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Wie muss die Parkscheibe ausgelegt werden?

OBERLANDESGERICHT NAUMBURG

Az.: 1 Ss (Bz) 132/97

Beschluss vom 04.08.1997

Vorinstanzen:

1. AG Dessau – Az.: OWi 588/95

2. StA Dessau – Az.: 832 Js 31544/95


In dem Bußgeldverfahren hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Naumburg am 4. August 1997 beschlossen:

Auf Antrag des Betroffenen wird die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Dessau vom 17.12.1996 zugelassen.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Dessau vom 17.12.1996 aufgehoben.

Der Betroffene wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen „vorsätzlicher nicht gut sichtbarer Anbringung einer Parkscheibe“ zu einer Geldbuße von 10,00 DM verurteilt.

Hierzu hat es folgenden Sachverhalt festgestellt:

Am 04.07.1995 parkte der Betroffene mit seinem PKW in der Z. Straße in D.. Dort war das Parken bis zu maximal 2 Stunden nur unter Benutzung einer Parkscheibe erlaubt. Der Betroffene hatte die Parkscheibe an diesem Tag am hinteren linken Seitenfenster seines PKW angebracht.

Das Amtsgericht geht weiter davon aus, daß auf dem von der Politesse vor Ort von der Front des Fahrzeugs des Betroffenen gefertigten Foto, auch nach dessen Vergrößerung, keine Parkscheibe an diesem Fenster erkennbar war und durch die Politesse auch keine festgestellt wurde.

Auf Grund der Angaben der zeugenschaftlich vernommenen Ehefrau des Betroffenen und nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“, ging das Amtsgericht von einer zur fraglichen Zeit tatsächlich vorhandenen und auch angebrachten Parkscheibe aus, wobei es ausdrücklich erklärt, davon letztlich aber nicht überzeugt zu sein.

Nach Auffassung des Amtsgerichts hat der Betroffene dennoch einen Verstoß nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 StVO begangen, da er die Parkscheibe „vorsätzlich nicht gut sichtbar angebracht“ habe.

Der von ihm gewählte Ort sei angesichts der Tatsache, daß sich an dieser Seite des Fahrzeugs eine befahrene Straße befinde, nicht „pflichtgemäß gewählt“. Der Betroffene hätte die Parkscheibe an einer anderen Fahrzeugseite oder aber zumindest so anbringen müssen, daß sie von einem sicheren Standort gut wahrnehmbar sei.

Auch habe ein Verkehrsteilnehmer, wenn er die Parkscheibe an der hinteren linken Seitenscheibe anbringe, sie dort dann möglichst „mittig“ anzubringen, damit sie nicht durch die Mittelsäule verdeckt werde, wenn man von vorn auf das Auto schaue. Diese Anforderungen hat der Betroffene nach Meinung des Amtsgerichts nicht erfüllt. Im Ergebnis kommt es zwar zutreffend zu der Auffassung, daß eine „gut sichtbare“ Anbringung einer Parkscheibe nicht voraussetzt, daß diese im Bereich der Frontscheibe untergebracht wird.

Jedoch könne, so das Amtsgericht weiter, von einer gut sichtbaren Anbringung nur dann gesprochen werden, wenn die Parkscheibe von der Kontrollperson von einem sicheren Standort aus ohne weiteres wahrgenommen werden könne. Daß es dabei der Politesse im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen sei, die Parkscheibe vom Bürgersteig aus wahrzunehmen, sei im konkreten Fall zwar nicht nachvollziehbar, jedoch gehe dieses „Risiko“ zu Lasten des Betroffenen, da er bewußt den problematischen Anbringungsort gewählt habe.

Der Betroffene beantragt die Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Der Senat läßt die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts zu, weil die Frage, wie der Begriff „gut lesbar“ i. S. v. § 13 Abs. 2 Nr. 2 StVO zu verstehen ist, bisher – soweit ersichtlich – noch nicht Gegenstand obergerichtlicher Rechtsprechung war. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zum Freispruch des Betroffenen.

Nach den Feststellungen des Urteils hatte der Betroffene eine Parkscheibe am linken hinteren Seitenfenster der Fahrerseite seines Fahrzeuges angebracht. Da weitere Feststellungen fehlen, unterstellt das Amtsgericht im Ergebnis, daß die Ankunftszeit ordnungsgemäß eingestellt und die Höchstdauer der möglichen Parkzeit nicht überschritten worden sei und daß die Beschaffenheit der Parkscheibe den Anforderungen der StVO § 41 Abs. 2 Nr. 8 Bild 291 entsprochen habe. Soweit das Amtsgericht gemeint hat, der Betroffene habe sich gleichwohl eines Verstoßes gegen § 13 Abs. 2 Nr. 2 StVO schuldig gemacht, kann dem nicht gefolgt werden.

