OLG Düsseldorf – Az.: I-1 U 32/19 – Urteil vom 27.04.2021
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Kleve vom 13. Februar 2019 – 1 O 314/15 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage ist dem Grunde nach zu 50% gerechtfertigt.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche künftigen materiellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 21.10.2012 auf der B 67 in K. nach einer Haftungsquote von 50% und immaterielle Schaden unter Berücksichtigung eines Haftungsanteils des Klägers von 50% zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Die weitergehende Klage hinsichtlich des Grundes des Anspruchs und des Feststellungsantrags wird abgewiesen.
Im Übrigen wird das Urteil des Landgerichts einschließlich des Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das Landgericht Kleve zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der am ….1964 geborene Kläger verlangt von den Beklagten Schmerzensgeld und Schadenersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am Sonntag, dem 21.10.2012 gegen 15.35 Uhr auf der B 67 auf Höhe der Abfahrt A. Straße in K. ereignet hat.
Am 21.10.2012 befuhr der Kläger mit dem von ihm geführten Motorrad Suzuki (amtliches Kennzeichen …) in einer Gruppe von insgesamt sieben Motorrädern die B 67 in Fahrtrichtung R.. Die auf der B 67 vorhandenen Fahrbahnen sind an der Unfallstelle durch eine durchgehende Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295 der Anlage 2 zur StVO) voneinander getrennt. In Fahrtrichtung R. ist das Abbiegen nach links auf die A. Straße nicht erlaubt. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 100 km/h.
Die Gruppe fuhr in versetzter Formation; Einzelheiten zur Reihenfolge und den Abständen zwischen den einzelnen Fahrern sind streitig. Der Zeuge E. – zugleich Streithelfer zu 1) -, auf dessen bei der Streithelferin zu 3) haftpflichtversicherten Motorrad sich die Streithelferin zu 2) als Sozia befand, führte die Gruppe – gefolgt von dem Kläger und dem Zeugen St. – an; im weiteren Verlauf folgten die übrigen Mitfahrer, unter anderem die Beklagte zu 1) als Fahrerin eines Motorrads Suzuki (amtliches Kennzeichen …), dessen Halter der Beklagte zu 2) und das bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert ist.
Auf Höhe der Abfahrt A. Straße hatte der Zeuge E. zunächst in der Absicht, nach links abzubiegen, den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt. Nachdem er erkannt hatte, dass dies verboten war, gab er ein Handzeichen an die Mitfahrer, wonach geradeaus weitergefahren werden solle. Die Beklagte zu 1) fuhr auf das Motorrad des Klägers auf. Wie genau es zu dem Unfall gekommen ist, ist streitig.
Infolge des Zusammenstoßes kamen der Kläger und die Beklagte zu 1) zu Fall und wurden verletzt. Der Kläger erlitt eine Humeruskopf-Trümmerfraktur links, die operativ versorgt werden musste. Vom Unfalltag bis zum 31.10.2012 und vom 19.09.2013 bis 21.09.2013 wurde er stationär im Krankenhaus behandelt. Die weiteren Unfallfolgen sind streitig.
Ein wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung gegen die Beklagte zu 1) eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. In dem gegen den Kläger beim Amtsgericht Kleve – Strafrichter – geführten Strafverfahren sind der Kläger (als Angeklagter) und die Beklagte zu 1) sowie die weiteren Mitfahrer als Zeugen vernommen worden. Zudem hat das Amtsgericht ein unfallanalytisches Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. Z. eingeholt, das dieser mündlich erläutert hat. Das Verfahren wurde gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Strafakte 37 Cs-305 Js 671/12-155/13 StA Kleve Bezug genommen.
Der Kläger hat gemeint, die Beklagten treffe die alleinige Haftung für die Unfallfolgen; der Unfall sei für ihn unabwendbar gewesen. Unter anderem hat er vorgetragen, er habe bremsen müssen, da der Zeuge E. in im Bereich der Abfahrt A. Straße gebremst habe und „seitlich in seine Spur“ gekommen sei. Auch der hinter ihm befindliche Zeuge St. habe abbremsen müssen. Nachdem sich die Fahrer bereits „wieder eingeordnet“ hätten und „normal weitergefahren“ seien, sei die Beklagte zu 1) mit stark überhöhter Geschwindigkeit auf ihn aufgefahren. Diese habe versucht, die vor ihr fahrenden Krafträder zu überholen, wobei sie entweder zu spät auf das Handzeichen des Zeugen E. reagiert habe oder durch das starke Beschleunigen ihres Kraftrades des grob sorgfaltswidrig auf den Kläger aufgefahren sei. Es liege ein typischer Auffahrunfall vor.
Der mit dem Klageantrag zu Ziffer 1 geltend gemachte Sachschaden (Fahrzeugschaden, Sicherstellungskosten, Sachverständigenkosten, Nutzungsausfall für die Dauer von 14 Tagen zuzüglich Ersatz für Motorradhelm und -bekleidung zum Neupreis und mit 30,00 EUR angesetzte Kostenpauschale) sei ausweislich des Schadensgutachtens vom 19.11.2012 (Anl. A 3) und vorgelegter Rechnungen (Anl. A 3-5, A 6 und 7) mit 11.047,47 EUR zu beziffern. Es sei ein Ersatzfahrzeug angeschafft worden, wie sich aus der Zulassungsbestätigung (Anl. A 5a) ergebe.
