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Verkehrsunfall – Fehlverhalten eines zehn Jahre alten Kindes – Betriebsgefahr

Ein Kinderleben zwischen Stahl und Paragraphen: In Lüdinghausen prallte ein unachtsamer Junge gegen die Betriebsgefahr eines Autos. Wer trägt die Schuld, wenn ein Kind unbedarft auf die Straße läuft und ein Auto nicht rechtzeitig bremsen kann? Ein Urteil, das Eltern und Autofahrer gleichermaßen aufhorchen lässt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG Hamm
  • Datum: 25.06.2024
  • Aktenzeichen: I-7 U 142/23
  • Verfahrensart: Feststellungsklage auf Leistung von materiellen und immateriellen Schadensersatzansprüchen
  • Rechtsbereiche: Verkehrsrecht, Schadensersatzrecht
  • Beteiligte Parteien:
  • Kläger: Fußgänger, der am 18.03.2021 in Lüdinghausen beim Überqueren der Fahrbahn von einem Fahrzeug erfasst und schwer verletzt wurde und daher Schadensersatz für entstandene sowie zukünftig zu erwartende immaterielle und materielle Schäden fordert.
  • Beklagte: Fahrzeugführende Partei, gegen die der Schadenersatzanspruch gerichtet ist und die sich gegen die vollständige Haftung wehrte – letztlich zur Ersatzleistung in Höhe von 25% verpflichtet wurde.
  • Um was ging es?
  • Sachverhalt: Der junge Kläger, zum Tatzeitpunkt 10 Jahre und zwei Monate alt, wurde am 18.03.2021 als Fußgänger in Lüdinghausen von dem Fahrzeug der Beklagten erfasst, was zu erheblichen Verletzungen und damit verbundenen immateriellen sowie materiellen Schäden führte, die auch künftig fortbestehen können.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob und in welchem Umfang die Beklagte für die durch den Verkehrsunfall entstandenen bzw. zukünftig entstehenden Schäden schadensersatzpflichtig ist – unter dem Vorbehalt, dass Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind – und ob hierfür eine Haftungsquote von 25% anzuwenden ist.
  • Was wurde entschieden?
  • Entscheidung: Das Urteil änderte das frühere Urteil dahingehend, dass festgestellt wurde, die Beklagte sei zur Zahlung sämtlicher immaterieller und materieller Schäden, die dem Kläger infolge des Unfalls entstanden sind bzw. noch entstehen werden, im Umfang von 25% zu verpflichten; der übrige Klageantrag wurde abgewiesen. Zudem trägt der Kläger 75% und die Beklagte 25% der Prozesskosten. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wobei Sicherheitsleistungen in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages erbracht werden können, um die Vollstreckung abzuwenden.
  • Begründung: Die Entscheidung stützt sich auf die Prüfung des Unfallhergangs und der daraus resultierenden Schadensfolgen; die Haftungsquote von 25% wurde angesetzt, soweit Schadensersatzansprüche nicht auf Dritte, wie Sozialversicherungsträger, übergegangen sind.
  • Folgen: Die Beklagte muss für 25% der ermittelten immateriellen und materiellen Schäden aufkommen. Gleichzeitig werden die Kosten des Rechtsstreits zu überwiegendem Teil dem Kläger auferlegt, und das vorläufig vollstreckbare Urteil sichert die Möglichkeit, durch erbrachte Sicherheitsleistungen die Vollstreckung abzuwenden.

Der Fall vor Gericht


Verkehrsunfall in Lüdinghausen: Zehnjähriger bei Straßenüberquerung schwer verletzt

Junger Junge läuft unachtsam auf eine Straße, während ein Auto plötzlich bremst.
Haftung bei Verkehrsunfall mit Kind | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Am 18. März 2021 ereignete sich in Lüdinghausen ein schwerer Verkehrsunfall, bei dem ein damals zehn Jahre alter Junge schwerste Verletzungen erlitt. Der Junge wollte die B Straße zu Fuß überqueren und wurde dabei von einem PKW erfasst. Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm) hatte sich in seinem Urteil vom 25. Juni 2024 (Az.: I-7 U 142/23) mit der Frage der Haftung für diesen Unfall auseinanderzusetzen. Im Zentrum stand dabei das Fehlverhalten des Kindes und die sogenannte Betriebsgefahr des Autos.

Klage auf Schadensersatz nach Kollision mit PKW – Landgericht Münster weist Klage ab

Der Fall landete zunächst vor dem Landgericht Münster. Der Kläger, der Junge, forderte von der Beklagten, der Autofahrerin, Schadensersatz für materielle und immaterielle Schäden. Das Landgericht wies die Klage jedoch nach Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens vollständig ab. Das Gericht argumentierte, dass zwar eine Betriebsgefahr des PKW bestand, diese aber vollständig hinter dem schwerwiegenden Verkehrsverstoß des Kindes zurücktrete. Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass der Junge gegen § 25 Abs. 3 der Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen hatte, indem er die Fahrbahn überquerte, ohne auf den Verkehr zu achten. Dieser Verstoß wurde dem Kind, trotz seines Alters, als subjektiv vorwerfbar angelastet.

