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Kraftfahrzeugssteuerrechtliche Einstufung PKW oder LKW

BFH

Az: VII R 11/06

Urteil vom 28.11.2006


Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist seit 1990 Halter eines Volkswagen (VW) Kleinbusses -Baureihe 253-. Das Fahrzeug wird von einem Otto-Motor angetrieben, der Hubraum beträgt 2 095 ccm, das zulässige Gesamtgewicht 2 195 kg und die Höchst 141 km/h. Es ist rundum verglast. In den Fahrzeugpapieren war es zunächst als „PKW KOMBI GESCHLOSSEN“ mit acht Sitzplätzen bezeichnet. Nachträglich wurde eingetragen, dass die hinteren Sitzbänke entfernt und die Befestigungspunkte verschweißt sind; als Anzahl der Sitzplätze ist drei angegeben, die Nutzlast ist von 432 kg auf 785 kg, das Leergewicht von 1 395 kg auf 1 410 kg erhöht und die Aufbauart nunmehr als „LKW GESCHL. KASTEN“ bezeichnet.

In einem früheren Rechtsstreit, mit dem der Kläger schon einmal die Zuordnung des Fahrzeuges als LKW erreichen wollte, hatte das Finanzgericht –FG– (Urteil vom 22. Oktober 2002 4 K 4353/01) festgestellt, dass das Fahrzeug zwischen Fahrgast- und Laderaum über eine halbhohe Trennwand verfügt, die kurz unterhalb der Oberkante der Vordersitze endet und das Fahrzeug deshalb als PKW beurteilt. Die Nichtzulassungsbeschwerde verwarf der erkennende Senat mit Beschluss vom 11. März 2003 VII B 356/02 (BFH/NV 2003, 817) als unzulässig.

Mit Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom Juli 2005 wurde die Steuer –wieder– unter Zugrundelegung der Fahrzeugart PKW festgesetzt. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG urteilte Bezug nehmend auf seine frühere Entscheidung, dass das Vorhandensein einer Abtrennung zwischen Fahrgast- und Laderaum als Schutzvorrichtung für Fahrer und den bzw. die Beifahrer (ob als feste Trennwand oder Trenngitter oder Trennscheibe, mit oder ohne Durchgang zum Laderaum) ein wesentliches und unverzichtbares Merkmal für die Einstufung als LKW sei. Im Übrigen machte sich das FG die Ausführungen des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) in der Einspruchsentscheidung zu Eigen, dass die Anzahl der Sitzplätze, die Größe und Gestaltung der Ladefläche, die Zuladungsmöglichkeit bzw. die Größe der Ladefläche bzw. die Größe des Laderaums im Verhältnis zum Fahrgastraum sowie der Umstand, dass die Einbauvorrichtungen für die hinteren Sitze und Sicherheitsgurte dauerhaft entfernt worden seien, für eine überwiegende Eignung und Bestimmung des Kfz zu Transportzwecken sprächen. Das Urteil ist –ohne die Bezugnahme des FG auf die Einspruchsentscheidung– in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 929 veröffentlicht.

Mit der Revision wendet sich der Kläger gegen die Auffassung des FG, dass das Vorhandensein einer vollständigen Abtrennung zwischen Laderaum und Fahrgastraum ein unverzichtbares Merkmal für die Einstufung als LKW sei.

II.

Die zulässige Revision ist begründet (§ 126 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das Urteil des FG entspricht nicht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das Fahrzeug ist antragsgemäß als „anderes“ Kfz gemäß § 8 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 3 KraftStG zu besteuern.

Nach § 8 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG bemisst sich die Steuer bei PKW mit Hubkolbenmotoren nach Hubraum und Schadstoff- und Kohlendioxidemissionen, nach § 8 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 3 KraftStG bei anderen Fahrzeugen –bis 3 500 kg– nach dem verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht.