Weiter stehe ihm ein bei ca. 65.000 EUR anzusiedelndes Schmerzensgeld zu (Klageantrag zu Ziffer 2). Insoweit hat der Kläger behauptet und durch Zeugnis der behandelnden Ärzte sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens (Bl. 19) unter Beweis gestellt, er sei neben den Verletzungen im Bereich der linken Schulter sowie des Rückens auch am Ellenbogen und am rechten Knie verletzt worden. Die unfallbedingten Verletzungen hätten zu einer dauerhaften Nervenschädigung im Bereich des linken Arms, der Schulter sowie der linken Kopfseite geführt. Hierdurch leide er nicht nur an diversen Druckschmerzen im Bereich des linken Schultergelenks, des linken Ellenbogens sowie des linken Knies, sondern auch an überhöhtem Speichelfluss und Taubheit auf dem linken Ohr, Schlafstörungen und psychischen Beeinträchtigungen. Es handele sich um einen Dauerschaden. Seine Rückenmuskulatur funktioniere nicht mehr ordnungsgemäß, da ein Nerv blockiert sei. Er könne den Arm nicht mehr heben, sei nicht mehr in der Lage, den Oberarm zu bewegen und Gewichte zu tragen. Im Bereich der linken Schulter seien großflächige Empfindungsstörungen auf der Haut vorhanden. Bei einfachsten Tätigkeiten im allgemeinen Leben sowie beim Anziehen von Kleidung sei er auf fremde Hilfe angewiesen, könne nicht selbst seine Hose öffnen oder schließen, keine Schuhe binden und sich nicht waschen. Die Einschränkungen des Armes lägen bei mehr als 70 %. Zwischenzeitlich sei ein GdB von 50 festgestellt worden (Anl. A 10). Infolge des Unfalls sei er arbeitsunfähig.
Zudem schuldeten ihm die Beklagten Ersatz entgangenen Gewinns und seines Verdienstausfallschadens (Klageantrag zu Ziffer 3). Zum Unfallzeitpunkt sei er seit Jahren auf Mini-Job-Basis bei der Firma V. teilzeitbeschäftigt gewesen und habe in der Regel 450,00 EUR monatlich verdient. Wie der Kläger durch Vorlage eines Arbeitsvertrags vom 5.10.2012 (Anl. A 11) unter Beweis gestellt hat, sei vor dem Unfall mit ihm ein unbefristeter Arbeitsvertrag in Vollzeit, beginnend ab Dezember 2012, geschlossen worden, bei dem er monatlich 2.190,00 EUR verdient hätte. Wie er durch Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Zeugnis der behandelnden Ärzte (Bl. 21 d. A.) unter Beweis stelle, habe er diese Verdienstmöglichkeit unfallbedingt nicht mehr wahrnehmen können, wodurch ihm – bis Oktober 2015 – ein Verdienstausfallschaden in Höhe von 52.175,01 EUR, mindestens aber in Höhe von 450,00 EUR monatlich entstanden sei. Wegen der Berechnung wird auf die Klageschrift (Bl. 20 d. A.) verwiesen.
Wie der Kläger durch Sachverständigengutachten (Bl. 21 d. A.) unter Beweis gestellt hat, sei er aufgrund der vorliegenden Beeinträchtigungen nicht mehr arbeitsfähig. Ab November 2015 stehe ihm eine vierteljährlich im Voraus zu entrichtende Erwerbsunfähigkeitsrente bis zum Eintritt in das Rentenalter zu, die seinen monatlichen Erwerbsverlust kompensiere (Klageantrag zu Ziffer 5). Dieser betrage unter Berücksichtigung des im Arbeitsvertrag vom 05.10.2012 vereinbarten Bruttogehalts monatlich netto 1.492,46 EUR.
Überdies habe er einen Anspruch auf Ersatz eines Haushaltsführungsschadens (Klageantrag zu Ziffer 6). Insoweit hat der Kläger vorgetragen und durch Zeugnis seiner Ehefrau und Sachverständigengutachten (Bl. 22 d. A.) unter Beweis gestellt, aufgrund eines „Rollentauschs“ der Eheleute habe der Schwerpunkt der Hausarbeit bis zu dem Unfall bei ihm gelegen. Aufgrund der unfallbedingten Beeinträchtigungen insbesondere der Schulter und des Arms habe er den größten Teil der Hausarbeiten nicht mehr ausführen können, so dass man auf fremde Hilfe angewiesen gewesen sei. Der ersatzfähige Schaden für den Zeitraum November 2012 bis Oktober 2015 betrage 24.338,88 EUR. Wegen der Berechnung wird auf die Klageschrift (Bl. 22 d. A.) verwiesen.
Wie der Kläger weiter durch Zeugnis der behandelnden Ärzte und Sachverständigengutachten (Bl. 23 d. A.) unter Beweis gestellt hat, seien die noch zu erleidenden körperlichen Beeinträchtigungen und daraus resultierenden Schäden nicht voraussehbar. Daher sei die Ersatzpflicht der Beklagten für sämtliche künftig entstehenden Schäden materieller oder immaterieller Art festzustellen (Klageantrag zu Ziffer 7).
Daneben seien ihm in Rechnung (Anl. A 16) gestellte vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.237,56 EUR zu ersetzen (Klageantrag zu Ziffer 8).
