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Bürgschaftsablösung – neuer Anspruch

OLG Celle

Az.: 3 U 182/09

Urteil vom 17.02.2010


Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15. Juli 2009 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, die die jeweils zu vollstreckende Forderung um 10 % übersteigt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger ist der Testamentsvollstrecker des im Verlaufe des Prozesses verstorbenen Rechtsanwalts L. (im Folgenden nur noch Erblasser), der die Beklagte auf Rückerstattung eines seiner Meinung nach zu Unrecht vereinnahmten Betrages in Anspruch nimmt.

Der Erblasser übernahm am 31. März 1999 eine selbstschuldnerische Bürgschaft zugunsten der S. GmbH (Hauptschuldnerin) zur Absicherung eines der Hauptschuldnerin von der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Y.-Bank (im Folgenden nur noch Beklagte), gewährten Kontokorrentkredits bis zu einem Höchstbetrag von 150.000 DM (Bl. 10 GA). Am 21. Dezember 2000 verbürgte sich der Erblasser für eine weitere Forderung der Beklagten aus einem Darlehensvertrag mit derselben Hauptschuldnerin in Höhe von 65.000 DM (Bl. 11 GA). Als die Hauptschuldnerin in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, kündigte die Beklagte die Geschäftsverbindung, worüber sie den Erblasser mit Schreiben vom 21. Februar 2002 informierte und zugleich darauf hinwies, dass mit der Fälligstellung der Kredite auch die Voraussetzungen für seine Inanspruchnahme aus den Bürgschaften vorlägen (Bl. 66 GA). Nachdem am 26. April 2002 über das Vermögen der Hauptschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, setzte die Beklagte diese Ankündigung um und nahm den Erblasser aus den Bürgschaften in Anspruch, deren Höhe sie mit Schreiben vom 5. Juni 2002 (Bl. 13 f. GA) mit vorläufig 89.765,21 € bezifferte. In diesem Zusammenhang verhandelten der Erblasser und die Beklagte über die Möglichkeit der Kreditierung der Bürgschaftszahlung, weil der Erblasser aufgrund seiner damaligen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage war, die Bürgschaftssumme aus eigenen Mitteln aufzubringen. Parallel dazu meldete die Beklagte ihre Forderungen gegen die Hauptschuldnerin zur Insolvenztabelle an.

Am 17. Dezember 2002 schlossen der Erblasser und die Beklagte einen Darlehensvertrag über eine Valuta in Höhe von 95.000 € zu einem Zinssatz von 5,55 % p. a. (effektiv 5,70 %) und einer Zinsfestschreibung bis zum 30. November 2007. In der Rubrik „Verwendungszweck“ heißt es: „Ablösung der Verbindlichkeiten der Firma S. GmbH auf Konto-Nr. aa (Inanspruchnahme aus Bürgschaften).“ Die Höhe des Darlehens entsprach der offen stehenden Bürgenschuld einschließlich bis dahin aufgelaufener Zinsen. Das Darlehen wurde u. a. durch eine Grundschuld an dem Grundstück des Erblassers in W. gesichert (Anlage B K 1, 2, 3, Bl. 164, 168, 169 ff. GA). Ob der Darlehensvertrag auf Initiative des Erblassers zustande gekommen war oder die Beklagte ihm angeboten hatte, die Bürgschaftsforderung zu kreditieren, ist zwischen den Parteien streitig. Mit an den Erblasser gerichtetem Schreiben vom 8. Januar 2003 bestätigte die Beklagte die Ablösung der übernommenen Bürgschaften und fügte die Originalurkunden bei (Bl. 67 GA). Am 31. Mai 2003 nahm die Beklagte die Anmeldung ihrer Forderungen zur Insolvenztabelle zurück (Bl. 61 GA). Das Amtsgericht Celle stellte das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Hauptschuldnerin Mitte Juni 2006 mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ein.