1. Weder das KraftStG noch die Richtlinie RL 70/156/EWG i.d.F. der RL 2001/116/EG noch die nach § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG maßgeblichen verkehrsrechtlichen Vorschriften enthalten Begriffsbestimmungen, was unter „Personenkraftwagen“ und was unter „anderes Fahrzeug“ i.S. des § 8 Nr. 2 KraftStG zu verstehen ist (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 21. August 2006 VII B 333/05, BStBl II 2006, 721). Nach Auffassung des Senats, der sich insoweit bestätigt sieht durch die Begriffsbestimmungen in § 4 Abs. 4 Nr. 1 (PKW) und § 4 Abs. 4 Nr. 3 (LKW) des Personenbeförderungsgesetzes, ist die Unterscheidung –die in der Praxis vor allem zwischen PKW und LKW relevant wird– anhand von Bauart, Ausstattung zur Personenbeförderung und sonstiger Einrichtung des Fahrzeuges, insbesondere zur Beförderung von Gütern, vorzunehmen (Entscheidungen des Senats vom 26. August 1997 VII B 103/97, BFH/NV 1998, 87, und vom 26. Juni 1997 VII R 12/97, BFH/NV 1997, 810). Dabei ist die objektive Beschaffenheit des Fahrzeuges unter Berücksichtigung aller Merkmale in ihrer Gesamtheit vom Tatsachengericht zu bewerten; zu berücksichtigen sind z.B. die Zahl der Sitzplätze, die erreichbare Höchstgeschwindigkeit, die Größe der Ladefläche, die Ausstattung des Fonds mit Sitzen und Sicherheitsgurten oder für deren Einbau geeigneten Befestigungspunkten, das Fahrgestell, die Motorisierung und die Gestaltung der Karosserie. Bei einem nach der Herstellerkonzeption sowohl zur Personen- wie zur Lastenbeförderung verwendbaren und zunächst als PKW ausgelieferten Kleinbus wie im vorliegenden Fall kann eine Einordnung als LKW nur vorgenommen werden, wenn die objektiven Beschaffenheitsmerkmale den Schluss rechtfertigen, dass die Eignung und Bestimmung des Fahrzeuges zur Lastenbeförderung deutlich überwiegen und die Personenbeförderung in den Hintergrund treten lassen. Im Fall des Umbaus und der Umwidmung eines solchen Fahrzeuges vom PKW (ursprüngliche werkseitige Ausstattung) zum LKW kann dann allerdings die serienmäßige Grundausstattung nicht entgegengehalten werden; die durch den Umbau geschaffenen LKW-typischen Einrichtungen und Merkmale müssen sich bei solchen Fahrzeugen nicht gegen die zahlreichen, in aller Regel bei einem Umbau nicht veränderten oder gar nicht veränderbaren Baumerkmale, welche den Charakter eines Fahrzeuges in ihrer Gesamtheit bestimmen, „durchsetzen“, wie es der Senat sonst für notwendig gehalten hat (Senatsurteil vom 1. August 2000 VII R 26/99, BFHE 194, 257, BStBl II 2001, 72, m.w.N.).

Das FG hat sich unter Bezugnahme auf die im Einzelnen getroffenen Feststellungen zur Anzahl der Sitzplätze, Größe und Gestaltung der Ladefläche, Zuladungsmöglichkeit bzw. Größe der Ladefläche bzw. Größe des Laderaums im Verhältnis zum Fahrgastraum sowie wegen der dauerhaften Entfernung der Einbauvorrichtungen für die hinteren Sitze und Sicherheitsgurte der Auffassung des FA angeschlossen, dass diese Merkmale für eine überwiegende Eignung und Bestimmung des Kfz zu Transportzwecken sprächen.

2. Nach Auffassung des FG und des FA ist das Fahrzeug des Klägers allein deshalb als PKW zu qualifizieren, weil auch nach dem Umbau keine Abtrennung zwischen Fahrgast- und Laderaum vorhanden ist. Der Senat teilt die schon in früheren Entscheidungen des FG (Urteil vom 28. Oktober 2003 6 K 4305/02, nachgehend Senatsbeschluss vom 22. Juli 2004 VII B 359/03, BFH/NV 2005, 79) hervorgehobene Prämisse nicht, dass eine Trennwand ein wesentliches und unverzichtbares Merkmal für die Einstufung als LKW sei.

Der Senat hat wiederholt (zuletzt in BFH/NV 2005, 79, m.w.N.) darauf hingewiesen, dass kein Merkmal von Bauart und Einrichtung des Fahrzeuges als von vornherein allein entscheidend angesehen werden kann, wenn auch einzelne Merkmale ein besonderes Gewicht haben und die Zuordnung zum Typus des PKW oder des LKW indizieren. So hat der Senat beispielsweise dem Fehlen rückwärtiger Fenster bzw. deren Verblechung (Urteil vom 5. Mai 1998 VII R 104/97, BFHE 185, 515, BStBl II 1998, 489) und der Größe der Ladefläche bzw. deren Verhältnis zu dem der Personenbeförderung dienenden Innenraum des Fahrzeuges wesentliches Gewicht zugemessen und es sogar für gerechtfertigt erachtet, typisierend davon auszugehen, dass Fahrzeuge nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt sind, wenn ihre Ladefläche oder ihr Laderaum nicht mehr als die Hälfte der gesamten Nutzfläche ausmacht. Gleichwohl macht auch ein derart starkes Indiz die Notwendigkeit einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls durch den Tatrichter nicht entbehrlich.