Dem sind die Beklagten vollumfänglich entgegengetreten. Sie haben gemeint, der Kläger habe den Unfall unter Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO und § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO allein verschuldet, wobei erschwerend hinzukomme, dass er aufgrund der durchgezogenen Linie nicht habe abbiegen dürfen. Die Beklagte zu 1) habe sich mit einer Geschwindigkeit von 50 bis 60 km/h hinter dem Kläger fahrend befunden, als dieser plötzlich auf Höhe der Abfahrt A. Straße mittig auf der Fahrbahn gefahren sei, scharf gebremst habe und dann nach links ausgeschert sei, um wohl abzubiegen. Hierbei habe er der Beklagten zu 1) den Fahrweg versperrt. Die Beklagte zu 1) habe versucht, links am Kläger vorbeizufahren, weil sie nicht durch eine Vollbremsung die nachfolgenden Motorräder habe gefährden wollen. Da der Kläger jedoch ein weiteres Mal stark abgebremst habe und sogar auf die Gegenfahrbahn gefahren sei, sei die Kollision für sie unvermeidbar gewesen. Aufgrund der Vollbremsung des Klägers und seines Ausscherens nach links liege kein typischer Auffahrunfall vor.
Der Nutzungswille des Klägers werde bestritten; aufgrund der unfallbedingten Verletzungen sei der Kläger ohnehin nicht in der Lage gewesen, das Fahrzeug zu nutzen. Die Kostenpauschale sei übersetzt, diese sei lediglich in Höhe von 20,00 EUR ersatzfähig. Auch könne der Kläger keinen Ersatz für die angebliche Beschädigung von Motorradhelm und -kleidung (zum Neupreis) verlangen. Die Operation des Klägers sei komplikationslos verlaufen; weitere unfallbedingte Beeinträchtigungen habe er nicht erlitten. Es sei nicht ersichtlich, dass er die in Rechnung gestellten Rechtsanwaltskosten tatsächlich beglichen habe.
Die Streithelfer sind dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.
Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. Sch., das dieser auf die Einwendungen des Klägers hin mündlich erläutert hat, sowie Vernehmung der Zeugen E., B., O. und St. abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zu der Kollision sei es infolge von Unruhe und Bremsmanövern in der Gruppe nach der Aufgabe der Abbiegeabsicht durch den Streithelfer zu 1) gekommen. Insoweit sei die Haftung jedoch wegen eines stillschweigenden Haftungsverzichts von vornherein ausgeschlossen. Die Mitfahrenden seien willentlich nicht hintereinander, sondern seitlich versetzt gefahren, ohne den erforderlichen Sicherheitsabstand einzuhalten. Darüber hinaus sei ein schuldhaftes Fehlverhalten des Klägers und der Beklagten zu 1) nicht mehr feststellbar. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vortrags, den in erster Instanz gestellten Anträgen und der Entscheidungsgründe wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags weiter. Das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass eine Haftung der Beklagten von vornherein ausgeschlossen sei. In dem versetzten Fahren liege kein konkludenter Haftungsverzicht, sondern die Gruppe habe dadurch gerade mehr Sicherheit erreichen wollen. Die Annahme eines Haftungsausschlusses stehe in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Zudem rügt der Kläger die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung. Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass ein Sorgfaltspflichtverstoß der Beklagten zu 1) nicht vorliege. Der Grund für den Unfall liege nicht in einem zu geringen Abstand der Mitfahrenden, sondern in dem Überholen, zu schnellen Fahren und zu späten Reagieren der Beklagten zu 1). Aus dem Gutachten des Sachverständigen Sch. ergebe sich, dass sie mit überhöhter bzw. unangepasster Geschwindigkeit, mindestens mit 120 km/h, gefahren sei. Gegen die Beklagte zu 1) spreche der Beweis des ersten Anscheins, weil sie auf den Kläger aufgefahren sei. Überdies habe sie leichtfertig gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen. Das Landgericht habe es verfahrensfehlerhaft versäumt, den Sachverständigen nach Vernehmung der Zeugen erneut anzuhören, um ihm zu ermöglichen, auf der Grundlage der Zeugenaussagen weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Zudem habe es das im Strafverfahren erstattete Gutachten des Sachverständigen Z. nicht hinreichend berücksichtigt.
Nachdem der Kläger zunächst angekündigt hat zu beantragen, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Beklagten als Gesamtschuldner wie erstinstanzlich beantragt zu verurteilen, beantragt er nunmehr,
den Rechtsstreit nach Beweiserhebung und Erlass eines Grundurteils zur Klärung des Schadensumfangs gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.
Der Senat hat den Kläger und die Beklagte zu 1) persönlich angehört und die Zeugen St., U. und H. E., O. sowie A. und M. B. ergänzend zum Unfallhergang vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 17.11.2020 (Bl. 674 ff.) und vom 02.03.2021 (Bl. 741 ff.) verwiesen. Die Akte 37 Cs-305 Js 671/12-155/13 StA Kleve war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze und in Bezug genommenen Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache hinsichtlich des Anspruchsgrundes und hinsichtlich des Feststellungsantrags teilweise Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 VVG, 3 PflVG ein Anspruch auf Ersatz des durch den Unfall vom 21.10.2012 entstandenen Schadens unter Zugrundelegung eines 50%igen Haftungsanteils der Beklagten zu. Wegen der Höhe des zuzusprechenden Schmerzensgeldes und des Schadensumfangs ist die Sache nicht entscheidungsreif. Insoweit ist das angefochtene Urteil aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Im Einzelnen:
1.
