Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Ein teurer Parkschaden – oder ein geplanter Betrug?
- Vom Schadensschreiben zur Gerichtsverhandlung
- War der Unfall echt? Die zentrale Frage für das Gericht
- Die Entscheidung des Gerichts: Keine Zahlung für einen inszenierten Unfall
- Warum das Gericht von einem Betrug überzeugt war: Die Indizienkette
- Das entscheidende Puzzleteil: Die technische Analyse des Sachverständigen
- Das Gesamtbild: Wenn zu viele Zufälle keine Zufälle mehr sind
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was versteht man unter einem gestellten Unfall und welche Probleme bringt er mit sich?
- Wie kann eine Versicherung einen gestellten Unfall erkennen und beweisen?
- Welche schwerwiegenden Folgen drohen, wenn ich bei einem gestellten Unfall beteiligt bin?
- Was sollte ich tun, wenn meine Versicherung meinen echten Unfall verdächtigt, gestellt zu sein?
- Welche Bedeutung haben unabhängige Gutachter bei der Aufklärung von Unfallbetrug?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 12 0 282/19 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Mönchengladbach
- Datum: 07.06.2025
- Aktenzeichen: 12 O 282/19
- Rechtsbereiche: §§ 823 BGB, 7 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Person, die Schadensersatzansprüche aus einem angeblichen Verkehrsunfall vom 16.01.2019 geltend machte und die Zahlung von Reparaturkosten, Gutachterkosten und weiteren Kosten forderte.
- Beklagte: Der Halter des am Unfall beteiligten Fahrzeugs und dessen Haftpflichtversicherer. Sie bestritten den Anspruch und behaupteten, es handele sich um einen manipulierten Verkehrsunfall.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Der Kläger forderte Schadensersatz von dem Halter und dem Haftpflichtversicherer eines Fahrzeugs, das sein geparktes Auto bei einem angeblichen Verkehrsunfall beschädigt haben soll. Er behauptete, das Beklagtenfahrzeug sei beim Vorbeifahren gegen die linke Seite seines parkenden Wagens gestoßen. Die Beklagten bestritten den Anspruch und vermuteten einen manipulierten Unfall.
- Kern des Rechtsstreits: Zentraler Streitpunkt war die Frage, ob ein Schadensersatzanspruch für einen Verkehrsunfall besteht, wenn starke Hinweise auf eine Manipulation vorliegen und der Unfallhergang technisch nicht plausibel ist.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht wies die Klage ab. Die Kosten des Rechtsstreits muss der Kläger tragen.
- Begründung: Das Gericht war überzeugt, dass der Unfall manipuliert und abgesprochen war. Dies wurde durch eine Vielzahl von Indizien belegt, darunter die Beschaffenheit der beteiligten Fahrzeuge, die Unfallörtlichkeit und -zeit, die technische Unplausibilität des Unfallhergangs sowie das Verhalten des Klägers nach dem Vorfall.
- Folgen: Da dem Kläger kein Hauptanspruch auf Schadensersatz zustand, entfielen auch die damit verbundenen Forderungen auf Zinsen, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Erstattung der Anwaltskosten.
Der Fall vor Gericht
Ein teurer Parkschaden – oder ein geplanter Betrug?
Ein Kratzer im Lack, eine Delle in der Tür – fast jeder Autofahrer kennt den Ärger nach einem Parkrempler. Normalerweise ist der Fall klar: Der Verursacher meldet den Schaden seiner Versicherung, diese prüft den Fall und bezahlt die Reparatur. Doch was passiert, wenn die Versicherung den Verdacht hegt, dass der Unfall gar kein Unfall war, sondern ein absichtlich herbeigeführtes Ereignis, um Geld zu kassieren? Genau mit dieser Frage musste sich das Landgericht Mönchengladbach in einem Urteil befassen. Es ging darum zu klären, ob ein Autofahrer Anspruch auf Schadensersatz hat, wenn es erhebliche Zweifel an der Echtheit des Unfallhergangs gibt.
Vom Schadensschreiben zur Gerichtsverhandlung

Alles begann mit einem angeblichen Verkehrsunfall an einem Abend im Januar 2019. Der Eigentümer eines Autos, der spätere Kläger, behauptete, sein am Straßenrand geparktes Fahrzeug sei von einem vorbeifahrenden Wagen an der linken Seite gestreift und beschädigt worden. Daraufhin ließ er ein Gutachten erstellen, das die voraussichtlichen Reparaturkosten auf über 6.000 Euro bezifferte. Zusammen mit den Kosten für den Gutachter und einer kleinen Pauschale forderte sein Anwalt von der gegnerischen Versicherung, der Haftpflichtversicherung des angeblich unfallverursachenden Wagens, eine Summe von fast 7.000 Euro.
Die Versicherung weigerte sich jedoch zu zahlen. Ihr Standpunkt war klar: Sie ging davon aus, dass es sich um einen manipulierten, also einen abgesprochenen Unfall handelte. Sie argumentierte, dass es viele Anzeichen für einen Betrugsversuch gäbe. Daraufhin zog der Autobesitzer vor Gericht und verklagte den Halter des anderen Wagens und dessen Versicherung auf Zahlung des geforderten Schadensersatzes. Er wollte nicht nur das Geld für die Reparatur, sondern auch die Feststellung, dass die Versicherung für alle zukünftigen Schäden aus diesem Unfall aufkommen muss.