Die vereinbarten Darlehensraten zahlte der Erblasser bis Ende 2006/Anfang 2007 ordnungsgemäß, sodann stellte er die Zahlungen ein. Auf Aufforderung der Beklagten, das Darlehen zurückzuführen, berief er sich mit Schreiben vom 23. Mai 2007 (Bl. 17 ff. GA) auf die zwischenzeitlich eingetretene Verjährung der Hauptschuld. Die Beklagte forderte ihn mit Schreiben vom 4. Juni 2007 zum Ausgleich des Rückstands auf (Anlage B K 4, Bl. 171 GA). Mit Schreiben vom 24. Juli 2007 setzte sie eine letzte Frist bis zum 10. August 2007 und drohte die Kündigung der Geschäftsbeziehung und die Verwertung der Sicherheiten an. Der Erblasser veräußerte in der Folge im Spätsommer 2007 seine Immobilie in W. Die Erteilung der Löschungsbewilligung hinsichtlich der zu ihren Gunsten darauf lastenden Grundpfandrechte machte die Beklagte von der Zahlung eines Betrages von zunächst 187.500 € (Anlage B K 7, Bl. 174 GA), zuletzt 175.000 € (Anlage B K 9, Bl. 176 GA) abhängig. Von diesem ihr ausgekehrten Betrag verrechnete sie 64.470,50 € auf die in Rede stehende Schuld.