Im Ansatz zu Recht rügt der Kläger, dass das Landgericht eine Haftung der Beklagten für die Kollision nicht schon aufgrund eines stillschweigenden Haftungsverzichts der Beteiligten hätte ausschließen dürfen. Anknüpfungspunkte für die zugrunde gelegte Annahme, die Beteiligten hätten die in Fahrtrichtung R. führende Fahrspur der B 67 ohne den erforderlichen Sicherheitsabstand befahren und zu der Kollision sei es „infolge von Unruhe und Bremsmanövern in der Gruppe“ nach der Aufgabe der Abbiegeabsicht durch den Streithelfer zu 1) gekommen, liegen nicht vor. Die konkreten Abstände der einzelnen Fahrer zueinander sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ungeklärt geblieben. Die Aussagen der Zeugen hierzu waren uneinheitlich bzw. unergiebig. Auch die Sachverständigen konnten keine Feststellungen dazu treffen, welchen Abstand die einzelnen Fahrer hatten.
Ungeachtet dessen kann ein stillschweigender Haftungsausschluss nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur in eng begrenzten Ausnahmefällen angenommen werden. Wie der Bundesgerichtshof bezogen auf eine vom ADAC durchgeführte sog. „Zuverlässigkeitsfahrt“ entschieden hat, scheidet eine Einschränkung der deliktischen Haftung regelmäßig für solche Schäden aus, bei denen der Schutz einer gesetzlichen Haftpflichtversicherung eingreift. Eine abweichende Bewertung führt zu einer Durchbrechung des Grundsatzes der Haftung für Deliktsschäden (BGH, Urteil v. 5.03.1963 – VI ZR 123/62 -, NJW 1963, 1099, 1100). Auch kann die Haftung eines Veranstalters eines „Fahrerlehrgangs“, der eine „Antischleuderschule“ und ein „Gefahrentraining“ beinhaltet, trotz des typischerweise erhöhten Schadensrisikos, das diesem Training innewohnt nicht auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt werden; der formularmäßige Ausschluss der Haftung ist unwirksam (BGH, Urteil v. 24.09.1985 – VI ZR 4/84 -, NJW 1986, 1610, 1612).
Allerdings hat der Bundesgerichtshof in Bezug auf ein Rennen im Sinne des § 29 StVO („Gleichmäßigkeitsprüfung“ auf dem Hockenheimring) einen konkludenten Haftungsverzicht für die Betriebsgefahr und leichte Fahrlässigkeit angenommen (BGH, Urteil v. 1.04.2003 – VI ZR 321/02 -, NJW 2003, 2018). Wie er hervorgehoben hat, handelt es sich um eine an ein Rennen angelehnte Veranstaltung, bei der die Fahrzeuge – anders als im öffentlichen Straßenverkehr – nicht in einer an den Verkehrsregeln angepassten Weise benutzt werden. Geschlossene Rennstrecken sind schon von der Anlage her normalen Straßen schwerlich vergleichbar, ungewöhnliche Gefahren werden durch derartige Veranstaltung geradezu heraufbeschworen und Teilnehmer setzen ihr Fahrzeug Gefahren aus, die mit dem normalen Straßenverkehr nichts zu tun haben. In Anbetracht dessen darf – wie der Bundesgerichtshof weiter entschieden hat – jeder Teilnehmer darauf vertrauen, nicht wegen Schäden in Anspruch genommen zu werden, die er ohne nennenswerte Regelverletzungen aufgrund der typischen Risikolagen des Wettbewerbs verursache. Dies gelte jedenfalls dann, wenn keine Haftpflichtversicherung die Schäden übernimmt. Wie der Bundesgerichtshof indes weiter entschieden hat, scheidet ein Haftungsverzicht dann aus, wenn aufgrund des besonderen Gefahrenpotenzials einer Veranstaltung für die Teilnehmer (Haftpflicht-)Versicherungsschutz besteht (BGH, Urteil v. 29.01.2008 – VI ZR 98/07 -, NJW 2008, 1591, 1592, Rn. 10). Gerade im Anwendungsbereich einer Pflichtversicherung entspricht es weder dem gesetzlichen Anliegen der Versicherungspflicht noch dem Willen der Beteiligten, den Haftpflichtversicherer zu entlasten (BGH aaO, Rn. 12 m. w. N.).
Nach dieser Maßgabe scheidet die Annahme eines stillschweigend vereinbarten Haftungsverzichts aus. Dass die Unfallbeteiligten konkludent von einem Haftungsverzicht ausgegangen wären oder darauf vertraut hätten, nicht wegen Schäden in Anspruch genommen zu werden, kann nicht angenommen werden. Die Fahrt, bei der u.a. die Ehefrau des Streithelfers zu 1) und die Tochter des Zeugen B. als Sozien mitfuhren, fand im öffentlichen Straßenverkehr und unter den allgemein geltenden Verkehrsregeln statt. Ein (typischerweise) erhöhtes Schadensrisiko oder eine an ein Rennen angelehnte Veranstaltung ist nicht ersichtlich. Schließlich werden die Unfallbeteiligten – hier: der Kläger und die Beklagte zu 1) – durch die Haftung auch nicht unbillig belastet, weil es sich um Schäden handelt, bei denen der Schutz einer gesetzlichen Haftpflichtversicherung eingreift. Die Ausführungen der Oberlandesgerichte Frankfurt (Urteil v. 18.08.2015 – 22 U 39/14 -, NJW 2015, 3522 ff.) und Brandenburg (Urteil v. 28.06.2007 – 12 U 209/06 -, NJW-RR 2008, 340 f.) sind ersichtlich einzelfallbezogen und geben keinen Anlass zu einer abweichenden Bewertung.
2.
