FINANZGERICHT DÜSSELDORF
Az.: 7 K 1662/00 E
Urteil vom 19.08.2002
In dem Rechtsstreit hat der 7. Senat ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 19.8.2002 für Recht erkannt:
Die Einkommensteuer 1998 wird unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheides vom 29.7.1999 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung auf 1.392,25 € (2.723 DM) festgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Abzugsbetrages nach § 34 f Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG), sog. Baukindergeld.
Die Klägerin erzielte im Streitjahr 1998 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Zudem erzielte sie zusammen mit ihrem Lebensgefährten je zur Hälfte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des im Jahre 1992 angeschafften, teilweise fremdvermieteten Wohnhauses „A-Straße 1″ in „B-Stadt“. Für den von ihr und ihrem Lebensgefährten selbstgenutzten Teil des Hauses nahm die Klägerin im Streitjahr wie in den Jahren zuvor Wohnungseigentumsförderung nach § 10 e EStG in Anspruch. Im Haushalt lebt auch die am 17.1.1989 geborene gemeinsame Tochter „C“.
Zusammen mit ihren Einkommensteuererklärungen beantragten die Klägerin und ihr Lebensgefährte wie in den Vorjahren jeweils die Steuerermäßigung nach § 34 f Abs. 3 EStG in Höhe von 1.000 DM. Mit Einkommensteuerbescheid vom 29.7.1999 setzte der Beklagte die Einkommensteuer der Klägerin auf 3.223 DM fest. Dabei berücksichtigte er abweichend von den Vorjahren lediglich ein Baukindergeld gem. § 34 f Abs. 3 EStG in Höhe von 500 DM. Den dagegen rechtzeitig eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 9.2.2000 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, bei Gewährung des vollen Abzugsbetrages wären nicht verheiratete Eltern gegenüber verheirateten, die den Betrag nur einmal geltend machen könnten, begünstigt. Die Klägerin hat am Montag, dem 13.3.2000 Klage erhoben.
Sie trägt vor: Anders als bei verheirateten Eltern seien sie und ihr Lebensgefährte als zwei Steuerpflichtige anzusehen. § 34 f Abs. 3 EStG stehe jedem Steuerpflichtigen zu, der die dort genannten Voraussetzungen erfülle. Dies treffe auf sie zu. Zum einen nehme sie die Grundförderung nach § 10 e EStG in Anspruch, zum anderen gehöre zu ihrem gemeinsamen Haushalt das gemeinsame Kind „C“, für das ihr und ihrem Lebensgefährten ein Kinderfreibetrag zustehe. Die Rechtsfolgen habe der Gesetzgeber eindeutig in § 34 f EStG geregelt. Die Behörde habe diesbezüglich kein Ermessen. Eine Gleichstellung mit
verheirateten Eltern komme nicht in Betracht, weil diese – anders als sie – für insgesamt zwei Objekte die Wohnungsbauförderung in Anspruch nehmen könnten. Art. 3 und 6 Grundgesetz (GG) stünden dem nicht entgegen, weil deren Schutzbereich nicht verletzt sei.
Die Klägerin beantragt, unter Änderung des Einkommensteuerbescheid 1998 vom 29.7.1999 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung die Einkommensteuer um 500 DM zu ermäßigen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er trägt vor: Im Streitfall sei das Baukindergeld jedem Elternteil nur zur Hälfte zu gewähren, denn nichteheliche Gemeinschaften könnten nicht besser gestellt sein als Eheleute.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO -).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat die Einkommensteuer 1998 um 500 DM zu hoch festgesetzt, denn der Klägerin steht für das Streitjahr ein Abzugsbetrag nach § 34 f Abs. 3 EStG in Höhe von 1.000 DM zu.
Die Voraussetzungen für den Abzug von Baukindergeld nach § 34 f Abs. 3 EStG sind erfüllt.