Mit der Klage begehrt der Kläger die Rückerstattung dieses Betrages abzüglich eines auf eine von ihm als berechtigt anerkannte (anderweitige) Kreditforderung der Beklagten zu zahlenden Betrages in Höhe von 25.000 €. Er hat weiterhin die Auffassung vertreten, die Bürgenschuld sei aufgrund der Verjährung der Hauptschuld erloschen. Durch den abgeschlossenen Darlehensvertrag sei kein neues Schuldverhältnis geschaffen, sondern lediglich die Bürgenschuld kreditiert worden. Er hat den Willen der (vormaligen) Parteien bestritten, durch den Darlehensvertrag einen von den bisherigen Bürgschaften unabhängigen neuen Schuldgrund zu schaffen, der Einwendungen aus den Bürgschaften ausschließe. Vielmehr habe der Erblasser mit der Beklagten lediglich eine Ratenzahlungsvereinbarung zur Begleichung der Bürgenschuld getroffen. Der Erblasser sei darüber hinaus damals nicht einmal davon unterrichtet worden, dass das Insolvenzverfahren gegen die Hauptschuldnerin bereits eröffnet gewesen sei. Der Kläger hat der Beklagten in diesem Zusammenhang weiter vorgeworfen, durch die Rücknahme der Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle erst die Verjährung der Hauptschuld herbeigeführt zu haben, weshalb es dem Erblasser nicht mehr möglich gewesen sei, die Hauptschuldnerin seinerseits gemäß § 774 BGB in Anspruch zu nehmen. Anderenfalls hätte er als Bürge lediglich die Rechtsnachfolge nach dem Hauptgläubiger nachweisen müssen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 64.470,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich auf Kreditkonten des Klägers bei der Beklagten mit der Nr. A und B zu verrechnenden 25.000 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, mit dem Darlehensvertrag sei ein neuer von den Bürgschaften unabhängiger Schuldgrund geschaffen worden. Überdies habe der Erblasser die Bürgschaftsschuld anerkannt und zumindest konkludent auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichtet. Die Erhebung der Einrede sei mit Blick darauf, dass – wie die Beklagte behauptet hat – es der Kläger gewesen sei, der den Abschluss des Darlehensvertrages gewollt habe, zudem rechtsmissbräuchlich.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe abzüglich des zu verrechnenden Betrages von 25.000 € ein Anspruch auf Zahlung von 64.470,50 € gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BGB zu. Diese habe das Guthaben auf dem Konto des Erblassers nicht mit ihrer Forderung aus dem Darlehensvertrag verrechnen dürfen, weil ihr eine solche nicht zugestanden habe. Der Erblasser habe zu Recht die Einrede der Verjährung der Hauptschuld nach § 768 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 214 Abs. 1 BGB erhoben. Die Hauptforderung sei trotz zwischenzeitlicher Hemmung durch die Anmeldung zur Insolvenztabelle im Verlauf des Jahres 2006 verjährt. Die Berufung auf die Einrede der Verjährung der Hauptschuld sei nicht durch den Abschluss des Darlehensvertrages ausgeschlossen, da hierin keine Novation der Bürgschaftsschuld liege. Bei dem Darlehensvertrag handele es sich nur formal um einen von dem ursprünglichen Bürgschaftsvertrag losgelösten Vertrag. Ein auf eine Novation gerichteter eindeutiger Wille beider Parteien sei nicht erkennbar. Der Darlehensvertrag sei vielmehr ersichtlich zu dem Zweck geschlossen worden, die Darlehensschuld (gemeint ist die Bürgenschuld) zu kreditieren, also eine Ratenzahlungsvereinbarung mit Zinsen zu treffen, weil der Kläger nicht in der Lage gewesen sei, die Forderung in einer Summe zu begleichen. Dies ergebe sich aus dem Schriftverkehr der Vertragsparteien und aus dem im Darlehensvertrag benannten Zweck, wobei die Darlehensvaluta genau der Restforderung aus der Bürgschaftsschuld entsprochen habe. Ein eindeutiger Wille der Parteien lasse sich auch nicht daraus ableiten, dass die Bürgschaftsurkunden von der Beklagten an den Erblasser zurückgeschickt worden seien. Hierbei habe es sich um einen einseitigen Akt der Beklagten gehandelt. Allein die rügelose Annahme der Urkunden durch den Erblasser reiche nicht aus, um hierin eine Zustimmung zu einer Novation zu erblicken. Der Einrede der Verjährung stehe der Wegfall der Hauptschuld nicht entgegen, denn der Bürge könne sich weiterhin auf die Einrede der Verjährung der Hauptforderung berufen. Der Kläger habe auch weder konkludent auf die Einrede der Verjährung verzichtet noch ein Schuldanerkenntnis nach §§ 780, 781 BGB abgegeben. Schließlich sei dem Kläger ein rechtsmissbräuchliches oder treuwidriges Verhalten nicht vorzuwerfen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klagabweisungsantrag weiterverfolgt. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Den seinerzeitigen Parteien sei bewusst gewesen, dass die Hauptforderung – ebenso wie der Rückgriffsanspruch des Bürgen gemäß § 774 BGB – wirtschaftlich wertlos gewesen sei und es auf die Verwertung der Sicherheiten ankommen würde. Der darauf bezogene Schriftwechsel sei in Kenntnis des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Hauptschuldnerin geführt worden. Es sei den Parteien insoweit nicht lediglich darum gegangen, die Bürgschaftsforderung kurzfristig zu stunden. Vielmehr sei das Erfordernis gesehen worden, einen eigenständigen Darlehensvertrag zu vereinbaren, dessen Festzinslauf von vornherein für einen den Zeitpunkt des Ablaufs der Verjährungsfrist der Hauptforderung überschreitenden, längeren Zeitraum vereinbart worden sei. Für eine Stundung der Bürgschaftsschuld hätte ein formloses Schreiben ausgereicht. Überdies habe die Beklagte – unstreitig – von dem Erblasser im Zusammenhang mit dem Abschluss des Darlehensvertrages die Stellungen von Sicherheiten verlangt und auch mit der Grundschuld an dem Wohngrundstück in W. erhalten.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 15. Juli 2009 (Az. 3 O 275/07) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rückerstattung des von der Beklagten vereinnahmten Verwertungserlöses aus dem Verkauf des Grundstücks des Erblassers in W. in Höhe von 64.470,50 € zu.

1. Als Anspruchsgrundlage kommt vorliegend allein ein Anspruch aus einer Leistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz, 1. Alt. BGB in Betracht und nicht – wie das Landgericht angenommen hat – ein solcher aus einer Eingriffskondiktion gemäß § 812 Abs.1 Satz 1, 2. Alt. BGB, denn der im Streit stehende Geldbetrag ist letztlich im Einvernehmen mit dem Erblasser, d. h. bewusst und zweckgerichtet zu Erfüllung der Treuhandauflage der Beklagten, von der diese anlässlich des Verkaufs des Grundstücks des Erblassers in W. die Erteilung der Löschungsbewilligung der zu ihren Gunsten im Grundbuch eingetragenen Grundschulden abhängig gemacht hatte, an diese geflossen und ist mithin geleistet worden.

