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Fahrzeugkaufvertrag – Beschaffenheitsvereinbarung und Gewährleistungsausschluss

OLG München – Az.: 3 U 3277/16 – Urteil vom 02.11.2016

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 01.07.2016, Aktenzeichen 1 O 1314/15, aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.651,05 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozent-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.03.2015 zu bezahlen Zug um Zug gegen Übergabe des PKWs Renault Grand Espace, Fahrgest.Nr.: VF…

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

IV. Der Beklagte hat die Kosten des erstinstanziellen Verfahrens sowie des Berufungsverfahrens zu tragen.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind von der Klägerin verfolgte Schadensersatzansprüche aus dem Kauf eines gebrauchten Pkw´s.

Fahrzeugkaufvertrag - Beschaffenheitsvereinbarung und Gewährleistungsausschluss
(Symbolfoto: worradirek/Shutterstock.com)

Das Landgericht Traunstein hat nach Erholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Michael H., Anhörung des Sachverständigen, des Ehemanns der Klägerin und des Beklagten mit am 01.07.2016 verkündetem Endurteil die auf Zahlung von 5.751,05 € zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe des verkauften Fahrzeugs gerichtete Klage abgewiesen. Auf die in dem Ersturteil (Bl. 52/57 d. A.) getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen, des weiteren auf die erstinstanziell gewechselten Schriftsätze, das Gutachten des Sachverständigen Michael H. (Bl. 34 d. A.) vom 24.01.2016 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.05.2016 (Bl. 45/48 d. A.).

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin den erstinstanziellen Klageantrag unverändert weiter. Sie beanstandet die Rechtsauffassung des Erstgerichts, wonach hier eine Haftung des Beklagten nur bei Arglist in Betracht käme. Wenn das Landgericht dem Umstand, dass der Beklagte verschiedene Beschaffenheitsangaben gemacht hat, keine Bedeutung mit der Begründung zumesse, der Ebay-Ausdruck sei lediglich Anlass für die Aufnahme von Verhandlungen gewesen, aber letztlich nicht in den Kaufvertrag eingeflossen, sei diese Rechtsauffassung nicht haltbar, zumal sie die gesetzlichen Vorgaben in § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB missachte. Die Klageschrift vom 16.04.2015 enthalte unter Ziffer 2 und 3 Ausführungen zur vereinbarten Beschaffenheit.

Nachdem der Beklagte das Internet-Werbeinserat selbst gesetzt habe und für den Inhalt des Inserats selbst verantwortlich sei, hafte er aufgrund seiner nicht zutreffenden Werbeaussagen gemäß § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB. Der diesbezüglich vertraglich vereinbarte Ausschluss der Gewährleistung sei unwirksam, wie der BGH auch entschieden habe.

Die Klägerin beantragt,

I. das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 01.07.2016, zugestellt am 06.07.2016, Az.: 1 O 1314/15, aufzuheben,

II. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 5.751,05 zu zahlen, zuzüglich Zinsen mit 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 05.03.2015 Zug um Zug gegen Übergabe des Renault Grand Espace, Fahrgestell-Nr.: VF…

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzielle Urteil.

Der Beklagte habe für die Funktionsfähigkeit des Dieselpartikelfilters und des Vorkatalysators keine Garantie übernommen. Eine solche liege nur dann vor, wenn der Verkäufer ersichtlich in bindender Weise die Gewähr für die vereinbarte Beschaffenheit übernommen habe und damit zu erkennen gebe, dass er für alle Folgen des Fehlens entstehen werde. Der Hinweis auf eine Beschreibung in der Anzeige auf Ebay stelle kein Garantieversprechen dar, der Inhalt des Inserats sei nicht in den Kaufvertrag aufgenommen.

Der Beklagte habe das Fahrzeug mit den Angaben an die Klagepartei verkauft, so wie er es auch erworben habe, und während seiner Besitzzeit weder selbst noch durch Dritte irgendwelche Veränderungen an der Abgasanlage durchgeführt oder durchführen lassen. Über die gesamte Laufzeit hin und auch nicht während der Probefahrt habe er Mängel festgestellt.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 02.11.2016 (Bl. 77/79 d. A.) Bezug genommen. Beweis wurde nicht erhoben.

II.

Die zulässige Berufung erweist sich zum weitaus überwiegenden Teil als begründet.