Die Klägerin nimmt für das Streitjahr die Steuerbegünstigung nach § 10 e Abs. 1 EStG in Anspruch. Sie hat eine leibliche Tochter, die ihr steuerlich zuzurechnen ist (§ 34 f Abs. 3 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Die Tochter gehört auch zu h-rem Haushalt, denn sie lebt in der Familienwohnung und die Klägerin trägt die Verantwortung für ihr persönliches und materielles Wohl (Bundesfinanzhof -BFH- Urteil vom 14. November 2001 X R 24/99, Bundessteuerblatt -BStBI.- II 2002, 244).
Dem Anspruch auf Baukindergeld steht nicht entgegen, dass die Klägerin den Haushalt zusammen mit ihrem Lebensgefährten führt und dieser für dasselbe Kind ebenfalls die Förderung nach § 34 f EStG in Anspruch nimmt.
Zwar erfordert § 34 f EStG die Zugehörigkeit des Kindes „zum Haushalt des Steuerpflichtigen“, was bei zwei Steuerpflichtigen wie der Klägerin und ihrem Lebensgefährten sprachlich das Vorliegen zweier Haushalte bedeutet. Im Streitfall liegen aber auch zwei Haushalte vor, und zwar unabhängig von der tatsächlichen Ausgestaltung des Zusammenlebens. Haben die Klägerin und ihr Lebensgefährte die Haushaltsführung im gemeinsamen Haus tatsächlich organisatorisch und wirtschaftlich vollkommen getrennt, liegen ohnehin zwei Haushalte vor, zu denen das gemeinsame Kind jeweils gehört (vgl. BFH Urteil vom 14. April 1999 X R 121/95, Sammlung amtlicher Entscheidungen des BFH 188, 330). Dem Klagebegehren ist aber auch dann stattzugeben, wenn die Lebenspartner gemeinsam einen Haushalt führen. Dieser muss nämlich steuerlich sowohl als Haushalt der Klägerin als auch als Haushalt des Lebensgefährten angesehen werden. Das ergibt sich aus den Grundsätzen zur sog. „doppelten Haushaltsführung“, denn die Klägerin und ihr Lebensgefährte bewohnen die Wohnung jeweils aufgrund eigenen Rechts, halten sich dort außerhalb der arbeits- und urlaubsbedingten Abwesenheit im wesentlichen auf, beteiligen sich an den Kosten der Haushaltsführung und sind als mitbestimmender Teil in den Hausstand eingegliedert (vgl. Drenseck in Schmidt, EStG, 21. Aufl., § 9 Rz. 141 ff.).
Aus der Regelung des § 34 f Abs. 4 Satz 2 EStG ergibt sich nichts anderes. Diese Vorschrift schließt die doppelte Gewährung der Steuerermäßigung nämlich nur in Bezug auf dasselbe Abschreibungsobjekt, nicht dagegen hinsichtlich desselben Kindes aus (Stephan in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 34 f EStG, Tz. 48; Erhard in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 34 f EStG Tz. 42; Clausen in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 34 f EStG Anm. 9).
Soweit das Gesetz bei ähnlich gelagerten Sachverhalten eine doppelte Gewährung der Steuerbegünstigung verhindert, ergibt sich daraus für den Streitfall keine andere Beurteilung. Richtig ist, dass das Gesetz z. B. bei verheirateten, getrennt veranlagten Eltern eine Aufteilung des Baukindergeldes vorsieht (§ 26 a Abs. 2 Satz 3 EStG). Ferner steht auch das Kindergeld nach § 64 Abs. 1 EStG nur einem Berechtigten zu. Bei mehreren Berechtigten ist in § 64 Abs. 2 EStG ein Aufteilungsverfahren vorgesehen, das sicherstellen soll, dass das Kindergeld insgesamt nur einmal ausgezahlt wird. Im Rahmen des § 34 f EStG ist eine solche Aufteilung jedoch nicht vorgesehen. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften käme einer im Steuerrecht unzulässigen Analogie zu Lasten des Steuerpflichtigen gleich (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Tz. 360).