Die Beklagte hat den in Rede stehenden Geldbetrag jedoch mit Rechtsgrund erlangt.

a) Ihr stand aus dem mit dem Erblasser geschlossenen Darlehensvertrag gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB eine fällige Forderung in Höhe der Klagforderung zu, weshalb sie den Veräußerungserlös aus dem Verkauf des Grundstücks zu Recht in dieser Höhe vereinnahmt hat.

Zweifel an der Wirksamkeit des zwischen den Parteien am 17. Dezember 2002 über eine Nettokreditsumme von 95.000 € abgeschlossenen Darlehensvertrags bestehen nicht.

Der Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehensvertrag war ferner in voller Höhe fällig, obwohl die Beklagte ein Kündigungsschreiben nicht hat vorlegen können. Unstreitig war der Erblasser mit mehr als zwei Darlehensraten in Verzug und stellte seine über die bislang geleisteten Zahlungen hinaus gehende Verpflichtung überdies in Abrede. Auf die Aufforderungsschreiben der Beklagten vom 4. Juni und 14. Juli 2007, den Rückstand auszugleichen, reagierte er nicht. Die Voraussetzungen für eine Kündigung gemäß § 490 BGB – § 498 BGB ist wegen des hier gegebenen Immobiliarkredits nicht einschlägig – lagen mithin vor. Selbst wenn aber eine ausdrückliche Kündigung im Folgenden unterblieben wäre, ist vorliegend von einer konkludenten Kündigungserklärung, jedenfalls von einer einvernehmlichen Aufhebung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Erblasser und der Beklagten und einer damit verbundenen Fälligstellung der offenen Forderungen – soweit berechtigt – auszugehen. Denn anders kann ihr Verhalten – die Veräußerung des mit den Grundpfandrechten der Beklagten belasteten Grundstücks durch den Erblasser und der Schriftwechsel zur Erteilung der Löschungsbewilligung gegen Ablösung der offenen Forderungen der Beklagten aus der Bankverbindung unter Einschluss der in Rede stehenden offenen Darlehensforderung – nicht aufgefasst werden. Insbesondere hatte der Erblasser der Beklagten bereits mit Schreiben vom 17. Juli 2007 (Anlage B K 6, Bl. 173 GA) seine Verkaufsabsicht angezeigt und um Mitteilung gebeten, gegen Zahlung welchen Betrages sie bereit sei, die Löschung der Grundschulden zu bewilligen. Dass es dabei um die Frage ging, in welcher Höhe die den Grundpfandrechten zugrunde liegenden schuldrechtlichen Forderungen – so auch die in Rede stehende – valutierten, lag auf der Hand. Darüber ist im Folgenden Schriftwechsel geführt worden (Schreiben vom 3. August, 7. August und 31. August 2007, Anlagen B K 7 bis 9, Bl. 174 ff. GA), weshalb es wegen des schon Mitte September 2007 vollständig abgewickelten Kaufvertrages unnötig war, eine gesonderte Kündigung des Vertragsverhältnisses vorzunehmen. Ob der Erblasser demgegenüber mit der vorgenommenen Verrechnung als solcher einverstanden war, spielt keine Rolle. Insoweit geht es allein um die Frage, ob aus dem Darlehensverhältnis noch Ansprüche bestanden. Dies hatte jedoch nichts mit dessen einvernehmlicher Aufhebung zu tun. Schließlich läge zumindest in der Verteidigung gegen die Klagforderung eine – konkludente – Kündigung des Engagements.

b) Die Höhe der offenen Darlehensforderung steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

c) Der Erblasser konnte sich gegenüber der Forderung der Beklagten auf Rückzahlung des ihm gewährten Darlehens auch nicht mit Erfolg gemäß § 768 BGB auf die Verjährung der mit den Bürgschaften gesicherten Hauptschulden berufen.

