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Unentgeltliche Grundstücksübertragung unter Eheleuten – Anfechtung

OLG Frankfurt – Az.: 3 U 159/17 – Beschluss vom 05.03.2018

In dem Rechtsstreit wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Beklagten durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Nach Vornahme der gemäß § 522 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO gebotenen Prüfungen ist der Senat einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil.

Gründe

I.

Die Beklagte richtet sich mit ihrer Berufung gegen ein auf eine Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz gestütztes Urteil des Landgerichts, welches die Zwangsvollstreckung in ihr Grundstück ermöglicht.

Die Klägerin und der Zeuge A waren verheiratet. Infolge der Ehescheidung schlossen sie am 15.11.2013 einen Vergleich vor dem Amtsgericht Gießen – Familiengericht – über den nachehelichen Unterhalt (Az. …/13). Der Zeuge A verpflichtete sich unter der Ziffer I. des Vergleichs, der Klägerin ab Rechtskraft der Ehescheidung bis zum Renteneintritt der Klägerin (voraussichtlich am 1.1.2019) einen monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 510,00 €, fällig jeweils im Voraus, zu zahlen.

Durch notariellen Vertrag vom 14.12.2015 verpflichtete er sich, sein Grundstück Straße1, Stadt1, Flur 11, Flurstück … mit 558 qm, eingetragen im Grundbuch von Stadt1, Blatt … auf seine neue Ehefrau, die Beklagte, zu übertragen.

Im notariellen Übergabevertrag (Bl. 52-57 d. A.) war unter anderem geregelt, dass die Beklagte das Grundstück „schenkweise“ erwerben sollte (§ 2), mit „Rücksicht auf die zwischen den Vertragsschließenden bestehende Ehe“.

Unter „§ 3 Vorbehalte, Auflagen und Gegenleistungen“ wurden bestimmte „Einschränkungen“ der „Schenkung“ festgelegt; hiernach sollte die Beklagte als „Gegenleistung“ fortan die eingetragenen Lasten des Grundstücks tragen, diese jedoch im Außenverhältnis nur gesamtschuldnerisch zusammen mit dem Zeugen A. Gleichzeitig wurde ein lebenslanges Wohnrecht nach § 1093 BGB zugunsten des Zeugen in einer abgeschlossenen Wohnung im Erdgeschoss vereinbart. So wurde der Vertrag auch vollzogen; die Beklagte ist seit dem 6.4.2016 Eigentümerin des Grundstücks.

Bereits ab März 2016 erfolgten keine Zahlungen mehr an die Klägerin aus dem Vergleich. Ein am 6.9.2016 durchgeführter Zwangsvollstreckungsversuch blieb erfolglos, der Zeuge A gab am selben Tag ein Vermögensverzeichnis ab, nach welchem er über kein nennenswertes Vermögen mehr verfüge, jedoch über Kreditverbindlichkeiten i.H.v. 32.000,00 €. Seine Renteneinnahmen betrugen zu diesem Zeitpunkt monatlich 878,70 € und 82,66 €.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Meinung vertreten, die Grundstücksübertragung sei eine nach § 4 Anfechtungsgesetz anfechtbare Rechtshandlung. Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, wegen der vollstreckbaren Forderungen der Klägerin in Höhe von 5.100,00 € (seit März 2016, 10 Monate á 510,00 €) aufgrund des Vergleichs des Amtsgerichts Gießen – Familiengericht – Az. …/13 UE vom 03.12.2013, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück Straße1, Stadt1, Flur …, Flurstück … mit 558 qm, eingetragen im Grundbuch von Stadt1, Blatt …, zu dulden.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat sich unter anderem darauf berufen, die Übertragung sei ein Äquivalent für die Zusage der Beklagten gewesen, den Zeugen A zukünftig in gewohnter Umgebung selbst zu pflegen. Im Übrigen habe sie weder seine Vermögensverhältnisse gekannt noch etwas von den Unterhaltspflichten gewusst.