Für den Senat ist nicht ersichtlich, dass eine vollständige (d.h. bis zur Fahrzeugdecke reichende) Trennwand zwischen Laderaum und Fahrgastraum ein stärkeres Indiz für das Vorliegen eines LKW sein soll als die bislang vom Senat für die Beurteilung als wesentlich erachteten Merkmale, so dass es als unverzichtbares Kriterium für die Einstufung eines Fahrzeuges als LKW gewertet werden müsste. Die vom FG auf die Regelung des § 30 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung gestützte Begründung überzeugt nicht. Nach dieser Vorschrift müssen Fahrzeuge so gebaut und ausgerüstet sein, dass ihr verkehrsüblicher Betrieb niemanden schädigt oder mehr als unvermeidbar gefährdet, behindert oder belästigt (Nr. 1) und die Insassen insbesondere bei Unfällen vor Verletzungen möglichst geschützt sind (Nr. 2). Eine Regelung, aus der sich zwingend ergibt, dass bei den zum Lastentransport konzipierten oder umgebauten Kleinbussen durch die Ladung drohende Verletzungen von Fahrer bzw. Beifahrer durch eine Schutzvorrichtung bzw. Abtrennung zwischen Lade- und Fahrgastraum ausgeschlossen werden muss, kann der Senat darin –wie offenbar auch die Verkehrsbehörde, die keine entsprechende Auflage in die Fahrzeugpapiere aufgenommen hat– nicht erkennen. Zulassungsvorschriften, die die Sicherheit der Fahrzeuginsassen betreffen, ohne konkrete Einrichtungen im Fahrzeug vorzuschreiben, sind als Kriterien für die unterschiedliche Bemessung der Kraftfahrzeugsteuer grundsätzlich weniger aussagekräftig als Unterscheidungsmerkmale, die die Eignung zur Personenbeförderung einerseits (wie Anzahl der Sitze und Sicherheitsgurte) oder zur Lastenbeförderung andererseits (wie Ladefläche und Zuladung) bauart- oder einrichtungsbedingt unmittelbar betreffen.

3. Ausgehend von der danach weiterhin gebotenen Beurteilung des Fahrzeuges im Einzelfall kann die Einordnung des streitigen Kleinbusses als PKW keinen Bestand haben. Wie der Bezugnahme des FG auf die Einspruchsentscheidung des FA zu entnehmen ist, sprechen alle übrigen Merkmale nach Umbau des Busses für einen Transporter, d.h. für ein „anderes Fahrzeug“ i.S. des § 8 Nr. 2 KraftStG. Wie der Senat in einem ähnlich gelagerten Fall (in BFHE 194, 257, BStBl II 2001, 72) ausgeführt hat, wird die gleichwohl vom FG gezogene Schlussfolgerung, es handele sich allein mangels der vollständigen Trennwand um einen PKW, durch die festgestellten Tatsachen nicht hinreichend getragen. Sie beruht vielmehr auf einer Überspannung der rechtlichen Anforderungen an die Einordnung eines –auf der Basis eines für verschiedene Verwendungszwecke konzipierten Grundtyps– umgebauten Kleinbusses, bei dem die Größe und Gestaltung des Laderaums insbesondere infolge des endgültigen Wegfalls der hinteren Sitze und Sicherheitsgurte und der (um fast 82 v.H. auf mehr als 35 v.H. des zulässigen Gesamtgewichts) erhöhten Zuladung die Eignung und Bestimmung zum Lastentransport indiziert.

4. Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Der angefochtene Kraftfahrzeugsteueränderungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben. Da sich das FG durch die Bezugnahme auf die Ausführungen des FA in der Einspruchsentscheidung auch die Gesamtwürdigung des FA zu Eigen gemacht hat, dass –abgesehen von der vollständigen Trennwand zwischen Lade- und Fahrgastraum– die übrigen Merkmale des Fahrzeuges für eine überwiegende Eignung und Bestimmung zu Transportzwecken sprächen, erübrigt sich eine Zurückverweisung.

Die aufgrund der vorstehenden Ausführungen gebotene Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 KraftStG wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

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