War der Unfall echt? Die zentrale Frage für das Gericht
Für das Gericht stand damit eine entscheidende Frage im Raum: Handelte es sich um ein echtes, unglückliches Zufallsereignis oder um einen inszenierten Vorfall? Das ist juristisch von großer Bedeutung. Wenn jemand in einen Unfall verwickelt wird, hat er grundsätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz. Wenn er dem Schaden aber zugestimmt hat – also bei einem abgesprochenen Unfall –, hat er logischerweise keinen Anspruch. Niemand kann für einen Schaden entschädigt werden, den er selbst wollte.
Aber wie kann eine Versicherung beweisen, dass ein Unfall abgesprochen war? Selten gibt es ja schriftliche Verträge oder Zeugen für eine solche Absprache. Deshalb stützte sich die Versicherung hier auf einen sogenannten Indizienbeweis. Das bedeutet, sie sammelte viele einzelne Hinweise (Indizien), die für sich genommen vielleicht nicht ausreichen, aber in ihrer Gesamtheit ein so klares Bild ergeben, dass das Gericht von einem gestellten Unfall überzeugt ist. Die Beweislast, also die Pflicht, die entsprechenden Tatsachen zu beweisen, lag dabei bei der Versicherung. Sie musste das Gericht überzeugen, dass der Kläger in den „Unfall“ eingewilligt hatte.
Die Entscheidung des Gerichts: Keine Zahlung für einen inszenierten Unfall
Nachdem das Gericht alle Beweise geprüft hatte, darunter Zeugenaussagen und vor allem das Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen, kam es zu einem klaren Ergebnis: Die Klage wurde vollständig abgewiesen. Das bedeutet, der Autobesitzer erhält kein Geld von der Versicherung. Mehr noch: Er muss als Verlierer des Prozesses sämtliche Kosten des Gerichtsverfahrens tragen, also nicht nur seine eigenen Anwaltskosten, sondern auch die der Gegenseite und die Kosten für das Gericht und den Sachverständigen.
Warum das Gericht von einem Betrug überzeugt war: Die Indizienkette
Das Gericht fällte sein Urteil nicht leichtfertig. Es begründete seine Entscheidung detailliert mit einer ganzen Reihe von Verdachtsmomenten, die in ihrer Summe keinen anderen Schluss zuließen, als dass der Unfall gestellt war. Um das nachzuvollziehen, müssen wir uns die einzelnen Puzzleteile ansehen, die das Gericht zusammensetzte.
Auffällige Fahrzeuge: Alt, wertvoll und vorgeschädigt
Zunächst schaute sich das Gericht die beteiligten Autos genau an. Das Fahrzeug des Klägers war ein über zwölf Jahre altes Modell aus einer teuren Preisklasse mit einem hohen Kilometerstand von 220.000 km. Solche Fahrzeuge sind bei Betrügern beliebt. Warum? Weil selbst kleinere Schäden an alten Luxusautos auf dem Papier hohe Reparaturkosten verursachen können. Der Betrüger lässt dann auf Basis eines Gutachtens abrechnen (man nennt das Fiktive Abrechnung, weil die Reparatur nicht wirklich stattfindet), kassiert das Geld und fährt mit dem leicht beschädigten Auto einfach weiter.
Auch das andere Fahrzeug passte ins Bild. Es war ebenfalls ein älteres Luxusmodell, sogar über 20 Jahre alt, mit einer extrem hohen Laufleistung von über 390.000 km. Besonders auffällig: Dieses Auto wurde erst wenige Wochen vor dem angeblichen Unfall bei der beklagten Versicherung versichert und kurz danach wieder verkauft. Es wirkte fast so, als sei es nur für diesen Zweck angeschafft und versichert worden.
Ein verdächtiger Ort und eine verdächtige Zeit
Auch die Umstände des Unfalls machten das Gericht stutzig. Der Vorfall soll sich am Abend in einer ruhigen Seitenstraße ereignet haben. Orte und Zeiten, an denen nur wenige oder gar keine Zeugen zu erwarten sind, werden für inszenierte Unfälle häufig gewählt. So sinkt das Risiko, bei der Absprache oder der Durchführung des „Unfalls“ beobachtet und entlarvt zu werden. Ein Unfall auf einer belebten Kreuzung zur Mittagszeit wäre deutlich riskanter.
Das entscheidende Puzzleteil: Die technische Analyse des Sachverständigen
Der wohl wichtigste Baustein in der Argumentation des Gerichts war das Gutachten eines extra beauftragten Unfallsachverständigen. Dieser Experte hatte die Aufgabe, den vom Fahrer des anderen Wagens geschilderten Unfallhergang technisch zu überprüfen. Der Fahrer hatte ausgesagt, er sei durch das Hantieren mit einer CD abgelenkt gewesen, sei mit etwa 30 km/h gefahren und habe zu spät gebremst, als er das geparkte Auto streifte.