Die Beklagten haften für die Hälfte der Unfallfolgen aus §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, 115 VVG, 3 PflVG; nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme haben sich die Betriebsgefahren der beteiligten Motorräder in ähnlichem Umfang auf das Zustandekommen des Unfalls ausgewirkt.
a)
Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die Beklagte zu 1) treffe das alleinige Verschulden an der Kollision.
Insbesondere begründet der Umstand, dass die Beklagte zu 1) auf das Klägerfahrzeug aufgefahren ist, keinen Beweis des ersten Anscheins für ihr Verschulden, da der Kläger unmittelbar vor der Kollision seine Fahrlinie verlassen hatte, um unter Verlangsamung seiner Geschwindigkeit in den linken Bereich der in Fahrtrichtung R. führenden Fahrspur der B 67 zu wechseln.
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei Auffahrunfällen der erste Anschein dafür sprechen kann, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat (§ 4 Abs. 1 StVO), unaufmerksam war (§ 1 StVO) oder aber mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist (§ 3 Abs. 1 StVO) (BGH, Urteil v. 13.12.2011 – VI ZR 177/10 – Rn. 7, BGHZ 192, 84). Denn der Kraftfahrer ist verpflichtet, seine Fahrweise so einzurichten, dass er notfalls rechtzeitig anhalten kann, wenn ein Hindernis auf der Fahrbahn auftaucht. Das „Kerngeschehen“ des Auffahrunfalls reicht als solches allerdings als Grundlage eines Anscheinsbeweises dann nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die – wie etwa ein vor dem Auffahren vorgenommener Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs (BGH, Urteil v. 13.12.2011 aaO. Rn. 11) – als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen. Denn es muss das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür sein, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis Anwendung finden soll, schuldhaft gehandelt hat. Ob der Sachverhalt in diesem Sinne im Einzelfall wirklich typisch ist, kann nur aufgrund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, die sich aus dem unstreitigen Parteivortrag und den getroffenen Feststellungen ergeben (BGH, Urteile v. 13.12.2011 aaO. Rn. 7; v. 15.12.2015 – VI ZR 6/15, NJW 2016, 1098 Rn. 14 und v. 13.12.2016 – VI ZR 32/16 -, Rn. 10 f., juris).
Nach dieser Maßgabe kommt ein gegen die Beklagte zu 1) sprechender Anscheinsbeweis nicht in Betracht. Für die Annahme eines typischen Geschehensablaufs, bei dem erfahrungsgemäß der Auffahrende den Unfall verursacht hat, weil er mit zu hoher Geschwindigkeit, zu geringem Abstand oder ohne die notwendige Aufmerksamkeit gefahren ist, ist kein Raum, weil der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kurz vor der Kollision seine Geschwindigkeit reduziert und seine Fahrlinie verlassen hat, um in den linken Fahrbahnbereich der in Fahrtrichtung R. führenden Fahrspur der B 67 zu wechseln. Wie er im Rahmen seiner informatorischen Anhörung durch den Senat eingeräumt hat, hat er auf das abgebrochene Linksabbiegemanövers des Streithelfers zu 1) reagiert, indem er abgebremst und mit dem Motorrad eine leichte Schwenkung nach links vorgenommen hat, wodurch er – seiner Einschätzung nach – noch etwa einen bis einen halben Meter von der Mittellinie der gesamten Fahrbahn entfernt gewesen ist. Der von dem Kläger selbst geschilderte „Schwenk“ nach links wird durch die Angaben der Beklagten zu 1), der Zeugen St., O., A. und M. B. und der Sachverständigen bestätigt. Vergleichbar mit den Fällen, in denen einem Auffahrunfall ein Spurwechsel des Vordermanns vorangegangen ist, tritt hier neben die Möglichkeit eines Verschuldens der auffahrenden Beklagten zu 1) die ebenso naheliegende Möglichkeit, dass der Kläger den Unfall durch seine Fahrbewegung nach links verursacht hat. Wenngleich sich der Unfall ereignet hat, als beide Beteiligten dieselbe Fahrspur der B 67 befuhren, weswegen es an einem Spurwechsel im Sinne des § 7 Abs. 5 StVO fehlt, ist die Situation insoweit vergleichbar, als die Mitglieder der Motorradgruppe – wie der Kläger selbst betont hat – zumindest konkludent vereinbart hatten, in versetzter Formation zu fahren, um damit die Fahrsicherheit für die Gruppe durch Bildung von durch jeden Gruppenmitglied einzuhaltender Fahrlinie n zu erhöhen. Da die übrigen Gruppenmitglieder – wenngleich nicht im selben Umfang wie im Falle markierter Fahrspuren – darauf haben vertrauen dürfen, dass die Fahrlinie nicht grundlos und ohne Vorwarnung verlassen wird, ist der Kläger im Rahmen seiner Sorgfalts- und Aufmerksamkeitspflichten nach § 1 Abs. 2 gehalten gewesen, bei einem Verlassen seiner Fahrlinie eine Gefährdung der anderen Mitglieder der Motorradgruppe zu vermeiden.
Auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest, dass die Beklagte zu 1) mit zu geringem Abstand zu dem Kläger (§ 4 Abs. 1 StVO), mit unangepasster Geschwindigkeit (§ 3 Abs. 1 StVO) oder unaufmerksam (§ 1 StVO) gefahren ist. Ein Verstoß gegen das Abstandsgebot liegt nicht vor, weil die Beklagte zu 1) zunächst in einer anderen Fahrlinie gefahren ist als der Kläger und die Kollision erst dadurch ermöglicht wurde, dass dieser sich in die Fahrlinie der Beklagten zu 1) begeben hat. Da es unmittelbar nach dem Verlassen der Fahrlinie zu der Kollision gekommen ist, lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte zu 1) zuvor Gelegenheit gehabt hat, den erforderlichen Abstand zu dem Kläger wieder herzustellen. Ebenfalls lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte zu 1) zu schnell gefahren ist. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten hat. Eine solche Geschwindigkeitsüberschreitung hat hier allein der Sachverständige Z. festgestellt, nach dessen Ausführungen die Beklagten zu 1) selbst noch im Kollisionszeitpunkt – und damit nach einem durch die Beklagte zu 1) behaupteten und durch die Zeugen bestätigten vorangegangenen starken Bremsen – mit einer Geschwindigkeit von 105 bis 108 km/h gefahren ist. Diesen Ausführungen kann indes nicht gefolgt werden, weil zum einen lediglich der Zeuge B. Fahrgeschwindigkeiten im Vorfeld des Unfalls von geringfügig über 100 km/h für möglich gehalten hat, während die übrigen Zeugen zum Teil deutlich niedrigere Geschwindigkeiten angegeben haben, und weil zum anderen der Sachverständige Sch. die Kollisionsgeschwindigkeit mit nur 97 km/h bis 103.5 km/h angegeben und daraus eine feststellbare Bremsausgangsgeschwindigkeit von 100 bis 105 km/h ermittelt hat (Bl. 157 d. A.). Bei der an anderer Stelle seines Gutachtens genannten bremsbedingten Geschwindigkeitsreduktion von 10 – 17 km/h ( Bl. 161 d. A.), aus der sich eine Bremsausgangsgeschwindigkeit von mindestens 107 km/h ergäbe, handelt es sich – wie der Sachverständige hervorgehoben hat – um eine reine Spekulation, die nicht durch Unfallspuren belegt werden kann. Soweit die Geschwindigkeit der Beklagten zu 1) dennoch zu hoch war, um eine Kollision mit dem Klägerfahrzeug zu vermeiden, so ist nicht auszuschließen, dass auch dies seinen Grund darin gehabt hat, dass sich der Kläger erst unmittelbar vor der Kollision in die Fahrlinie der Beklagten zu 1) begeben hat, sodass dieser eine Geschwindigkeitsanpassung nicht mehr möglich war. Schließlich steht nicht fest, dass der Unfall auf einer Unachtsamkeit der Beklagten zu 1) beruht hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 1) die Möglichkeit gehabt hätte, auf den Fahrlinienwechsel des Klägers früher oder effektiver zu reagieren und dadurch die Kollision zu vermeiden, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Aus dem Umstand, dass die Beklagte zu 1) nach den Ausführungen des Sachverständige Z. vor der Kollision mit dem Klägerfahrzeug zumindest den Zeugen M. B. und den Zeugen St. überholt haben muss, was durch diese beiden Zeugen und zudem durch die Zeugin A. B. bestätigt worden ist, ergibt sich zwar, dass die Beklagte zu 1) entweder ursprünglich schneller als die Zeugen B. und St. gefahren ist oder ihr Fahrzeug weniger effektiv hat abbremsen können. Eine schuldhaft verzögerte Reaktion auf den Fahrlinienwechsel des Klägers lässt sich daraus aber nicht ableiten.
Indem sie die Zeugen B. und St. überholt hat, hat die Beklagte zu 1) auch nicht schuldhaft gegen das Überholverbot bei unklarer Verkehrslage nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 StVO verstoßen. Wenngleich das Überholen einen rein tatsächlichen Vorgang darstellt, der keine entsprechende Absicht voraussetzt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. April 1990 – 5 Ss (OWi) 151/90 – (OWi) 77/90 I, juris Rn. 8), fehlt es jedenfalls an einem schuldhaften Verhalten, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass es zu dem Überholvorgang nur deshalb gekommen ist, weil die Beklagte zu 1) durch die Bewegung des Klägers nach links an einer wegen des Abbiegeverbots unerwarteten Stelle überrascht worden ist und – ohne das eine überhöhte Geschwindigkeit oder ein unaufmerksames Fahren festgestellt werden kann – ihr Fahrzeug weniger effektiv hat verlangsamen können als die Zeugen B. und St.. Soweit der Zeuge St. durch seine Aussage im Rahmen des Ermittlungsverfahrens (Bl. 106 f. BA) den Eindruck eines gezielten Überholmanövers erweckt hat, indem er bekundet hat, die Beklagte zu 1) habe sich auf die Gegenfahrbahn begeben und habe vorgehabt, vor ihm und hinter dem Kläger wieder einzuscheren, so hat er diese Darstellung, die zudem mit seiner früheren schriftlichen Aussage im Ermittlungsverfahren (Bl. 18 BA) nicht übereinstimmt, auf Vorhalt durch den Senat nicht mehr aufrechterhalten (Bl. 682 d. A.).
b)
Ein schuldhafter Verkehrsverstoß des Klägers lässt sich ebenfalls nicht feststellen.
So hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass der Kläger beabsichtigt hat, trotz der durchgezogenen Linie verbotswidrig in die A. Straße abzubiegen. Der Kläger hat eine solche Absicht in Abrede gestellt und stattdessen bekundet, er habe das durch Verkehrsschilder angeordnete Abbiegeverbot bemerkt und er und der Zeuge St. hätten sich wechselseitig durch Kopfschütteln signalisiert, dass ein Abbiegen nicht möglich ist. Mit seinem Bremsen und der Bewegung seines Fahrzeugs nach links habe er lediglich darauf reagiert, dass der Zeuge E. gebremst und sich in der Absicht, abzubiegen zur Mittellinie hin in seine – des Klägers – Fahrlinie begeben habe (Bl. 680 R d. A.). Die Angaben der Beklagten zu 1), wonach der Kläger als einziger aus der Gruppe nicht erkannt habe, dass ein Abbiegen nicht möglich ist (Bl. 742 f. d. A.), sind durch die Zeugen nicht bestätigt worden. Soweit sich die Zeugen A. und M. B. sowie O. im Ermittlungsverfahren dahingehend geäußert haben, dass der Kläger nach links habe abbiegen wollen, so haben sie diese Angabe in späteren Vernehmungen nicht wiederholt bzw. deutlich abgeschwächt. Die Zeugen A. und M. B. haben im Rahmen ihrer Aussagen überwiegend lediglich die Vermutung geäußert, dass der Kläger habe abbiegen wollen. Soweit der Zeuge M. B. vor dem Amtsgericht bekundet hat, er sei vollkommen sicher, dass der Kläger habe abbiegen wollen (Bl. 185 BA), so erschließt sich nicht, worauf der Zeuge diese Überzeugung gegründet hat, da er lediglich von einer zweimaligen Bewegung des Klägers nach links berichten konnte, aber keine Erinnerung mehr daran gehabt hat, ob der Kläger den linken Blinker betätigt hatte. In seiner Vernehmung vor dem Landgericht und dem Senat (Bl. 746 d. A.) hat sich der Zeuge dementsprechend wieder darauf zurückgezogen, dass er den Eindruck gehabt habe, der Kläger habe abbiegen wollen. Der Zeuge O. hat vor dem Amtsgericht ohne nähere Erläuterung bekundet, dass der Kläger habe abbiegen wollen (Bl. 187 d. A.). In seiner Vernehmung vor dem Senat hat der Zeuge dagegen angegeben, der Grund für das Ausscheren des Klägers nach links sei für ihn rätselhaft gewesen (Bl. 744 d. A.). Der Zeuge St. hat zwar im Ermittlungsverfahren angegeben, der Kläger habe den linken Blinker gesetzt und sich weiter in Richtung der Einmündung zur A. Straße bewegt (Bl. 18 BA), in seiner Vernehmung vor dem Landgericht hat er jedoch bekundet, er wisse nicht, ob der Kläger habe links abbiegen wollen (Bl. 402 d. A.). In seiner Vernehmung vor dem Senat konnte sich der Zeuge lediglich noch an ein einmaliges Ausschwenken des Klägers nach links erinnern (Bl. 682 d. A.).
Das Ausscheren des Klägers nach links stellt – wie ausgeführt – keinen Spurwechsel nach § 7 Abs. 5 StVO dar, weil es sich bei den konkludent zwischen den Mitgliedern der Motorradgruppe vereinbarten Fahrlinien nicht um Fahrspuren im Sinne dieser Vorschrift handelt. Aber auch ein schuldhafter Verstoß gegen das durch die Wertung des § 7 Abs. 5 StVO konkretisierte Aufmerksamkeitsgebot des § 1 Abs. 2 StVO lässt sich nicht feststellen, da nicht auszuschließen ist, dass der Kläger durch seine Bewegung nach links lediglich eine Kollision mit dem Zeugen E. hat vermeiden wollen. Die Behauptung des Klägers, wonach sich der Zeuge E. zum Zwecke des ursprünglich geplanten Linksabbiegens zur Mittellinie hin eingeordnet habe und dabei in seine – des Klägers – Fahrlinie gefahren sei, hat der Zeuge E. bestätigt, der angegeben hat, er sei zunächst in der Mitte der Fahrspur gefahren und dann zum Zwecke des Abbiegens etwas nach links hinüber gezogen (Bl. 398 d. A.). Soweit der Zeuge bekundet hat, er habe bei der Bewegung nach links nicht bemerkt, dass er dadurch jemandem zu nahe gekommen sei, so lässt sich daraus nicht ableiten, dass der Kläger keinen Anlass für eine Ausweichbewegung gehabt hat. Auch der Umstand, dass sowohl die Beklagte zu 1) wie auch die Zeugen A. und M. B. davon berichtet haben, dass der Kläger zweimal hintereinander nach links ausgeschwenkt sei, rechtfertigt nicht die Annahme, dass der Kläger über das wegen des Fahrmanövers des Zeugen E. erforderliche Maß hinaus Lenkbewegungen ausgeführt hat. Da zu dem Ausmaß der Bewegung des Zeugen E. nach links keine weiteren Feststellungen getroffen werden können, fehlt es an einer Grundlage dafür, die Reaktion des Klägers als unangemessen zu bewerten.
Ein grundloses starkes Abbremsen des Klägers im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 StVO lässt sich ebenfalls nicht feststellen, weil auch insoweit nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Kläger lediglich auf ein Fahrmanöver des vor ihm fahrenden Zeugen E. reagiert hat. Dass der Zeuge E. und ihm folgend die gesamte Gruppe von Motorradfahrern in Hinblick auf das durch den Zeugen ursprünglich beabsichtigte Abbiegen die Geschwindigkeit reduzierte, haben der Kläger und die Beklagte zu 1) übereinstimmend bekundet. Soweit der Zeuge M. B. bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung noch berichtet hatte, der Kläger habe fast bis zum Stillstand abgebremst, so ergibt sich daraus schon kein übermäßiges Abbremsen, weil nach der Darstellung des Zeugen auch die übrigen Gruppenmitglieder ihre Geschwindigkeit stark reduzierten. Im Übrigen steht diese Darstellung auch im Widerspruch zu den Angaben der Sachverständigen Z. und Sch., die Kollisionsgeschwindigkeiten des Klägerfahrzeugs von mindestens 90 km/h bzw. 67 km/h ermittelt haben.