Nach dieser Vorschrift ist das Parken in der gesondert ausgewiesenen Halteverbotszone für die Zeit, die auf einem Zusatzschild ausgewiesen ist, nur erlaubt, wenn das Fahrzeug eine von außen gut lesbare Parkscheibe hat und wenn der Zeiger der Scheibe auf den Strich der halben Stunde eingestellt ist, die dem Zeitpunkt des Anhaltens folgt.

Eine Anweisung, wo genau im PKW die Parkscheibe anzubringen ist, enthält die Vorschrift nicht. Auch regelt sie nicht, daß eine Kontrolle der Parkscheibe von besonderen ungefährlichen Standplätzen aus für die Kontrolleure möglich sein muß. Angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts, der eine eingehende Auslegung nicht zuläßt, ist der Auffassung von Amtsgericht und Generalstaatsanwaltschaft nicht zu folgen, eine Parkscheibe, die nicht von einem für die Kontrolleure sicheren Standort aus lesbar sei, sei nicht ordnungsgemäß angebracht.

Rechtsprechung zur Lesbarkeit der Parkscheibe ist – soweit ersichtlich – nicht ergangen.

Die Literatur beschränkt sich auf die allgemein gehaltene Forderung, die Parkscheibe müsse von außen einwandfrei ablesbar sein (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, RdNr. 11 a zu 13 StVO; Jäger in Heidelberger Komm. z. Straßenverkehrsrecht, RdNr. 11 zu § 13 StVO), sie müsse im Fahrzeug abgelegt und von außen gut sichtbar sein (Ruth/Benn, Straßenverkehrsrecht, RdNr. 14 zu § 13 StVO). Bern/Hauser (Das Recht des ruhenden Verkehrs, RdNr. 433) meinen, es sei nicht konkret festgelegt, wo genau die Parkscheibe anzubringen sei.

Sinn und Zweck der Vorschrift, eine wirksame Kontrolle der Einhaltung der im Zonenverbot festgelegten Höchstparkdauer zu ermöglichen, bestimmen, welche Anforderungen an die „Lesbarkeit“ zu stellen sind.

Die grundsätzlich gebotene Einheitlichkeit der Rechtsanwendung legt es nahe, für die Anforderungen, die an eine gute Lesbarkeit zu stellen sind, die Grundsätze heranzuziehen, die zur Lesbarkeit eines Parkscheines entwickelt worden sind.

Das BayObLG (NZV 1996, 208) hat es für ausreichend angesehen, wenn ein Parkschein auf der Abdeckplatte des Gepäckraums abgelegt wird. Für den Parkschein hat es im übrigen die in der Regel dort aufgedruckte Aufforderung der Verwaltungsbehörde, der Schein müsse hinter der Windschutzscheibe abgelegt werden, für unverbindlich gehalten.

Das Oberlandesgericht Köln (NZV 1992, 376) hat es bei der Benutzung eines Anwohnerausweises für zulässig gehalten, daß dieser auf der Hutablage abgelegt wird, weil es insbesondere zweckmäßig sein könne, solche Genehmigungen dort dauerhaft im PKW zu befestigen, damit es nicht zu einer Sichtbehinderung kommen könne.

Der Einwand, es sei den Kontrolleuren nicht zuzumuten, auf die Fahrbahn zu treten, um eine an der Fahrerseite angebrachte Parkscheibe abzulesen, kann nicht ausschlaggebend sein, die Anbringung auf dieser Seite zu verbieten. Schließlich muß auch jeder Fahrer, der seinen PKW besteigen will, sich so verhalten. Den Kontrollierenden kann und muß auch zugemutet werden, für die kurze Zeit des Ablesens, soweit überhaupt notwendig, die Fahrbahn zu betreten. Eine Gefährdung, die das jeden Verkehrsteilnehmer treffende Normalmaß überstiege, ist mit einer solchen Kontrolltätigkeit nicht gegeben.

Die Lesbarkeit der notwendigen Angaben der Parkscheibe kann nicht abhängig gemacht werden von einer momentanen Verkehrssituation oder der subjektiven Gefahreneinschätzung der Kontrollperson zum Zeitpunkt der Überprüfung.

Der Betroffene war daher nicht verpflichtet, die Parkscheibe so anzubringen, daß die Politesse sie von einem sicheren Standort aus hätte sehen und ablesen können.

Da er die Parkscheibe unwiderlegt gut lesbar, ordnungsgemäß eingestellt und die Parkhöchstdauer nicht überschritten hatte, liegt ein Parkverstoß nicht vor.

Weitere Feststellungen sind nicht zu erwarten. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und der Betroffene freizusprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 467 Abs. 1 StPO.

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