Der Sachverständige kam jedoch zu einem vernichtenden Ergebnis: Diese Geschichte konnte technisch nicht stimmen. Seine Analyse der Schäden zeigte ein völlig anderes Bild. Das anstoßende Auto muss zu Beginn des Kontakts stark gebremst und die Bremse mitten im Streifvorgang wieder gelöst haben. Außerdem zeigte die Lenkbewegung ein unlogisches Muster. Stellen Sie sich vor, Sie fahren versehentlich zu nah an einem geparkten Auto vorbei. Was wäre Ihre instinktive Reaktion? Sie würden vermutlich eine Vollbremsung hinlegen und gleichzeitig versuchen, so stark wie möglich vom Hindernis wegzulenken.
Das hier festgestellte Fahrverhalten – bremsen, Bremse lösen, unlogisch lenken – passt aber nicht zu einer Schreckreaktion. Es wirkt vielmehr wie ein kontrolliertes, gezieltes Manöver, um einen bestimmten Schaden zu erzeugen, ohne die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren. Der Sachverständige nannte den geschilderten Hergang „technisch nicht nachvollziehbar“ und widersprüchlich. Für das Gericht waren diese überzeugenden Ausführungen des Experten ein klares Zeichen für eine Inszenierung.
Das Gesamtbild: Wenn zu viele Zufälle keine Zufälle mehr sind
Zusätzlich zu diesen Hauptpunkten kamen weitere Indizien hinzu. Der Kläger rechnete den Schaden fiktiv auf Gutachtenbasis ab und versuchte zudem, Schäden geltend zu machen, die nach Ansicht des Sachverständigen gar nicht von diesem einen Streifvorgang stammen konnten.
Am Ende stand für das Gericht fest: Jedes dieser Indizien für sich allein hätte vielleicht nicht ausgereicht, um von einem Betrug auszugehen. Aber die Gesamtschau all dieser Punkte – die typischen Fahrzeuge, der untypische Ort, der leicht kontrollierbare Unfalltyp und vor allem der technisch unmögliche Unfallhergang – ergab ein stimmiges und überzeugendes Gesamtbild. Die vielen „Zufälle“ waren einfach zu zahlreich, um noch Zufälle zu sein. Da der Kläger diese erdrückende Indizienkette nicht entkräften oder eine plausible Erklärung liefern konnte, war das Gericht davon überzeugt, dass der Unfall abgesprochen war und wies die Klage ab.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass Versicherungen bei verdächtigen Unfällen nicht zahlen müssen, wenn sie beweisen können, dass der Schaden absichtlich herbeigeführt wurde. Entscheidend ist dabei ein sogenannter Indizienbeweis: Viele einzelne Verdachtsmomente wie ungewöhnliche Fahrzeuge, auffällige Umstände und vor allem eine technische Analyse, die den geschilderten Unfallhergang als unmöglich entlarvt, können zusammen einen überzeugenden Betrugsnachweis ergeben. Das Gericht machte deutlich, dass selbst scheinbar perfekt inszenierte Unfälle durch sachverständige Begutachtung aufgedeckt werden können, da sich echte Schreckbremsungen und Lenkmanöver technisch völlig anders darstellen als kontrollierte Schadenszufügung. Für Autofahrer bedeutet dies: Ehrlichkeit zahlt sich aus, denn Versicherungsbetrug kann nicht nur zur Verweigerung der Zahlung führen, sondern auch hohe Gerichts- und Anwaltskosten nach sich ziehen.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was versteht man unter einem gestellten Unfall und welche Probleme bringt er mit sich?
Ein Gestellter Unfall, auch inszenierter oder fingierter Unfall genannt, ist ein Ereignis, das nicht zufällig oder unabsichtlich passiert, sondern mit voller Absicht herbeigeführt oder vorgetäuscht wird. Ziel ist es, Schäden am eigenen oder einem fremden Fahrzeug zu erzeugen oder zu behaupten, um diese dann der Versicherung zu melden und ungerechtfertigt Versicherungsleistungen zu kassieren. Im Gegensatz zu einem echten Unfall fehlt beim gestellten Unfall der Zufallscharakter; alles ist geplant, um einen Versicherungsbetrug zu ermöglichen. Manchmal werden sogar Verletzungen vorgetäuscht, um auch Schmerzensgeld oder andere Ansprüche geltend zu machen.
Welche Probleme und Folgen hat ein gestellter Unfall?
Ein gestellter Unfall ist ein schwerwiegendes Problem und hat weitreichende Konsequenzen, sowohl für die direkt Beteiligten als auch für die Allgemeinheit:
1. Rechtliche Konsequenzen für Beteiligte
Die Beteiligung an einem gestellten Unfall ist strafbar und kann ernsthafte rechtliche Folgen nach sich ziehen:
- Versicherungsbetrug: Der Hauptvorwurf ist der Versicherungsbetrug. Dies ist eine Straftat nach dem Strafgesetzbuch (StGB). Bereits der Versuch ist strafbar. Die Strafen können von empfindlichen Geldstrafen bis hin zu mehrjährigen Freiheitsstrafen reichen, je nach Höhe des Schadens und der genauen Umstände.
- Weitere Straftaten: Oft kommen weitere Straftatbestände hinzu, wie etwa die Vortäuschung einer Straftat (wenn zum Beispiel behauptet wird, der Unfall sei von einer unbekannten Person verursacht worden), Falschaussage oder Falschbeurkundung (wenn unwahre Angaben bei der Polizei oder Versicherung gemacht werden), oder auch Körperverletzung (wenn durch die Inszenierung tatsächlich jemand verletzt wird).
