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Unterhaltspflichtiger (ungelernter) – vorrangiger Abschluss der eigenen Ausbildung

Oberlandesgericht Hamm

Az: 7 WF 217/06

Beschluss vom 15.12.2006


In der Familiensache hat der 7. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 6.10.2006 gegen den Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Coesfeld vom 20.9.2006 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Beklagte ist dem Kläger grundsätzlich gesteigert unterhaltspflichtig, § 1603 II BGB. Das stellt sie mit der Beschwerde auch nicht (mehr) in Abrede.

Ohne Erfolg macht sie geltend, dass sie hier ausnahmsweise keine Unterhaltspflicht treffe, weil sie ungelernt sei.

Keinesfalls kann allgemein angenommen werden, dass ein Ungelernter vorrangig seine eigene Ausbildung abschließen kann und dahinter die Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder regelmäßig zurücktreten. Vielmehr hat in Fällen dieser Art eine umfassende Interessenabwägung zu erfolgen (BGH, Urteil vom 15-12-1993 -XII ZR 172/92, NJW 1994, 1002 für den Fall des grundlegenden wirtschaftlichen Umbruches nach Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland). So mag ein Vorrang des Ausbildungsinteresses des Verpflichteten angenommen werden können, wenn er ohne jede Qualifikation ist und es ihm deshalb von vorn herein schwer fällt, sein eigenes und das Existenzminimum seines Kindes zu decken. So war es in der von der Beschwerde angeführten Entscheidung des 11. Familiensenats des OLG Hamm (11 UF 34/05 vom 1.6.2005).

Hier ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte (im Jahre 2000, also mit 31 Jahren) das Abitur abgelegt und eine fast abgeschlossene Ausbildung als Zahnarzthelferin (mit hervorragender Beurteilung) hat. Die Beklagte ist inzwischen 37 Jahre alt und hat ihr Studium der Zahnmedizin immer noch nicht abgeschlossen. Die Mindeststudienzeit ist inzwischen überschritten, weshalb mit dem Monat April 2006 die Zahlung von Ausbildungsförderung eingestellt worden ist. Ein Abschluss der Ausbildung ist nach den Angaben der Beklagten erst 2008 zu erwarten, also rund drei Jahre nach Beginn des Anspruchszeitraumes. Demgegenüber ist der Kläger bisher noch ohne jeden Schulabschluss. Seine Belange gehen denjenigen der Beklagten vor, zumal die Beklagte – unstreitig – seit Februar 2002 keinen Betreuungsunterhalt mehr zu leisten hat. Seither hatte sie objektiv damit zu rechnen, vom Kläger auf Zahlung von Barunterhalt in Anspruch genommen zu werden. Der Beklagten ist unter all diesen Umständen zumutbar, das ohnedies außerordentlich spät begonnene Studium zu unterbrechen und sich um eine Erwerbsstelle zu bemühen, etwa durch Tätigkeit in einem Callcenter. Der Senat weiß aus anderen Verfahren, dass mit einer solchen Arbeit ein Stundenlohn von annähernd 10 € verdient werden kann. Damit kann die Beklagte ihren eigenen Bedarf und das Existenzminimum des Klägers decken.

Die Unterhaltspflicht beginnt auch mit dem Monat August 2005 (Zugang des Aufforderungsschreibens vom 4.8.2005). Wenn die Beklagte geltend macht, dieses Schreiben „liegt hier nicht vor“, die erstmalige Aufforderung sei am 15.11.2005 erfolgt, so trifft das ersichtlich nicht zu, denn aus dem vorgenannten Schreiben folgt, dass die Beklagte den Bevollmächtigten des Klägers die „gewünschten Unterlagen“ übersandt hat.

Zwar war der Beklagten nach Zugang der Aufforderung zur Leistung von Kindesunterhalt zunächst eine (kurze) Suchphase zuzubilligen. Während dieser Zeit hätte sie jedoch, da sie Ausbildungsförderung erhielt, Teile ihres Nebeneinkommens einsetzen können und müssen, um den Bedarf des Klägers zu decken. Dabei hat der Senat auch in Rechnung gestellt, dass die Beklagte nach den unbestritten gebliebenen Angaben des Klägers mit einem Partner zusammenlebt, der über ein Nettoeinkommen von ca. 4.000 € monatlich verfügt und mit dem sie verschiedene Fernreisen unternommen hat. Daraus folgt, dass die Beklagte durch das Zusammenleben und Zusammenwirtschaften nachhaltige Ersparnisse hat, die bei der Bemessung ihres Selbstbehaltes zu berücksichtigen sind.

Die behauptete Freistellungsvereinbarung zwischen den Eltern des Klägers hat keinen Einfluss auf seinen eigenen Anspruch. Ein etwaig darauf gestütztes Vertrauen der Beklagten hat demgemäß keinen Einfluss auf ihre Unterhaltsverpflichtung.

Der Senat hat gemäß § 568 S. 2 ZPO in voller Besetzung entschieden.

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