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Umgangsrecht – Neuanbahnung bei jahrelanger Alkoholerkrankung

OLG Koblenz

Az: 11 UF 60/06

Beschluss vom 24.05.2006


In der Familiensache betreffend die Regelung des Umgangs mit den Kindern J… B… (*… Februar 1993) und P… B… (*… August 1998),

Der 11. Zivilsenat – 3. Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Koblenz am 24. Mai 2006 beschlossen:

1. Die befristete Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Mainz vom 5. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.

2. Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

3. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für den Beschwerderechtszug ohne Zahlungsbestimmung bewilligt; ihr wird Rechtsanwalt T… D… in … beigeordnet.

Gründe:

I.

Die betroffenen Kinder entstammen, wie auch das bereits volljährige Kind Je… B… (*… Juni 1987), der Ehe der Antragstellerin mit dem Antragsgegner, die durch Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 23. April 2003 rechtskräftig geschieden wurde; im Verbundurteil wurde die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder auf den Antragsgegner allein übertragen. Im vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin die Regelung des Umgangs mit den betroffenen Kindern, der ihr seit der Übernahme der Kinder im Mai 2002 durch den Antragsgegner verwehrt wird.

Die Antragstellerin leidet seit etwa sieben Jahren – u.a. – an Alkoholabhängigkeit mit psychosozialen und somatischen Auswirkungen; sie wurde wiederholt wegen akuter Rauschzustände mit Vergiftungserscheinungen stationär aufgenommen und unterzog sich vom 6. Oktober 2003 bis zum 24. Januar 2004 und nochmals – nach erneuter Rückfälligkeit – vom 29. November bis 29. Dezember 2004 jeweils einer stationären Entwöhnungsmaßnahme (Entlassungsbericht Bl. 6 ff. GA; ärztlicher Bericht Bl. 91 GA). Sie befindet sich zwischenzeitlich in hausärztlicher sowie verhaltenstherapeutischer Betreuung, geht einer geregelten Berufstätigkeit nach und ist wieder verheiratet.

Das Amtsgericht hat – nach Anhörung der Parteien und unter Berücksichtung von Stellungnahmen der weiteren Beteiligten zu 3. und 4. (Bl. 24 f.; 49 ff. und 56 GA) – mit Beschluss vom 5. Januar 2006 (Bl. 57 – 63 GA) der Antragstellerin den Umgang mit den betroffenen Kindern in Abwesenheit des Antragsgegners, bei Koordination durch die weitere Beteiligte zu 3., „unter Betreuung des Kinderschutzbundes … und nach Maßgabe der dortigen Empfehlungen“ gewährt; zugleich wurde der Antragstellerin (rückwirkend) ab Januar 2005 die Vorlage von monatlichen ärztlichen Befunden betreffend die „Alkoholproblematik“ auferlegt. Hiergegen richtet sich die (befristete) Beschwerde des Antragsgegners (Bl. 71 ff. GA).

Der Antragsgegner verfolgt im zweiten Rechtszug den vollständigen Ausschluss des Umgangsrechts der Antragstellerin. Er bringt vor, dass sich nachträglich die Unwahrheit aller Angaben der – nach wie vor akut alkoholkranken – Antragstellerin herausgestellt habe; gegenüber der Tochter Je… habe sie ein dermaßen unkontrolliert aggressives und kinderfeindliches Verhalten gezeigt, dass ein – auch begleiteter – Umgang mit den betroffenen minderjährigen Kindern nicht mehr angebracht sei.

Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluss und stellt ihr Verhältnis zur Tochter Je… abweichend dar; sie habe im Übrigen zwischenzeitlich der weiteren Beteiligten zu 3. die – unauffälligen – ärztlichen Befunde seit Januar 2005 vorgelegt.

Die weiteren Beteiligten zu 3. und 4. haben im Beschwerdeverfahren Stellung genommen (Bl. 92 ff. und 95 f. GA).

II.

