgetragen, welche Erhaltungstätigkeiten während ihrer Abwesenheit in ihrem Haushalt angefallen sind. Sie hat lediglich pauschal behauptet, dass ein stationärer Aufenthalt keinen Einfluss auf den Haushaltsführungsaufwand habe, was im 1-Personen-Haushalt indes unzutreffend ist. Vor diesem Hintergrund schätzt der erkennende Einzelrichter den wöchentlichen Erhaltungsaufwand während des stationären Aufenthalts der Klägerin vom 26. September bis zum 27. Oktober 201X auf 0,5 Stunden (vgl. etwa Senat, Urteil vom 23.11.2023 – 26 U 61/22 -, juris; OLG Schleswig, Urteil vom 24.04.2008 – 7 U 81/06 -, ZfS 2009, 259).

Der erkennende Einzelrichter schätzt nach eigener Würdigung der Umstände des Einzelfalles gemäß den §§ 525 Satz 1, 287 Abs. 1 ZPO den Stundensatz auf € 10,00. Die Höhe des Stundensatzes hat sich grundsätzlich am Nettolohn einer vergleichbaren entgeltlich eingesetzten Hilfskraft auszurichten (vgl. etwa Senat, Urteil vom 23.11.2023 – 26 U 61/22 -, juris; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.08.2018 – 8 U 53/15 -, juris; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 843, Rdnr. 18). Dabei ist zu berücksichtigen, dass in Bezug auf die Vergütung einer entsprechenden Hilfskraft in der Bundesrepublik Deutschland erhebliche regionale Unterschiede bestehen (vgl. etwa Gräfenstein/Strunk, NZV 2020, 176, 179). Vor diesem Hintergrund ist im Streitfall der insoweit anzusetzende Stundensatz für den hier relevanten Zeitraum auf € 10,00 zu schätzen (so etwa auch Senat, Urteil vom 23.11.2023 – 26 U 61/22 -, juris; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.08.2018 – 8 U 53/15 -, juris; Urteil vom 14.01.2019 – 29 U 69/17 -, juris; OLG Köln, Urteil vom 25.11.2015 – I-5 U 73/14 -, juris; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.10.2017 – 2-25 O 231/09 -). Soweit die Klägerin unter Berufung auf die Regelungen im Mindestlohngesetz einen Stundensatz von € 12,- verlangt, verkennt sie, dass im Streitfall nicht das derzeit geltende Mindestlohngesetz, nach dem die Höhe des Mindestlohns ab dem 1. Oktober 2022 brutto € 12,00 je Zeitstunde beträgt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG), einen Orientierungspunkt bieten kann. Nach der bis einschließlich 29. Juli 2020 geltenden Fassung von § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG betrug die Höhe des Mindestlohns brutto € 8,50 je Zeitstunde und lag damit unterhalb des in der Rhein-Main-Region und in Mittelhessen damals üblichen Nettolohnes einer entgeltlich eingesetzten Hilfskraft.

Nach alledem ergibt sich für den Zeitraum vom 18. August bis zum 25. September 201X (5 Wochen) ein Betrag in Höhe von € 500,00 (€ 10,00 x 10 Stunden x 5 Wochen) und für den Zeitraum vom 26. September 201X bis zum 27. Oktober 201X ein Betrag in Höhe von € 20,00 (€ 10,00 x 0,5 Stunden x 4 Wochen). Unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote der Klägerin in Höhe von 25 % führt dies zu einem Gesamtbetrag von € 390,00 (€ 520,00 x 0,75).