- Führerscheinentzug: Eine Verurteilung kann auch den Entzug der Fahrerlaubnis zur Folge haben.
- Zivilrechtliche Forderungen: Die Versicherung wird bei Aufdeckung des Betruges die Zahlung verweigern oder bereits gezahlte Beträge zurückfordern. Der Versicherungsschutz für den Vorfall entfällt komplett. Zudem kann die Versicherung den Vertrag kündigen, was es schwierig machen kann, später eine neue Versicherung zu finden.
2. Folgen für die Versicherten insgesamt
Gestellte Unfälle schaden nicht nur den Tätern, sondern auch der gesamten Versichertengemeinschaft:
- Höhere Versicherungsbeiträge: Die Kosten, die den Versicherungen durch Betrugsfälle entstehen, sind erheblich. Diese finanziellen Verluste werden letztlich auf alle ehrlichen Versicherungsnehmer umgelegt. Das bedeutet, für Sie und andere Verbraucher steigen die Versicherungsbeiträge, um die durch Betrug entstandenen Schäden auszugleichen.
- Erschütterung des Vertrauens: Solche Vorfälle untergraben das Vertrauen in das Versicherungssystem und führen dazu, dass Versicherungen bei der Schadensregulierung misstrauischer werden müssen, was den Prozess für ehrliche Geschädigte verkomplizieren kann.
Wie kann eine Versicherung einen gestellten Unfall erkennen und beweisen?
Versicherungen verfügen über verschiedene Methoden und Experten, um zu überprüfen, ob ein angegebener Unfall tatsächlich so stattgefunden hat, wie geschildert, oder ob er womöglich inszeniert wurde. Dabei suchen sie nach Ungereimtheiten und Hinweisen, die zusammen ein Gesamtbild ergeben, das auf eine Inszenierung hindeutet.
Wie Versicherungen Anzeichen sammeln
Versicherungen sammeln verschiedene „Puzzleteile“, die auf einen inszenierten Unfall hinweisen können. Diese einzelnen Hinweise, auch Indizien genannt, sind für sich genommen oft harmlos, gewinnen aber im Zusammenhang an Bedeutung:
- Auffälligkeiten am Unfallort: Das kann ein ungewöhnlicher Ort sein, an dem selten Unfälle passieren, oder eine Stelle, die schwer einsehbar ist. Auch fehlende Bremsspuren oder unpassende Schäden im Verhältnis zur Unfallstelle können misstrauisch machen.
- Merkmale der beteiligten Fahrzeuge: Experten prüfen, ob die Schäden an den Fahrzeugen zum angeblichen Unfallhergang passen. Mögliche Anzeichen sind Vorschäden, die als neue Schäden deklariert werden sollen, oder Schäden, die nicht mit der Kollisionsenergie oder dem angegebenen Winkel übereinstimmen. Auch Manipulationen an Fahrzeugteilen können auffallen.
- Ungereimtheiten im Unfallhergang: Widersprüchliche Angaben der Beteiligten, ein ungewöhnlich detaillierter oder übertrieben blumiger Unfallbericht, oder die Tatsache, dass Zeugen sich merkwürdig verhalten oder immer wieder bei ähnlichen Vorfällen auftauchen, können Verdacht erregen.
Die Methoden der Aufdeckung
Um die gesammelten Anzeichen zu überprüfen, setzen Versicherungen verschiedene Ermittlungsmethoden ein:
- Schadengutachten und technische Analysen: Unabhängige Sachverständige untersuchen die Unfallfahrzeuge. Sie können beispielsweise anhand von Lackspuren, Verformungen und der Art der Beschädigung feststellen, ob der Schaden zum angegebenen Kollisionspunkt und zur Geschwindigkeit passt. Moderne Fahrzeuge speichern zudem oft Daten in ihren Steuergeräten (ähnlich einer „Black Box“), die Aufschluss über Geschwindigkeit, Bremsvorgänge oder Gurtstatus kurz vor dem Aufprall geben können.
- Befragungen und Zeugenprüfungen: Die Aussagen aller Beteiligten und Zeugen werden genau abgeglichen. Widersprüche oder unplausible Darstellungen können weitere Ermittlungen auslösen. Auch mögliche Verbindungen zwischen den Unfallbeteiligten, die auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind, werden überprüft.
- Überprüfung vorheriger Schadenmeldungen: Versicherungen prüfen in ihren Datenbanken, ob die beteiligten Personen oder Fahrzeuge bereits in der Vergangenheit durch eine Reihe von auffälligen Schadenfällen aufgefallen sind. Wenn bestimmte Muster oder Häufungen von Schäden erkennbar sind, kann dies ebenfalls den Verdacht auf eine Inszenierung verstärken.
- Datenanalyse: Versicherungen nutzen spezielle Software, die große Mengen an Schadenfalldaten analysiert. Diese Programme können Muster und Auffälligkeiten identifizieren, die für menschliche Ermittler schwer zu erkennen wären, beispielsweise ungewöhnliche Schadenhäufigkeiten bei bestimmten Personengruppen oder Fahrzeugmodellen.