Die befristete Beschwerde ist statthaft (§ 621 e Abs. 1 i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat mit Recht – ersichtlich unter dem Einfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – eine Neuanbahnung des Kontakts der Antragstellerin zu den betroffenen Kindern im Wege des begleiteten Umgangs eröffnet.

a) Das Familiengericht kann das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist (§ 1684 Abs. 4 Satz 1 BGB); soll dies für längere Zeit oder gar auf Dauer geschehen, muss andernfalls das Kindeswohl gefährdet sein (§ 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB). Geboten ist – unter Berücksichtigung des aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 25 Abs. 1 Satz 1 LV fließenden Elternrechts und im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen am Maßstab des Kindeswohls (vgl. BVerfG FamRZ 1983,872,873 f.;1993,662; BGH NJW 1994,312,313; s. auch EuGHMR FamRZ 2004,337,339 ff. zur komplementären Garantie in Art. 8 EMRK). Dabei ist davon auszugehen, dass der Umgang mit beiden Elternteilen in der Regel zum Wohl des Kindes gehört (§ 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB); eine Kindeswohlgefährdung i:S.d. § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB kann daher nur angenommen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine konkrete Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes vorliegt (BVerfG FamRZ 1983,872,873 f.; Veit in: Bamberger/Roth, BGB, 1. Auflage 2003, § 1684 Rn. 35). Der Wille des betroffenen Kindes oder die strikte Ablehnung durch den betreuenden Elternteil allein vermögen die besonders einschneidende Maßnahme der Ausschließung des Umgangsrechts regelmäßig nicht zu rechtfertigen (vgl. OLG Hamm FamRZ 2003,951 f.; Veit a.a.O. Rn. 38).

b) Im vorliegenden Fall erscheinen die vom Amtsgericht angeordneten Schutzmaßnahmen auch nach Auffassung des Senats geeignet und ausreichend, um einer angesichts der langjährigen, durch zahlreiche Rückfälle geprägten Alkoholerkrankung der Antragstellerin nicht ganz auszuschließenden Kindeswohlgefährdung vorzubeugen (§ 1684 Abs. 4 Satz 1, 3 und 4 BGB; vgl. auch KG FamRZ 2002,412). Der mit der Betreuung – im Zusammenwirken mit der weiteren Beteiligten zu 3. – beauftragte Kinderschutzbund Mainz ist danach in der Lage, die Vorbereitung sowie die spätere Durchführung des – seit Mitte 2002 ausgesetzten – Umgangs flexibel zu gestalten und sich im Besonderen auch fortlaufend einen Einblick über den aktuellen Stand der Suchttherapie der Antragstellerin zu verschaffen. Unter Anleitung und Begleitung durch therapeutische und pädagogische Fachkräfte soll „im Rahmen einer kontinuierlichen und kritischen Auseinandersetzung“ mit der Antragstellerin ein tragfähiges Umgangskonzept erarbeitet werden, das – verstanden als Prozess – die „Vorbereitung einer möglichen Wiederannäherung zwischen Mutter und Kindern“ bezweckt (Stellungnahme der weiteren Beteiligten zu 3. vom 20. März 2006; Bl. 95 f. GA). Der weitere Beteiligte zu 4. hat sich diesem Konzept angeschlossen („Veränderung zum Besseren“; Stellungnahme vom 20. März 2006 – Bl. 92 ff. GA -, ergänzt durch Schriftsatz vom 12. Mai 2006 – Bl. 103 f. GA -); auch die Antragstellerin hat der vorgeschlagenen Verfahrensweise ausdrücklich zugestimmt (Protokoll Bl. 47 f. GA).

Die betroffenen Kinder stehen einem möglichen – beschützten – Umgang mit ihrer Mutter zumindest nicht ablehnend (P…) oder sogar durchaus positiv (J…) gegenüber (Bericht des Beteiligten zu 4. vom 12. Dezember 2005; Bl. 49 ff. GA); ihre – auch nicht beantragte – persönliche Anhörung erachtet der Senat als nicht geboten (§ 50 b FGG). Die Therapie der – in ihrer Persönlichkeit und ihren Lebensumständen offensichtlich wieder etwas gefestigten – Antragstellerin scheint sich im Übrigen aus derzeitiger Sicht recht erfreulich zu gestalten (Stellungnahme der weiteren Beteiligten zu 3. vom 20. März 2006 a.a.O.), wenngleich der Weg zur Abstinenz ein schwerer bleiben wird. Als besondere Motivation könnte hier gerade auch die greifbare Perspektive der Wiedereröffnung des Umgangsrechts wertvoll sein.

Soweit der Antragsgegner das – offensichtlich schwer gestörte – Verhältnis der Antragstellerin zur volljährigen Tochter Je… herausstellt, vermag dies eine weiter gehende Einschränkung oder gar einen Ausschluss des Umgangsrechts gegenüber den betroffenen minderjährigen Kindern nicht zu rechtfertigen.

Von einer (nochmaligen) Anhörung der Eltern hat der Senat abgesehen (§ 50 a FGG).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG; die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 30 Abs. 2, Abs. 3, 131 Abs. 2 KostO.

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