LANDGERICHT COBURG
Az.: 12 O 541/08
Urteil vom 01.12.2010
In dem Rechtsstreit wegen Schadensersatzes erlässt das Landgericht Coburg – 1. Zivilkammer – aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2010 folgendes Endurteil:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 69.828,50 € nebst Zinsen aus 54.501,91 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.10.2008 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden des Klägers, resultierend aus dem Unfallereignis vom 21.05.2000 zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab 01.01.2011 bis zum 31.12.2047 2.694,42 € vierteljährlich im Voraus zu bezahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Gebührenansprüchen der Rechtsanwälte … in Höhe der nicht anrechenbaren Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 RVG/VV von 1.963,58 € freizustellen.
6. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 84 %, die Beklagte 16 %. Die Kosten des Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Z… vom 21.05.2010 hat die Beklagte zu tragen.
7. Das Urteil ist hinsichtlich Ziff. 3 vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann insoweit die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
8. Der Streitwert wird auf 701.731,90 € festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 21.05.2000 ereignete und für den die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners unstreitig in vollem Umfang eintrittspflichtig ist.
Durch den Unfall erlitt der damals 20jährige Kläger ein schweres Schädel-Hirn-Trauma III. Grades mit einer Impressionsfraktur links bis temporo-basal, eine Hirnkontusion linksfrontobasal und links-tempoparietal sowie Orbitawandfraktur links. Des Weiteren erlitt der Kläger eine Dachfraktur des 7. Wirbelkörpers ohne Einengung des Wirbelkanals. Wegen einer traumabedingten linksseitigen Hirnschwellung war zur Entlastung eine Eröffnung des Schädels links-tempotoparietal erfolgt. Die stationäre Behandlung einschließlich der Reha-Behandlung dauerte bis Ende November 2000.
Eine Folgebehandlung fand vom 25.10. bis 29.11.2001 statt, wobei sich eine Besserung der Verletzungsfolgen zeigte, so dass seitens der Deutschen Rentenversicherung eine berufliche Wiedereingliederung in Form eines Vorbereitungskurses im April 2004 eingeleitet wurde. Diese musste der Kläger allerdings nach zwei Wochen wegen psychischer Erschöpfung wieder abbrechen. Ein weiterer stationärer Aufenthalt in der …-Klinik erfolgte im Zeitraum vom 13.07. bis 04.08.2004. Die Beklagte gab bei der …-Klinik ein fachärztliches Gutachten über den Gesundheitszustand des Klägers in Auftrag (Anlage B 2). Nach Korrespondenz zwischen den Parteien wurde … mit der Erstellung eines erneuten fachärztlichen Gutachtens beauftragt, welches am 31.05.2006 erstellt wurde (Anlage B 6).
Die Beklagte hat 50.000,00 € auf die Schmerzensgeldforderung des Klägers bezahlt.
Die Beklagte hat bis einschließlich Juni 2008 den Verdienstausfallschaden ausgeglichen.
Die Beklagte zahlte auf den Verdienstausfall im zweiten Halbjahr 2008 2.774,64 €. Seit dem 01.01.2009 bis 01.12.2009 wurde halbjährlich im Voraus ein Betrag von 1.950,00 € bezahlt (Blatt219 der Akte). Die Beklagte bezahlte Rechtsanwaltskosten in Höhe von 785,84 €. Hinsichtlich des Haushaltsführungsschadens zahlte die Beklagte 1.750,00 € (Anlage B 9). Die Beklagte rechnete für den Zeitraum 21.05. bis 05.09.2000 bei 100 % Beeinträchtigung der Haushaltsführung 1.002,10 € und für den Zeitraum vom 06.09. bis 31.12.2000 bei einer Beeinträchtigung von 50 % 574,02 € ab und überwies insgesamt 1.750,00 €. Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnung wird auf Blatt 28 der Akte verwiesen.
Der Kläger besuchte die Realschule bis zur 10. Klasse. Sein Notendurchschnitt betrug 2,5. Im Anschluss daran begann er eine Lehre als Straßenbauer, die zum Zeitpunkt des Unfalls bis auf 3 Monate Ausbildungszeit abgeschlossen war. Der Kläger lebt mit seiner Mutter in einem angemieteten Einfamilienhaus. Die Mutter wurde durch das zuständige Amtsgericht zur Betreuerin eingesetzt.
Der Kläger trägt vor, dass er unter Krankheitssymptomen leide, welche sich im Einzelnen durch folgende Gesundheitsstörungen bemerkbar machen:
stark verminderte psychische und körperliche Belastbarkeit
eine erhebliche Affektlabilität, welche sich durch zeitweise ungehemmte Aggression auszeichnet
stark erhöhte psycho-physische Erschöpfbarkeit
Kopfschmerzsymptomatik
Antriebslosigkeit
depressive Störungen in erheblichem Ausmaß
Der Kläger behauptet, er sei seit dem Unfallereignis arbeitsunfähig. Seit Herbst 2007 seien weitere Beschwerdebilder zu den vorgenannten Krankheitssymptomen hinzugekommen. Der Kläger leide an einer zeitweisen Taubheit der Beine, an einer auf offenbar durch Durchblutungsstörungen zurückzuführende Kälte in allen Extremitäten und zeitweise an Stuhlinkontinenz. Er könne die Treppe zu seiner Wohnung im Obergeschoss nur mit Unterbrechungen begehen.
Der Kläger trägt vor, dass er durch die schwerwiegende Hirnverletzung und die daraus resultierenden Folgen nicht mehr in der Lage sei, Haushaltstätigkeiten in nennenswertem Umfang durchzuführen. Er ertrage keinerlei Belastungen, sei vollkommen antriebslos, äußerst geräuscheempfindlich und lebe überwiegend zurückgezogen in seinem Zimmer. Nur wenn er alleine sei und absolute Ruhe herrsche, könne er seinen Zustand ertragen. Die Unfallfolgen hätten zu einer fast völligen sozialen Isolierung des Klägers geführt. Der Kläger sei lediglich in der Lage, allenfalls sporadische kleine Hilfestellungen im Haushalt zu leisten.
Die geordnete Haushaltführung sei ihm nicht möglich. Der Kläger könne, selbst bei größter Willensanstrengung, seine Antriebslosigkeit und seine depressive Stimmung nicht überwinden. Der Kläger sei auch nicht in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen.
Der Kläger trägt vor, dass im Bereich des Haushaltsführungsschadens von einer hundertprozentigen Beeinträchtigung in der Zeit nach der stationären Behandlung vom 30.01.2000 bis zum 30.03.2001 auszugehen sei. Vom 01.04.2001 bis zum 31.12.2001 sei eine 80-prozentige Beeinträchtigung zu Grunde zu legen. Vom 01.01.2002 bis zum 31.06.2002 sei von einer 65-prozentigen Beeinträchtigung und ab dem 01.07.2002 und auf Dauer von einer 50-prozentigen Beeinträchtigung auszugehen. Es sei von einem Haushalttyp Tabelle 8 aus Schulz-Brock mit einer wöchentlichen Ausfallzeit von 30 Stunden auszugehen (Haushaltstyp: 2-Personen-Haushalt, 1 Kind über 6 Jahre / alleinerziehend, Münchener Modell Nr. 11 (angelehnt) = 30 Wochenstunden). Der Berechnung sei ein Stundensatz von 8,50 € zugrunde zu legen. Dies sei die übliche Vergütung einer Haushaltshilfe im Berech einer kleinen oder mittleren Stadt. Für die vorgenannten Zeiträume ergeben sich sodann folgende Schadenssummen:
30.11.2000 bis 31.03.2001 (122 Tage x 30 / 7 Tage x 8,50 € x 100 %) 4.444,29 €
01.04.2001 bis 31.12.2001 (275 Tage x 30 / 7 Tage x 8,50 € x 80 %) 8.014,29 €
01.01.2002 bis 30.06.2002 (181 Tage x 30 / 7 Tage x 8,50 € x 65 %) 4.285,82 €
01.07.2002 bis 13.05.2008 (2144 Tage x 30 / 7 Tage x 8,50 € x 50 %) 39.051,43 €
Der Haushaltsführungsschaden für die Vergangenheit betrage damit 55.795,83 €.