Berufung vor dem OLG Hamm: Fehlende Verantwortlichkeit des Kindes und Verkehrssituation im Fokus

Der Kläger legte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung beim Oberlandesgericht Hamm ein. Er argumentierte, dass das Landgericht seine Verantwortlichkeit nicht ausreichend geprüft, sondern lediglich unterstellt habe. Zudem sei die besondere Verkehrssituation – ein Rückstau auf der einen Fahrbahnseite aufgrund eines geschlossenen Bahnübergangs – nicht ausreichend berücksichtigt worden. Der Kläger führte an, dass Kinder in solchen Situationen typischerweise davon ausgehen könnten, dass auch auf der Gegenfahrbahn kein Verkehr herrscht und sie die Straße gefahrlos überqueren können. Er beantragte die Abänderung des Urteils des Landgerichts und die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten.

Unfallhergang rekonstruiert: Kind lief unachtsam zwischen wartenden Fahrzeugen auf die Gegenfahrbahn

Der Unfall ereignete sich, als der Kläger und sein Freund im Laufschritt aus einem Stichweg auf den Gehweg der B Straße gelangten. Auf der Straße hatte sich ein Rückstau gebildet, da ein Bahnübergang geschlossen war. Die Jungen betraten die blockierte Fahrbahn zwischen den wartenden Autos. Während sein Freund stehen blieb, lief der Kläger, ohne anzuhalten oder zu schauen, zwischen den Fahrzeugen hindurch auf die Gegenfahrbahn. Dort wurde er frontal von dem PKW der Beklagten erfasst, die gerade von einer Einmündung rechts auf die B Straße eingebogen war. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte die zulässige Geschwindigkeit von 50 km/h leicht unterschritten hatte.

OLG Hamm korrigiert: 25% Schadensersatz aufgrund der Betriebsgefahr des PKW

Das Oberlandesgericht Hamm gab der Berufung des Klägers teilweise statt und änderte das Urteil des Landgerichts ab. Zwar bestätigte das OLG Hamm grundsätzlich die Einschätzung des Landgerichts hinsichtlich des Verkehrsverstoßes des Kindes. Dennoch erkannte das Gericht eine Teilschuld der Beklagten an, basierend auf der Betriebsgefahr ihres PKW. Das OLG Hamm entschied, dass die Beklagte zu 25% für die entstandenen Schäden haftet. Die restlichen 75% der Haftung wurden dem Kläger aufgrund seines eigenen Fehlverhaltens zugerechnet.

Abwägung der Verantwortlichkeiten: Kindes Fehlverhalten überwiegt, aber Betriebsgefahr wirkt mit

In seiner Begründung führte das OLG Hamm aus, dass zwar das Fehlverhalten des Klägers – das unachtsame Betreten der Fahrbahn – erheblich zum Unfall beigetragen hat und schwer wiegt. Jedoch dürfe die Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs nicht vollständig außer Acht gelassen werden. Die Betriebsgefahr beschreibt die von einem Auto auch bei regelkonformem Verhalten ausgehende Gefährdung. Das Gericht betonte, dass auch bei einem noch so vorsichtigen Autofahrer immer ein Restrisiko besteht, beispielsweise durch unvorhergesehenes Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer. Im vorliegenden Fall sah das OLG Hamm ein Mitwirken der Betriebsgefahr des PKW, auch wenn das Fehlverhalten des Kindes den Unfall primär verursacht hatte. Die Quote von 25% Schadensersatz trage dieser Abwägung der Verantwortlichkeiten Rechnung.

Bedeutung des Urteils für Betroffene von Verkehrsunfällen mit Kindern

Dieses Urteil des OLG Hamm verdeutlicht die komplexe Rechtslage bei Verkehrsunfällen, an denen Kinder beteiligt sind. Es zeigt, dass auch Kinder für ihr Fehlverhalten im Straßenverkehr haftbar gemacht werden können. Gleichzeitig macht das Urteil deutlich, dass die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs immer eine Rolle spielt und zu einer Teilhaftung des Fahrzeughalters führen kann, selbst wenn das Kind den Unfall maßgeblich verursacht hat. Für Eltern und Erziehungsberechtigte unterstreicht das Urteil die Notwendigkeit, Kinder frühzeitig und umfassend über die Gefahren im Straßenverkehr aufzuklären und ihnen ein verantwortungsbewusstes Verhalten beizubringen. Für Unfallopfer, insbesondere Kinder und ihre Familien, bedeutet das Urteil, dass auch bei einem überwiegenden Eigenverschulden möglicherweise noch ein Anspruch auf Teilschadensersatz bestehen kann, der auf der Betriebsgefahr des beteiligten Fahrzeugs basiert. Die genaue Haftungsquote wird jedoch immer im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände des Unfalls und des jeweiligen Fehlverhaltens der Beteiligten bestimmt.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil des OLG Hamm legt fest, dass die Beklagte grundsätzlich für die Verletzungen des Klägers durch den Verkehrsunfall haftet, jedoch mit einer Mithaftung des Klägers von 75 %, da sein eigenes Verhalten den Unfall maßgeblich mitverursacht hat. Die Entscheidung betont, dass Kinder zwar altersbedingt weniger Einsichtsfähigkeit haben können, jedoch eine gewisse Verkehrssorgfalt auch bei ihnen erwartet wird. Gleichzeitig wird anerkannt, dass die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs nicht vollständig hinter dem Eigenverschulden eines Kindes zurücktritt. Dieses Urteil verdeutlicht, dass bei Verkehrsunfällen eine differenzierte Abwägung der Verantwortlichkeit erfolgt und es auch für Kinder Regelungen zur Haftungsverteilung gibt.