Die Klägerin kann von dem Beklagten nach §§ 346 Abs. 1, 348 BGB i.V.m. §§ 437 Nr. 2 Alternative 1, 326 Abs. 5, 323 BGB die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw´s sowie Ersatz ihrer im Vertrauen auf den Bestand des Kaufvertrags auf das Fahrzeug getätigten Aufwendungen verlangen. In der Ebay-Verkaufsanzeige sicherte der Beklagte verschiedene Eigenschaften zu, insbesondere „gut erhaltener Renault“, „Umweltplakette: 4 (grün)“ und „Ausstattung Partikelfilter …“. Diese Eigenschaften, die von der Käuferseite nach diesen öffentlichen Äußerungen des Verkäufers zu erwarten waren, gehören gemäß § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB zur vereinbarten Beschaffenheit nach § 434 Satz 2 Nr. 2 BGB, lagen aber tatsächlich (ohne dass dem Beklagten als Verkäufer Arglist angelastet werden kann) nicht vor. Zwar steht neben dieser vom Gesetzgeber als vertraglicher Beschaffenheitsvereinbarung qualifizierten Aussage des Verkäufers der im Vertrag vom 01.02.2015 ausdrücklich vereinbarte Gewährleistungsausschluss. Hierzu hat der BGH in seinem Urteil vom 29.11.2006 (VIII ZR 92/06, Rz. 31) für eine vergleichbare Konstellation ausgeführt: „Beide Regelungen stehen, zumindest aus der Sicht des Käufers, gleichrangig nebeneinander und können deshalb nicht in dem Sinne verstanden werden, dass der umfassende Gewährleistungsausschluss die Unverbindlichkeit der Beschaffenheitsvereinbarung zur Folge haben soll (…). Denn bei einem solchen Verständnis wäre letztere für den Käufer – außer im Falle der Arglist des Verkäufers (§ 440 Alternative 1 BGB) – ohne Sinn und Wert. Eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung der Kombination von Beschaffenheitsvereinbarung und Gewährleistungsausschluss kann deshalb nur dahin vorgenommen werden, dass der Haftungsausschluss nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB), sondern nur für solche Mängel gelten soll, die darin bestehen, dass die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) bzw. sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und keine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Verkäufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).“

So liegt es auch hier. Das Fahrzeug war mit einer grünen Umweltplakette ausgerüstet, entsprechend den Angaben in der Ebay-Beschreibung. Auf diese Angaben musste sich die Käuferseite verlassen, deren objektive Unrichtigkeit war auch nicht im Zuge einer Probefahrt feststellbar (vgl. Sachverständiger H., Protokoll vom 13.05.2016, Seite 3, 2. Absatz). Die Angabe hatte damit beim Kaufinteressenten ein erhebliches Gewicht, was im Zuge einer Gesamtschau des Kaufvertrags insoweit einen wirksamen Gewährleistungsausschluss nicht zulässt: Schließlich ging es dem Gesetzgeber in § 444 BGB entscheidend darum, ein widersprüchliches Verhalten des Verkäufers zu verhindern, der mit der einen Hand nehmen will, was er im gleichen Zug mit der anderen gegeben hat (vgl. Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, Bearbeiter Westermann, § 444, Rn. 14).

Der Beklagte ist daher zur Rückabwicklung und zum Ersatz der auf das Fahrzeug getätigten Aufwendungen verpflichtet. Diese betragen 225,12 € gemäß Rechnungen vom 11.02. und 02.03.2015 (Anlagen K 5 und K 6), 246,20 € für die Beschaffung von Reifen gemäß Rechnung vom 12.02.2015 (Anlage K 8) sowie 79,73 € für die Überprüfung des Fahrzeugs gemäß Rechnung vom 20.02.2015 (Anlage K 7). Zusammen mit dem zurückzuzahlenden Kaufpreis über 5.200,– € ergibt sich eine Gesamtforderung von € 5.751,05, von der im Hinblick auf die von der Klägerin zurückgelegten Kilometer (800) – angesichts einer potentiellen Gesamtlaufleistung von 200.000 km (bei 148.834 km zum Übergabezeitpunkt) – ein Betrag von 100,– € abzuziehen ist.

Hieraus ergeben sich die mit Urteil zugesprochenen 5.651,05 € zuzüglich der beantragten Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

Unter Berücksichtigung der zurückgelegten Kilometer war die Berufung teilweise (in Höhe eines Betrags von 100,– €) zurückzuweisen und die Klage abzuweisen, was sich jedoch kostenmäßig nicht auswirkte.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO): Der Senat stützt sich bei seiner Entscheidung auf das ergangene Urteil des BGH vom 29.11.2006 (VIII ZR 92/06), das – soweit ersichtlich – durch nachfolgende Entscheidungen keine Modifizierung erfahren hat. Eine im Hinblick auf die Rechtsposition der Käufer restriktivere Entscheidung des BGH ist im Zuge dieses Berufungsverfahrens nicht namhaft gemacht worden und dem Senat auch ansonsten nicht bekannt.

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