Der Indizienbeweis: Das Gesamtbild zählt
Um einen gestellten Unfall zu beweisen, stützen sich Versicherungen auf den sogenannten Indizienbeweis. Das bedeutet, es gibt in der Regel keinen einzigen „Rauchenden Colt“ oder ein klares Geständnis. Stattdessen werden viele kleine Hinweise und Beobachtungen gesammelt, die für sich genommen vielleicht unbedeutend wirken, aber in ihrer Gesamtheit ein starkes Bild ergeben.
Stellen Sie sich vor, Sie setzen ein Puzzle zusammen. Kein einzelnes Puzzleteil zeigt das ganze Bild. Aber wenn Sie viele Puzzleteile, die alle in eine bestimmte Richtung deuten, richtig zusammensetzen, erkennen Sie am Ende klar das Motiv. Ähnlich ist es beim Indizienbeweis: Die Summe der Indizien – also die Kombination aus technischen Gutachten, widersprüchlichen Aussagen, auffälligen Umständen am Unfallort und Mustern aus früheren Schadenfällen – muss so überzeugend sein, dass kein vernünftiger Zweifel an der Inszenierung des Unfalls bleibt. Die Versicherung muss somit nachweisen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen gestellten Unfall handelt, wesentlich höher ist als die Wahrscheinlichkeit eines echten Unfalls.
Welche schwerwiegenden Folgen drohen, wenn ich bei einem gestellten Unfall beteiligt bin?
Die Beteiligung an einem gestellten Unfall – also einem Vorfall, der vorsätzlich herbeigeführt oder vorgetäuscht wird, um Versicherungsleistungen zu Unrecht zu erhalten – hat ernsthafte und weitreichende Konsequenzen. Dies betrifft nicht nur den Verlust von Ansprüchen, sondern auch erhebliche finanzielle und strafrechtliche Belastungen.
Gravierende zivilrechtliche und finanzielle Auswirkungen
Wenn eine Versicherung feststellt, dass ein Unfall gestellt war, verlieren Sie jeglichen Anspruch auf Versicherungsleistungen. Das bedeutet, dass die Versicherung den entstandenen Schaden weder an Ihrem Fahrzeug noch an dem anderer Beteiligter reguliert. Dies hat mehrere drastische Auswirkungen:
- Ablehnung der Schadensregulierung: Die Versicherung zahlt nichts für die Reparatur Ihres Fahrzeugs oder anderer Schäden, die angeblich entstanden sind.
- Rückforderung bereits gezahlter Leistungen: Sollte die Versicherung bereits Geld (z.B. für Reparaturen, Mietwagen, Gutachten) ausgezahlt haben, wird sie diese Beträge von Ihnen vollständig zurückfordern.
- Übernahme aller Kosten: Sie müssen alle Kosten selbst tragen, die durch den angeblichen Unfall entstanden sind. Dazu gehören:
- Reparaturkosten des eigenen Fahrzeugs und, falls beteiligt, des Fahrzeugs der Gegenseite.
- Kosten für Abschleppdienste, Mietwagen und Sachverständige (Gutachterkosten), die den Schaden begutachtet haben.
- Gerichtskosten und Anwaltskosten der Gegenseite, falls es zu einem Prozess kommt und Sie unterliegen. Dies gilt auch für eigene Anwaltskosten, die nicht von einer Rechtsschutzversicherung übernommen werden, da diese bei vorsätzlichen Straftaten den Schutz verliert.
- Schadenersatzansprüche: Wenn Sie durch den gestellten Unfall Dritten (z.B. der unschuldig beteiligten Partei, deren Fahrzeug tatsächlich beschädigt wurde oder die verletzt wurde) einen Schaden zugefügt haben, können diese Schadensersatz und Schmerzensgeld direkt von Ihnen fordern. Ihre Haftpflichtversicherung würde in diesem Fall aufgrund der Vorsätzlichkeit nicht zahlen.
- Auswirkungen auf den Versicherungsschutz: Eine solche Verwicklung führt in der Regel zur Kündigung Ihres Versicherungsvertrages durch die Versicherungsgesellschaft. Es wird für Sie zukünftig extrem schwierig, überhaupt noch eine neue Kfz-Versicherung zu finden, und wenn, dann nur zu deutlich schlechteren Konditionen und höheren Prämien.
Schwerwiegende strafrechtliche Konsequenzen
Die Beteiligung an einem gestellten Unfall ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat mit erheblichen strafrechtlichen Folgen:
- Versicherungsbetrug (§ 263 Strafgesetzbuch – StGB): Dies ist der häufigste Vorwurf. Wer einem Versicherer vorspiegelt, es habe einen Unfall gegeben, um Leistungen zu erhalten, begeht Betrug. Die Strafen können von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen reichen. Bei einem besonders schweren Fall des Betruges, etwa wenn gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande gehandelt wird, drohen höhere Freiheitsstrafen.
- Prozessbetrug (§ 263 StGB in Verbindung mit §§ 22, 23 StGB): Kommt es infolge des gestellten Unfalls zu einem Gerichtsverfahren (z.B. weil die Versicherung die Zahlung verweigert und Sie klagen), und Sie oder andere Beteiligte legen wissentlich falsche Beweismittel vor oder machen falsche Angaben vor Gericht, um sich unrechtmäßig Vorteile zu verschaffen, begehen Sie Prozessbetrug. Auch dieser kann mit hohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen geahndet werden.