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Sorgsam abgeklärte Haftungsfragen bei Verkehrsunfällen mit Kindern

Verkehrsunfälle, an denen auch Kinder beteiligt sind, erfordern eine detaillierte Betrachtung der Umstände und Verantwortlichkeiten. Besonders in Fällen, in denen Aspekte wie Verkehrsverstoße und Betriebsgefahr im Mittelpunkt stehen, können sich komplexe Fragestellungen ergeben, die eine präzise Analyse erfordern.

Unsere Kanzlei unterstützt Sie bei der differenzierten Prüfung Ihres individuellen Falls und klärt Sie über die rechtlichen Rahmenbedingungen auf. Gemeinsam können wir herausarbeiten, welche Faktoren zu berücksichtigen sind und wie sich diese auf Ihre Situation auswirken könnten.

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FAQ - Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche Rolle spielt die Betriebsgefahr eines Autos bei Verkehrsunfällen mit Kindern?

Die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs ist ein entscheidender Faktor bei der Haftungsverteilung nach Verkehrsunfällen mit Kindern. Sie beschreibt das Risiko, das allein durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr entsteht, unabhängig von einem Verschulden des Fahrers oder Halters.

Rechtliche Grundlagen der Betriebsgefahr

Die Betriebsgefahr basiert auf dem Prinzip der Gefährdungshaftung gemäß § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG). Diese Vorschrift besagt:

„Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“

Der Fahrzeughalter haftet also für Schäden, die durch den Betrieb seines Fahrzeugs entstehen, auch wenn ihn persönlich kein Verschulden trifft. Dies ist besonders relevant bei Unfällen mit Kindern, da hier die Betriebsgefahr oft eine zentrale Rolle bei der Haftungsverteilung spielt.

Besondere Bedeutung bei Unfällen mit Kindern

Bei Unfällen mit Kindern kommt der Betriebsgefahr eine besondere Bedeutung zu:

  1. Haftung trotz Fehlverhaltens des Kindes: Selbst wenn ein Kind den Unfall verursacht hat, tritt die Betriebsgefahr des Fahrzeugs nicht vollständig zurück. Dies bedeutet, dass der Fahrzeughalter in der Regel zumindest teilweise haftet.
  2. Altersabhängige Haftungsverteilung: Die Betriebsgefahr wird unterschiedlich gewichtet, je nach Alter des beteiligten Kindes:
    • Bei Kindern unter 7 Jahren besteht grundsätzlich keine Mithaftung des Kindes, da sie als deliktunfähig gelten.
    • Bei Kindern zwischen 7 und 10 Jahren gilt bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen ebenfalls grundsätzlich keine Mithaftung, außer bei vorsätzlichem Handeln oder wenn keine typische Überforderungssituation vorlag.
    • Bei Kindern über 10 Jahren kann eine Mithaftung in Betracht kommen, wobei die Betriebsgefahr des Fahrzeugs dennoch berücksichtigt wird.
  3. Erhöhte Sorgfaltspflicht der Autofahrer: Autofahrer haben gegenüber Kindern besondere Sorgfaltspflichten gemäß § 3 Abs. 2a StVO. Sie müssen ihre Geschwindigkeit reduzieren und bremsbereit sein, wenn Kinder am Straßenrand erkennbar sind.

Praktische Auswirkungen auf die Haftungsverteilung

In der Praxis führt die Betriebsgefahr zu folgenden Konsequenzen:

  • Typische Haftungsquoten: Bei Unfällen mit Kindern wird die Betriebsgefahr üblicherweise mit 20 bis 25 Prozent bewertet. Bei schwereren Fahrzeugen wie LKW kann sie auf 30 bis 40 Prozent steigen.
  • Konkrete Beispiele aus der Rechtsprechung:
    • Das OLG Hamm entschied, dass die Betriebsgefahr nicht vollständig hinter dem Mitverschulden eines zehnjährigen Kindes zurücktritt, das zwischen wartenden Fahrzeugen auf die Gegenfahrbahn lief.
    • Bei einem Unfall mit einem 12-jährigen Kind auf einem Fußgängerüberweg wurde eine Haftungsquote von 1/3 zu Lasten des Fahrzeugführers und 2/3 zu Lasten des Kindes festgesetzt.
  • Haftung bei Aufsichtspflichtverletzung: Wenn ein Kind aufgrund mangelnder Aufsicht zu Schaden kommt, kann neben der Betriebsgefahr auch eine Haftung der Aufsichtsperson in Betracht kommen. In einem Fall entschied das OLG Koblenz, dass die Aufsichtsperson zu 75% und der Autofahrer aufgrund der Betriebsgefahr zu 25% haften.

Wichtig zu wissen: Die Betriebsgefahr des Fahrzeugs kann nur in Ausnahmefällen vollständig entfallen, etwa bei höherer Gewalt oder wenn das Kind vorsätzlich gehandelt hat. Selbst bei einem Mitverschulden des Kindes oder seiner Aufsichtspersonen bleibt die Betriebsgefahr ein relevanter Faktor bei der Haftungsverteilung.

Wenn Sie als Fahrzeughalter in einen Unfall mit einem Kind verwickelt sind, sollten Sie sich bewusst sein, dass Sie aufgrund der Betriebsgefahr in der Regel zumindest teilweise haften, selbst wenn Sie alle Verkehrsregeln beachtet haben und das Kind den Unfall verursacht hat.