Der Kläger meint, dass ihm angesichts der schweren Folgen und seines jugendlichen Alters ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 175.000,00 € zustehen würde.
Der Kläger trägt vor, dass ihm für einen zukünftigen Zeitraum ein monatlicher Haushaltsführungsschaden von 555,54 € zustehen würde (30,5 Tage x 30 Stunden / 7 x 8,50 € x 50 %). Der Kläger begehrt anstatt einer Rente eine Abfindung. Diese sei nach der Rentenbarwertformel zu kapitalisieren und zwar für die Zeit vom 14.05.2008 bis zum 23.07.2057, dem statistischen Lebensende des Klägers. Bei Zugrundelegung eines Zinssatzes von 3,5 % ergäbe sich damit ein kapitalisierter Rentenanspruch in Höhe von 142.425,40 € in Bezug auf den zukünftigen Haushaltsführungsschaden.
Der Kläger trägt vor, dass er im Hinblick auf den Verdiensausfallschaden nach 8 Jahren eine Höherstufung in dem erlernten Beruf mit Sicherheit erreicht hätte. Laut Zeugnis hatte er durchaus überdurchschnittliche schulische Leistungen erbracht und hätte in seinem Beruf einen Aufstieg zum Vorarbeiter / Polier unter Umständen auch zum Straßenbaumeister absolviert. Unter Zugrundelegung der entsprechenden Rechtsprechung müsse man im Falle des Klägers davon ausgehen, dass er zumindest die Position eines Poliers erreicht hätte. Straßenbauer verdienen nach einer gewissen Zeit der Berufsausübung 14,00 €/Stunde. Üblich in diesem Bereich sei auch das Ableisten von Überstunden. Ein Vorarbeiter oder Polier erziele einen Stundenlohn von 16,00 € Brutto und mehr. Der Kläger trägt vor, dass nicht von einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden sondern von mindestens 42 Stunden monatlich auszugehen sei. Daher hätte der Kläger also auf Dauer mindestens 175 Arbeitsstunden monatlich absolviert. Das Bruttoeinkommen würde demnach 2.887,50 € betragen. Dies ergäbe Netto 1.751,32 €. Unter Berücksichtigung der Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 612,50 € ergäbe sich ein monatlicher ausgleichspflichtiger Verdienstausfall von 1.138,82 €. Der Kläger habe auch hier Anspruch auf eine vierteljährliche Zahlung im Voraus in Höhe von 3.416,46 €. Kapitalisiert auf die noch zu absolvierenden 40 Berufsjahre bis zum gesetzlichen Renteneintritt im Alter von 67 Jahren ergäbe sich nach der Rentenbarwertformel und einem Zinssatz von wiederum 3,5 % ein Kapitalbetrag von 293.971,75 €. Entgegen den von der Beklagten anerkannten jährlichen Leistungen für Fahrten Dritter und Ähnliches in Höhe von 1.300,00 € sei von jährlich mindestens 3.400,00 € auszugehen. Dieser Betrag sei ebenfalls bis zum statistischen Lebensende des Klägers zu den vorgenannten Bedingungen zu kapitalisieren, so dass sich ein weiterer Betrag von 59.538,92 € ergäbe.
Der Kläger meint, dass die Beklagte einer Kapitalisierung bereits zugestimmt habe. Der Kläger meint, dass gemäß § 843 Abs. 3 BGB der Kläger Anspruch auf eine Kapitalisierung habe. Der Kläger beabsichtige ein kleines Haus für sich selbst zu erwerben. Dies sei für den Kläger zur Förderung seines Gesundheitszustandes von großer Bedeutung, sein angeschlagenes Selbstwertgefühl werde dadurch wieder gestärkt. Auch belaste das bisherige Regulierungsverhalten der Beklagten den Kläger über Gebühr. Eine endgültige Abfindung würde dem Kläger auch die Möglichkeit bieten, das Trauma besser zu verarbeiten. Er wäre von seiner Zukunftsangst befreit und vor weiteren Auseinandersetzungen mit der Beklagten verschont. Da der Kläger unter Betreuung stehe und die Tätigkeit des Betreuers gerichtlich überwacht werde, sei auch gewährleistet, dass der Kläger durch die Abfindungsleistung seine wirtschaftlichen Bedürfnisse in der Zukunft bestreiten könne.
Der Haushaltsführungsschaden für die Zukunft betrage monatlich 555,54 €, der Verdienstausfall 1.138,82 € und die sonstigen vermehrten Bedürfnisse 200,00 € monatlich, insgesamt also 1.894,36 €. Der vierteljährliche Betrag bis zum Eintritt in das Rentenalter des Klägers betrage damit 5.683,08 €.
Der Kläger hat daher beantragt:
I.
Die Beklagte wir verurteilt, folgende Beträge an den Kläger zu zahlen:
1. 501.731,90 € nebst 9 % Zinsen seit Rechtshängigkeit;
2. ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 175.000,00 € nebst 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden des Klägers resultierend aus dem Verkehrsunfallereignis vom 21.05.2000 zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist.
III.
hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, folgende Beträge an den Kläger zu zahlen:
1. Ab dem 01.07.2008 bis zum 31.12.2047 5.683,08 € vierteljährlich im Voraus;
2. Ab dem 01.01.2048, zeitlebens des Klägers 2.266,62 € vierteljährlich im Voraus.
IV.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
V.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Gebührenansprüchen der … aus der Kostennote Nr. 0800673 vom 15.05.2008 in Höhe der nicht anrechenbaren Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 RVG-VV von 8.939,28 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Die Beklagte meint, dass unter Berücksichtigung der eingeholten Gutachten (Anlage B 4 und B 6) die Einholung weiterer Gutachten entbehrlich sei und nach Art und Umfang der erlittenen Verletzungen unter Berücksichtigung des Heilungsverlauf ein Schmerzensgeldbetrag von 50.000,00 € angemessen, aber auch ausreichen sei. Diesen Betrag habe die Beklagte bereits bezahlt.