- Weitere mögliche Delikte: Je nach den genauen Umständen können auch weitere Straftatbestände erfüllt sein, wie etwa:
- Vortäuschung einer Straftat (§ 145d StGB): Wenn der Unfall als Straftat (z.B. Fahrerflucht) gemeldet wird, obwohl er gestellt war.
- Falsche Verdächtigung (§ 164 StGB): Wenn eine unschuldige Person fälschlicherweise als Unfallverursacher benannt wird.
- Urkundenfälschung (§ 267 StGB): Wenn gefälschte Dokumente (z.B. Reparaturrechnungen, Unfallberichte) eingereicht werden.
Langfristige Auswirkungen
Über die unmittelbaren finanziellen und strafrechtlichen Folgen hinaus kann eine Verurteilung wegen Betrugs weitreichende persönliche und berufliche Nachteile mit sich bringen. Ein Eintrag ins Führungszeugnis kann berufliche Karrieren beeinträchtigen und soziale Stigmatisierung zur Folge haben. Dies verdeutlicht die große Ernsthaftigkeit, die der Gesetzgeber derartigen Handlungen beimisst.
Was sollte ich tun, wenn meine Versicherung meinen echten Unfall verdächtigt, gestellt zu sein?
Wenn Ihre Versicherung einen von Ihnen gemeldeten Unfall als „gestellt“ oder inszeniert verdächtigt, obwohl er sich tatsächlich ereignet hat, kann dies eine schwierige Situation sein. Es ist wichtig, ruhig zu bleiben und systematisch vorzugehen, um Ihre Position zu stärken. In einer solchen Situation geht es darum, die Echtheit des Unfallhergangs eindeutig nachzuweisen.
Umfassende Dokumentation ist entscheidend
Der erste und wichtigste Schritt ist eine lückenlose und detaillierte Dokumentation des Unfallhergangs. Jedes Detail, das Sie zum Zeitpunkt des Unfalls erfassen konnten, wird jetzt wertvoll.
- Fotos und Videos: Halten Sie den Unfallort, die beteiligten Fahrzeuge, Schäden, Bremsspuren, Straßenverhältnisse und die Umgebung aus verschiedenen Perspektiven fest. Zeitstempel auf den Aufnahmen können hilfreich sein.
- Zeugen: Wenn es Zeugen gab, notieren Sie deren vollständige Kontaktdaten. Eine schriftliche Aussage der Zeugen zum Unfallhergang, idealerweise unmittelbar nach dem Vorfall verfasst, kann später von großer Bedeutung sein.
- Polizei und Unfallbericht: Wurde die Polizei gerufen, notieren Sie das Aktenzeichen des Polizeiberichts. Füllen Sie den europäischen Unfallbericht sorgfältig und präzise aus, auch wenn die Polizei vor Ort war. Jede Angabe sollte den Fakten entsprechen.
- Medizinische Dokumentation: Falls Personen verletzt wurden, sorgen Sie für eine umgehende medizinische Untersuchung. Ärztliche Atteste, Diagnosen und Behandlungsnachweise dienen als wichtiger Beleg für die Unfallfolgen.
Die Rolle eines unabhängigen Sachverständigen
Gerade wenn es um Schäden am Fahrzeug geht, kann die Beauftragung eines unabhängigen Sachverständigen entscheidend sein. Dieser Experte kann den Schaden objektiv begutachten, ein Gutachten über die Plausibilität des Unfallhergangs erstellen und die Reparaturkosten kalkulieren. Ein solches Gutachten ist eine professionelle Einschätzung, die dem Verdacht der Versicherung entgegentreten kann, indem sie die technische Nachvollziehbarkeit des Geschehens bestätigt.
Die Beweislast liegt bei der Versicherung
Ein zentraler juristischer Grundsatz ist die Beweislast. Im Fall eines Betrugsverdachts liegt die Beweislast primär bei der Versicherung. Das bedeutet, die Versicherung muss konkrete und stichhaltige Beweise vorlegen, die den Vorwurf des gestellten Unfalls untermauern. Es ist nicht primär Ihre Aufgabe, Ihre Unschuld zu beweisen, sondern die Versicherung muss den Betrug nachweisen. Sie haben das Recht zu erfahren, welche konkreten Verdachtsmomente die Versicherung gegen Sie hegt. Ihre umfassende Dokumentation dient dazu, die Argumente der Versicherung zu entkräften und die Echtheit des Unfalls zu belegen. Bleiben Sie in der Kommunikation mit der Versicherung stets sachlich, präzise und bei den festgestellten Fakten. Vermeiden Sie Spekulationen oder emotionale Äußerungen.
Welche Bedeutung haben unabhängige Gutachter bei der Aufklärung von Unfallbetrug?
Unabhängige Gutachter spielen eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung und Abwehr von mutmaßlichem Unfallbetrug. Ihre Expertise ist unerlässlich, um einen Unfall objektiv zu beurteilen und festzustellen, ob ein Schaden tatsächlich wie behauptet entstanden ist.