aa) Gemäß § 768 BGB kann der Bürge seinem Gläubiger gegenüber alle auch dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen, mithin auch die Einrede der Verjährung der Hauptschuld erheben. Die Bürgschaften, die der Erblasser zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten gegen die Hauptschuldnerin aus zwei Kreditverhältnissen abgegeben hatte, sind jedoch durch den Abschluss des Darlehensvertrages vom 17. Dezember 2002 abgelöst worden und damit durch Erfüllung erloschen. Der Darlehensvertrag war von der ursprünglichen Hauptschuld unabhängig, weshalb etwaige Einreden, die dem Erblasser aus den Bürgschaften zugestanden haben, nicht mehr zum Tragen kommen. Vielmehr ist das alte Schuldverhältnis (die Bürgschaften) durch einen Vertrag mit einem anderen Inhalt ersetzt worden. Insbesondere ist es irrelevant, ob die Hauptschuld inzwischen verjährt war – was das Landgericht allerdings mit zutreffenden Erwägungen, denen sich der Senat anschließt, festgestellt hat.

bb) Der Darlehensvertrag vom 17. Dezember 2002 diente insbesondere nicht der Stundung der Bürgenschuld verbunden mit einer Ratenzahlungsvereinbarung, sondern ihrer (vollständigen) Tilgung.

(1) Der Beklagten stand ein wirksamer und fälliger Anspruch gegen den Erblasser aus § 765 BGB zu. Mit der Kündigung der Kredite gegenüber der Hauptschuldnerin im Februar 2002 (vgl. Bl. 66 GA), spätestens aber mit deren Insolvenz im Frühjahr 2002 war der Bürgschaftsfall eingetreten, und die Bürgschaften, gegen deren Wirksamkeit keine Bedenken bestehen, wurde mit der Inanspruchnahme des Erblassers fällig. Die Einrede der Vorausklage hatten die vormaligen Parteien ausgeschlossen.

(2) Der Erblasser war damals finanziell nicht in der Lage, die Bürgschaftssumme aufzubringen, weshalb er – ob aus eigener Initiative oder auf Anregung der Beklagten hin, ist unerheblich – um Kreditierung der Bürgschaftszahlung (vgl. Bl. 13 GA) bat. Aus diesem Grund ist in der Folge der Darlehensvertrag vom 17. Dezember 2002 geschlossen worden. Wie bereits dem Verwendungszweck zu entnehmen ist, sollten mit der Darlehensvaluta die durch die Bürgschaften gesicherten Hauptschulden abgelöst werden. Infolgedessen sind die Hauptschulden und gleichzeitig die hierzu akzessorischen Forderungen aus den Bürgschaften erloschen, weshalb die Beklagte dem Erblasser mit Schreiben vom 8. Januar 2003 auch die Originalbürgschaftsurkunden zurückgesandt (Bl. 67 GA) und – aus ihrer Sicht konsequent – die zur Tabelle angemeldete Forderung gegen die Hauptschuldnerin zurück genommen hat. Anders als das Landgericht meint, weist der Verwendungszweck des Darlehensvertrages gerade nicht auf eine mit Blick auf die fällige Bürgenschuld getroffene Ratenzahlungsvereinbarung mit Zinsen hin. Denn in diesem Fall ergäbe der Hinweis auf die Ablösung der Hauptschuld, die zudem in einem Betrag („Auszahlungskurs 100 %“) und nicht ratierlich erfolgen sollte, keinen Sinn. Dass der Kreditbetrag der verbliebenen Hauptforderung und damit der Bürgenschuld entsprach, lässt nicht auf deren bloße Stundung schließen, denn derselbe Betrag musste zur Ablösung von Haupt- bzw. Bürgenschuld aufgebracht werden. Dem zeitlichen Zusammenhang – die Rücksendung der Urkunden erfolgte mit Blick auf die vorangegangenen Weihnachtsfeiertage zeitnah, die Rücknahme der Anmeldung zur Tabelle aber deutlich später – ist dabei keine besondere Bedeutung beizumessen.

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Dass es sich bei dem Darlehen um eine – wie der Kläger es ausdrückt – Ratenzahlungsvereinbarung zur Tilgung der Bürgschaft handelt, bei der es keine Rolle spielen soll, ob diese in einen Darlehensvertrag „gegossen“ wird oder nicht, ist schon deswegen nicht anzunehmen, weil Raten nur auf das Darlehen und nicht auf die Bürgschaft gezahlt worden sind. Der Erblasser ist vielmehr eine neue rechtliche Verpflichtung eingegangen, um die alte Schuld zu begleichen, weil er anderenfalls Gefahr gelaufen wäre, von der Beklagten mit einem Rechtsstreit und anschließend mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen überzogen zu werden. Den Darlehensvertrag hätte er vor diesem Hintergrund auch mit jeder anderen Bank schließen können.