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Ab welchem Alter können Kinder im Straßenverkehr für ihr Verhalten verantwortlich gemacht werden?

Die Verantwortlichkeit von Kindern im Straßenverkehr ist nach Altersstufen gestaffelt:

Kinder unter 7 Jahren

Kinder unter sieben Jahren sind grundsätzlich nicht deliktsfähig und können für Schäden, die sie verursachen, nicht verantwortlich gemacht werden. Das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 828 Abs. 1 BGB) legt fest, dass diese Kinder für Schäden, die sie anderen zufügen, nicht haften.

Kinder zwischen 7 und 10 Jahren

Bei Kindern zwischen sieben und zehn Jahren gilt eine besondere Regelung für den motorisierten Straßenverkehr:

  • Im fließenden Verkehr mit Kraftfahrzeugen, Schienenfahrzeugen oder Schwebebahnen haften diese Kinder nicht, es sei denn, sie haben vorsätzlich gehandelt.
  • Im ruhenden Verkehr (z.B. bei Beschädigung geparkter Fahrzeuge) kann jedoch eine Haftung in Betracht kommen, da hier die Gefahrenquellen als geringer und für Kinder einschätzbar angesehen werden.

Diese Regelung wurde 2002 eingeführt, da entwicklungspsychologische Forschungen gezeigt haben, dass Kinder erst mit Vollendung des zehnten Lebensjahres in der Lage sind, die besonderen Gefahren des motorisierten Straßenverkehrs zu erkennen und bei ihrem Handeln zu berücksichtigen.

Kinder und Jugendliche ab 10 Jahren

Ab dem zehnten Geburtstag können Kinder grundsätzlich für ihr Verhalten im Straßenverkehr verantwortlich gemacht werden. Sie gelten als deliktsfähig, da davon ausgegangen wird, dass sie Verkehrssituationen einschätzen können.

Allerdings ist die Haftung auch hier nicht automatisch gegeben. Es kommt darauf an, ob das Kind in der konkreten Situation die erforderliche Einsichtsfähigkeit besaß, um die Folgen seines Handelns zu verstehen. Im Streitfall müssen die Eltern nachweisen, dass ihr Kind (noch) nicht haftet, weil es die Folgen seines Handelns im Straßenverkehr noch nicht abschätzen konnte.

Haftung der Eltern und Aufsichtspersonen

Wenn ein Kind aufgrund seines Alters nicht selbst haftet, stellt sich die Frage nach der Verantwortung der Eltern oder anderer Aufsichtspersonen. Diese haften nur dann, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben.

Der Umfang der Aufsichtspflicht richtet sich nach dem Alter, dem individuellen Entwicklungsstand und dem Verhalten des Kindes in der jeweiligen Situation. Bei Kleinkindern ab 4 Jahren ist für das Spielen auf einer verkehrsarmen Straße oder einem Bürgersteig nach Ansicht des Bundesgerichtshofs keine ständige Überwachung mehr notwendig. Ein Kontrollblick alle 15 bis 30 Minuten kann ausreichen.

Wenn Sie in einen Unfall mit einem Kind verwickelt sind, sollten Sie bedenken, dass Autofahrer eine erhöhte Sorgfaltspflicht gegenüber Kindern im Straßenverkehr haben, selbst wenn diese unvorhersehbar handeln. Bei einem Unfall mit einem Kind haftet daher meist der Autofahrer bzw. der Kfz-Halter, es sei denn, es liegt höhere Gewalt vor.


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Wie wird die Haftung bei einem Verkehrsverstoß eines Kindes im Vergleich zur Betriebsgefahr des Autos abgewogen?

Bei der Abwägung zwischen dem Fehlverhalten eines Kindes und der Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs spielen verschiedene rechtliche Faktoren eine entscheidende Rolle. Grundsätzlich gilt, dass die Betriebsgefahr des Fahrzeugs gemäß § 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG) nicht vollständig hinter dem Mitverschulden eines Kindes zurücktritt, selbst wenn das Kind verkehrswidrig gehandelt hat.

Altersbezogene Haftungsprivilegien für Kinder

Das Alter des Kindes ist der wichtigste Faktor bei der Haftungsabwägung:

  • Kinder unter 7 Jahren haften grundsätzlich nicht für Schäden, die sie verursachen. Ihre Ansprüche können auch nicht gemindert werden, wenn sie zum Unfall beigetragen haben.
  • Kinder zwischen 7 und 10 Jahren haften im fließenden Verkehr mit Kraftfahrzeugen nur, wenn sie vorsätzlich gehandelt haben. Im ruhenden Verkehr (z.B. bei Beschädigung geparkter Fahrzeuge) können sie jedoch bereits ab 7 Jahren haftbar sein.
  • Kinder ab 10 Jahren sind grundsätzlich deliktsfähig, jedoch wird ihre Haftung nach § 828 Abs. 3 BGB davon abhängig gemacht, ob sie die erforderliche Einsicht in ihre Verantwortlichkeit haben.