c)
Der Unfall war ersichtlich für keinen der Beteiligten unabwendbar. Beide hätten schon anstelle des gefährlicheren, versetzten Fahrens in Formation hintereinander mit größeren Abständen fahren können, wie dies ein vorsichtiger und umsichtiger Verkehrsteilnehmer getan hätte. Nach § 17 Abs. 1 StVG sind daher die beiderseitigen Verursachungsbeiträge gegeneinander abzuwägen, die durch die jeweils erhöhte Betriebsgefahr der beiden Motorräder geprägt sind. Die Beklagte zu 1) ist mit einer Geschwindigkeit von zunächst mindestens 100 km/h und selbst im Kollisionszeitpunkt noch von mindestens 97 km/h gefahren, während die übrigen Mitglieder der Gruppe in Reaktion auf das Verhalten des Streithelfers zu 1) ihre Geschwindigkeiten bereits deutlich reduziert hatten. Soweit die Beklagte zu 1) sowie die Zeugen St. und M. B. deutlich geringere Geschwindigkeiten im Kollisionszeitpunkt zwischen 30 und 60 km/h geschätzt haben, so kann dem vor dem Hintergrund der zuverlässigen Ermittlungen und Feststellungen der Sachverständigen Z. und Sch. nicht gefolgt werden. Beide Sachverständigen haben die Geschwindigkeit auf der Grundlage der durch das umgestürzte und wegrutschende Klägerfahrzeug auf der Fahrbahn hinterlassenen Kratzspuren in überzeugender Weise ermittelt. Dies ist letztlich auch durch den Zeugen M. B. bestätigt worden, der auf Vorhalt der Erkenntnisse der Sachverständigen erklärt hat, die Gruppe sei zügig unterwegs gewesen und die Ausgangsgeschwindigkeit könne auch zwischen 100 und 110 km/h gelegen haben. Durch die hohe Geschwindigkeit der Beklagten zu 1) ist ihr ohnehin schon riskantes Fahren in einer Formation noch gefährlicher geworden, weil ihre Möglichkeiten, auf das Fahrverhalten anderer Gruppenmitglieder wie das abgebrochene Linksabbiegemanöver des Streithelfers zu 1) oder den Linksschwenk des Klägers angemessen und rechtzeitig zu reagieren, eingeschränkt worden sind. Dies hat sich nicht nur in der Kollision mit dem Kläger gezeigt, sondern auch darin, dass die Beklagte zu 1) während des Abbremsens der Gruppe die Zeugen M. B. und St. überholt hat. Die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs ist demgegenüber durch sein Ausschwenken nach links erheblich erhöht worden, welches eine Kollision überhaupt erst ermöglicht hat. Da in der Motorradgruppe Fahrlinien gebildet worden waren, um die mit dem Fahren in der Gruppe verbundenen Risiken zu reduzieren, müssen sich die Gruppenmitglieder darauf verlassen können, dass diese Fahrlinien auch eingehalten werden. Jedes Abweichen von der Linie begründet die Gefahr, dass andere Fahrer – wie hier die Beklagte zu 1) – nicht mehr rechtzeitig reagieren können. Sowohl das Einhalten der Fahrlinien wie auch die Wahl einer angemessenen Geschwindigkeit sind gleichermaßen essentiell für das sichere Fahren in Gruppenformation, sodass die Betriebsgefahren der beteiligten Motorräder in gleichem Maße unfallursächlich erhöht worden sind. Daraus ergibt sich eine beiderseitige Haftung in Höhe von 50 %.
3.
Über die Berufung war hinsichtlich der Haftung dem Grunde nach durch (Teil-) Grundurteil und hinsichtlich der Feststellungsklage durch teilweise stattgebendes Teilurteil zu entscheiden (vgl. Feskorn in: Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 304 Rn. 3).
Hinsichtlich des Anspruchsgrundes ist der Rechtsstreit entscheidungsreif, während zur Höhe der Leistungsklage noch eine umfangreiche Beweisaufnahme ansteht. Insoweit war das Verfahren auf Antrag des Klägers aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).
Hinsichtlich des unbezifferten Feststellungsanspruchs scheidet ein Grundurteil wesensgemäß aus (vgl. BGH, Urteil v. 27.01.2000 – IX ZR 45/98 -, Rn. 16, juris). Insoweit war gemäß § 256 ZPO im Wege des Teilurteils festzustellen, dass der geltend gemachte Feststellungsanspruch unter Berücksichtigung der Haftung für 50 % der unfallbedingten Schäden gegeben ist (vgl. BGH, Urteil v. 17.10.2017 – VI ZR 423/16 -, BGHZ 216, 149-174, Rn. 49). Der darüberhinausgehende Feststellungsantrag ist unbegründet, da ein über eine Haftungsquote von 50 % hinausgehender Feststellungsanspruch nicht besteht.
III.
Das zurückverweisende Urteil enthält keine Kostenentscheidung; diese ist dem Schlussurteil vorbehalten (vgl. Heßler in: ZPO, aaO § 538 Rn. 58 m. w. N.).
Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug: 287.927,92 EUR
(11.047,47 EUR + 65.000 EUR + 52.175,01 EUR + 62.683,32 EUR + 24.338,88 EUR + 10.000,00 EUR).