Den vorgelegten Urkunden ist ein auf eine bloße (kreditierte) Ratenzahlungsvereinbarung gerichteter Parteiwille demgegenüber nicht im Ansatz zu entnehmen. Dass die Beklagte dem Erblasser ein Darlehen zur ratierlichen Erfüllung der Bürgenschuld zur Verfügung stellen und dessen Durchsetzbarkeit vom Bestand der Hauptschuld abhängig machen wollte, ist schon angesichts ihrer Interessenlage fernliegend. Der schriftlich geäußerte Wunsch des Erblassers vom 25. Juli 2002 (Bl. 64 GA), ihm in Höhe der Bürgenschuld ein Darlehen zu gewähren, kann ebenfalls nicht in dem nunmehr behaupteten Sinn verstanden werden. Vielmehr ging es ihm ersichtlich lediglich darum, anstelle der Bürgschaft ein Darlehen aufzunehmen, das er in monatlichen Beträgen tilgen konnte, und nicht etwa um eine Stundung der gegen ihn gerichteten Forderung. Der Erblasser – selbst Rechtsanwalt und Notar – hätte anderenfalls nicht davon gesprochen, das Darlehen, sondern die Bürgschaft in Teilbeträgen tilgen zu wollen. Hinzu kommt, dass der Erblasser für das Darlehen Sicherheiten – nämlich u. a. eine Grundschuld an seinem Grundstück in W. – bestellt hat, was mit der Ablösung der Bürgschaft durch den Darlehensvertrag ohne Weiteres in Einklang zu bringen ist, nicht aber mit einer auf den Abtrag der Bürgschaft gerichteten Ratenzahlungsvereinbarung. Denn die Bürgschaft stellt ihrerseits eine Personalsicherheit dar, deren eigenständige Absicherung durch eine Realsicherheit nicht nur unüblich sein dürfte, sondern auch einer expliziten Abrede bedurft hätte.

Die Auffassung des Klägers, es mache keinen Unterschied aus, ob eine Ratenzahlungsvereinbarung mit oder ohne Darlehensvertrag getroffen werde, vermag der Senat in Anbetracht der aufgezeigten Umstände nicht zu teilen. Soweit sich der Kläger zur Begründung seiner Rechtsauffassung auf ein Urteil des Bundesgerichtshof vom 5. November 1998 (IX ZR 48/98, WM 1998, 2540 ff. = NJW 1999, 278 f.) stützt, ging es in dem dort entschiedenen Fall – anders als hier – gerade um eine auf die Bitte des dort in Anspruch genommenen Bürgen getroffene Vereinbarung, die Bürgenschuld in monatlichen Raten begleichen zu dürfen, wobei sich jener im Folgenden auf die Verjährung der Hauptforderung berief, ohne dass dabei ein Darlehensvertrag eine Rolle gespielt hätte.

Zwar ist zutreffend, dass eine Schuldumschaffung (hier Ersetzung der Bürgschaftsschuld durch den Darlehensvertrag) an strenge Voraussetzungen geknüpft ist und nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und bereits des Reichsgerichts bei der Feststellung des Willens der Parteien, das alte Schuldverhältnis aufzuheben und durch ein neu begründetes Rechtsverhältnis zu ersetzen, große Vorsicht geboten und bei Zweifeln an einer Schuldumschaffung regelmäßig von einem Abänderungsvertrag auszugehen ist (BGH, Urteil vom 14. November 1985 – III ZR 80/84, WM 1986, 135 ff., hier zitiert nach Juris Rn. 16). Solche Zweifel ergeben sich aus vorstehenden Gründen aber gerade nicht.

Abgesehen davon hatte der Erblasser – wie vorstehend ausgeführt – einen nachvollziehbaren wirtschaftlichen Grund, den Darlehensvertrag einzugehen, weil anderenfalls die Beklagte die Bürgschaft in anderer Weise durchzusetzen versucht hätte. Gerade dem Erblasser dürfte dabei klar gewesen sein, dass ihm durch den Abschluss des die Bürgschaft ablösenden Darlehensvertrages Einwendungen, die er im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft hätte erheben können, abgeschnitten worden sind.