Für den Zeitraum nach Abschluss des stationären Aufenthalts der Klägerin in der Klinik in Stadt3 – also für den Zeitraum ab dem 28. Oktober 201X – ergeben sich aus den vorgelegten Arztbriefen keine Hinweise für eine fortbestehende Einschränkung der Klägerin in Bezug auf die Fähigkeit, ihren Haushalt zu führen.

bb. Die übrigen von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen umfassen einen Betrag in Höhe von € 6.991,00. Damit sind der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Mitverschuldensquote von 25 % € 5.243,25 zuzusprechen. Zusammen mit dem Haushaltsführungsschaden (€ 390,00) ergibt dies eine Summe von € 5.633,25.

c. Darüber hinaus hat die Klägerin gegen den Beklagten zu 1 auch einen Anspruch auf Ausgleich von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.954,46.

Erstattungsfähig sind gem. § 249 Abs. 1 BGB diejenigen Rechtsverfolgungskosten, die aus Sicht der Schadensersatzgläubigerin zur Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. etwa BGH, Urteil vom 09.04.2019 – VI ZR 89/18 -, NJW-RR 2019, 1187, 1190; Senat, Urteil vom 24.09.2020 – 26 U 69/19 -, NJW-RR 2021, 63, 64).

Hinsichtlich der Höhe des insoweit geltend gemachten Zahlungsanspruchs ist jedoch zu berücksichtigen, dass dem Anspruch der Geschädigten auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen ist, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 18.07.2017 – VI ZR 465/16 -, NJW 2017, 3588). Danach ist hier ein Gegenstandswert bis zur Wertstufe von € 80.000,00 anzusetzen.

d. Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB.

e. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 besteht in derselben Höhe wie gegen den Beklagten zu 1 (§ 115 VVG in Verbindung mit § 1 PflVG).

Die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten ergibt sich aus § 116 VVG.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 ZPO.

4. Die Revision ist nicht zuzulassen.

Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Sie wirft keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Es handelt sich vielmehr um eine von den tatsächlichen Besonderheiten des Einzelfalls geprägte Sache.

Die Zulassung der Revision ist im Streitfall auch nicht zur „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Dieser Zulassungsgrund ist insbesondere dann gegeben, wenn das Berufungsgericht von einer Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, namentlich des Bundesgerichtshofes, abweicht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz nicht deckt (vgl. BGH, Beschluss vom 04.07.2002 – V ZR 75/02 -, NJW 2002, 2295; Beschluss vom 27.03.2003 – V ZR 291/02 -, NJW 2003, 1943, 1945; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.10.2013 – 15 U 127/13 -, juris).

Eine so verstandene Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes findet im Streitfall – von einer möglichen Ausnahme abgesehen (dazu sogleich) – nicht statt.

Auch soweit der erkennende Einzelrichter von der oben angesprochenen Entscheidung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 2. Mai 1961 in dem Verfahren VI ZR 181/60 (VersR 1961, 620) abweicht, ist die Zulassung der Revision nicht zur „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Zum einen steht diese Entscheidung – wie bereits erwähnt – in einem offensichtlichen Widerspruch zu dem in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vorher und nachher immer wieder betonten Grundsatz, dass der Vertrauensgrundsatz nur dem Verkehrsteilnehmer zur Seite steht, der sich nicht selbst über die im Straßenverkehr geltenden Regeln hinwegsetzt. Zum anderen ist die Zulassung der Revision deswegen nicht angezeigt, weil die Zulassung der Revision allgemein voraussetzt, dass die zu klärende Rechtsfrage im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Das ist sie nicht, wenn es auf sie zur Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt (vgl. etwa BVerfGK, Beschluss vom 04.05.2015 – 2 BvR 2053/14 -, WM 2015, 1748, 1749; BGH, Beschluss vom 19.12.2002 – VII ZR 101/02 -, NJW 2003, 831; Beschluss vom 16.09.2003 – XI ZR 238/02 -, NJW 2004, 1167; Beschluss vom 15.09.2014 – II ZR 112/13 -, NJW-RR 2015, 603, 604). So liegt es hier, weil der Beklagte zu 1 im Streitfall – wie oben dargelegt – nicht auf ein verkehrsgerechtes Verhalten der Klägerin vertrauen durfte.

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