Nach Vernehmung des Zeugen A hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Eigentumsübertragung eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 AnfG gewesen sei. Dies folge daraus, dass nun die Mieteinnahmen des Grundstücks nicht mehr zur Begleichung des Unterhalts aus dem Vergleich zur Verfügung stünden. Die Klägerin sei anfechtungsberechtigt nach § 2 AnfG, da sie einen vollstreckbaren Schuldtitel habe, ihre Forderung fällig sei und die Zwangsvollstreckung unbefriedigend gewesen sei. Es liege eine nach § 4 AnfG anfechtbare unentgeltliche Leistung vor, was sich aus dem notariellen Vertrag ergebe.Die Einräumung eines Wohnrechts und die Übernahme der Lasten des Grundstücks stellten keine Gegenleistung im Sinne eines entgeltlichen Vertrages, sondern nur wertmindernde Umstände dar. Die Behauptung, dass die Beklagte den Zeugen A im Gegenzug für die Übertragung pflegen solle, habe sich nicht bestätigt.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Begehren nach Klageabweisung weiter. Sie macht geltend, dass das Landgericht sich bei der Würdigung der Aussage des Zeugen mit dessen aufgrund von Demenz bzw. Pseudo-Demenz beeinträchtigter Erinnerungsfähigkeit hätte auseinandersetzen müssen. Ferner habe das Landgericht es unterlassen, hinreichende Tatsachenfeststellungen zu der Frage zu treffen, in welcher Höhe das betreffende Anwesen durch die Einräumung des unentgeltlichen Wohnrechts wertgemindert gewesen sei. Es finde sich zudem eine Diskrepanz zwischen der Wertangabe “ ca. EUR 240.000,–“ in den erstinstanzlichen Urteilsgründen und dem im Rahmen des Tatbestandes mit EUR 275.000,- € festgestellten Verkehrswert.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des unter dem 11.7.2017 verkündeten Urteils der 3. Zivilkammer des Landgerichts Gießen, Az. 3 O 399/16, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II.

Die zulässige Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die angegriffene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück in Stasdt1 gem. § 11 Abs. 1 AnfG wegen der vollstreckbaren Forderungen der Klägerin in Höhe von 5.100,00 € (seit März 2016, 10 Monate á 510,00 €) aufgrund des Vergleichs des Amtsgerichts Gießen – Familiengericht – Az. …/13 UE bejaht.

1) Auch nach Auffassung des Senats liegt eine benachteiligende Rechtshandlung i.S.v. § 1 Abs. 1 AnfG vor, da durch die Übertragung des Grundstücks des Schuldners und Zeugen A dessen maßgebliche Einkommensquelle, die Mieteinnahmen, diesem nicht mehr zwecks Erfüllung des Vergleichs zur Verfügung stehen und anderes Einkommen und Vermögen, mit dem die Verbindlichkeiten bedient werden können, nicht vorhanden ist.

2) Zutreffend hat das Landgericht das Merkmal der Unentgeltlichkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 AnfG bejaht. Eine Leistung ist unentgeltlich, wenn der Erwerb des Empfängers in seiner Endgültigkeit vereinbarungsgemäß nicht von einer ausgleichenden Zuwendung abhängt. Maßstab dafür ist nicht, wie bei der Kongruenz, die Übereinstimmung einer erbrachten Leistung mit dem Rechtsgrund, sondern im Ansatz allein die – angefochtene oder zugrunde liegende – Kausalbeziehung (Münchener Kommentar zum AnfG, § 4 Rz. 20-21). Wie das Landgericht richtig festgestellt hat, ergibt sich aus dem notariellen Übergabevertrag vom 14.12.2015 das Fehlen einer Kausalbeziehung. Dieser bezeichnet die mit dem Vertrag beabsichtigte Verfügung in § 2 als eine „schenkweise“ erfolgte Übergabe. Die im Folgenden stattfindende Erläuterung, die Übertragung erfolge „mit Rücksicht auf die zwischen den Vertragsschließenden bestehende Ehe“ stellt keine entgeltliche Kausalbeziehung dar, denn Zuwendungen, die in der Erwartung erbracht werden, die eheliche Lebensgemeinschaft zu fördern, begründen kein Entgelt im Sinne des § 4 AnfG (Münchener Kommentar zum AnfG, § 4, Rz. 51). Anhaltspunkte für eine Entgeltlichkeit lassen sich dem Vertrag nicht entnehmen, auch nicht unter Berücksichtigung der nun der Beklagten auferlegten Verbindlichkeiten. Zwar werden diese Lasten unter § 3 als „Einschränkungen“ bezeichnet, jedoch findet sich dort erneut der Begriff „Schenkung“. Die „Gegenleistungen“ beschränken sich auf die Übernahme der im Grundbuch eingetragenen Lasten, welche ohnehin mit dem Erwerb des Grundstücks verbunden sind.

3) Eine Entgeltlichkeit ergibt sich auch nicht aus einer kausalen Pflegevereinbarung. Diese von der Beklagten aufgestellte Tatsachenbehauptung findet weder Erwähnung im notariellen Übertragungsvertrag noch ist es der Beklagten gelungen, eine entsprechende mündliche Abrede zu beweisen. Die Aussage des Zeugen A hierzu war bereits unergiebig, weshalb das Landgericht keine Veranlassung hatte, sich mit den möglicherweise vorhandenen kognitiven Einschränkungen des Zeugen zu befassen. Der Zeuge A hat nicht bekundet, dass als Gegenleistung für seine Pflege durch die Beklagte das Hausgrundstück übereignet werden sollte.

4) Letztlich wird die Annahme einer Unentgeltlichkeit zusätzlich dadurch gestützt, dass der Zeuge A selbst in seinem Vermögensverzeichnis vom 06.09.2016 von einer „Schenkung“ des Grundstücks gesprochen, und die Verfügung als „unentgeltliche“ eingeordnet hat.

5) Das Wohnrecht gem. § 1093 BGB, welches dem Beklagten verblieben ist, bietet aufgrund des höchstpersönlichen Charakters als persönliche Grunddienstbarkeit keinen Vermögenswert, welcher vollstreckungsfähig wäre und somit einen Ausgleich für die Benachteiligung bieten könnte. Im Übrigen bezieht sich dieses lediglich auf eine der im Haus befindlichen Wohnungen, nämlich die Erdgeschosswohnung, so dass ein nicht unerheblicher Wert der Zuwendung bereits wegen der anderen, vom Wohnrecht unbelasteten Wohnungen, verbleibt. Ohne Belang ist indes der exakte Wert des Grundstücks, insoweit ist die genaue Wertermittlung, anders als die Beklagte meint, nicht notwendig. Für den Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung nach § 11 Abs. 1 AnfG ist es unerheblich, in welcher Höhe der Empfänger durch die benachteiligende Handlung bereichert ist, da es lediglich auf eine feststehende Verschlechterung des Schuldnervermögens ankommt. Eine unteilbare Leistung des Schuldners ist nämlich insgesamt anfechtbar (BGH, Urteil vom 15.12.2016 – IX ZR 113/15, NJW 2017, 1035, beck-online).

6) Auch wenn insoweit kein ausdrücklicher Berufungsangriff erfolgt ist, so wird vorsorglich darauf hingewiesen, dass die erstinstanzlich ausführlich diskutierte Frage, über welche Kenntnisse die Beklagte hinsichtlich der Vermögenslage des Zeugen A verfügte, für die Entscheidung des Streitfalls unerheblich ist. Ist nämlich die Leistung des Hauptschuldners in Natur noch vorhanden, so hat sie der Anfechtungsgegner unabhängig von gutem oder bösem Glauben zur Verfügung zu stellen (Münchener Kommentar zum AnfG, § 11, Rz. 137). Der Anfechtungsgegner ist stets ausreichend von einer übermäßigen Inanspruchnahme geschützt, weil die Zwangsvollstreckung lediglich in den unentgeltlich erlangten Gegenstand, nicht aber in sein sonstiges Vermögen gestattet wird.

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III.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, zum beabsichtigten Vorgehen binnen zweier Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Es wird darauf hingewiesen, dass bei Rücknahme der Berufung Gerichtsgebühren in nicht unerheblicher Höhe vermieden werden können.

 

 

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