Soweit der Senat mit Urteil vom 2. November 1988 (3 U 191/87, Umdruck Seite 6) in einem nur vom Grundsachverhalt vergleichbaren Fall ausgesprochen hat, dass es sich bei Bürgschaftsvertrag und Kreditvertrag nur formal um zwei selbständige Rechtsgeschäfte handele, die untrennbar zusammenhingen, steht dies nicht im Widerspruch zu den hier anzustellenden Überlegungen. Damals hatte die klagende Bank mit dem Bürgen ebenfalls einen Kreditvertrag über die offene Bürgenschuld geschlossen. In der Sache ging es jedoch nicht um die Verjährung der ursprünglich gesicherten Hauptforderung, sondern um die Frage, ob der Bürge und Darlehensnehmer („originäre“) Einwendungen aus dem Bürgschaftsvertrag (und nicht aus dem Vertrag über die Hauptschuld) auch in dem Darlehensverhältnis geltend machen durfte, wobei dort behauptet worden war, der Bürge sei bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages arglistig getäuscht worden, weshalb er sich auch mit Blick auf den nachfolgend geschlossenen Darlehensvertrag auf einen Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss berief, den der Senat im Übrigen verneint hat. Die Fallgestaltungen weichen mithin in wesentlichen Gesichtspunkten voneinander ab, weshalb die – die damalige Entscheidung nicht tragenden – Feststellungen des Senats nicht dahin missverstanden werden können, der Darlehensnehmer dürfe stets alle Einwendungen erheben, die dem Bürgen nur aufgrund der Akzessorietät der Bürgenforderung zugestanden hätten.

d) Es ist daher nicht mehr von Bedeutung, ob der Kläger bzw. der Erblasser auf die Einrede der Verjährung verzichtet oder Letzterer ein selbständiges Schuldanerkenntnis abgegeben hat, wobei sich für beides keine Anhaltspunkte finden.

2. Sonstige Ansprüche sind im Verhältnis zwischen den Parteien nicht ersichtlich. Insbesondere kommt ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB in Höhe der Klagforderung nicht in Betracht.

a) Vor allem kann der Kläger nichts daraus herleiten, dass die Beklagte die bereits zur Tabelle angemeldete Forderung gegen die Hauptschuldnerin wieder zurückgenommen hat und deshalb der auf den Erblasser gemäß § 774 BGB übergegangene Anspruch verjährt ist. Zum einen ist der Anspruch gegen die Hauptschuldnerin nicht vor Ende 2006, wahrscheinlich aber erst Ende März 2007 verjährt, weshalb der Erblasser seine Forderung seinerseits mit verjährungshemmender Wirkung zur Tabelle hätte anmelden können. Zum anderen wäre selbst dann, wenn die Forderung der Beklagten angemeldet geblieben wäre und der Erblasser lediglich seine Rechtsnachfolge hätte nachweisen müssen, die Forderung doch ersichtlich wirtschaftlich wertlos gewesen, denn das Verfahren ist mangels Masse eingestellt worden.

b) Welche Bedeutung dem Umstand zukommen soll, ob zwischen dem Erblasser und der Beklagten erörtert worden ist, dass die Forderung gegen die Hauptschuldnerin wirtschaftlich wertlos war, ist nicht zu erkennen. Dass die Hauptschuldnerin insolvent geworden ist bzw. ein dritter Gläubiger einen Insolvenzantrag gestellt hatte, war gerade der Anlass, aus dem der Erblasser aus der Bürgschaft in Anspruch genommen wurde, was ihm die Beklagte mit Schreiben vom 21. Februar 2002 mitgeteilt hat (Bl. 66 GA). Selbst wenn die Beklagte den Erblasser nicht mehr über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens informiert hätte, hätte der Erblasser deshalb Anlass gehabt nachzufragen. Zweifel daran, dass die Hauptschuldnerin entweder die Hauptschuld oder die Rückgriffsansprüche des Bürgen würde erfüllen können, bestanden allemal. All dies ist jedoch schon deshalb unerheblich, weil dies den Erblasser nicht von seiner Verpflichtung aus der Bürgschaft entband.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO hat der Senat nicht.

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