Zweck der Gefährdungshaftung

Der Sinn der Haftung aus Betriebsgefahr ist es, die besonderen Gefahren des Straßenverkehrs auszugleichen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 13.02.1990 darauf hingewiesen, dass Kinder durch den Betrieb von Kraftfahrzeugen wegen fehlender Eingewöhnung und Erfahrung im Straßenverkehr erheblich stärker gefährdet sind als Erwachsene. Entsprechend muss die Haftung für die Betriebsgefahr auch dieses bei Kindern erhöhte Risiko auffangen.

Konkrete Abwägungskriterien

Bei der Abwägung nach §§ 9 StVG, 254 BGB wird die Betrachtung der Verursachungsanteile bei Kindern erweitert:

  • Subjektive Faktoren auf Seiten des Kindes werden berücksichtigt und an altersgemäßen Maßstäben gemessen.
  • Vollständige Haftungsfreistellung des Fahrzeughalters kommt nur im Ausnahmefall in Betracht, wenn auf Seiten des Kindes – gemessen am altersspezifischen Verhalten – ein besonders vorwerfbarer Sorgfaltsverstoß vorliegt.
  • Objektives Gewicht des Unfallbeitrags gewinnt mit zunehmendem Alter des Kindes an Bedeutung.

Praktische Beispiele aus der Rechtsprechung

Wenn Sie mit einem Fall konfrontiert sind, in dem ein Kind beteiligt ist, können folgende Beispiele hilfreich sein:

  • Bei einem Unfall zwischen einem PKW und einem 12-jährigen radfahrenden Kind auf einem Fußgängerüberweg wurde eine Haftungsquote von 1/3 zu Lasten des Fahrzeugführers und 2/3 zu Lasten des Kindes festgesetzt.
  • Bei einem 8-jährigen Kind hat das Gericht eine Mithaftung in Form der Betriebsgefahr in Höhe von 20% angerechnet.

Erhöhte Sorgfaltspflicht für Autofahrer

Als Autofahrer tragen Sie gegenüber Kindern im Straßenverkehr eine besondere Sorgfaltspflicht. Sie müssen:

  • Mit unvorhersehbarem Verhalten von Kindern rechnen
  • Ihre Geschwindigkeit in Bereichen reduzieren, wo Kinder anzutreffen sind
  • Besonders aufmerksam sein, wenn Sie Kinder am Straßenrand wahrnehmen
  • Sich vergewissern, dass ein Kind die drohende Gefahr erkannt hat und sich korrekt verhalten wird

Wichtig: Selbst wenn ein Kind verkehrswidrig handelt, tritt die Betriebsgefahr des Fahrzeugs nicht vollständig zurück. Der Fahrzeughalter kann aufgrund der Betriebsgefahr haften, selbst wenn den Fahrer kein Verschulden trifft. Diese Haftung kann nur bei höherer Gewalt ausgeschlossen werden.


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Welche Schadensersatzansprüche bestehen bei einer Teilschuld des Kindes?

Bei einer Teilschuld des Kindes an einem Verkehrsunfall bestehen grundsätzlich dieselben Schadensersatzansprüche wie bei Unfällen ohne Teilschuld, jedoch werden diese entsprechend der Haftungsquote gekürzt. Die Besonderheit liegt im Alter des Kindes, das entscheidend für die Frage der Deliktsfähigkeit und damit für mögliche Ansprüche ist.

Altersabhängige Deliktsfähigkeit bei Kindern

Die Deliktsfähigkeit von Kindern ist im Straßenverkehr gesetzlich klar geregelt:

  • Kinder unter 7 Jahren sind grundsätzlich deliktunfähig und können für Schäden nicht verantwortlich gemacht werden.
  • Kinder zwischen 7 und 10 Jahren sind im fließenden Straßenverkehr ebenfalls deliktunfähig, können aber im stehenden Verkehr bereits haftbar sein.
  • Kinder ab 10 Jahren gelten als deliktsfähig und können bei Unfällen eine Teilschuld tragen, wobei ihr Alter und Entwicklungsstand berücksichtigt werden.

Bei Kindern unter 10 Jahren besteht daher ein 100%iger Schadensersatzanspruch gegenüber dem motorisierten Verkehrsteilnehmer, selbst wenn das Kind den Unfall verursacht hat.

Arten von Schadensersatzansprüchen

Bei einer festgestellten Teilschuld können folgende Ansprüche geltend gemacht werden, die jedoch entsprechend der Haftungsquote gekürzt werden:

  • Schmerzensgeld: Die Höhe richtet sich nach Art und Schwere der Verletzungen sowie deren Folgen. Bei Kindern fällt das Schmerzensgeld oft höher aus als bei Erwachsenen, da mögliche Langzeitfolgen und die längere verbleibende Lebenszeit berücksichtigt werden.
  • Heilbehandlungskosten: Dazu gehören alle medizinisch notwendigen Behandlungen, Medikamente und Hilfsmittel.
  • Pflege- und Betreuungskosten: Bei schweren Verletzungen können Kosten für notwendige Pflege entstehen.
  • Kosten für behindertengerechten Wohnraummehrbedarf: Bei dauerhaften Beeinträchtigungen können Umbauten der Wohnung erforderlich sein.
  • Fahrzeugumbauten: Bei Behinderungen können Kosten für ein entsprechend umgebautes Fahrzeug anfallen.
  • Verdienstausfall: Bei älteren Kindern kann auch ein zukünftiger Verdienstausfall berücksichtigt werden.
  • Vermehrte Bedürfnisse: Zusätzliche Kosten, die aufgrund der Unfallfolgen entstehen.

Praktische Auswirkungen der Haftungsquote

Die festgestellte Teilschuld wirkt sich direkt auf die Höhe der Schadensersatzleistungen aus:

Bei einer Haftungsquote von beispielsweise 1/3 zu Lasten des Fahrzeugführers und 2/3 zu Lasten des Kindes (wie in einem Urteil des OLG Celle bei einem 12-jährigen Kind festgesetzt) bedeutet dies, dass das Kind nur 1/3 seiner Ansprüche erhält. Hat das Kind also Anspruch auf ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro, würde es bei dieser Haftungsquote nur 10.000 Euro erhalten.

In einem anderen Fall sprach das Landgericht Nürnberg-Fürth einem 10-jährigen Kind trotz Mitverschuldens von einem Drittel insgesamt 64.500 Euro zu. Dies zeigt, dass auch bei einer Teilschuld erhebliche Schadensersatzansprüche bestehen können.

Besonderheiten bei der Geltendmachung von Ansprüchen

Wenn Sie als Eltern Ansprüche für Ihr Kind geltend machen möchten, sollten Sie folgende Aspekte beachten:

  • Dokumentation: Sammeln Sie alle medizinischen Unterlagen, Rechnungen und Nachweise über Kosten, die durch den Unfall entstanden sind.
  • Vorschnelle Abfindungen vermeiden: Besonders bei schweren Verletzungen ist es wichtig, die langfristigen Folgen abzuwarten, bevor Vergleiche geschlossen werden.
  • Altersgerechte Beurteilung: Bei Kindern über 10 Jahren wird das durchschnittliche Wissen und Können der jeweiligen Altersgruppe im Straßenverkehr berücksichtigt.

Die Rechtsprechung berücksichtigt bei der Beurteilung einer möglichen Teilschuld auch die konkrete Unfallsituation. So entschied das OLG Celle in einem Fall, dass einem elfjährigen Kind kein Mitverschulden anzulasten sei, wenn es als letztes einer Kindergruppe beim Überqueren einer Straße von einem Fahrzeug erfasst wird, dessen Fahrer die Kinder wahrgenommen hat und den Unfall hätte verhindern können.


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Wie beeinflusst ein atypisches Verkehrsgeschehen die Haftungsquote?

Bei atypischen Verkehrsgeschehen kann die standardmäßige Haftungsverteilung erheblich verändert werden. Ein atypisches Verkehrsgeschehen liegt vor, wenn der Unfallhergang von der gewöhnlichen Verkehrssituation abweicht und dadurch die üblichen Annahmen zur Haftungsverteilung nicht mehr greifen.

Grundsätzliche Auswirkungen auf die Haftungsquote

Bei einem atypischen Verkehrsgeschehen kann der Beweis des ersten Anscheins erschüttert werden, der normalerweise zu einer bestimmten Haftungsverteilung führen würde. Fehlt ein zwingender Grund für ein ungewöhnliches Fahrverhalten, kann dies zu einer Mithaftung führen, da sich der Beweis des ersten Anscheins dann nicht auf ein alleiniges Verschulden eines Beteiligten bezieht. Der atypische Verlauf muss von demjenigen bewiesen werden, der sich darauf beruft, um den Verschuldensvorwurf zu entkräften oder zu mindern.

Beispiele für atypische Verkehrsgeschehen und deren Auswirkungen

Unübersichtliche Kreuzungen oder fehlende Verkehrszeichen können zu einer Minderung der Haftung führen, selbst wenn ein Vorfahrtsverstoß vorliegt. Wenn Sie an einer schlecht einsehbaren Kreuzung in einen Unfall verwickelt werden, kann dies Ihre Haftungsquote reduzieren.

Bei einem plötzlichen Abbremsen ohne erkennbaren Grund kann die Haftungsverteilung angepasst werden. So hat das Amtsgericht München eine Haftungsquote von 75% zu 25% zu Lasten des Auffahrenden angenommen, als der Vordermann wegen eines Eichhörnchens stark abbremste. Grundsätzlich gilt: Je unwahrscheinlicher nach der Verkehrssituation ein starkes Abbremsen ist, desto größer kann die Mithaftung des Vorausfahrenden sein.

Besondere Berücksichtigung bei Unfällen mit Kindern

Bei Unfällen mit Kindern gelten besondere Regeln, die das atypische Verkehrsgeschehen in einen anderen Kontext stellen:

  • Kinder unter 7 Jahren haften grundsätzlich nicht für Schäden.
  • Kinder zwischen 7 und 10 Jahren haften im fließenden Verkehr nur bei vorsätzlichem Handeln.
  • Ab 10 Jahren richtet sich die Haftung nach der Einsichtsfähigkeit des Kindes.

Wenn Sie als Autofahrer in einen Unfall mit einem Kind verwickelt werden, kann Ihre Haftung trotz atypischen Verhaltens des Kindes bestehen bleiben, da Kinder als schwächste Verkehrsteilnehmer gelten und ihre Fähigkeit, Gefahren einzuschätzen, begrenzt ist.

Weitere Faktoren, die die Haftungsquote beeinflussen

Neben dem atypischen Verkehrsgeschehen spielen weitere Faktoren eine Rolle:

  • Die Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge (größere Fahrzeuge tragen eine höhere Betriebsgefahr)
  • Die Erkennbarkeit der Gefahrensituation (war die Gefahr frühzeitig erkennbar?)
  • Technische Mängel am Fahrzeug (defekte Bremsen, abgefahrene Reifen)
  • Witterungsverhältnisse zum Unfallzeitpunkt (Regen, Nebel, Dunkelheit)
  • Besondere Schutzwürdigkeit bestimmter Verkehrsteilnehmer (Kinder, ältere Menschen)

Wenn Sie in eine Verkehrssituation geraten, die von diesen Faktoren beeinflusst wird, kann dies erhebliche Auswirkungen auf die Haftungsverteilung haben.

Rechtliche Grundlagen der Haftungsverteilung

Die Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen basiert auf verschiedenen Rechtsgrundlagen:

  • § 823 BGB regelt die allgemeine Schadensersatzpflicht bei unerlaubten Handlungen
  • § 17 StVG bestimmt die Haftungsverteilung bei Beteiligung mehrerer Kraftfahrzeuge
  • § 249 BGB legt Art und Umfang des Schadensersatzes fest
  • § 253 BGB regelt den Ersatz immaterieller Schäden (Schmerzensgeld)

Bei einem atypischen Verkehrsgeschehen werden diese Grundlagen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände angewendet, um eine gerechte Haftungsverteilung zu erreichen.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar - Juristische Fachbegriffe kurz und knapp einfach erklärt

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Betriebsgefahr

Die Betriebsgefahr ist ein juristischer Begriff aus dem deutschen Verkehrsrecht. Sie beschreibt das allgemeine Gefahrenpotenzial, das mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr verbunden ist – unabhängig davon, ob der Fahrzeugführer tatsächlich ein Verschulden trägt. Selbst bei sorgfältiger Fahrweise können Risiken entstehen, die sich allein aus der Masse, Geschwindigkeit oder Beweglichkeit des Fahrzeugs ergeben. Nach § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) haftet der Halter eines Fahrzeugs grundsätzlich für Schäden, die durch den Betrieb des Fahrzeugs verursacht werden.

Beispiel: Ein Autofahrer fährt gemäß den Verkehrsregeln, kann jedoch nicht mehr rechtzeitig bremsen, als ein Kind plötzlich auf die Straße rennt. Selbst wenn der Fahrer keine Schuld hat, muss unter Umständen trotzdem ein Teil des Schadens ersetzt werden, weil das Auto eine Betriebsgefahr darstellt.


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Eigenverschulden

Eigenverschulden bedeutet, dass eine Person durch ihr eigenes Verhalten ganz oder teilweise dazu beigetragen hat, dass ein Schaden entstanden ist. Im deutschen Recht ist dies in § 254 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Das Gericht prüft in solchen Fällen, ob das Verhalten des Geschädigten einen Einfluss auf die Entstehung oder den Umfang des Schadens hatte. Beim Eigenverschulden eines Kindes wird zusätzlich dessen altersbedingte Einsichtsfähigkeit berücksichtigt.

Beispiel: Ein zehnjähriges Kind läuft unachtsam auf die Straße, ohne auf den Verkehr zu achten, und wird von einem Auto angefahren. Das Gericht stellt fest, dass das Verhalten des Kindes den Unfall teilweise mitverursacht hat, weshalb die Schadensersatzansprüche anteilig reduziert werden.


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Haftungsquote

Die Haftungsquote beschreibt den Anteil, den jede beteiligte Partei an der Verantwortung für einen Schaden trägt. Sie wird vom Gericht festgelegt, wenn mehrere Personen an der Schadensentstehung beteiligt sind, und bestimmt, in welchem Verhältnis die Schadensersatzansprüche aufgeteilt werden. Maßgeblich für die Quote ist das Verhältnis der Verschuldensanteile oder Risikobeiträge, z. B. durch die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs.

Beispiel: In einem Verkehrsunfallfall gibt das Gericht dem Kind eine Mitschuld von 75 % und der Autofahrerin eine Schuld von 25 %. Die Haftungsquote bestimmt, dass die Autofahrerin nur 25 % des Schadens zahlen muss.


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Materieller und immaterieller Schaden

Ein materieller Schaden umfasst alle Schäden, die direkt in Geld messbar sind, wie z. B. Behandlungskosten, Reparaturkosten oder Verdienstausfall. Ein immaterieller Schaden hingegen betrifft die Beeinträchtigung nicht-materieller Güter, wie Schmerzen, psychisches Leid oder Lebensqualität. Im deutschen Recht regelt § 253 BGB unter anderem den Anspruch auf Schmerzensgeld aufgrund immaterieller Schäden.

Beispiel: Ein Kind erleidet bei einem Verkehrsunfall eine Beinverletzung, die zu Krankenhauskosten (materieller Schaden) und dauernden Schmerzen (immaterieller Schaden) führt. Das Gericht entscheidet, dass beide Schadenarten zu entschädigen sind.


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Verkehrssorgfaltspflicht

Die Verkehrssorgfaltspflicht verlangt, dass sich jeder Verkehrsteilnehmer so verhält, dass andere nicht gefährdet oder geschädigt werden. Sie bildet einen zentralen Grundsatz des Straßenverkehrsrechts und wird durch die Straßenverkehrsordnung (StVO), insbesondere § 1 StVO, konkretisiert. Auch Kinder können je nach Alter eine eingeschränkte Sorgfaltspflicht haben, die an ihre Fähigkeiten angepasst ist.

Beispiel: Ein Autofahrer muss beim Fahren erwarten, dass Kinder plötzlich und unvorhersehbar auf die Straße laufen könnten. Gleichzeitig müssen Kinder, soweit möglich, auf den Verkehr achten und sich an die Verkehrsregeln halten.


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Sozialversicherungsträger

Ein Sozialversicherungsträger ist eine Einrichtung, die gesetzliche Leistungen aus der Sozialversicherung – wie Kranken-, Renten- oder Unfallversicherung – erbringt. Wenn ein Geschädigter beispielsweise nach einem Verkehrsunfall Krankenhauskosten hat, können diese häufig zuerst durch die Krankenkasse übernommen werden. In diesen Fällen gehen Schadensersatzansprüche gemäß § 116 SGB X auf den Sozialversicherungsträger über, der die Kosten getragen hat.

Beispiel: Nach dem Unfall eines Kindes übernimmt die Krankenkasse die Behandlungskosten. Die Krankenkasse kann anschließend vom Unfallverursacher oder dessen Versicherung die Erstattung dieser Kosten verlangen.


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Vorläufige Vollstreckbarkeit

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ermöglicht es, ein Urteil vor seiner endgültigen Rechtskraft durchzusetzen. Dies bedeutet, dass die Ansprüche des obsiegenden Klägers umgesetzt werden können, obwohl das Urteil noch angefochten werden könnte. Um jedoch die Risiken des Beklagten zu mindern, wird häufig eine Sicherheitsleistung gefordert, die ggf. zurückgezahlt werden muss, sollte das Urteil später aufgehoben werden.

Beispiel: Nach dem Urteil des OLG Hamm muss die Beklagte 25 % der Kosten des Kindes vorläufig zahlen. Falls die Beklagte Einspruch einlegt, kann sie die Zahlung durch eine Kaution in Höhe von 110 % der Kosten absichern.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 7 Abs. 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Fahrzeughalter haften für Schäden, die beim Betrieb des Fahrzeugs entstehen, unabhängig von eigenem Verschulden (Gefährdungshaftung). Dabei wird die sogenannte „Betriebsgefahr“ berücksichtigt, also das allgemeine Risiko, das von einem Fahrzeug im Verkehr ausgeht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagte als Fahrerin ist zugleich Halterin des Fahrzeugs, sodass sie für die Schäden des Klägers haften kann, da der Unfall durch den Betrieb ihres Pkw verursacht wurde. Dies stellt die Grundlage für eine Mithaftung der Beklagten dar.
  • § 823 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist zum Schadensersatz verpflichtet. Ein Verschulden ist erforderlich, das in Form von Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorliegen kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Anspruch des Klägers auf Schadensersatz beruht auf einer möglichen fahrlässigen Pflichtverletzung der Beklagten, auch wenn der Schwerpunkt auf der Betriebsgefahr verbleiben könnte.
  • § 254 Abs. 1 BGB (Mitverschuldensregel): Wenn der Geschädigte durch eigenes Verhalten zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, wird dies bei der Haftungsverteilung berücksichtigt. Die Schadensteilung erfolgt nach Verursachungs- und Zurechnungsanteilen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht hat festgestellt, dass der Kläger erheblich durch sein eigenes Verhalten (Sorgfaltspflichtverletzung beim Überqueren der Straße) zum Unfall beigetragen hat, weshalb die Haftung der Beklagten anteilig auf 25 % beschränkt wurde.
  • § 9 StVG i.V.m. § 254 BGB: Diese Vorschrift regelt die Schadensteilung bei Verkehrsunfällen und setzt die allgemeinen Grundsätze der Mitverschuldensregel (§ 254 BGB) in Beziehung zu den Besonderheiten des Straßenverkehrsrechts. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Abwägung der Verursachungsbeiträge führte zum Ergebnis, dass die Betriebsgefahr des Fahrzeugs hinter dem gravierenden Fehlverhalten des Klägers zurücktritt, weshalb der Haftungsanteil entsprechend bemessen wurde.
  • § 25 Abs. 3 StVO (Straßenverkehrs-Ordnung): Fußgänger dürfen eine Fahrbahn nur queren, wenn sie sich vergewissert haben, dass sie dadurch keinen Fahrzeugverkehr gefährden. Zudem müssen sie an geeigneten Stellen, wie Fußgängerüberwegen, queren. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger verstieß altersbedingt gegen diese Verkehrsvorschrift, indem er ohne hinreichendes Umschauen und Anhalten zügig die Straße betrat, wodurch ein erhebliches Mitverschulden festgestellt wurde.
  • § 18 Abs. 1 StVG: Der Fahrer eines Fahrzeugs haftet für Schäden, die durch den Betrieb seines Fahrzeugs entstehen, es sei denn, er kann beweisen, dass der Unfall unvermeidbar war. Diese verschuldensabhängige Haftung ergänzt die Halterhaftung nach § 7 StVG. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagte könnte nur insoweit haftungsfrei bleiben, wenn sie beweisen könnte, dass der Unfall auch bei größter Sorgfalt unvermeidlich gewesen wäre. Das Gericht sah jedoch zumindest eine Resthaftung der Beklagten gegeben.

Das vorliegende Urteil


OLG Hamm – Az.: I-7 U 142/23 – Urteil vom 25.06.2024


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