Auch die Verfassung gebietet keine Kürzung des Abzugsbetrages.
Nach Art. 3 Abs. 1 GG sind zwar wesentlich gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln. Andererseits sind jedoch wesentlich ungleiche Sachverhalte entsprechend ihrer Unterschiede ungleich zu behandeln. Der Einkommensteuergesetzgeber ist dem gefolgt und hat ausdrücklich zwischen verheirateten Steuerpflichtigen und nicht verheirateten Steuerpflichtigen unterschieden. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass verheiratete und unverheiratete Paare – zumindest für Zwecke der Einkommenbesteuerung – unterschiedlich behandelt werden. So werden Erstere bei Zusammenveranlagung wie ein Steuerpflichtiger behandelt (§ 26 b EStG) und können folglich den Abzugsbetrag nach § 34 f Abs. 3 EStG nur einmal geltend machen. Bei getrennter Veranlagung steht ihnen das Baukindergeld nur anteilig zu (§ 26 a Abs. 2 Satz 3). Andererseits steht Eheleuten die Förderung nach § 10 e EStG und § 34 f EStG auch dann zu, wenn sie gemeinsam zunächst ein Objekt und sodann ein anderes zu eigenen Wohnzwecken erwerben. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte werden demgegenüber stets als zwei selbständige Steuerpflichtige behandelt mit der Folge, dass bei beiden von ihnen mit der Inanspruchnahme der Grundförderung der Objektverbrauch eingetreten ist. Andererseits steht jedem von ihnen die Förderung nach § 34 f EStG zu. Im Ergebnis können die Klägerin und ihr Lebensgefährte folglich die gleiche Baukindergeldförderung in Anspruch nehmen wie verheiratete Eltern, die für zwei Objekte eine Wohnungsbauförderung in Anspruch nehmen.
Art. 6 GG steht der hier vertretenen Auffassung ebenfalls nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob ein verheiratetes Elternpaar – ungeachtet der vorstehenden Ausführungen zu Art. 3 Abs. 1 GG – unter Hinweis auf Art. 6 GG die gleiche – doppelte – Förderung beanspruchen könnte, wie unverheiratete Elternpaare. Jedenfalls kann die Schutzvorschrift des Art. 6 GG nicht dazu dienen, der Klägerin, die nicht dem Schutz dieser Vorschrift unterliegt, ihren gesetzlichen Anspruch auf Baukindergeld teilweise zu versagen. Diese Auffassung steht nicht im Widerspruch zur Entscheidung des BFH vom 14. April 1999 (a.a.O.). Darin hat der BFH die Frage der verfassungswidrigen Begünstigung von nicht verheirateten oder dauernd getrennt lebenden Eltern nämlich ausdrücklich offen gelassen.
Die hier gefundene Auslegung des § 34 f EStG widerspricht schließlich auch nicht dem Zweck der Norm. Insbesondere will die Vorschrift nicht nur den durch Kinder erhöhten Wohnbedarf und die damit verbundenen finanziellen Mehrbelastungen ausgleichen. Für den Anspruch auf Baukindergeld gemäß § 34 f EStG kommt es nur darauf an, dass die Kinder zum „Haushalt des Steuerpflichtigen“ gehören; ob sie auch in der Wohnung, für die der Steuerpflichtige die Grundförderung nach § 10 e EStG in Anspruch nimmt, wohnen, ist für die Steuerermäßigung nach § 34 f Abs. 3 EStG ohne Bedeutung (vgl. BFH Urteil vom 18. Oktober 2000, X R 19/96, BFHE 193, 349, BStBI. II 2001, 383).
Die Revision war zuzulassen. Die Entscheidung hat über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung für ähnliche, gleichgelagerte Fälle (§115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Der BFH hat im Urteil vom 14.4.1999 (a.a.O.) zwar Bedenken gegen die Ungleichbehandlung von verheirateten und unverheirateten Eltern angemeldet, die Rechtsfrage im entschiedenen Fall jedoch ausdrücklich offen gelassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.