Die neutrale Expertise des Sachverständigen
Ein unabhängiger Gutachter ist eine Person mit speziellem Fachwissen, die nicht im Auftrag einer der Streitparteien handelt, sondern objektiv und unvoreingenommen den Unfallhergang und die entstandenen Schäden bewertet. Stellen Sie sich einen Gutachter wie einen neutralen Detektiv vor, der mithilfe technischer und physikalischer Gesetze einen Unfall „lesen“ kann. Seine Aufgabe ist es, aufgrund von Fakten ein technisches Bild des Geschehens zu zeichnen.
Wie Gutachten Unfallbetrug aufdecken
Durch ein detailliertes technisches Gutachten kann der Experte Widersprüche und Ungereimtheiten aufdecken, die auf einen inszenierten oder vorgetäuschten Unfall hindeuten. Das geschieht auf verschiedene Weisen:
- Schadensanalyse: Der Gutachter untersucht Art, Umfang und Position der Schäden an den beteiligten Fahrzeugen. Er prüft, ob diese Schäden technisch und physikalisch zu dem geschilderten Unfallhergang passen. Beispielsweise können fehlende Lackspuren oder unpassende Verformungen auf eine Diskrepanz hinweisen.
- Rekonstruktion des Unfallhergangs: Basierend auf den Schäden, den Spuren am Unfallort (falls vorhanden) und den physikalischen Gesetzen kann der Gutachter den Ablauf des Unfalls rekonstruieren. Hierbei wird geprüft, ob die Geschwindigkeiten, Aufprallwinkel und die Bewegungen der Fahrzeuge mit den Aussagen der Beteiligten übereinstimmen.
- Plausibilitätsprüfung: Es wird bewertet, ob der geschilderte Unfallverlauf überhaupt realistisch ist. Ist es zum Beispiel plausibel, dass ein Fahrzeug bei einer bestimmten Geschwindigkeit solche geringen Schäden davonträgt oder umgekehrt?
- Erkennung von Manipulationen: Der Experte kann erkennen, ob Schäden älter sind als der angebliche Unfalltag oder ob sie durch andere Einflüsse als den angeblichen Unfall verursacht wurden.
Ein Gutachter liefert somit technische Beweise, die von Gerichten und Versicherungen als objektive Grundlage für ihre Entscheidungen herangezogen werden.
Bedeutung für Rechtsprozesse und Betroffene
Die Feststellungen eines unabhängigen Gutachters sind von hoher Relevanz im Rahmen eines Gerichtsverfahrens. Sie dienen dazu, die Wahrheit zu ermitteln und eine fundierte Entscheidung zu treffen.
- Für die Aufklärung von Betrugsfällen: Das Gutachten kann belegen, dass ein Unfall nicht wie behauptet stattgefunden hat, was für die Beweisführung in Betrugsverfahren entscheidend ist.
- Für zu Unrecht Verdächtigte: Falls Sie selbst zu Unrecht eines Betrugs verdächtigt werden, kann ein unabhängiges Gutachten dazu beitragen, Ihre Unschuld zu beweisen. Es liefert eine technische Bestätigung Ihrer Darstellung des Unfallhergangs und widerlegt eventuelle Falschbehauptungen.
Durch die detaillierte und neutrale Untersuchung ermöglichen unabhängige Gutachter, Licht ins Dunkel zu bringen und eine faire und gerechte Beurteilung von Unfallgeschehen sicherzustellen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Indizienbeweis
Der Indizienbeweis ist ein Beweismittel im Zivil- und Strafrecht, bei dem nicht ein einzelner, klarer Beweis vorliegt, sondern viele einzelne Hinweise (Indizien) gesammelt werden. Diese Indizien allein sind oft nicht ausreichend, um eine Tatsache zu beweisen, ergeben aber zusammengenommen ein überzeugendes Gesamtbild. Im Kontext des gestellten Unfalls bedeutet das, dass die Versicherung verschiedene Auffälligkeiten und Widersprüche vorträgt, die zusammen zeigen sollen, dass der Unfall inszeniert wurde. Ein Beispiel ist die Kombination aus unlogischem Fahrverhalten, ungewöhnlicher Unfallstelle und auffälligen Fahrzeugen, die gemeinsam den Verdacht erhärten.
Beweislast
Die Beweislast bezeichnet die Verpflichtung einer Partei in einem Rechtsstreit, bestimmte Tatsachen zu beweisen, um einen Anspruch durchzusetzen oder abzuwehren. Im Fall eines behaupteten gestellten Unfalls liegt die Beweislast bei der Versicherung, das heißt, sie muss mit Beweisen und Indizien belegen, dass der Unfall tatsächlich inszeniert wurde. Für den Kläger reicht es also nicht, nur seine Version darzustellen; die Versicherung muss das Gericht von der Falschheit des Unfallhergangs überzeugen. Dieses Prinzip ist in § 286 der Zivilprozessordnung (ZPO) verankert und sorgt dafür, dass niemand ohne stichhaltigen Beweis verurteilt wird.
Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen
Ein Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen ist ein fachlich neutraler Bericht über die technische Analyse eines Sachverhalts, hier des Unfallhergangs und der Fahrzeugschäden. Der Sachverständige prüft, ob die angegebenen Abläufe mit den physikalischen Gegebenheiten und den Spuren an den Fahrzeugen übereinstimmen. Dadurch kann er Hinweise auf Widersprüche oder Unstimmigkeiten aufdecken, die für oder gegen einen gestellten Unfall sprechen. Beispiel: Wenn das Gutachten zeigt, dass der Schaden nur durch eine bestimmte Fahrweise verursacht werden kann, die im Unfallbericht nicht genannt wird, kann dies Zweifel an der Schilderung wecken.