Die eingeholten Gutachten hätten ergeben, dass der Kläger eine gute körperliche Konstitution und keinerlei Beeinträchtigungen der Gliedmaßen aufweise. Daher könne der Kläger die üblichen Verrichtungen des Alltags weiterhin bewerkstelligen. Die Beklagte meint, dass der Kläger im Rahmen der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht gehalten sei, die Hausarbeit über den Tag so zu gestalten, dass keine Beeinträchtigungen auftreten würden. Zur Schadensminderung sei der verletzte Haushaltsführende verpflichtet durch den Einsatz technischer Hilfsmittel, durch Umorganisation des Haushalts, durch andere Einteilung und Umverteilung der Hausarbeit, die die Auswirkungen der Behinderung möglichst gering hielten. Da der Kläger mit seiner Mutter in häuslicher Gemeinschaft lebe, sei von einem 2-Personen-Haushalt auszugehen. Weil der Kläger bei fiktivem Verlauf ganztags berufstätig gewesen wäre, könne dessen Mithilfe im Haushalt allenfalls mit 10 Stunden pro Woche bewertet werden. Hinsichtlich des Nettolohns einer erforderlichen und geeigneten Hilfskraft sei auf das Tarifgebiet Berlin-Brandenburg mit einer Nettostundenvergütung von 6,21 € abzustellen. Die Beklagte habe für den Zeitraum 21.05. bis 05.09.2000 bei 100 % Beeinträchtigung des Haushaltsführung 1.002,10 € und für den Zeitraum vom 06.09. bis 31.12.2000 bei einer Beeinträchtigung von 50 % 574,02 € abgerechnet und insgesamt 1.750,00 € bezahlt, was in Abzug zu bringen sei. Ein weiterführender Haushaltführungsschaden stehe dem Kläger nicht zu.
Entgegen der Behauptung des Klägers sei der fiktive Bruttojahresverdienst des Klägers angepasst worden. Im Jahr 2002 habe der Bruttojahresverdienst 18.125,30 € betragen (Bestätigung der Firma … vom 18.10.2001, Anlage B 10). Entsprechend den Anpassungen der Deutschen Rentenversicherung sei zuletzt ein monatlich durchschnittlicher Bruttoverdienst von 20.650,68 € jährlich nachgewiesen worden. Wie vom Kläger in der Vergangenheit selbst vorgetragen, hätte er ohne den Schadensfall nach Beendigung der Berufsausbildung in seinem Ausbildungsbetrieb eine Festanstellung behalten und wäre dort entsprechend entlohnt worden. Maßgeblich für die Ermittlung der Einkünfte ist folglich das Einkommen, welches der Beschäftigte bei weggedachtem Schadensfall bei der Firma … erzielt hätte. Das Einkommen liege der Berechnung der Beklagten zur Ermittlung des unfallbedingten Verdienstausfalles auch zu Grunde. Ein darüber hinausgehender Schadensersatzanspruch besteht nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge nicht. Vielmehr sei der Kläger aufgrund der vorgelegten Gutachten durchaus in der Lage, im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung Erwerbseinkommen zu erzielen. Unterlasse der Kläger dies, so sei ein fiktiv erzielbares Einkommen aus einer derartigen Tätigkeit schadensmindern anzurechnen. Darüber hinaus seien von dem fiktiven Einkommen ersparte berufsbedingte Aufwendungen abzuziehen, die im Rahmen der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO mit mindestens 40,00 € monatlich bzw. 5 bis 10 % des Nettoverdienstes zu bewerten seien. Daher sei ab dem 01.07.2000 von folgenden Werten auszugehen: ein fiktiver Jahresnettoverdienst von 14.007,70 € entspräche 1.167,30 € monatlich. Hiervon seien die von der Deutschen Rentenversicherung gezahlte Rente sowie berufsbedingte Aufwendungen abzuziehen. Des Weiteren sei ein fiktiv erzielbares Einkommen unter Berücksichtigung des Restleistungsprofils zu mindestens 200,00 € monatlich netto anzurechnen.
Gemäß dem Anerkenntnis der Beklagten, den künftigen unfallbedingten materiellen Schaden des Klägers bei entsprechendem Nachweis auszugleichen (Schreiben der Beklagten vom 15.06.2007, Anlage B 17) habe die Beklagte für die Vergangenheit sowohl die Kosten im Rahmen der Pflegschaft als auch Fahrtkosten und Rezeptkostenanteile beglichen. Gemessen an den in der Vergangenheit hierfür aufgewendeten Beträgen sei der pauschalisierte Jahresbetrag von 2.400,00 € deutlich übersetzt. Auch sei nicht ersichtlich, dass die Kosten bis zum Lebensende anfallen würden.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Kapitalisierung der geltend gemachten Schadenspositionen. Die Voraussetzungen des § 843 Abs. 3 BGB lägen nicht vor.
Hinsichtlich der geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten sei lediglich eine Geschäftsgebühr von 1,5 angemessen und ausreichen. Der Kläger müsse sich auch die an die Voranwälte erbrachten Gebühren in Höhe von 785,84 € (Anlage B 18) entgegenhalten lassen.
Das Gericht hat mit Beweisbeschluss vom 10.06.2009 (Bl. 59-61 d. A.) und vom 31.07.2009 (Bl. 80 f. d. A.) den Sachverständigen … mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens beauftragt, welches unter dem 01.02.2010 (Bl. 98-162 d. A.) erstellt wurde. Darüber hinaus hat das Gericht mit Beschluss vom 16.03.2010 einen rechtlichen Hinweis erteilt sowie ein schriftliches Sachverständigengutachten zu Frage des Verdienstes eines gelernten Straßenbauers beim Sachverständigen … beauftragt (Bl. 178-180 d. A.).
Der Sachverständige … hat unter dem 21.05.2010 ein schriftliches Gutachten erstattet (s. Geheft Gutachten) und ein Ergänzungsgutachten unter dem 23.08.2010 vorgelegt (s. Geheft Ergänzungsgutachten).
Das Gericht hat die Mutter des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 08.08.2009 persönlich angehört. Auf die Sitzungsniederschriften vom 08.04.2009 und 01.12.2010 wird Bezug genommen. Ebenso wird wegen der näheren Einzelheiten des Parteivorbringens auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässigen Klagen sind teilweise begründet.
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schmerzensgeld gem. §§ 7 Abs. 1, 11 Satz 2 StVG i. V. m. § 3 PflVersG aus einem Verkehrsunfall am 21.05.2000 in Höhe von weiteren 50.000,00 €, neben den bereits von der Beklagten unstreitig bezahlten 50.000,00 €.
Gem. § 11 Satz 2 StVG bzw. § 253 Abs. 2 BGB kann der Kläger von der Beklagten noch ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 € beanspruchen.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist neben der Verschaffung von Genugtuung in erster Linie die dem Verletzten durch die Körper- und Gesundheitsverletzung entgangene Lebensqualität zu berücksichtigen, für die er einen Ausgleich erhalten soll. Bei dem Schuldvorwurf, der sich gegen den bei der Beklagten versicherten Unfallgegner richtet, handelt es sich um eine fahrlässige Pflichtverletzung, so dass die mit der Schmerzensgeldzahlung verbundene Genugtuungsfunktion vorliegend nur noch im geringen Umfang zum Tragen kommt. Aus Sicht des Gerichts ist auch das Regulierungsverhalten der Beklagten nicht schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen. Die Beklagte hat bereits einen Vorschuss auf das Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 € bezahlt. Auch im Übrigen (siehe unten) wurden regelmäßig Zahlungen geleistet.
Im Rahmen der Ausgleichsfunktion ist neben der Schwere der erlittenen Verletzung (schweres Schädel-Hirntrauma 3. Grades mit einer Impressionsfraktur links-temporal bis temporo-basal, Hirnkontusion links fronto-basal und links-tempoparietal sowie Orbitawandfraktur rechts, Dachfraktur des 7. Wirbelkörpers ohne Einengung des Wirbelkanals) auch die auf Dauer der durch das Unfallereignis verletzungsbedingten Beeinträchtigungen zu berücksichtigen. Es sind daneben die drei stationären Behandlungen (21.05.20000 bis Ende November 2000, 25.10.-29.11.2001 und 13.07.-04.08.2004) zu berücksichtigen. Nach den gutachterlichen Feststellungen des neuroradiologischen Gutachtens zeigt der Kläger ausgeprägte posttraumatische Residuen links, fronto-basal, unmittelbar dem Orbitadach anliegend. Des Weiteren liegen Hämosiderinresiduen links frontobasal, links frontolateral und links temporal vor. Nach der Einschätzung des Sachverständigen … können diese Veränderungen kognitive Einschränkungen durchaus erklären (Blatt 104 ff. der Akte). Nach dem wissenschaftlichen neuropsychologischen Zusatzgutachten (Blatt 106 ff. der Akte) zeichnen sich beim Kläger kognitive Beeinträchtigungen ab. In der Wortfindung zeigt sich eine diskrete Neigung zu semantischen Paraphasien, die Wortflüssigkeit war deutlich reduziert. Das verbale Gedächtnis erweist sich als deutlich beeinträchtigt. Bei der Untersuchung von Planen, Handeln und problemlösendem Denken zeigte sich eine mittelgradige Beeinträchtigung. Die kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit sowie die Reaktionsgeschwindigkeiten waren deutlich reduziert. Die Gutachterin … hat kognitive Beeinträchtigungen im Bereich der sprachgebundenen Gedächtnisfunktion und im Bereich der exekutiven Funktionen festgestellt. Daneben besteht beim Kläger eine allgemeine Verlangsamung, eine Störung höherer Aufmerksamkeitsfunktion und eine Antriebsminderung, sowie eine organische Wesensveränderung mit Reizbarkeit und Neigung zur Aggression. Diese Beeinträchtigungen sind nach den Ausführungen der Sachverständigen … dem Schädel-Hirn-Trauma 3. Grades wissenschaftlich plausibel zu vereinbaren (Blatt 117 ff. der Akte).
Aufgrund dieser Vorgutachten hat der gerichtlich beauftragte Sachverständige … nach eigener Untersuchung festgestellt, dass der Kläger unter einem hirnorganischen Psychosyndrom leidet. Dieses findet Ausdruck in seiner verminderten psychischen und körperlichen Belastbarkeit, aber auch in einer erhöhten Affektlabilität mit zeitweise aggressiven Ausbrüchen. Die vom Kläger angegebene Kopfschmerzsymptomatik bei Belastung sei durchaus im Rahmen eines postraumatischen Symptomenkomplexes aufzufassen. Es handele sich hierbei eher um eine Spannungskopfschmerzsymptomatik bei Überlastungssituationen, ggf. auch im Rahmen des depressiven Syndroms (Blatt 156 ff. der Akte). Die Antriebslosigkeit des Probanden sei durch die Aktenlage dokumentiert und lasse sich durch die frontale Schädigung gut herleiten und begründen. Darüber hinaus bestehe eine depressive Störung in erheblichem Ausmaß beim Kläger. Die Taubheit der Beine sowie die vom Kläger angegebene Stuhlinkontinenz konnte der Sachverständige … nicht auf den Unfall zurückführen (Blatt 157 ff. der Akte). Hinsichtlich der Minderung der Erwerbsfähigkeit kam der Sachverständige … zum Ergebnis, dass eine Verminderung der Erwerbsfähigkeit von 80 % vorläge (Blatt 159 der Akte). Die Fahrtauglichkeit sei beim Kläger nicht gegeben (Blatt 160 der Akte). Die nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen, die von den Partei im Einzelnen nicht angegriffen wurden, macht sich das Gericht zu eigen.
Das Gericht hat auch berücksichtigt, dass der Kläger im Alter von 19 Jahren durch den Unfall verletzt wurde und lebenslang unter den oben beschriebenen Folgen zu leiden haben wird. Entgegen der Auffassung des Klägers sind bei der Bemessung des Schmerzensgeldes die Sammlungen zu Schmerzengeldern (vor allem Slizky, IMM-DAT plus, Schweres Schädel-Hirn-Trauma) und die zugrunde liegende Rechtsprechung zu berücksichtigen. Soweit die entsprechenden Urteile längere Zeit zurück liegen, ist sowohl der Kaufpreisverlust als auch die Tendenz zu höherem Schmerzensgeldern bei Schwerverletzten in jüngerer Zeit zu berücksichtigen. Das Gericht hat bei Bemessung des Schmerzensgeldes insbesondere folgende Urteile berücksichtigt.
Das OLG Nürnberg (Urteil vom 25.04.1997, Az. 6 U 4215/96) hat bei einem schweren Schädel-Hirn-Trauma mit anhaltender Atembehinderung und Störung der Stimmfunktion, Verlust des Geruchssinns und einer Gebrauchsminderung der rechten Hand sowie einem leichtgradig ausgeprägtem hirnorganischem Psychosyndrom (neben weiteren Beeinträchtigungen) aufgrund des Regulierungsverhaltens der Kfz-Haftpflichtversicherung 128.000,00 € zugesprochen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrug 90 %. Im vorliegenden Fall liegen keine Atembehinderung, Störung der Stimmfunktion oder Gebrauchsminderung einer Hand vor. Darüber hinaus ist das Regulierungsverhalten der Beklagte im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden.
Das OLG Stuttgart (Urteil vom 12.03.1992, Az. 7 U 253/91) hat etwa 66.500,00 € nach einem sehr schweren Schädel-Hirn-Trauma mit hirnorganischem Psychosyndrom mit herabgesetzter Merk- und Konzentrationsleistung und verminderter Belastbarkeit zugesprochen.
Das OLG Braunschweig (Urteil vom 15.03.1991, Az. 2 U 153/90) hat nach einem schweren Hirntrauma mit Geruchssinnverlust, Gefühlsstörungen im Gesicht, erheblicher Entstellung, einer Wesensveränderung (depressiv, antriebsarm) und einer Fußverletzung einen Schadensersatz von 76.693,78 € zugesprochen.
Die vorgenannten Fälle sind nach Auffassung des Gerichts am ehesten mit den vom Kläger erlittenen Beeinträchtigungen vergleichbar, so dass unter Berücksichtigung des Kaufkraftverlustes seit den 90er Jahren und unter Berücksichtigung der Tendenz der neueren Rechtsprechung zu höheren Schmerzensgeldern im vorliegenden Fall das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000,00 € für angemessen und ausreichend hält, um dem Kläger einen Ausgleich und Genugtuung für die von ihm erlittenen Beeinträchtigungen seiner Lebensqualität zu verschaffen. Unter Abzug der vom Beklagten bereits auf den Schmerzensgeldanspruch gezahlten 50.000,00 € verbleibt damit noch ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 50.000,00 €.
II.
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Kapitalisierung aus einer behaupteten Zusage der Beklagten, noch aus § 843 Abs. 3 BGB.
1.
Dem Schreiben der Beklagten vom 18.04.2008 (Seite 7 f. der klägerischen Anlagen) kann nicht eine unbedingte Zustimmung zu einer Kapitalisierung von Verdienstausfallschaden und Haushaltsführungsschaden entnommen werden. Vielmehr handelt es sich ausweislich des Wortlautes um Angebote der Beklagten im Rahmen einer einvernehmlichen Lösung, die sowohl vorgerichtlich als auch gerichtlich nicht zustande kam. Hieraus kann der Kläger keinen Anspruch auf eine Kapitalisierung herleiten.
2.
Ein wichtiger Grund im Sinne des § 843 Abs. 3 BGB liegt vor, wenn ausnahmsweise der Zweck der Ersatzleistung durch die Abfindung in einem Betrag eher als bei laufenden Zahlungen erreicht wird (Pardey, Berechnung von Personenschäden, 4. Auflage, Rdziff. 1348). Die Voraussetzungen des wichtigen Grundes hat die berechtigte Person nachzuweisen, was dem Kläger vorliegend nicht gelang. Ein wichtiger Grund liegt selten vor (Sprau im Palandt, BGB, 69. Auflage, § 843 Rdziff. 19). Vorliegend möchte der Kläger ein kleines Haus für sich selbst erwerben, da er dort seinem Ruhebedürfnis besser nachkommen und die räumliche Trennung von seiner Mutter ihm förderlich sein würde. Diese Ziele können jedoch auch im Rahmen einer angemieteten Wohnung erreicht werden. Ob die Verantwortung für ein eigenes Hausgrundstück in der Situation des Klägers sich auf diesen günstig auswirkt, ist fraglich. Soweit der Kläger das bisherige Regulierungsverhalten der Beklagten rügt, ist auf das oben Genannte zu verweisen. Die Möglichkeit einer Traumaverarbeitung, wie sie der Kläger behauptet, ist aus Sicht des Gerichts nicht ausreichend, einen wichtigen Grund im Sinne des § 843 Abs. 2 BGB darzustellen. Damit ist der Kläger seiner Beweislast (vgl. Pardey, Berechnung von Personenschäden, Rdziff. 1348) zum Vorliegen eines wichtigen Grunde nicht nachgekommen.
III.
Mangels eines Anspruches auf Kapitalisierung ist neben dem Haushaltsführungsschaden für die Vergangenheit auch über die hilfsweise gestellten Anträge auf Zahlung von Verdienstausfall und Ersatz des Haushaltsführungsschadens ab dem 01.07.2008 zu entscheiden.
IV.
Weiterhin kann der Kläger noch 4.641,25 € gem. §§ 7 Abs. 1, 11 Satz 2 StVG, 843 Abs. 1 BGB i. V. m. § 3 PflVersG als Haushaltsführungsschaden von der Beklagten beanspruchen.
Gem. § 843 Abs. 1 BGB kann der Geschädigte sowohl für die in Folge einer Verletzung seines Körpers entstandene Aufhebung oder Minderung seiner Erwerbsfähigkeit als auch für eine dadurch eingetretene Mehrung seiner Bedürfnisse Schadensersatz in Form einer Geldrente beanspruchen. Soweit daher vorliegend durch unfallbedingte Verletzungen die Fähigkeit des Klägers zur Führung des Haushaltes aufgehoben oder gemindert war, liegt eine Vermehrung seiner Bedürfnisse vor. Dem Verletzten steht ein Schadensersatz zu, der konkret zu berechnen ist, in dem die (Brutto-)Entlohnung zu Grunde zu legen ist, die für die verletzungsbedingt nicht mehr ausführbare oder nicht mehr zumutbare Hausarbeit an eine Hilfskraft gezahlt wird (Sprau in Palandt, 65. Auflagem BGB, § 843 Rdziff. 5). Eine Orientierung am Nettolohn ist jedoch dann geboten, wenn – wie im vorliegenden Fall – die nicht erbrachte Arbeit im Haushalt von einem nahen Angehörigen unentgeltlich kompensiert wird.
Das Gericht ist aufgrund des Vortrages beider Parteien davon überzeugt, dass der Kläger zusammen mit seiner Mutter in einem 2-Personen-Haushalt lebt. Ohne den Eintritt des schädigenden Ereignisses ist von einem Haushalt mit 2 erwerbstätigen Personen auszugehen. Der Kläger selbst hat angegeben, dass er mit seiner Mutter derzeit in einem Einfamilienhaus lebe (Blatt 13 der Akte).
Der vom Kläger angegebene Arbeitsaufwand von 30 Stunden pro Woche deckt sich in keiner Weise mit dem in der Rechtsprechung angegebenen Zeitaufwand einer berufstätigen Person in einem mittleren 2-Personen-Haushalt. Insoweit ist vorliegend nämlich seitens des Klägers nicht berücksichtigt, dass im 2-Personen-Haushalt des Klägers nicht von einer vollständigen Erbringung sämtlicher Haushaltstätigkeiten durch den Kläger ausgegangen werden kann. Zu Gunsten des Klägers ist vorliegend von gleichmäßigen Kopfanteilen bei der Erledigung der Haushaltstätigkeit zwischen ihm und seiner Mutter auszugehen. Aufgrund seiner eigenen Angabe von 30 Wochenstunden und der Anspruchsstufe „Mittel“ in einem 2-Personen-Haushalt von Erwerbstätigen (Pardey, Berechnung von Personenschäden, 4. Auflage, Rdziff. 2630) und einem Zeitaufwand für jeden Erwerbstätigen für den Haushalt von 2 Stunden pro Tag (Pardey, a. a. O., Rdziff. 2639 mit Verweis auf OLG Köln R + S 1998, 4000) ist im vorliegenden Fall von einem wöchentlichen Zeitaufwand des Klägers von 15 Stunden für die Haushaltsführung auszugehen. Ein Abstellen auf Tabelle 8 in Schulz-Borck/Pardey (Schulz-Borck/Pardey, Der Haushaltsführungsschaden, 2009) ist nicht sachgerecht, da dort auf eine „Frau“ abgestellt wird. Sachgerecht wäre ein Abstellen auf Tabelle 1 in Schulz-Borck/Pardey (Schulz-Borck/Pardey, Der Haushaltsführungsschaden, 2009) „Mann“ im 2-Personen-Haushalt und Anspruchsstufe mittel, was bei Verteilung nach Köpfen zu einem annähernd gleichen Ergebnis führt. Lediglich ergänzend ist auszuführen, dass eine ähnliche Größenordnung bei einem Alleinleben des Klägers mit einem Einpersonenhaushalt zu berücksichtigen wäre (Pardey, a. a. O., Rdziff. 2628).
Das Gericht schätzt unter Berücksichtigung der ergangen Rechtssprechung (Pardey, a. a. O., Rdziff. 2666) den erforderlichen Nettolohn auf 7,00 € pro Stunde. Die Beklagte selbst ist von einem Nettolohn von 6,50 € unter Bezugnahme auf ein tarifliches Nettoentgelt von 6,21 € ausgegangen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung in der Wohnortregion des Klägers (Kammergericht DAR 2008, 25 und LG Frankfurt/Oder DAR 2008, 29) einerseits und dem von der Beklagten vorgetragenen Tariflohn andererseits ist nach Auffassung des Gerichts ein Stundenlohn von 7,00 € erforderlich, aber auch angemessen.
Der Kläger ist mit seiner unter Beweis gestellten Behauptung, dass er bedingt durch die schwerwiegende Hirnverletzung und die daraus resultierenden Folgen nicht in der Lage sei, Haushaltstätigkeiten in nennenswertem Umfang durchzuführen, beweisfällig geblieben. Der gerichtlich bestellte Sachverständige … hat ausgeführt, dass Haushaltstätigkeiten im allgemeinen Sinne von Körperpflege, Aufräumarbeiten, einkaufen ggf. unter Anleitung mit Einkaufszettel dem Kläger zumutbar und möglich sind. Es bestünden keinerlei körperliche Einschränkungen im Sinne von Lähmungserscheinungen, Koordinationsstörungen oder Hirnnervenausfällen, die diese Tätigkeit unmöglich machen würden. Es sei jedoch ein Motivationsproblem vorhanden. Es bestünden Einschränkungen hinsichtlich der komplett selbständigen Führung eines Haushaltes. Ein solcher liegt unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Klägers derzeit nicht vor. Die Angelegenheit, für welche eine Betreuung zu Gunsten des Klägers errichtet worden ist, sind nicht im Rahmen der Haushaltsführung zu berücksichtigen. Nach Auffassung des Gerichts kann in vorliegendem 2-Personen-Haushalt des Klägers mit seiner Mutter die Aufteilung so geregelt werden, dass die Mutter die kognitiv anspruchsvolleren Tätigkeiten übernimmt und der Kläger dies durch Mehrarbeit im einfachen Bereich ausgleicht. Da nach eigenen Angaben des Klägers seit dem 01.07.2002 die Beeinträchtigung in der Haushaltsführung in der Weise vorlag, wie sie auch noch zum Zeitpunkt der Klageerhebung bzw. Begutachtung des Klägers vorlag, ist ein Ausfall der Haushaltsführungstätigkeit für diesen Zeitraum und für die Zukunft nicht nachgewiesen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für einen Schaden eine haushaltsspezifische Beeinträchtigung nicht nur im unerheblichem Umfang vorliegen muss (Sprau in Palandt, 65. Auflage, BGB, § 843 Rdziff. 8 m. w. N.). Eine haushaltsspezifische Beeinträchtigung des Klägers von über 10 % ist nicht nachgewiesen. Lediglich ergänzend ist auszuführen, dass eine haushaltsspezifische Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers von 10 % nicht zu einer Entschädigungspflicht der Beklagten führt, da Minderungen der haushaltsspezifischen Erwerbstätigkeit in einem solch geringem Umfang entschädigungslos hinzunehmen sind.
Hinsichtlich der Vergangenheit geht das Gericht in den nachfolgenden Zeiträumen von folgenden Graden der Beeinträchtigungen in % aus, wodurch sich nachfolgende Berechnung ergibt. Die Schätzung des Grades der haushaltsspezifischen Behinderung für die Vergangenheit erfolgt gem. § 287 ZPO unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers einerseits und den gutachterlichen Feststellungen andererseits.
Zeitraum von | 30.11.2000 | 01.04.2001 | 01.01.2002 |
Bis | 31.03.2001 | 31.12.2001 | 30.06.2002 |
Wöchentlicher Zeitaufwand | 15,00 | 15,00 | 15,00 |
Grad der haushaltsspezifischen Behinderung | 100,00 % | 60,00 % | 25,00 % |
Stundensatz für Haushaltshilfe | 7 €/h | 7 €/h | 7 €/h |
Damit ergeben sich für die Zeiträume folgender monatlicher Rentenanspruch und folgende Laufzeit in Tagen (4,3 Wochen pro Monat):
Laufzeit Tage |
122 |
275 |
181 |
Monatlicher Wert der Rente |
456,54 |
273,92 |
114,14 |
Damit ergibt sich als Rückstand zur Ausfallzeit in der Verfangenheit:
1.830,00 € |
2.475,00 € |
678,75 € |
Dies ergibt insgesamt einen Anspruch von 4.983,75 € an rückständigem Haushaltsführungsschaden. Hiervon sind noch 342,50 € abzuziehen, die die Beklagte bereits geleistet hat (Blatt 28 der Akte). Von dem Auszahlungsbetrag in Höhe von 1.750,00 € ist die Überzahlung in Höhe von 200,00 € (1.750,00 € abzüglich 1.549,12 €; gerundet) als Erfüllung zu berücksichtigen. Daneben hat die Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 30.11.-31.12.2009 für einen Monat 50 % von 285,00 € bezahlt. Mithin sind 342,50 € (142,50 € Zahlung auf Haushaltsführungsschaden + 200,00 € Überzahlung) abzuziehen.
Damit verbleibt es bei einem rückständigen Haushaltsführungsschaden von 4.641,25 €.
V.
1.
Der hilfsweise Klageantrag auf Zahlung einer Verdienstausfallrente ab dem 01.07.2008 bis zum 31.12.2047 von 5.683,08 € vierteljährlich im Voraus (Blatt 2 der Akten) ist zulässig. Soweit während des Verfahrens hinsichtlich des Verdienstausfalles durch Zeitablauf Fälligkeit eingetreten ist, hat sich der entsprechende Klageantrag ohne Klageänderung in eine Klage auf Leistung für die Vergangenheit gewandelt (Greger in Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 257 Rdziff. 7 m. w. N.).
2.
Das Gericht geht bei der Schadensberechnung davon aus, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung in seinem Beruf als Straßenbauer einen Stundenlohn in Höhe von 14,00 € (Blatt 12 der Akte) hätte verdienen können. Das Gericht schließt sich insoweit den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen … im schriftlichen Gutachten vom 21.05.2010 (insbesondere Blatt 20-24) an. Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass aufgrund von 8 Jahren Berufsausübung eine Eingruppierung des Klägers in Lohngruppe 3 oder 4 zu erfolgen hätte. Selbst für die Tabelle Ost ergäbe sich lediglich in Lohngruppe 3 ein Betrag von 13,31 €. Bereits in Lohngruppe 4 (Ost) ergibt sich ein Stundenlohn von 14,52 €. Unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Zahlung übertariflicher Löhne schätzt das Gericht im Rahmen des § 287 ZPO unter Bezugnahme auf die nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen …, die sich das Gericht zu Eigen macht, den Stundenlohn des Klägers für das Jahr 2010 auf 14,00 €. Die Angriffe der Beklagten gegen das Gutachten des Sachverständigen … sowie das Ergänzungsgutachten vom 23.08.2010 dringen nicht durch. Im Ergänzungsgutachten vom 23.08.2010 hat der Sachverständige … nochmals ausführlich zur Frage des Stundenlohnes und seiner Entwicklung Stellung genommen (Seite 8-10 des Ergänzungsgutachtens). Soweit die Beklagte auf die Möglichkeit untertariflicher Bezahlung abstellt, kann dem nicht gefolgt werden. Ein tariflich garantierter Mindestlohn ist als Mindestschaden zu verstehen (Pardey, Berechnung von Personenschäden, 4. Auflage, Rdziff. 2235).
Den entsprechenden Stundenlohn für das Jahr 2009 schätzt das Gericht unter Berücksichtigung der Angaben des Sachverständigen … (Seite 22 des Gutachtens) auf 13,68 € (14,00 € mal 97,7 % unter Herausrechnung der Ecklohnerhöhung 2010). Für das Jahr 2008 schätzt das Gericht den zu berichtigenden Stundenlohn auf 13,36 € (14,00 € mal 95,4 % unter Herausrechnung des Ecklohnerhöhungen 2010 und 2009).
3.
Dem Kläger ist es nicht gelungen zur Überzeugung des Gerichts nachzuweisen, dass er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen in der Person des Klägers in die Position eines Vorarbeiters oder Poliers aufgestiegen wäre. Anhaltspunkte aus der beruflichen Laufbahn des Klägers, der zum Zeitpunkt des Unfalls unmittelbar vor der Abschlussprüfung zum Beruf des Straßenbauers stand, ergeben sich nicht. Sein Notendurchschnitt in der Realschule stellt nach Ansicht des Gerichts keinen ausreichenden Umstand dar, der auf einen beruflichen Aufstieg in die Position eines Vorarbeiters oder Poliers schließen ließe. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen … (Gutachten vom 21.05.2010, Seiten 30-32) gibt es keinen Automatismus für das Erreichen der Positionen Vorarbeiter oder Polier. Nach den Feststellungen des Sachverständigen, die sich das Gericht zu Eigen macht, erreicht lediglich ca. 1/6 der ausgebildeten Lehrlinge die Position eines Vorarbeiters bzw. Poliers. Trotz der dem Geschädigten zu Gute kommenden Beweiserleichterungen besteht für das Gericht nicht ein derartiger Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel an einem beruflichen Aufstieg Schweigen gebietet. Daher verbleibt es bei der Berechnung bei den oben dargestellten Stundenlöhnen.
4.
Die Kammer geht hinsichtlich der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitsleistung von 40 Stunden aus. Der Sachverständige … hat sich mit der Frage der durchschnittlichen Arbeitsleistung eines Straßenbauers ausführlich befasst. Auf die Seiten 25-29 des Gutachtens vom 21.05.2010 wird verwiesen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen geht der einschlägige Tarifvertrag von einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden aus, wobei die Witterungsabhängigkeit in der Arbeitszeit nach Tarif bereits berücksichtigt ist (Gutachten vom 21.05.2010, Seite 29). Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass Überstunden in der von der Witterung begünstigten Zeit die Regel sind, diese jedoch in Arbeitszeitguthaben eingebracht werden. In den Schlecht-Wetter-Perioden werden diese Arbeitszeitguthaben wieder abgebaut, so dass sich im Schnitt eine 40-Stunden-Woche ergebe. Auch unter Berücksichtigungen der Einwendungen der Beklagten hat der Sachverständige ausgeführt, dass so weit als möglich der Ausgleich zwischen Gutzeit- und Schlechtzeitperioden durch die Arbeitszeitkonten erfolgt. Auch hat der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt, dass die Ausgleichszahlungen in Schlechtwetterperioden das Einkommen des Arbeitsnehmers nur relativ geringfügig schmälern (Ergänzungsgutachten vom 23.08.2010, Seite 14 f.). Der Sachverständige hat zur Überzeugung des Gerichts ausreichend die Grundlagen für die gerichtliche Schadensschätzung im Bereich der wöchentlichen Arbeitszeit ermittelt. Die Ausführungen, sowie die diesen zu Grunde liegenden Ermittlungen des Sachverständigen … sind für das Gericht nachvollziehbar, so dass es auch unter Berücksichtigung der tariflichen Arbeitszeit von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ausgeht.
5.
Ein berufsbedingter, aber verletzungsbedingt ersparter Aufwand mindert die ausfallenden Einkünfte (Pardey, Berechnung von Personenschäden, 4. Auflage, Rdziff. 2237 ff.). Der von der Beklagten zunächst in Ansatz gebrachte Satz von 40,00 € monatlich, dem der Kläger nicht entgegengetreten ist, ist im Rahmen einer Pauschalierung als angemessen anzusehen. Ein höherer Abzug von 5 – 10 % ist nicht gerechtfertigt (Pardey, Berechnung von Personenschäden, 4. Auflagen, Rdziff. 2242), weil die Grundlagen für einen solch hohen Abzug fehlen. Daneben ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte selbst zunächst 40,00 € als angemessen angesehen hat.
Es ist jedoch nicht ein fiktiv erzielbares Einkommen unter Berücksichtigung des Restleistungsprofils von mindestens 200,00 € monatlich anzurechnen. Ob und in welchem Umfang eine Erwerbsmöglichkeit zuzumuten ist, bestimmt sich an Hand nachfolgender Kriterien: Persönlichkeit, Alter, Leistungsfähigkeit, Umfeld, Wohnort, seelische und körperliche Anpassungsfähigkeit und Mobilität (Pardey, Berechnung von Personenschäden, 4. Auflage, Rdziff. 2162). Der Sachverständige Prof. Dr. … hat ausgeführt, dass in Zusammenschau der Befunde und dem mittlerweile nahezu 10 Jahre zurückliegenden Unfallereignis eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 % vorliegt. Die Belastbarkeit des Klägers bei leichten kognitiven körperlichen Anforderungen bewege sich im Bereich von etwa einer Stunde. Dementsprechend wäre vereinzeltes stundenweises Arbeiten mit entsprechend gestaltetem Aufgabenfeld möglich. Der Versuch der Beschäftigung, zum Beispiel in einer Behindertenwerkstätte wäre nach Ansicht des Sachverständen … zu überlegen (Blatt 159 der Akte). Des Weiteren stellt der Sachverständige jedoch fest, dass der Kläger nicht in der Lage ist, ein Kraftfahrzeug zu führen und Fahrtauglichkeit nicht gegeben ist (Blatt 160 der Akte). Angesichts der Einschränkungen des Klägers ist für das Gericht nicht erkennbar, wie dieser am Arbeitsmarkt ein Einkommen von 200,00 € monatlich durch stundenweise Tätigkeit erlangen kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger nach den Feststellungen des Sachverständigen … nicht mobil ist und daher zu einer entsprechenden Arbeitsstelle gefahren werden müsste. Dass der Kläger bei einer stundenweisen Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte ein Einkommen von 200,00 € monatlich erzielen könnte, ist für das Gericht nicht ersichtlich. Auch ist unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Klägers, wie sie sich verletzungsbedingt herausgebildet hat und der durch die gerichtlichen Sachverständigen festgestellten Leistungsfähigkeit des Klägers nach Ansicht des Gerichts nicht von der Möglichkeit eines erzielbaren Einkommens von mindestens 200,00 € monatlich netto auszugehen.
6.
Damit ergeben sich für die Jahre 2008, 2009 und 2010 folgende monatlichen Nettoentgelte (40 Stunden/Woche multipliziert mit 4,3 Wochen/Monat multipliziert mit dem jeweiligen Stundenlohn):
a. Steuerjahr 2008
Bruttolohn monatlich 2.287,92 €
LSt-Klasse 1
Lohnsteuer – 334,50 €
Solidaritätszuschlag – 18,39 €
Rentenversicherung (19,9% / 2) – 227,65 €
Arbeitslosenversicherung (2,8% / 2) – 32,03 €
Krankenversicherung AN-Anteil (14% / 2 + 0,9%) – 180,75 €
Pflegeversicherung mit Zuschlag (AN-Anteil 1,225%) – 28,03 €
Nettolohn 1.466,57 €
b. Steuerjahr 2009
Bruttolohn monatlich 2.352,96 €
LSt-Klasse 1
Lohnsteuer – 341,91 €
Solidaritätszuschlag – 18,80 €
Rentenversicherung (19,9% / 2) – 234,12 €
Arbeitslosenversicherung (2,8% / 2) – 32,94 €
Krankenversicherung AN-Anteil (14% / 2 + 0,9%) – 185,88 €
Pflegeversicherung mit Zuschlag (AN-Anteil 1,225%) – 28,82 €
Nettolohn 1.510,49 €
c. Steuerjahr 2010
Bruttolohn monatlich 2.408,00 €
LSt-Klasse 1
Lohnsteuer – 323,66 €
Solidaritätszuschlag – 17,80 €
Rentenversicherung (19,9% / 2) – 239,60 €
Arbeitslosenversicherung (2,8% / 2) – 33,71 €
Krankenversicherung AN-Anteil (14% / 2 + 0,9%) – 190,23 €
Pflegeversicherung mit Zuschlag (AN-Anteil 1,225%) – 29,50 €
Nettolohn 1.573,50 €
d. Für das Jahr 2008 ergibt sich somit unter Berücksichtigung von 40,00 € berufsbedingter Aufwendung ein Nettolohn von 1.426,57 €.
Für 6 Monate ergibt sich somit insgesamt ein Betrag von 8.559,42 €. Hiervon sind für die 3 Monate Juli bis September je 617,64 € Berufsunfähigkeitsrente sowie für die Monate Oktober bis Dezember 2008 je 614,19 € Berufsunfähigkeitsrente, insgesamt 1.852,92 € und 1.844,70 € (zusammen 3.697,62 €) abzuziehen.
Ebenso ist die von der Beklagten bereits erbrachte Zahlung für das 2. Halbjahr 2008 (Blatt 30 der Akte) in Höhe von 2.774,46 € abzuziehen. Somit verbleibt für das Jahr 2008 ein Rückstand von 2.087,16 €.
e. Für das Jahr 2009 ergibt sich bei einem monatlichen Nettolohn von 1.470,49 € (1.510,94 € abzüglich 40,00 € berufsbedingter Aufwendungen) für 12 Monate ein jährliches Nettoeinkommen von 18.125,88 €.
Hiervon sind die Berufsunfähigkeitsrente (6 Monate zu je 612,51 € und 6 Monate zu 635,36 €) sowie die von der Beklagten geleisteten zwei Zahlungen in Höhe von 1.950,00 € zu berücksichtigen (Blatt 219 der Akte).
Damit sind von 17.645,88 € 11.423,22 € abzuziehen, so dass für das Jahr 2009 ein offener Rest von 6.222,66 € verbleibt.
f. Für das Jahr 2010 ist von einem monatlichen Nettoeinkommen von 12 Monaten zu je 1.533,50 € (1.573,50 € abzüglich 40,00 € berufsbedingter Aufwendungen) auszugehen, insgesamt 18.402,00 €. Hiervon sind die Berufsunfähigkeitsrente von 7.624,32 € jährlich (12 Monate zu je 635,36 €) sowie die von der Beklagten geleisteten zwei Zahlungen in Höhe von 1.950,00 € (Blatt 219 der Akte) abzuziehen. Bei einem effektiven Bruttojahreseinkommen von 18.402,00 € abzüglich 7.624,32 € bezogener Berufsunfähigkeitsrente und 3.900,00 € verbleibt ein offener Rest von 6.877,68 €.
g. Ab dem 01.01.2011 ist gem. § 843 Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. § 760 BGB vierteljährlich im Voraus eine Rente in Höhe von 2.694,42 € zu zahlen. Vom um pauschale berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von 40,00 € bereinigten Nettolohn in Höhe von 1.533,50 € ist die monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 635,36 € abzuziehen. Somit verbleibt ein ausgleichspflichtiger monatlicher Verdienstausfall in Höhe von 898,14 €. Der Anspruch auf Zahlung einer vierteljährlichen Rente im Voraus beträgt somit 2.694,42 €. Diese Summe ist bis zum Eintritt des Rentenalters des Klägers zu bezahlen.
VI.
Der Feststellungsantrag ist gem. Ziff. 2 der Klageanträge zulässig und begründet. Dass die Beklagte mit einfachem Schriftsatz gegenüber dem Kläger erklärt hat, dass sie für zukünftige Schäden einstehen will, beseitigt nicht das Feststellungsinteresse des Klägers.
VII.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf pauschalierte Pflege und Betreuungskosten im Rahmen vermehrter Bedürfnisse. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 18.04.2008 (klägerische Anlage Seite 7 f.) ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte diese in Höhe von 1.300,00 € anerkannt hat. Vielmehr hat die Beklagte darauf hingewiesen (Blatt 30 ff. der Akte), dass sie anerkannt habe, den zukünftigen unfallbedingten materiellen Schaden des Klägers bei entsprechenden Nachweisen auszugleichen (Anlage B 17). Daher sei der Anspruch auf Pauschalentschädigung schon der Höhe nach nicht nachvollziehbar. Dieser Rechtsauffassung schließt sich das Gericht an. Eine Schadensschätzung aufgrund der bestrittenen Angaben des Klägers gem. § 287 ZPO ist nicht möglich. Lediglich ergänzend ist auszuführen, dass dem Kläger sein angebotener Zeugenbeweis durch die Mutter und Betreuerin des Klägers, …, im vorliegenden Verfahren nicht möglich ist. Die Mutter handelt im vorliegenden Prozess innerhalb ihres Aufgabenkreises als Betreuerin (Greger in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 373 Rz. 5). Hierauf ist der Kläger auch mit Beschluss vom 16.03.2010 (Blatt 178 f. der Akte) hingewiesen worden. Eine Reaktion hierauf erfolgte seitens des Klägers nicht.
VIII.
Dem Kläger waren daher weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 €, rückständiger Haushaltsführungsschaden in Höhe von 4.641,25 €, sowie Verdienstausfallschaden für 2008 in Höhe von 2.087,16 €, für 2009 in Höhe von 6.222,66 € und für 2010 in Höhe von 6.877,68 €, mithin insgesamt 69.828,50 € zuzusprechen. Daneben war ab dem 01.01.2011 bis 31.12.2047 vierteljährlich im Voraus eine Zahlung von 2.694,42 € zuzusprechen.
Der geltend gemachte Feststellungsantrag ist zulässig und begründet.
Weiteres schriftliches Vorbringen der Parteien nach der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2010 war gemäß § 296 a Satz 1 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen.
Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
IX.
Hinsichtlich des Freistellungsanspruches bzgl. Vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren besteht ein solcher Anspruch lediglich in Höhe von 2.748,42 € abzüglich bereits gezahlter 785,84 €.
Es ist nicht wie in Anlage K 4 von einem Gegenstandswert von 701.731,90 € auszugehen, sondern von einem Gegenstandswert von 113.616,31 €. Dieser setzt sich zusammen auch dem ausgeurteilten Zahlbetrag für weiteres Schmerzensgeld und rückständigen Haushaltsführungsschaden in Höhe von 54.641,25 € sowie 33.975,06 € für den 3,5-fachen Jahresbezug des Verdienstausfalles zum Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 9 ZPO; Herget in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 3 Rz. 16 Rentenansprüche) sowie 25.000,00 € für den Feststellungsantrag.
Nach Ansicht des Gerichts ist eine Geschäftsgebühr von 1,6 angemessen und ausreichend.
Die Geschäftsgebühr von 2.289,60 € ist um 20,00 € Post- und Telekommunikationspauschale sowie die Mehrwertsteuer zu erhöhen, so dass sich ein Betrag von insgesamt 2.748,42 € ergibt.
Von dem letztgenannten Betrag sind die bereits von der Beklagten unbestritten erbrachten Zahlungen in Höhe von 785,84 € abzuziehen, so dass ein Freistellungsanspruch in Höhe von 1.962,58 € verbleibt.
X.
Der Zinsanspruch ergibst auch aus einem Zahlbetrag von 54.501,91 € seit dem 10.10.2008 in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Kein Zinsanspruch besteht für die vierteljährlichen Vorauszahlungen (III. der Klageanträge (Blatt 2 der Akte)), da die ausgeurteilten Rückstände erst aufgrund der Fälligkeit während des Prozesses entstanden. Zinsanträge waren insoweit nicht gestellt. Die Höhe der Prozesszinsen ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
XI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen … vom 23.08.2010 zu tragen, da ihr Angriff gegen das Gutachten des Sachverständigen … vom 21.05.210 ohne Erfolg geblieben ist.
XII.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 8, 711 ZPO und § 709 Satz 1 und 2 ZPO.