Fiktive Abrechnung
Die fiktive Abrechnung ist ein Abrechnungsverfahren im Versicherungsrecht, bei dem der Geschädigte die Reparaturkosten auf Basis eines Gutachtens geltend macht, ohne dass das Fahrzeug tatsächlich repariert wird. Dies ist zulässig, wenn der Geschädigte nicht reparieren lassen möchte, aber dennoch Ersatz für den erlittenen Schaden verlangt. Im Fall eines betrügerischen Unfalls wird die fiktive Abrechnung oft missbraucht, um Reparaturkosten zu erschleichen, die gar nicht anfallen, weil das Fahrzeug weiter genutzt wird. Beispiel: Ein Betrüger meldet einen nicht wirklich stattgefundenen Unfall und fordert die Reparaturkosten vom Versicherer, obwohl das Auto gar nicht repariert wird.
Gestellter Unfall
Ein gestellter Unfall ist ein Unfall, der nicht durch zufällige Kollisionen oder Unaufmerksamkeit entstanden ist, sondern absichtlich herbeigeführt oder vorgetäuscht wird, um von Versicherungen unrechtmäßig Geld zu erhalten. Es fehlt der unvorhersehbare Zufallscharakter, stattdessen ist der Unfall geplant und inszeniert. Dies stellt einen Versicherungsbetrug nach § 263 StGB dar und hat strafrechtliche sowie zivilrechtliche Konsequenzen. Beispiel: Zwei Autofahrer verabreden, einander zu „streifen“, damit der eine von der Versicherung die Reparaturkosten erhält, obwohl kein echter Unfall stattgefunden hat.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Straßenverkehrsgesetz (StVG), insbesondere § 7 StVG: Dieses Gesetz regelt die sogenannte Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters. Das bedeutet, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs bereits dann für Schäden haftet, die beim Betrieb des Fahrzeugs entstehen, wenn lediglich eine Gefahr von diesem ausgeht – auch ohne eigenes Verschulden. Es geht um die typischen Gefahren des Straßenverkehrs, die Schäden verursachen können. Diese Haftung ist im deutschen Recht eine wichtige Grundlage für Schadensersatzansprüche bei Verkehrsunfällen. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieser Paragraph bildet die primäre rechtliche Grundlage, auf der der Kläger seinen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Halter des anderen Fahrzeugs und dessen Haftpflichtversicherung geltend gemacht hat.
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 823 BGB und Grundsätze der Rechtswidrigkeit und des Schadensersatzes: Der § 823 Abs. 1 BGB ist die zentrale Norm für unerlaubte Handlungen im deutschen Zivilrecht. Er besagt, dass jemand, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dem Geschädigten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist. Ein entscheidendes Element ist dabei die „Rechtswidrigkeit“ der Schädigung. Hat der Geschädigte in die Schädigung eingewilligt, entfällt diese Rechtswidrigkeit, und es besteht kein Anspruch auf Schadensersatz. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht lehnte den Schadensersatzanspruch des Klägers ab, da es feststellte, dass dieser in den „Unfall“ eingewilligt hatte, wodurch die Rechtswidrigkeit der Schädigung entfiel.
- Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere Grundsätze der Beweislast und des Indizienbeweises: Die Zivilprozessordnung regelt den Ablauf von Zivilgerichtsverfahren, einschließlich der Fragen, wer welche Tatsachen beweisen muss (Beweislast). Grundsätzlich muss jede Partei die Tatsachen beweisen, die für sie günstig sind. Ein Indizienbeweis liegt vor, wenn eine Tatsache nicht direkt bewiesen werden kann, aber aus einer Kette von gesicherten Begleitumständen (Indizien) auf ihre Existenz geschlossen wird. Viele kleine, für sich unzureichende Hinweise können in ihrer Gesamtheit ein klares Bild ergeben. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die beklagte Versicherung trug die Beweislast dafür, dass der Unfall manipuliert war, und konnte dies erfolgreich durch eine überzeugende Indizienkette, insbesondere durch das Sachverständigengutachten, nachweisen.
- Versicherungsvertragsgesetz (VVG), insbesondere § 103 VVG: Das Versicherungsvertragsgesetz regelt die Rechte und Pflichten zwischen Versicherungsnehmern und Versicherungsunternehmen. Gemäß § 103 VVG ist der Versicherer von der Leistungspflicht frei, wenn der Versicherungsnehmer den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat. Diese Regelung soll Versicherungsbetrug verhindern und stellt sicher, dass die Versicherergemeinschaft nicht für selbstverursachte oder manipulierte Schäden aufkommen muss. Sie schützt das Prinzip der Solidargemeinschaft der Versicherten. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Aufgrund des durch Indizien bewiesenen manipulierten Unfalls war die beklagte Haftpflichtversicherung gemäß dieser Vorschrift von ihrer Leistungspflicht befreit und musste den geltend gemachten Schaden nicht regulieren.
Das vorliegende Urteil
LG Mönchengladbach – Az.: 12 0 282/19 – Urteil vom 07.06.2025
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz